Thibaut von Champagne

»Heim bin ich aus dem Morgenland an Seel und Leib gesund,
Mich durstet' in der Wüste Sand nach Euerm frischen Mund,
Ihr bliebet mir ein treues Weib, da steht mein Glaube fest,
Drum bring ich Euch das Schönste mit, was sich bescheren läßt.«
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Die Gräfin wandelt auf und ab in einem sachten Schritt.
Sie las den Brief und las den Brief. »Was bringt der Graf mir mit?
Ist's wohl ein Span vom echten Kreuz? Den küßt ich voller Scheu!
Ist's in dem Zwinger ein Getier? Ein Pardel oder Leu?
Ist's dünnen Schleiers Spinneweb, das Werk der Feienhand?
Ein Perserteppich, wie der Fuß noch keinen weichern fand?
Ist's denn ein lichter Edelstein? Ist's ein Geschirr von Gold,
Daraus sich feiner Rauch empor in blauen Wölklein rollt?«
Der Türmer ruft. Das Tor erfüllt der freud'ge Pilgerzug:
Barhaupt der Graf in seinem Helm wohl hundert Rosen trug,
Auf manchem Wagen schwankte dann manch tönernes Geschirr,
Darüber blüht' ein Rosenhain in würzigem Gewirr.
Der Gräfin Näschen sog den Duft, das Mündchen zeigt' Verdruß,
Dann lächelt's zu dem leichten Hort und bietet sich dem Kuß –
»Wie selig bin ich, liebe Frau, daß Euch der Flor gefällt!
Die Rosen von Damaskus sind die vollsten auf der Welt!
In hundert Kübeln schleppten wir den Rosenwald an Bord,
Er wär mir in der Sonnenglut verdorben und verdorrt,
Neun Tage stürzte Regenguß, der schier das Schiff versenkt –
Ich dachte nur, ich lachte nur: Wie der die Rosen tränkt!
Entpanzert, Knappen, mir die Brust, noch bin ich erzumschient!
Ich habe meinen Himmel hier und einen dort verdient!
Mit Rosen will ich drum zu Tisch, mit Rosen schlummern gehn,
Mit Rosen steigen in die Gruft, mit Rosen auferstehn!«

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TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1892). 7. Frech und Fromm. Thibaut von Champagne. Thibaut von Champagne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-35C1-1