[75] [77]Tafellieder für Liedertafeln

König Wein

Der König, dem ich diene,
Als treuer, tapfrer Held,
Er ist der größte König
In Gottes weiter Welt.
Die Fahne, der ich folge,
Sie ist ein grüner Zweig,
Der weht vor allen Schenken
In meines Königs Reich.
Ich trage seine Farbe
In meinem Angesicht:
Auf Kragen und Rabatten
Sieht unser König nicht.
Hochroth ist seine Farbe,
Glänzt wie ein Edelstein,
Die Farbe unsrer Feinde
Hat matten, bleichen Schein.
Ihr General und König
Wird Durst auf Deutsch genannt,
Zieht sengend und verbrennend
Durch unsres Königs Land.
Bibamus, eh bibamus!
Ist unser Feldgesang,
Und unsre Schlachttrompete
Ist voller Gläser Klang.
[77]
Auch fehlen nicht die Trommeln,
Auch donnert mancher Schuß:
Wir schlagen auf die Tische,
Wir stampfen mit dem Fuß.
Wir haben scharf geladen,
Wir führen gut Gewehr:
Kanonen sind die Flaschen,
Von edlem Safte schwer.
Wohlauf, wohlauf zum Siege!
Die Nase und der Bart
Sind besser, als im Helme,
In einem Glas bewahrt.
Und wirft ein Hieb mich nieder
In diesem wilden Strauß,
Ich schlafe jede Wunde
In wenig Stunden aus.
Heil dir, mein großer König,
Heil dir und deinem Thron,
Und allen treuen Brüdern
In deinem edlen Frohn!

Schlechte Zeiten, guter Wein

Über schlechte Zeiten
Klag' ich nimmermehr,
Wird von gutem Weine
Nur mein Faß nicht leer.
Willst die Zeitung lesen?
Bruder, geh' zu Bier!
Zu dem Saft der Reben
Schmeckt kein Löschpapier.
Ob auf dieser Erden
Auch von Tag zu Tag
Matter, kälter, schwächer
Alles werden mag:
[78]
Doch der Wein im Fasse
Trotzt der Macht der Zeit,
Fühlet nichts vom Alter
Als die Würdigkeit.
Was das Jahr dem Menschen
Allgemach entrafft,
Das, das giebt's dem Weine:
Gluth und Muth und Kraft.
Wollen's wieder holen
Aus dem Faß hervor,
Was im Flug der Jahre
Jeglicher verlor!
Und wer mit dem Leben
Lebt in Leid und Streit,
Trink' aus altem Fasse
Alte gute Zeit!

Warnung vor dem Wasser

Guckt nicht in Wasserquellen,
Ihr lustigen Gesellen,
Guckt lieber in den Wein!
Das Wasser ist betrüglich,
Die Quellen sind anzüglich:
Guckt lieber in den Wein!
Narciß, der hat's erfahren
In seinen schönsten Jahren:
Er sah nicht in dem Wein,
Nein, in dem Quell der Wildniß,
Sein allerliebstes Bildniß:
Guckt lieber in den Wein!
Trink' ich aus vollem Glase,
Da spiegelt meine Nase
Sich lang und roth im Wein
Sie ist nicht zum Verlieben,
Sie ist nicht zum Betrüben,
Drum guck' ich in den Wein.
[79]
Schon Mancher ist versunken,
Noch Keiner ist ertrunken
In einem Becher Wein.
Die sich darin betrachten,
Sie können nicht verschmachten,
Drum guck' ich in den Wein.
Ihr lustigen Gesellen,
Guckt nicht in Wasserquellen,
Guckt lieber in den Wein!
Doch über euer Gucken
Vergeßt auch nicht zu schlucken:
Trinkt aus, trinkt aus den Wein!

Selbstgenügsamkeit des Zechers

Wenn ich trinke guten Wein,
Fällt es mir mit nichten ein,
Über dieser Erde Schranken
Aufzuschwingen die Gedanken,
Und zu schaun in blaue Fernen
Nach des ew'gen Ruhmes Sternen.
Wenn ich trinke guten Wein,
Will ich nicht im Himmel sein.
Wißt ihr von dem Phaeton,
Phöbus naseweisem Sohn,
Der auf seines Vaters Wagen
Wollte durch den Himmel jagen?
Jupiter mit seinem Blitze
Schmettert' ihn vom Kutschersitze
Häuptlings in den Po hinab,
Und das Wasser ward sein Grab.
Anders ging es nicht dem Kind,
Das aus Kreta's Labyrinth
Wollt' auf seinen eitlen Schwingen
Grad' empor zur Sonne dringen.
Bald zerschmolz das Wachsgefieder,
Und der Vogel stürzte nieder:
In des Meeres bittrer Fluth
Büßt' er seinen tollen Muth.
[80]
Phaeton und Ikarus,
Du im Meer, und du im Fluß,
Hättet ihr hübsch Wein getrunken,
Nimmer wäret ihr gesunken
Von dem hohen Himmelsbogen
In die tiefen Wasserwogen:
Die da trinken guten Wein,
Wollen nicht im Himmel sein.
Wenn ich trinke guten Wein,
Fällt mir oft eur Schicksal ein,
Und ich blick' als frommer Zecher
Nieder in den engen Becher,
Nicht empor nach Ehrensternen,
Nicht hinaus in blaue Fernen:
Wenn ich trinke guten Wein,
Mein' ich, was ich will, zu sein.

Wein, der Lebensbalsam

An dem Strand des grünen Nils,
In dem Reich des Krokodils,
Ließen Männer einst und Weiber
Salben ihre todten Leiber
Mit des Balsams edlem Duft
Für die enge, finstre Gruft.
Ach, was hilft es ihnen doch,
Stehen ihre Leiber noch
Hart und steif in Felsenkammern?
Muß uns nicht der Balsam jammern,
Den man ohne Nutz und Noth
Hat versalbet an dem Tod?
Ich hab' einen andern Sinn:
Weil ich noch lebendig bin,
Will ich meinem Leibe geben
Balsam von der Frucht der Reben,
Der ihn auf der Oberwelt
Frisch und stark und fest erhält.
[81]
Schenket mir vom besten Wein
In den größten Becher ein!
Balsam, wolle du bewahren
Auch noch unter weißen Haaren
Unsre Stirnen glatt und blank,
Unsre Herzen froh und frank!

Doppeltes Vaterland

An der Elbe Strand
Liegt mein Vaterland,
Lieb's von ganzer Seele.
Aber meine Kehle
Ist zu Haus am Rhein,
Dürstet nur nach Wein.
Wem es Freude schafft,
Trinke Brüderschaft
Mit den kalten Fröschen!
Meinen Durst zu löschen
Hol' ich mir vom Rhein
Lebenswarmen Wein.
Spricht ein kluger Mund
Wein sei nicht gesund,
Ei, so trink' er keinen!
Doch mir will es scheinen:
Der den Geist erfreut,
Thut dem Leib kein Leid.
Mancher Medikus
Trank sich aus dem Fluß
Flüsse in die Glieder.
Wein und frohe Lieder!
Heißt mein Rezipe
Wider jedes Weh.
Und muß einst es sein,
Sterb' ich doch an Wein
Lieber als an Pillen.
Vor dem letzten Willen
Leer' ich erst mein Faß
Bis auf's letzte Glas.

[82] Die schönsten Töne

Von allen Tönen in der Welt
Ist keiner, der mir baß gefällt,
Als voller Gläser Klingen,
Wenn einen Spruch, wie 's Herz ihn meint,
Entgegenbringt der Freund dem Freund,
Daß hoch die Tropfen springen.
Auch hör' ich gern des Hammers Schlag,
Der aus den Tonnen allgemach
Den Spund weiß aufzutreiben.
Und wenn der liebe klare Wein
Rinnt plätschernd in die Flaschen ein,
Der Klang ist zum Betäuben.
Hoch springt mir gleich mein Herz empor,
Hör' ich der Winzer Jubelchor
Von einem Berge schallen,
Verkündend gute Erntezeit,
Verheißend Heil und Seligkeit
Uns treuen Zechern allen.
Wer's also meint, der stoße an,
Und wer nicht mit mir singen kann,
Sein Glas das wird doch klingen.
Und wer den Becherklang nicht liebt,
Und wer sich ohne Schmerz betrübt,
Dem soll'n die Kauze singen!

Geselligkeit

Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Mag allein der Geizhals fasten
Neben dem gefüllten Kasten,
Mag der Dieb an dunkler Mauer
Einsam schleichen auf der Lauer.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
[83]
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Mag allein der tiefe Weise
Brüten, bis er wird zum Greise
So zu leben und zu lieben,
Wie's die Schule vorgeschrieben.
Ich bin nicht gern allein.
Mit meinem Glase Wein.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Mag der Mönch in seiner Zelle
Einsam ringen mit der Hölle,
Die mit süßem Bratenrauche
Nachstellt seinem feisten Bauche.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Knäblein, klag' im Mondenscheine
Einsam dem verschwiegnen Haine,
Was die Holde, die dir's lehrte,
Gern mit eignen Ohren hörte.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Wenn verdorben ist mein Magen,
Will ich nach dem Tranke fragen,
Den man muß aus kleinen Flaschen
Ganz allein mit Löffeln naschen.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.
Muß ich einst allein auch sterben,
Lass' ich doch nicht viel zu erben,
[84]
Will mein Lebelang den Becher
Schwingen in dem Kreis der Zecher.
Ich bin nicht gern allein
Mit meinem Glase Wein.

Stundenglas und Weinglas

Der Alte, der die Stunden mißt,
Hat Sand in seinem Glase,
Daher er auch so grämlich ist
Vom Zeh bis in die Nase.
Hätt' er im Glase unsern Wein,
Was würden das für Zeiten sein!
Da würde sie den trägen Schritt
Gar bald verlernen müssen,
Die gute Zeit, sie müßte mit
Auf Händen und auf Füßen,
Sie müßte mit uns, Zug auf Zug,
Hinauf, hinab, in leichtem Flug!
Nun aber rinnt sie stäubchenweis
Durch ihre Nadelöhre,
Und ängstlich guckt der finstre Greis,
Daß nichts den Paß ihr störe.
Und wenn das Glas ist ausgeleert,
So wird es wieder umgekehrt.
Hätt' er im Glase unsern Wein,
Ich glaub', es könnt' geschehen,
Daß dann viel flinker aus und ein
Die Stunden thäten gehen.
Das Glas wär' schneller ausgeleert
Und öfter wieder umgekehrt.
Nun, Kronus, bleib' in deinem Gang!
Ich geh' nach meinen Sinnen,
Und lasse keine Stunde lang
Mein Glas feintröpfelnd rinnen.
Hinein, heraus mit einem Zug!
Zum Schleichen ist noch Zeit genug.

[85] Der Nachtwächter

Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen:
Weil die Uhr hat Zehn geschlagen,
Laßt uns unsrer Rausche Zahl
Überschlagen auch einmal.
Will das Jahr, in dem wir leben,
Nicht die volle Zahl dir geben,
Trink' den zehnten heute dir,
Und du bist so gut, wie wir.
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen:
Weil die Uhr hat Elf geschlagen,
Denkt doch an den Elferwein,
Und schenkt keinen schlechtern ein.
Denn der edle deutsche Elfer
Ist der wahre Seelenhelfer.
Elf! ihr Herrn, der Wächter spricht:
Höret und verzählt euch nicht!
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen:
Weil die Uhr hat Zwölf geschlagen,
Und zur Neige geht der Tag,
Seht auf euren Tischen nach,
Ob sich hier und da nicht zeigen
Volle Flaschen oder Neigen.
Alle müssen sein geleert,
Eh' der Wächter wiederkehrt.
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen:
Weil die Uhr hat Eins geschlagen,
Und der neue Tag beginnt,
Holet neuen Wein geschwind,
Und erwählt euch einen Andern,
Mit dem Horn umher zu wandern.
Guten Morgen! Guten Tag!
Meine Uhr geht immer nach.

[86] Oben ab!

Deutsche Weine in dem Keller,
Deutsche Lieder in der Brust!
Und die Sorgen und die Heller
Schwimmen fort im Strom der Lust.
Schwimmet nur in meinem Rheine!
Lauter brauset jeder Fluß,
Wenn er über harte Steine
Seine Wellen treiben muß.
Was im tiefen Grunde liege,
Macht mich heute noch nicht bang';
Denn ich habe zur Genüge
Nachzugießen Wein und Sang.
Auf den goldnen Spiegelflächen
Perlt der Freude frischer Schaum.
Lasset oben ab uns zechen!
Ohne Schaum kein schöner Traum.
Und wer in den Grund will schauen,
Sieht sein eigenes Gesicht:
Helle Stirne, glatte Brauen,
Nebelloses Augenlicht.
Sollt' ich in der Tiefe wühlen,
Um zu trinken trüben Wein?
Ehe wir die Hefen spülen,
Muß der Saft getrunken sein.

Alexander und Diogenes

Bringt mir die liebe Jugend fort
Mit ihrem Saus und Braus!
Es ziemet sich ein kluges Wort
Zu einem guten Schmaus.
Drum setzet Einen zu mir her,
Der älter ist, als ich,
Und weitgereist durch Land und Meer:
Nach diesem dürstet mich!
[87]
Der in dem stillen dunkeln Faß
Viel Jahre lang gedacht,
Er weiß gewißlich dies und das,
Was uns auch weiser macht.
Diogenes sei er genannt,
Der Herr Philosophus,
Und wär' ich Herr von Griechenland,
Ich böt' ihm meinen Gruß.
Und spräche: Wenn ich Ich nicht wär'
Und ich nicht tränke dich,
So wollt' ich Du sein ohn' Beschwer,
Und du, du tränkest mich!

Die Arche Noäh

Das Essen, nicht das Trinken,
Bracht' uns um's Paradies.
Was Adam einst verloren
Durch seinen argen Biß,
Das giebt der Wein uns wieder,
Der Wein und frohe Lieder.
Und als die Welt auf's Neue
In Bauches Lust versank,
Und in der Sünde Fluthen
Die Kreatur ertrank,
Blieb Noah doch am Leben,
Der Pflanzer edler Reben.
Er floh mit Weib und Kindern
Wohl in sein größtes Faß,
Das schwamm hoch auf den Fluthen,
Und Keiner wurde naß.
So hat der Wein die Frommen
Dem Wassertod entnommen.
Und als die Fluth zerronnen,
Da blieb das runde Haus
Auf einem Berge sitzen,
[88]
Und alle stiegen aus,
Begrüßten froh das Leben,
Und pflanzten neue Reben.
Das Faß blieb auf dem Berge
Zum Angedenken stehn:
Zu Heidelberg am Neckar
Könnt ihr es selber sehn.
Nun wißt ihr, wer die Reben
Am Rhein uns hat gegeben.
Und will noch Einer wagen,
Den heil'gen Wein zu schmähn,
Der soll in Wasserfluthen
Erbärmlich untergehn!
Stoßt an und singt, ihr Brüder:
Der Wein und frohe Lieder!

Der neue Demagoge

Euch, ihr edlen deutschen Reben,
Sei mein Lied geweiht!
Sing' ein Andrer von den Helden
Dieser lieben Zeit.
Fehlen mir auf ihre Namen
Reime zum Gedicht,
Und zum Ungereimten brauchen
Sie den Dichter nicht.
Hab' mich in dem Geist der Zeiten
Auch einmal berauscht;
Hab' den Rausch nun ausgeschlafen
Und den Trank vertauscht.
Deutsch und frei und stark und lauter
In dem deutschen Land
Ist der Wein allein geblieben
An des Rheines Strand.
[89]
Und er läßt die deutsche Tugend,
Läßt den deutschen Muth
Frank und frei im Glase sprudeln,
Und man heißt es gut.
Und er zieht durch Deutschlands Gauen,
Predigt deutschen Geist,
Wenn durch froher Männer Runde
Er im Becher kreist.
Landsmann! grüßt ihn mit Entzücken
Jeder deutsche Mund,
Und er hält in alter Treue
Seinen deutschen Bund.
Frägt nicht nach der Herren Wechsel,
Nach der Seelen Tausch,
Kennt nur eine deutsche Erde,
Einen deutschen Rausch.
Ist der nicht ein Demagoge,
Wer soll einer sein?
Mainz, du heil'ge Bundesfeste,
Sperr' ihn nur nicht ein!

Freiheit im Wein

Und wüßt' ich, wo es besser wär',
So zög' ich aus der Welt.
'S ist wahrlich keines Bleibens mehr
In diesem Erdenzelt!
Hab' mit dem Teleskop von fern
Des Himmels Rund besehn,
Ob nicht in irgend einem Stern
Weinstöcke sollten stehn.
Doch hab' ich keine noch entdeckt,
Und Herschel ist nun todt!
Wenn uns die Welt noch ärger neckt,
Wohin aus unsrer Noth?
[90]
O Brüder, Brüder, schwebt mir ja
In's Blaue nicht hinaus!
Die beste Freistatt liegt so nah
In unsres Wirthes Haus.
In seinen Keller flüchten wir,
Und der ist bombenfest.
Potz alle Welt! wir trotzen dir,
Wenn Sturm du blasen läßt!
Wird auch die Freiheit vogelfrei
Hier oben wohl genannt,
Da unten hat die Sultanei
Sie noch nicht weggebannt.
Noch braust sie auf im jungen Wein,
So oft die Reben blühn:
Dann will der Geist entfesselt sein
Und in dem Becher glühn.
Und in dem Brausen toben sich
Die wilden Hefen aus:
Der ächte Geist, er hält den Stich
Und triumphirt im Strauß.
Auf, Brüder, lösen wir den Spund,
Und machen frei den Wein!
Sein freier Geist weih' unsern Mund
Zu freien Liedern ein!

Guter Wein, gut Latein

Guter Wein lehrt gut Latein.
Sitz' ich bei dem vollen Glase,
Mein' ich, ein Apoll zu sein,
Und es hebt sich meine Nase
In die Wolken fast hinein.
Zöpfe, Beutel und Perrücken
Wachsen flugs auf meinem Haupt,
Es mit Ehren auszuschmücken,
Die kein Säkulum ihm raubt.
[91]
Guter Wein lehrt gut Latein.
Seh' ich schon der Flasche Boden,
Ist mir auch Apoll zu klein;
Kühner, als die kühnsten Oden,
Stürm' ich in die Welt hinein.
Und nach meinem Saitenspiele
Lass' ich sich die Reiche drehn;
Liberale und Servile
Müssen Musterung bestehn.
Guter Wein lehrt gut Latein.
Ist der Tisch erst naß geworden,
Werd' ich gar ein Taktikus,
Lasse nach der Regel morden,
Und es geht auf Hieb und Schuß.
Mit dem Finger mal' ich Flüsse,
Seen mit der ganzen Hand;
Meines rothen Weines Güsse
Strömen für das Vaterland.
Guter Wein lehrt gut Latein.
Ist der Tisch dann abgewaschen,
Steck' ich ein das Schwert indeß,
Und vor meinen leeren Flaschen
Halt' ich friedlichen Kongreß.
Länder reiß' ich flugs in Stücken,
Kann mit einer neuen Nath
Alte Fetzen wieder flicken –
Bin ich nicht ein Diplomat?
Guter Wein lehrt gut Latein.
Komm' ich an die letzten Tropfen,
Ist mir nichts mehr gut genug;
Und ich riech' an meinem Pfropfen,
Kritisire den Geruch.
Leer ist meine Westentasche,
Und der Wirth liebt baares Geld. –
Schafft mir eine neue Flasche,
Oder eine neue Welt!

[92] Vergangenheit

Wann im Kreise froher Zecher
Ich in meinen vollen Becher
Schaue hellen Blicks hinein,
Wann um mich die Gläser klingen,
Und die Freunde Lieder singen
Dir zur Ehren, deutscher Wein!
Dann, dann steht's vor meinen Blicken,
Wie die goldnen Trauben nicken
Nieder in den klaren Fluß,
Wie die Wogen lustig rauschen,
Und die Winzerinnen lauschen
Auf des Fischers Abendgruß.
Und der Mond am stillen Himmel
Freut sich mit an dem Getümmel,
Das er auf der Erden sieht,
An den Fässern mit den Kränzen,
An den Liedern und den Tänzen,
Bis er sacht von dannen zieht.
Zündet an die bunten Lichter,
Daß die seligen Gesichter
Nicht die finstre Nacht bedeckt!
Wer zu selig für das Helle,
Sucht sich eine dunkle Stelle,
Wo kein Nüchterner ihn neckt.
Auch die Liebe kennt viel Wege
In dem grünen Weingehege,
Und sie alle stehn ihr an;
Denn auf krummen und geraden,
Breiten oder engen Pfaden
Geht's in Amors Kanaan.
Brüder, laßt die Gläser klingen,
Laßt ein frohes Hoch uns bringen
Unsrem alten deutschen Rhein,
Ihm und seinen jungen Reben,
Daß dies Jahr uns möge geben
Einen neuen Elferwein!

[93] Zukunft

Seh' ich eine volle Traube,
Die aus dichtem Rebenlaube
Ungeduldig blickt hervor,
Buhlend mit den Sonnenstrahlen,
Die mit klarem Gold bemalen
Ihrer Beeren grünen Flor:
Dann, dann denk' ich an die Säfte,
An die wunderbaren Kräfte,
Die der Beere Rund umschließt,
Fülle schon mir einen Becher
Mit dem jungen Sorgenbrecher,
Der aus diesen Trauben fließt.
Meine Freunde sind geladen,
Wollen sie mit mir sich baden
In dem Quell der Fröhlichkeit.
Seht, der Spund ist aufgehoben,
Und die Geister ziehn nach oben,
Und der Himmel ist nicht weit.
Volle Becher hör' ich klingen,
Höre neue Lieder dringen
Süß bethörend in mein Ohr.
Horch, es rauscht im Rebenlaube!
Sieh, es regt sich in der Traube!
Lieder, Lieder, nur hervor!

Die Blume des Weins

Es blühen Blumen mannigfalt
In Feld und Garten, Wies' und Wald,
Und hinter Rahm und Glase;
Sie schütten ihren süßen Duft
Mit vollen Schalen in die Luft
Zum Opfer für die Nase.
[94]
Und von den Blumen mannigfalt
In Feld und Garten, Wies' und Wald,
Erwähl' ich heut' mir keine.
Kein indianischer Geruch
Thut meiner Nase noch genug:
Sie riecht an deutschem Weine.
Heb' ich mein Glas zur Nas' empor,
Möcht' ich, daß Auge, Mund und Ohr
Sogleich auch Nasen wären,
Um aus dem vollen, goldnen Strauß
Bis auf den letzten Gran heraus
Den Balsamduft zu leeren.
Gesegnet sei des Winzers Hand,
Die an des deutschen Stromes Rand
Mir solchen Strauß gebunden,
Von Blumen nicht, die schnell verblühn,
Die ihren leichten Duft versprühn
In wenig Maienstunden.
Die Blume, die im Fasse ruht,
Sie trotzt der dürren Sommergluth
In ihrer kühlen Klause,
Läßt Eis und Schnee vorüberwehn,
Sieht Lenze kommen, Lenze gehn,
Und blüht zu jedem Schmause.
Und schlürf' ich ihre Düfte ein,
Sie rieseln mir durch Mark und Bein,
Wie reine Ätherflammen,
Und wirbeln in verklärtem Glanz
Zu einem hellen Sternenkranz
Sich um mein Haupt zusammen.

Gesellschaftliches Trinklied für Philister

Chor.

Brüder, stellt das Trinken ein!
Was nicht sein kann, kann nicht sein:
Lehren unsre Weisen.
[95]
Denkt, ihr müßt noch gehn nach Haus,
Könnt' ein Aug' euch fallen aus,
Ach, vielleicht gar zweie!
Setzt die Flaschen all' beiseit,
Morgen ist ja auch noch Zeit,
Neigen auszutrinken.
Gute Pfropfen aufgesteckt,
Daß kein Kellner sie beleckt!
Alles ist bezahlet.
Und zum Abschied stimmet ein:
Was nicht sein kann, kann nicht sein.
Reisender.

Viel giebt's in der Welt zu sehn:
So sah ich zwei Esel stehn
Einst auf meinen Reisen.
'S mocht' wohl Mann und Weibchen sein,
Und ein Bach, o grimme Pein!
Schied sie von einander.
Er wollt' hin und sie wollt' her,
Schrieen beide gar zu sehr,
Daß es mich erbarmte.
Doch bald fiel es beiden ein:
Kalt und tief kann 's Wasser sein –
Gaben sich zufrieden.
Und zum Abschied stimmet ein:
Was nicht sein kann, kann nicht sein.
Hagestolz.

Einst hatt' ich ein Mägdlein lieb,
Sie auch fühlte gleichen Trieb
In dem schönen Herzen.
Dacht' ich: Bin ja reif zum Frein,
Sie auch wird's zufrieden sein;
Muß mich 'mal erkund'gen. –
Nachbar, sagt, was einem Mann
Eine Frau wohl kosten kann
Jährlich zu ernähren. –
Hundert Thaler recht und gut. –
Ach, da schwand mein Freiersmuth,
Denn mir fehlt' ein Thaler!
[96]
Und zum Abschied stimmet ein:
Was nicht sein kann, kann nicht sein.
Gelehrter wider Willen.

Gar ein seltner Knab' ich war,
Las so manches liebe Jahr
In viel dicken Büchern.
Doch in einem fand ich halt:
'S wird kein kluges Kindlein alt:
Und hört' auf zu lesen.
Doch was ich nun einmal weiß,
Macht mich vor der Zeit zum Greis;
Denn es giebt auf Erden
Keinen so gelehrten Mann,
Der den Klugen lehren kann,
Wieder dumm zu werden.
Und zum Abschied stimmet ein:
Was nicht sein kann, kann nicht sein.

Meine Muse

Meine Mus' ist gegangen
In des Schenken sein Haus,
Hat die Schürz' umgebunden
Und will nicht heraus;
Will Kellnerin werden,
Will schenken den Wein:
Da steht sie am Thore,
Und winkt mir herein.
Und über ihrem Haupte
Da spielet die Luft
Mit grünenden Zweigen
Und würzigem Duft.
Seht, wie sie sich drehet
So flink, so gewandt,
Die Kann' unter'm Arme,
Das Glas in der Hand!
[97]
»Herein, lieber Zecher!
Ich schenke dir Wein,
Ich schenke dir Lieder
Noch obendarein.
Nur mußt du hübsch bleiben
Im Wirthshaus bei mir:
Ich gebe freie Zeche
Und freies Quartier.
Drum locke mich nimmer
Hinaus in den Hain
Zu einsamen Klagen
Ob sehnlicher Pein.
Hier unter den Zweigen
Vor unserem Haus
Da schlafen die Leiden
Gar lustig sich aus.
Auch laß uns nicht schweifen
Umher in der Welt,
Einen Helden zu suchen,
Der Allen gefällt.
Gar lang sind die Wege,
Gar kurz ist die Zeit,
Und auf den Karpathen
Sind die Straßen verschneit.«
So ließ sie sich hören –
Wer hielte das aus?
Flugs bin ich gesprungen
Ihr nach in das Haus.
Nun schenke mir Lieder
Und schenke mir Wein,
Und rufe mir frohe
Gesellen herein!

Rückwärts!

Bei Achtundvierziger zu singen.


Rückwärts! heißt das Wort der Zeit:
Rückwärts soll es gehen!
Brüder, laßt doch sehn, wie weit
Wir uns rückwärts drehen?
[98]
Brüder, wißt ihr, wo ich bin?
Anno Achtundvierzig.
Rückwärts, rückwärts geht mein Sinn:
Da wird's warm und würzig.
Mancher hat's gar weit gebracht
Mit sothanem Schreiten.
Kreuze, Sterne, Gold und Macht
Schafft's den guten Leuten.
Ich bin auch ein Held der Zeit,
Könnt' was Großes werden:
Wär' ein Keller nur so weit,
Wie das Rund der Erden!

Geist der Zeit und Geist des Weins

Bei Zweiundzwanziger zu singen.


Was klagen wir ob Jahr und Zeit?
Laßt fahren, Brüder, Zorn und Leid
Beim blanken, vollen Becher!
Was dieses Jahr auch Arges thut,
Der Wein macht Alles wieder gut
Für alle gute Zecher.
Es ist der gute Geist der Zeit
Mit seiner Kraft und Herrlichkeit
Gefahren in die Reben;
Drum wollen sie uns dieses Jahr
Ein Säftchen stark und warm und klar
Für unsern Keller geben.
Laßt fahren, Brüder, Zorn und Leid!
Es ist der gute Geist der Zeit
Für uns noch nicht verflogen.
Wir holen ihn beim frohen Schmaus
Aus Zweiundzwanziger heraus:
Der hat ihn eingesogen.
[99]
Ei Zeit, was bist du matt und schaal,
Und trüb' und kalt, und bleich und fahl,
Und wohl vielleicht noch ärger!
Dein Geist, wenn's doch ein Geist soll sein,
Frißt sauer uns durch Mark und Bein,
Wie schlechter Grüneberger!
Ei Wein von diesem schlechten Jahr,
Was bist du stark und warm und klar,
Was duftest du im Glase!
Auf, laßt mit einem vollen Zug
Uns gleich vertreiben den Geruch
Der Zeit aus unsrer Nase!
Wer trinkt mit uns? Heran, ihr Herrn!
Wir geben diesen Wein euch gern,
Ihr Großen und ihr Kleinen.
Trinkt alle denn in einem Zug,
Trinkt alle, bis ihr habt genug!
Vivant, die's redlich meinen!

Der Teufelsbanner

Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Der Teufel dacht' in seinem Sinn,
Ich sollt' ein Frömmler werden,
Und weil ich's nicht geworden bin,
So zieht er mir Geberden,
Zeigt Rosenkränz' und Geißeln mir
Und thut sich drehn und bücken;
Ich sitze bei dem Glase hier
Und spotte seiner Tücken.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Dem Teufel fiel es wieder ein,
Das Kriechen mir zu lehren;
Er pfiff und lockte grob und fein,
Und sprach von hohen Ehren.
[100]
Flugs warf ich in die Brust mich recht
Und reckt' empor den Nacken,
Trank Pereat dem Wurmgeschlecht:
Da wies er mir die Hacken.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Da endlich, Brüder, wollt' er mich
Zum Diplomaten machen,
Und wähnte schon: Jetzt hab' ich dich!
Ich lacht' und ließ ihn lachen.
Er führte mich zu einem Schmaus
Mit großen Diplomaten:
Ich trank die besten Flaschen aus,
Und aß den feinsten Braten.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.
Nun will er in Verzweiflung heut'
Zum Dichter mich kreiren,
Und meint, ich soll aus Dankbarkeit
Ihn weidlich honoriren.
Ich aber lass' in hellem Ton
Mein frohes Lied erklingen:
Herr Satanas, ich singe schon!
Jetzt rühre deine Schwingen!
Lustig leben, selig sterben,
Heißt des Teufels Spiel verderben.

Weisheit im Wein

Wollt ihr werden weise Leute,
Liebe Brüder, macht es heute,
Wie es gestern ward gemacht.
Trinket Wein! Er weckt die Geister,
Macht die blöden Zungen dreister
Und erhellet jede Nacht.
[101]
Also haben es gehalten
Unsre lieben tapfern Alten,
Sie beriethen sich beim Glas,
Und die neuen Diplomaten
Halten auch auf Wein und Braten
Und hernach auf dies und das.
Glaubt ihr, ohne gute Weine
Käme Deutschland auf die Beine?
Liebe Brüder, glaubt es nicht!
Frankfurt zapft die allerbesten
Seinen hohen weisen Gästen,
Und sie ehren ihre Pflicht.
Freuet euch! An Gottes Segen
Ist das Meiste doch gelegen,
Und er segnet Main und Rhein.
Nicht bei Wassern oder Bieren
Will man uns konstituiren,
Und die Freiheit lebt im Wein.
Deutsches Recht und deutsche Reben,
Deutsches Licht und deutsches Leben,
Steigt empor im deutschen Land!
Freudig folgen wir dem Zügel
Dessen, der vom besten Hügel
Erntet an des Rheines Strand.

Meine Kameradschaft

Wer will mein Kamerade sein,
Der darf nicht fest stehn auf dem Bein.
Komm, Glas, ich schlag' den Fuß dir ab,
Ich will von heut' an sein dein Stab,
Will nimmer von dir lassen.
Mund an und ab, Mund ab und an,
So lang' ich dich noch heben kann!
Nur nimmer leer und stille stehn,
Nur nimmer, nimmer müßig gehn,
Wo's giebt noch volle Flaschen!
[102]
Die Flaschen werft zum Thor hinaus,
Daß nicht etwa in Hof und Haus
Sie zähl' ein nüchtern kluger Mund
Und in der Zeitung mache kund,
Wie tapfer wir gewesen.
Wir dürsten nicht nach Heldenruhm,
Wir preisen nur ein Alterthum,
Das ist das Alterthum des Rheins,
Das Alterthum des deutschen Weins,
Der uns im Glase sprudelt.
Und wenn die letzte Flasche klingt,
Die um die Thür in Scherben springt,
Dann seufzen Alle Mann für Mann,
Wie Alexander einst gethan:
Giebt's nichts mehr zu zerstören?

Tres faciunt Collegium

Tres faciunt Collegium.
Wir zwei und ein Pokal!
Zwei sitzen, Einer geht herum
In unsrer vollen Zahl.
Und einig sind wir alle drei,
Daß Rebensaft kein Wasser sei.
Tres faciunt Collegium.
Lisett' und ich sind zwei,
Die Nachtigall ist auch nicht stumm,
Und also werden's drei.
Und einig sind wir ohne Frist,
Daß es am Abend düster ist.
Tres faciunt Collegium.
Ein Doktor, ein Barbier,
Und ich dazu, macht um und um
Eins weniger als vier.
Und einig sind wir ohne Noth:
Es wächst kein Kraut uns für den Tod.
[103]
Tres faciunt Collegium.
Drei Sprüche gab ich aus,
Ein richtiges Trifolium –
Apollini sit laus!
Die drei auch stimmen überein,
Sie könnten ihrer vier wohl sein.

Der Zechbruder und sein Pferd

Romanze.


Ich hatt' einmal ein Gaul,
Das thät schön galoppiren,
War von gar frommer Art,
Ein Kindlein konnt' es führen;
Doch wenn es an ein Wirthshaus kam,
Den Kopf es in die Beine nahm,
Warf in den Sand mich lieber,
Als daß es ging vorüber.
Der Wirth saß vor der Thür,
Und sprang herzu behende;
Gleich stand das Rößlein still,
Als ob's ein Zauber bände.
So ging's in Stall und Stub' hinein,
Das Roß fraß Hafer, ich trank Wein:
Das Rößlein wurde wählig,
Der Reiter wurde selig.
Da fiel es denn mir ein,
Das Rößlein zu verkaufen,
Das mich so tückisch zwang,
Mich täglich zu besaufen.
Denn ach! viel Schenken giebt es hier,
Und überall gut Wein und Bier:
In jeder nur ein Gläschen,
So wirbelt's schon im Näschen.
Verruchtes Teufelsthier!
Nun hatt' ich's in den Taschen,
Als baares blankes Geld,
Vollauf zu tausend Flaschen.
[104]
Doch um zu zeigen, wer ich sei,
Wollt' ich am Wirthshaus frank und frei
Gleich 'mal vorübergehen,
Ohn' auch hinein zu sehen.
Und als ich ging vorbei,
Da ward das Geld lebendig,
Und wühlt' und stieß und sprang
Umher so ganz unbändig,
Als wollt' es auf der Stelle schier
Zermalmen alle Rippen mir,
Bis ich mich ließ bethören,
In's Wirthshaus einzukehren.
Da fand das arge Geld
Bald seine gute Ruhe.
Nun liegt der ganze Schatz
Schon in des Schenken Truhe.
Ach, aber tief in meinem Bauch
Da liegt das Gaul, die Thaler auch,
Und treiben's zum Erbarmen
Noch immer mit mir Armen.
Wenn ich ein Wirthshaus seh',
Fängt's in mir an zu toben,
Als wollt' es kehren gleich
Das Unterste zu oben.
Und sprech' ich in dem Wirthshaus ein,
Der Wirth, der Schuft, giebt keinen Wein
Für's Gaul und's Geld im Magen,
So arg sie mich auch plagen.

Der Trinker von Gottes und Rechts wegen

Romanze.


Ich hatt' in meiner Mutter Leib
Gewohnt ein halbes Jahr,
Da sprang zu hoch das junge Weib,
Dacht' nicht an die Gefahr.
[105]
Auf einem Weinberg tanzte sie
Bei einem Winzerfest;
Das Röcklein flog bis an die Knie',
Das Mieder saß nicht fest.
Da roch ich was von Rebensaft,
Da hört' ich Gläserklang,
Und flugs heraus aus meiner Haft
Sprang ich in wildem Drang.
Sie legten mich auf Rebenlaub,
Sie sprengten mich mit Wein,
Ich blieb nicht blind und stumm und taub,
Und sog die Tropfen ein.
Ein Schenkwirth war mein Herr Papa,
Goß immer ein und aus.
Das Wasser stand dem Weine nah
Allzeit in seinem Haus.
Und als der Pfaff nach Wasser rief',
Daß er mich taufte drein,
Mein Vater sich in Eil' verlief
Und brachte blanken Wein.
Damit begoß der heil'ge Mann
Mein Haupt und mein Gesicht,
Und sprach dazu den Segen dann,
Ich schrie und muckte nicht.
In sel'gem Rausche lag ich da
Den ganzen lieben Tag;
Sie glaubten schon mein Ende nah,
Da ward ich jauchzend wach.
Und als ich lernte selber stehn,
Trieb ich's, wie mein Papa:
Sollt' ich zum Wasserfasse gehn,
Gar oft ich mich versah,
Und schöpfte nebenbei heraus
Und nebenbei hinein;
Ich war der einz'ge Gast im Haus,
Der zechte reinen Wein.
[106]
Und nun, ihr Leute, sagt mir an,
Wie sollt' es anders sein,
Als daß mein Mund nichts trinken kann,
Als guten reinen Wein?
Er ist's, der vor der Zeit mich rief
In diese Welt heraus;
Wär' er nicht mehr, fürwahr, ich lief'
Auch vor der Zeit hinaus.
Er ist es auch, der mich hernach
Zum Christen hat gemacht,
Das hab' ich mir so manchen Tag.
Fein christlich überdacht.
Und weil's muhamedanisch ist,
Zu trinken keinen Wein,
Will ich beim Wein ein guter Christ
Trotz Türk' und Teufel sein!

Est Est!

Romanze.


Hart an dem Bolsener See, 1
Auf des Flaschenberges Höh', 2
Steht ein kleiner Leichenstein
Mit der kurzen Inschrift drein:
Propter nimium Est Est
Dominus meus mortuus est.
Unter diesem Monument,
Welches keinen Namen nennt,
Ruht ein Herr von deutschem Blut,
Deutschem Schlund und deutschem Muth,
Der hier starb den schönsten Tod –
Seine Schuld vergeb' ihm Gott!
Als er reist' im welschen Land,
Vielen schlechten Wein er fand,
Welcher leicht, wie Wasser, wog
Und die Lippen schief ihm zog;
Und er rief: Ich halt's nicht aus!
Lieber Knappe, reit' voraus!
[107]
Sprich in jedem Wirthshaus ein,
Und probire jeden Wein;
Wo er dir zum besten schmeckt,
Sei für mich der Tisch gedeckt,
Und damit ich find' das Nest,
Schreib' an's Thor mir an ein Est.
Und der Knappe ritt voran,
Hielt vor jedem Schenkhaus an,
Trank ein Glas von jedem Wein,
War der gut, so kehrt' er ein,
War der schlecht, so sprengt' er fort,
Bis er fand den rechten Ort.
Also kam er nach der Stadt,
Die den Muskateller hat,
Der im ganzen welschen Land
Für den besten wird genannt;
Als von diesem trank der Knecht,
Dünkt' ein Est ihm gar zu schlecht.
Und mit feuerrothem Stift,
Und mit riesengroßer Schrift,
Malt er nach des Weins Gebühr
Est Est an der Schenke Thür;
Ja, nach anderem Bericht
Fehlt die dritte Silbe nicht.
Der Herr Ritter kam, sah, trank,
Bis er todt zu Boden sank.
Schenke, Schenkin, Kellner, Knapp'
Gruben ihm ein schönes Grab,
Hart an dem Bolsener See,
Auf des Flaschenberges Höh'.
Und sein Knapp', der Kostewein,
Setzt' ihm einen Leichenstein,
Ohne Wappen, Stern und Hut,
Mit der Inschrift kurz und gut:
Propter nimium Est Est
Dominus meus mortuus est.
[108]
Als ich nach dem Berge kam,
Eine Flasch' ich zu mir nahm,
Und die zweite trug ich fort
Nach dem weltberühmten Ort,
Wo der deutsche Ritter liegt,
Der vom Est Est ward besiegt.
Selig preis' ich deine Ruh',
Alter, guter Freiherr du,
Der du hier gefallen bist
Von dem Trank, der doppelt ist,
Doppelt ist in Kraft und Gluth,
Goldnes Muskatellerblut!
Jahr für Jahr an jenem Tag,
Wo dein Leib dem Geist erlag,
Zieht, was trinkt in Hof und Haus,
Feierlich zu dir hinaus,
Und begießt mit deinem Wein
Dir den Hügel und den Stein.
Aber jeder deutsche Mann,
Welcher Est Est trinken kann,
Denke dein bei jedem Zug,
Und sobald er hat genug,
Opfr' er fromm dem edlen Herrn,
Was er selbst noch tränke gern.
Also hab' ich's auch gemacht
Und dazu dies Lied erdacht.
Lieber singen Eins beim Wein,
Als im Grab besungen sein.
Propter nimium Est Est
Liegt manch Einer schon im Nest.

Fußnoten

1 Lago di Bolsena.

2 Montefiascone.

An die Ungünstigen

Und laßt mir doch mein volles Glas,
Und laßt mir meinen guten Spaß
Mit unsrer schlechten Zeit!
[109]
Wer bei dem Weine singt und lacht,
Den thut, ihr Herrn, nicht in die Acht!
Ein Kind ist Fröhlichkeit.
Es neckt und zeckt aus Zeitvertreib,
Rückt aber Keinem auf den Leib
Mit hartem Stoß und Schlag;
Es hat's auf Niemand abgesehn,
Und Allen, die vorübergehn,
Schickt es ein Schnippchen nach.
Wie groß und schwer die Leute sind,
Was frägt danach das wilde Kind?
Bleibt es doch leicht und klein.
Es spritzt dem steifen Lachenicht
Ein Glas Champagner in's Gesicht
Und kichert hinterdrein.
So laßt ihm denn sein volles Glas,
Und laßt ihm seinen guten Spaß
Mit unsrer schlechten Zeit!
Seht nur nach dem, der Wasser schluckt,
Und einsam in dem Winkel muckt,
Und stumme Galle speit.
Er soll von altem Adel sein,
Und erbt die Gicht durch Arm und Bein
Schon von dem zwölften Ahn.
Er heißt der Herr von Mißvergnügt,
Der Steine sä't und Wasser pflügt,
Und doch nicht ernten kann.
Vor diesem seid auf eurer Hut!
Der Unmuth thut nicht eher gut,
Bis ihr ihn tauft mit Wein.
Und soll das Werk von Statten gehn,
So ladet zum Gevatterstehn
Den Übermuth ihm ein.
Ungünstige gestrenge Herrn,
Noch einen Becher leer' ich gern
Auf euer Wohl zuletzt.
Es geht auf Erden jede Kunst
Nach Brot und Wein, nach Dunst und Gunst,
Und wohlfeil ist es jetzt.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Tafellieder für Liedertafeln. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-586B-F