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An einen guten Freund über dem Abschiede von seiner Liebsten

Freund, da ieder sich ietzt freut, daß mit dieses Winters Frösten
Auch deß langen Krieges Eiß werde schmeltzen und den Lüsten
Nechsten Frühlings sich die Zier auch deß Friedens mischen ein,
O, so seh ich dein Gesicht trübe, blaß, naß, kräncklich seyn.
Wolte Gott! noch dir noch mir wär die Ursach also kündig!
Mir zwar ist sie in dem Sinn, aber dir, dir ist sie fündig,
Wo du hin gehst, sihst und stehst, was du denckest, was du thust;
Drüber mangelt leider dir deine Friedens-Frühlings-Lust.
Deine Frieden-Frühlings-Lust hat deß Krieges raues stürmen
Offt geblast, doch nie gestürtzt; aber ach! deß Grabes Würmen
Gab der Tod zum Opffer sie, ohngeacht das halbe Theil
Deiner dran verbunden hing, auch wol gar dein sterblich Heil.
Weder Schatz, wie groß er sey, ist uns Männern so ersprießlich,
Weder Freund, wie gut er sey, ist uns Männern so genißlich,
Als der uns in Armen schlieff; dann die angetreute Treu
Herrschet über Leid und Zeit, wird durch alt seyn immer neu.
Wem ist mehr als mir bewust, wie die Jugend eurer Liebe
Erstlich wuchs und weiter wuchs? Aller Grund, worauff sie bliebe,
War die Treu und Redligkeit. Anders was das tauret nicht;
Was sich auff vergänglich Ding stützet, das verfällt und bricht;
Was die Tugend baut, das steht. Wann ich dencke mehr zurücke
Auff die nun verrauchte Zeit, auff mein mir begrabnes Glücke,
Denck ich auch zugleiche fort auff der Freundschafft Schwesterschafft,
Drinnen dein und meine Lust unverbrüchlich war verhafft,
Wie sich dein und meine Lieb unter sich so lieblich liebten,
Auch deß Blutes nahe Pflicht durch vertraute Sinnen übten.
Als der Tod mein erste Treu gleich verbarg in frischen Sand,
Dennoch hat das liebe Mensch ein vertrautes Freundschaffts Band
Auff die Meinen unverfälscht immer fort und fort erstrecket,
Biß nun auch deß Todes Neid ihr das letzte Ziel gestecket.
Sey gesichert, treuer Freund, daß dein Augen nicht allein,
Sondern mir und meinem Haus in Gesellschafft wäßrig seyn.
Welcher das gemeine Falsch, das die Welt für Witz verhandelt,
Kennt und hasst, dem wird sein Hertz auff betrübten Mut gewandelt,
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Wann ein redlich-fromer Christ hin sich sichert in den Sarck,
Weil das From geschwächt dadurch und verstärcket wird das Arg.
Nun was hilffts? Es muß so seyn! in der Welt von Kindes Beinen
Hat man, daß der Mensch verstarb, hören klagen, sehen weinen;
Nun sie auff der Gruben geht, wird es anders wol nicht seyn,
Als daß iederman in ihr, sie auch kürtzlich selbst geht ein.
Ey gar gut! was dünckt uns wol, wann wir stetig solten leben,
Solten stets der Teuffeley dieser Welt seyn untergeben?
Nemen wir noch eine Welt und bestünden noch einmal,
Was bißher uns dreissig Jahr zehlten zu an Noth und Qual?
In der Welt sey, was da wil, find ich doch nichts beßres drinnen,
Als daß fromes Bieder-Volck selig endlich sterben künnen,
Destomehr weil nun die Welt wie ein kindisch-alter Greiß
Beissig, garstig, satsam wird, bloß auch nur zu nuseln weiß.
Weiche Gott und rechtem Sinn, werther Freund, und dich zusammen
Sey zu sammlen nur bemüht! was dir Gott zu deinem Stammen
Vor an lieben Kindern gab, wie daß er sie wieder nam?
Daß die Mutter, wust er wol, ihnen bald hernacher kam.
Auch den Sohn, der eher starb, eh er anfing hier zu leben,
Der mit finstrer Nacht beringt, sich zum Grabe vor gegeben,
Eh er sich ans Licht begab, hieß der HERR gehn nahe vor,
Daß die Mutter er sagt an oben in der Engel Chor.
Weil nun Gott die Mutter nam, o, so wird sich noch wol zeigen,
Wo sich Gottes weiser Rath dir zum besten hin wird neigen.
Deine Friedens-Frühlings-Lust hat deß Todes Tuch verhüllt;
Aber sind wir wol gewiß, daß sich gäntzlich setzt und stillt
Alles Unfalls zornig Meer; ob sich Fried im Frühling finde,
O, wer ist, der dieses glaubt? Wer es glaubt, der wird zum Kinde.
Welt wird immer bleiben Welt, ist deß bösen so gewohnt,
Daß sie dem, der nicht wie sie raset, spöttisch abelohnt.
Gibt der HERR den Frieden gleich, o, es wil mich immer düncken,
Wie ich noch seh seinen Arm außgestrecket, uns zu wincken,
Weil so sicher wir, verstockt, ja so wenig danckbar seyn!
Wissen wir, was wir von Brot künfftig werden sammlen ein,
Weil der Himmel fast ein Jahr so gar reichlich wollen weinen?
Wissen wir, ob Mensch und Vieh sich wird sicher künnen freyen
Für der Seuchen schneller Gifft? O, wer weiß, was sonst für Joch
Uns der Unfall unversehens sonsten wo kan schnitzen noch!
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Weil der Teuffel nun forthin wird vom kriegen müssig werden,
Wird er sonst gar wirtlich seyn uns zu kochen viel Beschwerden.
Was die Welt schätzt also gut, daß man Hab und Gut erwirbt,
Lieber, wem ist dieses gut? O, durch welchen man vertirbt,
Diesem lohnt man miete noch. Wie die Honig-Meisterinnen,
Wie das Wollen-Träger-Volck, was sie sammlen, sammlen künnen
Ihnen selbst nicht: So auch wir müssen lassen machen Preiß,
Drüber auff dem Maule lag, auch wie Wasser man goß Schweiß.
Drum so bleibt nur dieses gut: Wen der Tod hat weggenummen,
Dieser ist gestorben nicht; dieser ist zum Leben kummen;
Dann hier ist der sichre Port aller Unvergängligkeit;
Dann hier ist die feste Burg aller stoltzen Sicherheit.

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TextGrid Repository (2012). Logau, Friedrich von. Gedichte. Sinngedichte. Salomons von Golaw deutscher Sinn-Getichte andres Tausend. Desz andren Tausend andres Hundert. 70. An einen guten Freund über dem Abschiede von seiner Liebsten. 70. An einen guten Freund über dem Abschiede von seiner Liebsten. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-FD74-5