XXXIII. Monduntergang.

(Gedichtet zwischen 1834 und 37, zuerst veröffentlicht nach des Dichters Tode in der Ranieri'schen Ausgabe, 1845.)


So wie in öden Nächten
Auf Feld und Wellen, die von Silber glänzen,
Wo leichte Winde schweben
Und tausend Zauber walten,
Und rings mit Truggestalten
Die Schatten in der Ferne
Gebirg und Meer und Villen
Und jeden Zweig und jede Hecke füllen,
[135]
Nun dicht am Himmelssaume
Hinter Gebirgswand oder in den Schooß
Des Meeres still und groß
Der Mond versinkt und sich die Welt entfärbt
Die Schatten fliehn und nur
Ein dunkler Schleier deckt Gebirg und Flur –
Und dann im blinden Schweigen
Der Nacht mit einsam klagendem Gesang
Den Nachglanz des Gestirns, das seinem Wagen
Die Leuchte vorgetragen,
Der Kärrner grüßt den müden Pfad entlang: –
So schwinden, so entschweben
Sehn wir dem Erdenleben
Die Jugend. So von hinnen
Flieht aller Schein und Schatten
Holdsel'gen Wahns; die hoffenden Gedanken,
Die uns vertröstet hatten
Auf eine Zukunft, sinken und verblassen.
Umnachtet und verlassen
Ist nun das Leben. Mit verwirrten Sinnen
Umblickend, sucht der Wandrer ach, vergebens
Des langen Wegs, den er noch vor sich ahnt,
Ziel oder Zweck und sieht,
Wie fremd ihm das Gebiet,
Und er – wie fremd er ward im Reich des Lebens.
Zu froh und glücklich noch
Würd' unsre Erdennoth
Dort oben scheinen, wenn die Jugendzeit,
Wo jedes Gut die Frucht von tausend Leiden,
Fortwährte durch den ganzen Lebenslauf;
Zu gnädig das Gesetz,
Das jeder Creatur verhängt den Tod,
Wär' nicht ein halbes Leben
[136]
Uns noch zuvor gegeben,
Das härter ist als alle Todesschrecken.
O göttlicher Erfindung
Höchst würdig, aller Uebel
Unseligstes, verliehen uns die Ew'gen
Das Alter, wo die Wünsche
Noch glühend sind, die Hoffnung längst erloschen,
Versiegt der Freuden Quell und stets sich häuft
Das Weh, in das kein Tropfen Wonne träuft.
Ihr Hügel und Gefilde,
Nicht lang nachdem der Glanz hinabgesunken,
Der das Gewand der Nacht in Silber taucht,
Nicht lange sollt ihr harren,
Verwais't und bang; bald naht die Morgenfrühe,
Die dämmernd überhaucht
Euch und den Himmel und das Meer von Neuem.
Und auf dem Fuß ihr folgt die hehre Sonne,
Die, in die Runde sendend
Die allgewalt'gen Gluten,
Mit ihren Strahlenfluten
Euch überströmt zusammt den Aetherfluren.
Doch unser Menschenleben, wenn die schöne
Jugend entschwand, erhellt sich fürder nicht
Von anderm Strahl, von anderm Morgenlicht.
Hinfort bleibt es verwittwet, und am Ende
Der Nacht, die düster sinkt auf uns herab,
Harrt unser nach der Götter Schluß – das Grab.

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TextGrid Repository (2012). Leopardi, Giacomo. Lyrik. Gesänge. 33. Monduntergang. 33. Monduntergang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E452-D