Fünftes Lied

Viel Aufsehn das Urtheil am Hof und im Umkreis erregt,
Vogelschnell der Ruf von Munde zu Munde es trägt,
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Bald kam dem Fräulein die bange Kunde zu Ohren:
»Geächtet sey ihr Gemahl!« Es versagt ihr lange das Wort,
Auf der Zunge, vor Schrecken. »Zum Jammer bin ich geboren!
Schluchzt endlich sie laut. Mein Gemahl, den ich mir erkohren,
Verurtheilt! – Mein einziger Trost, mein Hort!
Betrübte Luitberta! bejammernswürdige Ehe!
Auf immer zog das Glück von mir fern,
Stets schwebte mir vor ein Unglücksstern –
Mein ganzes Leben geht unter in Wehe!«
Verzweifelnd eilt sie im Zimmer umher,
Die Phantasey lässt nur Banges ihr schauen;
Wie zum Hochgericht, gefesselt in Banden schwer,
Den Herzallerliebsten sie schleppen! – Zum Grauen
Anpacken ihn peinlich mit scharfen eisernen Klauen.
Sie rauft hinsinkend die blonden Locken sich, wild,
Erbleicht, ohne Sprache; gleich einem marmornen Bild
Liegt sie, nur rinnen aus ihrem Auge noch Zähren. –
Die Amme will trösten: ich bitte dich, Tochter, halt ein!
Gieb alle Hoffnung nicht auf! Der Geliebte dein
Ist bey Vater Hubert, ich kann's beschwören.
Sie ruft sie – kein Zeichen des Lebens! kein Odemzug!
Schwer furchet, gleich einem eisernen Pflug
Gewissensangst auf der Amme Herzen.
O Jesu Marie! Ihr heil'gen Dulder der Schmerzen!
Steht mir bey! schon trag' ich der Leiden genug!
Ruft weinend sie aus. Ihr Heil'gen steiget hernieder,
Steht in der bängsten Jammerstunde mir bey! –
Kalt bleibt des Fräuleins Stirn, erstarrt ihre Glieder –
Auf springt die Alte verzweifelnd, mit wildem Geschrey:
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Unseel'ge Brüste, die einst den Engel genährt!
Unseel'ge Liebe! nun ist es gethan!
Der Kummer um den Gemahl hat ihr zartes Leben verzehrt.
Mit Klaggeschrey eilt sie im schaurigen Wahn
Bis zu des Königs Gemächern voran. – –
Was störet, rief Geltar, am Throne schon wieder den Frieden?
Ihr Edelknaben, auf! schauet nach!
Da stürzte die Amme herein. Herr König, ach!
Luitberta, die Holde, ist eben im Tode verschieden! –
Starr, wie eine Säule auf einsamem Grab,
Steht Geltar, der König; gleich schwerem Gewicht
Sinkt das Wort ihm auf die Seele herab;
Die Zunge vermag vor Schrecken nicht
Anzudeuten bey ihm des Entsetzens Schauer.
Verschieden? mein Kind? sie verließ
Das Licht des Lebens? wer hat sie getödtet? o sprecht? –
Daß Ihr geächtet Rhin so ungerecht,
Ihren Trauten, das bracht' ihr tödtliche Trauer. –
Verruchte! rief Geltar, ins Angesicht
Darfst Du mir noch pochen? ha! wag' es nicht!
Erzittre! ich werde Rach'gericht halten.
Ihre Ehre, der Jungfrau köstlichstes Pfand,
War dir vertraut, Du botest im Unverstand,
Verräth'rin, zu ihrer Schande die Hand;
Wie hätte so keck sonst die Zücht'ge mögen schalten? –
Von Schande kein Wort! rief die Amme, nein, nein!
Herr König, traut nicht verläumd'rischen Schein,
Denn bey Sankt Bonifaz heil'gem Gebein,
Rhin's Gemahlin Luitberta war züchtig und rein,
Sie segnete der Pater Hubertus ein.
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Ihr Gedächtniß soll Niemand frech beschelten.
Was des Jünglings Vater einst treulich vollbracht,
Euch dreymal thät retten in fährlicher Schlacht,
Wollt' dankbar die Tochter am Sohne vergelten.
Vor Zorn vermochte jezt länger nicht
Der König in Mäßigungs-Schranken zu weilen.
Sie? vermählet mit Rhin? o verdammtes Gezücht,
Wer erheischte von euch, entgegen der Pflicht,
Meiner Tochter Hand dem niedrigen Wicht
Ohne meinen Willen zum Lohn zu ertheilen?
Ihr besudelt mein Blut, ihr verwundet dabey
Mein Herz mit des Meineids giftigen Pfeilen.
Ihr mordet Luitberten! ihr alle Drey
Sollt hangen an einem Baum, ihr Verräther!
Man führe mir eilig den Pfaffen herbey! –
Den Gauner herbergen die frommen Väter?
Zur Hölle die Heuchler! Trug, Meuterey
Erhält man für Wohlthat zurück zum Lohne! –
Das Gebot ward vollzogen. Mit heiterm Gesicht
Tritt Hubert vor den König, bis nahe zum Throne;
Auf Gott vertrau' ich und fürchte nicht
Der Menschen Gewalt. Was will das Gericht? –
Wer hieß dir, rief Geltar, mit Donnertone,
Vermählen mein Kind gegen Ordnung und Recht,
Mit Rhin, dem gemeinen Waffenknecht?
Kennst du mein Ansehn? – Wohl unterthänig
Verehr' ich's, erwiederte ruhig er,
Doch Gottes Gebot liegt am Herzen mir mehr.
Gott ist Herr und Gebieter vom Bettler und König.
Zum Eh'-Sakrament nicht Titel und Rang,
Mann und Weib nur bedarf es. So hat es schon lang
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Der Schöpfer in Eden eingesetzet,
Und will, daß es freventlich Niemand verletzt.
Ja fühlen zwey Würdige heißen Drang
Durch heil'ge Satzung sich zu vereinen,
Darf ich, als Priester, es nicht verneinen. –
Vernehmt ihr, ruft Geltar, den Schlangengesang?
Hinter Gott verbergen in unsern Tagen
Sich Tücke und Frevel; will Einer nur klagen,
So schüzt ihn die Kutte; doch sollst du mir nicht
Entkommen, du Heuchler, du Bösewicht. –
Soll ich mein Haupt zum Todesblock tragen?
Ich übte meines Berufes Pflicht,
Gab Antwort der Priester, ohne Zagen.
Dem König erregte Mißbehagen
Des frommen Hubertus unerschrocknes Gesicht; –
Da brachte ein Zöfchen den frohen Bericht:
Gekehrt sey wieder das Fräulein ins Leben,
Von einer todtähnlichen Ohnmacht frey,
Und flehe, ihr möge der Vater vergeben!
Laut stimmte der fromme Priester bey.
Ob dieser erquickenden Seelenarzney
Fühlt Geltar vom Herzen mählich sinken
Des Kummers unermeßlich Gewicht.
Er schüttelt das Haupt, doch im Auge blinken
Der Freude Tropfen, ob jenem Bericht:
Verzeihn ihr? und gar noch den Priester ihr senden,
Der ab sie gezogen von kindlicher Pflicht,
Um, was am Verrathe noch fehlt, zu vollenden? –

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TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Gedichte. Nachlese. 24. Zehn Lieder von der Liebe Rhins. Fünftes Lied. Fünftes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5203-7