[247] Ständchen in Ritornellen aus Albano

Violen und Rosen

Ich ging in's Feld und wollte Blumen holen:
Da sah ich stehn ein Kind in den Violen
Mit Lippen, wie zwei junge Rosenknospen.
Nun waren die Violen gleich verschwunden,
Ich konnte meine Augen nimmer wenden
Von jenen Rosenknospen ihres Mundes.
Und als die Mutter frug: Wo sind die Blumen,
Daß wir sie morgen mit zu Markte nehmen?
Sprach ich: Die Knospen sind noch nicht gesprungen.

Der Garten des Herzens

In meines Herzens Mitte blüht ein Gärtchen,
Verschlossen ist es durch ein enges Pförtchen,
Zu dem den Schlüssel führt mein liebes Mädchen.
Es ist April. Komm, wolle dich nicht schämen,
Und pflücke dir heraus die liebsten Blumen!
Sie drängen sich entgegen deinen Händen.
Je mehr du pflückst, je mehr sie wieder sprossen,
Doch willst du unberührt sie blühen lassen,
So werden sie vor ihrer Zeit vertrocknen.

[248] Der Thränenbrief

Mein Mädchen hat ein Briefchen mir geschrieben
Wohl mit der schwarzen Feder eines Raben,
Und hat mit Zwiebelschalen es versiegelt.
Und wie ich nun das Siegel aufgebrochen,
Da fühlt' ich in den Augen solch ein Stechen,
Daß mir die Thränen auf die Wangen flossen.
Ich trocknete die Augen, um zu lesen:
Doch ist das Trocknen ganz umsonst gewesen –
Denn ach, sie schreibt: Wir müssen Abschied nehmen.

Blumensprache

Vor ihrem Fenster stehn viel Nelkentöpfe,
Und will sie, daß zu ihr hinein ich schlüpfe,
Wirft sie herab zwei purpurrothe Knöspchen.
Die purpurrothen Knöspchen wollen sagen:
Zwei purpurrothe Lippen sind dein eigen:
Komm, komm, und küsse sie zu tausend Malen!
Ich komme schon, will ihnen Küsse geben,
Mehr, als die vollsten Nelken Blätter haben,
Und mehr, als Neiderblicke mich umspähen.

Die heiße Zeit

Ach, ach, nun sind vertrocknet alle Quellen!
Wo soll mein Lämmchen seinen Durst denn stillen,
Wenn ihm am Gaum die heißen Gräser brennen?
Ach, ach, nun sitzt mein Mädchen in der Kammer!
Ich schweif' um's Haus und sehe sie doch nimmer,
Und meine Liebe muß vor Durst verschmachten.
Du böse heiße Zeit, was soll das werden!
Kein frisches Hälmchen mehr auf weiter Erden!
Kein Kuß, kein Gruß, kein Blick von meinem Mädchen!

[249] Der Betrogene

Dein Vater hat verkauft mir Fischernetze,
Doch seine Netze sind zu nichts mir nütze,
Und immer leer zieh' ich sie aus den Wellen.
Du hast gewiß das Garn dazu gesponnen:
Das werd' ich nun an meinem Herzen innen,
Und fühl' es wohl, wie arg ich bin betrogen.
Die Netze wollen nichts als Herzen fangen,
Und meins fühlt sich so wohlig in den Schlingen,
Daß ich es gar nicht wieder los kann machen.

Der Hyazinthenstrauß

Geliebtes Mädchen, geh' und setz' in's Wasser
Den Hyazinthenstrauß je ehr, je besser,
Sonst wird er in der heißen Luft verschmachten.
Wie wagte wohl mit meines Herzens Gluthen
Augustus jemals um den Preis zu streiten,
Wär' auch Scirocco noch mit ihm verbunden!
Du aber baust mir keine kühle Laube,
In der ausruhen könnte meine Liebe
Beim sanften Mondenschimmer deiner Augen.

Verschiedenes Schicksal der Sänger

Als ich im Walde neulich bin gegangen,
Hört' ich ein Nachtigallenmännchen singen:
Es rief nach seinem Weibchen voll Verlangen.
Und husch, da kam das Weibchen gleich geflogen
Durch Busch und Dorn, und schrie, als wollt' es sagen:
Hier bin ich ja, mein lieber, lieber Vogel!
Ich Armer singe nun vor deinem Hause
Schon Monde lang der Sehnsucht Klageweise –
Du aber kicherst hinter'm Fensterglase.

[250] Der erste Schnee

Heut' Nacht ist auf den Bergen Schnee gefallen,
Drum hat mein Mädchen auch nicht öffnen wollen
Ihr Kammerfenster, als ich unten klatschte.
Kein Stuhl ist vor den Thüren mehr zu finden:
Ich horch' und lausch', und hinter dicken Wänden
Hör' ich ein Schnurren, wie von ihrer Spindel.
Nun trägt sie schon ein Tuch auf ihren Ohren.
Ich singe wohl, doch sie wird mich nicht hören,
Und Fasten sind dem Lieben anbefohlen.

Eine Nachtigall macht keinen Frühling

Ich hab' mir eine Nachtigall gezogen,
Die ließ ich heut' an ihre Scheiben fliegen,
Damit sie dächte: Lenz sei vor dem Thore.
Das Vöglein that, so wie ich's ihm bestellte,
Sie öffnete das Fenster, wie ich wollte,
Und sah sich um verwundert nach dem Lenze.
Und als sie mich erblickte auf der Gasse,
Da lachte sie und sprach: Mein Lieber, wisse,
Ein Nachtigallchen kann nicht Frühling machen.

Die Motte

Wie eine Motte flattert um die Flamme,
So schwebt auf leisen Schwingen meine Stimme
Um das erhellte Fenster deiner Kammer.
Wird sie die Schwingen sich am Licht verbrennen?
Ich wag' es drauf! Das Wagen hilft gewinnen.
Ich wag' ein Ständchen unter deinem Fenster!
Und wenn du schmählst und rufst wohl gar die Mutter,
So reiß' ich alle Saiten von der Zither,
Und beiß' ein Stückchen ab von meiner Zunge.

[251] Die Wangengrübchen

O schelte mich nicht mehr, mein holdes Liebchen,
Wenn ich dir sage: Deiner Wangen Grübchen
Sind wie zwei rothe Rosen mir erschienen.
Siehst du die Bienen nicht sie oft umflattern,
Als ob sie Honigseim in ihnen wittern?
Meinst du, daß die sie nicht für Rosen halten?
Und wenn ich selber eine Biene wäre,
So ließ' ich allen Blumen ihre Ehre,
Und saugt' aus diesen Rosen nur mein Leben.

Der Gefangene

An dem Zitronenbaum vor deinem Hause,
Da hab' ich aufgehängt zu deinem Preise
Mein freies Herz und lass' es mich nicht dauern.
Siehst du es nicht? Und hast doch selbst die Banden
Geflochten, die so eng' es rings umwinden,
Und fest es in den grünen Zweigen halten!
Die Vöglein fliegen darauf zu und staunen,
Wie sich solch loser Vogel mag gewöhnen,
So still und steif im Grünen auszudauern.

Der Jungfrau erstes Mißgeschick

Jüngst sang und sprang ich müßig durch die Stube,
Da sprach die Mutter: Töchterchen, bei Leibe,
Thu' das nicht mehr! Bist aus den Kinderschuhen.
Die Freier gucken schon durch unsre Thüren,
Da muß das kluge Mägdlein hübsch in Ehren
Am Herde stehn und ihre Spindel rühren.
Ach, und da kömmt mein Liebster just gegangen!
Ich will nach meiner Spindel hastig springen,
Und lasse sie gerad' in's Feuer fallen.

[252] Rosensamen

Ich ging vorüber heut' an deinem Fenster,
Und zankte mit dem dichten grünen Ginster,
Der dich vor meinen Blicken ganz versteckte.
Da sah ich, wie aus dem Gesträuch geschwinde
Heraus sich streckten deine weißen Hände,
Und Wasser nieder troff von ihren Fingern.
Wie gern hätt' ich ein Tröpfchen aufgefangen!
Doch alle hat die Erde gleich verschlungen,
Und morgen werden Rosen aus ihr wachsen.

Das Mädchen und der Rosenstock

Ei Mütterchen, warum giebst du denn nimmer
Dein schönes Kind heraus aus deiner Kammer?
Es spinnt doch lange schon am Hochzeitlinnen
Ein Mädchen ist ja auch kein Rosenstöckchen,
Das man so lange stellt in's Fenstereckchen,
Bis aufgebrochen sind die letzten Knöspchen.
Gelt, möchtest wohl hier hinter deinen Scheiben
Das schöne Stubenblümchen immer haben,
Damit dein Fenster hübsch in Ehren bleibe?

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Ständchen in Ritornellen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5893-4