[98] 19. Eloge de feu Monsieur **nd

Ecrivain tres celebre en poesie et en prose.

Dedié au beau sexe de l'Allemagne.
Das gute Mädchen.

Wie schwingt mein Herz für Freude sich?
Ihr Götter was ergreiffet mich?
Ist dieser Mann mit plumpen Schwerdt,
Wär' dieser Wilde liebenswerth?
Auf seinem Munde sitzt der Muth,
Aus seinem Auge blitzt die Wuth,
Sein blondes ungekämmtes Haar
Sträubt sich entgegen der Gefahr,
Sein Blick ist Todt – doch häng' ich dran
Und fühl' es, daß er lieben kann.
Der Wilde.

Mit diesem Arm, der ihn zerschlug
Den leimern Götzen, drückt' ich Dich,
Ach Engel liebtst Du mich!
An dieses Herzens Adlerflug.
Der nervenlose Kerl ist Dein nicht werth,
Drum tödtet' ihn mein Schwerdt.

[99] 1.
Der neue Amadis

Welch eine schöne Kunst Zerstöhrungen zu mahlen
Und das wie Herostrat von Idealen?
Welch ein Triumph, dem Todten, welcher ringt
Ein edler Mensch zu seyn, zu weisen – wie er stinkt
Wie er vom Berg an den er Steine welzet
Herab Kopfüber purzelt und zu Staub zerschmelzet.
Ein heldenhaft Bemühn! o Lorbeerwerth
So lang ein Armer noch die Zahl vermehrt
Zur Ewigkeit der Ewigkeit hinüber.
Wer sähe nicht die nackte Wahrheit lieber
Als tausend schöne Lügen, die der Geist
Allein geheckt und auch allein geneußt?
Die ihm so oft die Wirklichkeit geraubet,
Die nur erfreun, so lang er an sie glaubet,
Von denen er, wenn er befangen wird,
So oft hinab zur Sinnlichkeit verirrt.
Kurzum die nichts sind. Wollt ihr euch bekehren
Kommt nur zu mir, ich will euch Wahrheit lehren,
Im sinnlichen Genuß ganz aufgelöst –
Da fühlt ihr sie, da seht ihr sie entblöst;
Das andre all ist nichts, ist Dunst, sind Träume
Und steht nur dazu da, daß es sich reime.
O Wahnwitz der die Dichterwelt regiert
Und manches schöne Kind durch sie verführt!
O Raserey! die ihr Gehirn verstimmet,
Daß oft ihr blitzend Aug in süssen Träumen schwimmet,
Daß halbgeöfnet ihr entzückter Mund
[100]
Dem unsichtbaren Liebsten laut ihr Herz gestund,
Daß ihre Wangen glühn, die schönen Wangen
An denen Amors halb verzweifelt hangen
Und ihre Hände ringen, daß sie nun
In Tränen baden, nicht mehr närrisch thun.
O Schönen hört mir zu, laßt euch entfärben,
Ihr seyd betrogen, Liebe ist Verderben.
Sie tödtet eure Freuden, sie ist Dunst.
Willfahret jedem, gönnet eure Gunst
Dem ersten besten Haushahn auf zwey Beinen –
So seyd ihr glücklich, braucht nicht mehr zu weinen;
Fühlt immer Herzweh, werdt des Lebens froh,
Brennt unaufhörlich wie ein Bündel Stroh,
Bis ihr zerflattert, bis der Wahrheit müde
Ihr sanft entschlummert: dann verwest im Friede.

W – nd.

2.
Die Grazien

Wie? unsern Gürtel hat er aufgelöst?
Wie? unsre süsse Schüchternheit entblöst?
Mit ungeweyhten kühnen Bärenpfoten
Zerrissen unsre feinen Liebesknoten,
Womit oft Jahre lang die Jüngferliche Hand
Ein unverrauchtes gutes Herz umwand?
Und das erhebt man? uns die wir erschrocken
Versteinert standen, unsre seidnen Locken,
Den drinn verwahrten Veilchenkranz zerzaust
Und wie mit Gassenmenschern 'rumgehaust?
Ihr Götter Rache, Rache! ganz verachtet
Stehn wir anitzt, von jedem Gauch betrachtet
Gehöhnt, gestossen, ausgelacht
[101]
Als wären wir für ihn gemacht.
Kein edler Mann darf ohne sich zu schämen
Jetzt mehr vor uns den Hut herunter nehmen.
Kein Jüngling mehr, in dem noch Flammen wehn
Bleibt ohn' Erröthen bey uns stehn.
Ach unsre Macht ist aus, wir sind entehret.
Ein jeder schale Kopf verraucht, zerstöret,
Rühmt sich anjetzt mehr als vertraut, gemein
Initiirt in unserm Dienst zu seyn.
O Rache Rache Götter! in der Larve
Der Weißheit stand er da wie Mendelson und Garve.
Voll Demuth schlich er, mit mehr Aengstlichkeit,
Als ehmals Ritter sich Prinzeßinnen geweiht.
Er kniete, ach er schmeichelte,
Wir halfen ihm aus Mitleid' in die Höh,
Wir lächelten ihm Muth ein – wie ein Tyger
Fiel er über uns her und spannte wie Römische Sieger
Uns vor seinen Wagen und lachte und jubelte drob
Und ewiger Hohn ward uns sein Lob.
Komm mache dich auf Apoll, komm dein Gefolge zu rächen!
Sonst werden Furien selbst am Ende Hohn uns sprechen,
Und scheusliche Larven auf unserm Ruin
Olinden sich nennen und Bastarde ziehn.

[102] 3. Palinodie

Was scheibst du armer Persifflant, was lärmst du doch?
Es gilt ja nichts, geh schweig' und lerne noch!
Herunter mit dem Herzen! mitgeschworen
Zur bunten Fahn' der klaßischen Autoren,
Geh lern' gemeinen Sinn 1, geh lern' Geschmack,
Betäub' dein reges Hirn mit Rauchtoback,
Die linke Hand beständig in den Hosen –
Nur so gelingt es dir, den Ohren liebzukosen.
Beym dritten Wort Schäsmin, beym vierten Grazien
Macht Herz und Augen zu Ergiessungen,
Mit Noten ohne Zahl von Sylph und Faunen
Machst du die Journalisten staunen.
Ach sey ein grosser Mann und lecke wer dich leckt,
Associire dich, sonst wirst du nie geschmeckt.
Das deutsche Publicum weiß nimmer aufzuhören;
Rennt's einmal einen Weg, so ists nicht umzukehren.
Wer's einmal an sich zog, der schwatz und stelle sich
Mein'thalben auf den Kopf, er zieht es ewiglich.
Sobald es ihm gefällt das Mäulchen krumm zu machen,
So lacht's und lacht's ein unauslöschlich Lachen 2
Und wenn er's wieder dann zusammen zieht,
Sind's alle Nioben, die weinen in sein Lied.
Es steht ja nur bey dir dich mit ihm einzudrängen;
Häng dich an ihn mein Sohn, sonst bleibst du hängen.
[103]
Wer grad vor sich aus beyden Augen sieht,
Hat Schlangen um den Kopf, die jeder flieht.
Ein überspanntes Hirn nur darf sich trauen,
Die scheußliche Medusa anzuschauen,
Und wollte gar ein Kerl behaupten, sie sey schön 3
So wär' er ein Genie, wie wir das Wort verstehn:
Ein Ungeheur mit funkelnd hohlem Munde
Mit mehr als einem bösen Feind im Bunde,
Ein wilder Gems der immer Hopsa springt
Und Gaßner 4 selbst nicht mehr in Ordnung bringt.
Schneid immer hübsch die Federn, eh du schreibest,
Schlag die Excerpten auf, putz dir die Nägel, bleibest
Du eine Stund' am Pult, so müßt' es schändlich seyn,
Stieg' nicht mit Haus und Hof Apoll in dich hinein –
Mit Gratien und Amoretten. Deine Lieder
Wie werfen sie den Drachen Python nieder,
In dessen rauhem Ohr die holde Melodie
Unendlich sich verliert in tiefe Apathie.
Er frißt dich nicht, du hast ihn überwunden,
Er spielt mit dir in Dauungsstunden.
Nur eines noch. Seit kurzer Zeit
Treibt man das Ding mit mehr Verschlagenheit.
Man nennt sein Tage nichts bey Namen,
Man hustet, winkt – aus Achtung für die Damen,
Die uns denn schon, sind ihre Seelen schön,
Aufs Zehntheil eines Worts verstehn.
Das giebt denn ein Gelächel, ein Geflüster
Als wärens Herrenhuts Geschwister,
Und gienge gleich mit Creutzluftvögelein
Ins blaue Cabinet hinein.
Gottlob und Dank es sind der schönen Seelen
Soviele schon, daß uns die Sänger fehlen,
[104]
Und wie den Sand am Meer schafft Frau Mama Natur
Die Abonnenten zum Merkur.
Sing ihnen nach und lecke deine Reime
Wie Bären ihre Brut. An diesem Vogelleime
Klebt jegliches Insekt, vertieft mit Wollust sich
Und stirbt den süssen Tod und seegnet dich
Noch schnappend, stammelnd, mit gebrochnen Augen
Und glaubt Ambrosia zu saugen.
Welch ein Triumph! in deinem Bernstein findt
Die Nachwelt einst wie manches schöne Kind,
Das deiner Influenz sich willig überlassen,
Froh am Altar der Venus zu erblassen.

Fußnoten

1 Sens commun.

2 Ein Ausdruck Homers.

3 Winkelmann will, die Alten hätten sogar ihre Medusenköpfe schön gebildet.

4 Wunderthäter zu Ellwangen.


Notizen
Entstanden 1775. Erstdruck: Hanau (fingierter Druckort) 1775.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. 19. Eloge de feu Monsieur **nd. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E22C-2