[292] Die schöne Kellnerin von Bacharach und ihre Gäste

Die schlanke Kellnerin und die schlanken Flaschen

Blanke, schlanke Kellnerin,
Blank und schlank sind deine Flaschen,
Blanker, schlanker ist dein Leib.
Laß mich trinken, laß mich naschen
Sorgenbann und Leidvertreib!
Blanke, schlanke Kellnerin,
Zum Umspannen ist dein Mieder
Mit vier Fingern ohn' Beschwer.
Fülle mir den Schoppen wieder!
Mit vier Zügen ist er leer.
Blanke, schlanke Kellnerin,
Schlanke Leibchen hab' ich gerne,
Aber schlanke Flaschen nicht,
Dank dem durstig heißen Sterne,
Unter dem ich trat an's Licht.
Blanke, schlanke Kellnerin,
Fordr' ich doch den schlanksten Schoppen,
Sage nicht, ich sei ein Thor.
Denn er zaubert, mich zu foppen,
Deinen schlanken Leib mir vor.
[293]
Blanke, schlanke Kellnerin,
Schlanke Flaschen dir behagen,
Ob ihr Glas auch leicht zerbricht:
Schlanke Leibchen, laß dir sagen,
Knacken wohl, doch brechen nicht.
Blanke, schlanke Kellnerin,
Wohl bekomm' es deinen Kannen,
Daß so schnell mein Schoppen leer!
Darf ich deinen Leib umspannen,
Mess' ich keine Flasche mehr.

Das Röschen

Du kleine junge Kellnerin,
Warum so gar verlegen?
Wer schüttet doch den Wein dahin
Um eines Kusses wegen?
Komm, daß der Alt' es nur nicht seh';
Ich will es auf mich nehmen.
Schenk' ein, Gesichtchen in die Höh'!
Ich büße dir das Schämen.
Du schauest in das Glas hinein
Mit purpurrothen Wangen:
Da schwimmt hoch oben auf dem Wein
Ein Röschen unbefangen.
Und sieh, ich küss' es, wie ich will,
Bis es hinabgesunken.
Halt, Röschen, auf der Wange still!
Der Wein ist ausgetrunken.

Übergegossen

Du hast den Becher mir zu voll gegossen,
Und auf die Hand ist dir der Wein geflossen.
Trink' ab, trink' ab mit deinen rothen Lippen!
Ich will von deiner Hand die Tropfen nippen.
[294]
Und um des Bechers Rand such' ich die Stelle,
Wo du geküßt die goldbeschäumte Welle.
So will ich deines Mundes Küsse küssen,
Bis du den Mund mir selbst wirst reichen müssen.
Und wenn dein Herz es meint mit diesem Zecher,
So wie dein Krug es meint mit seinem Becher,
Nur zu, nur zu, und laß es überfließen!
So wirst du meiner Liebe Keim begießen.

Die Kellnerin und die Sterne

Des Himmels Sterne gehen auf und unter,
Und deine Augen leuchten immer munter,
Vom frühen Morgen bis zur späten Nacht:
Das hat die Sterne bös' auf dich gemacht.
Sie wollen einen alten Mann dir geben,
Auf daß du lernest nach den Stunden leben,
Und schlafen in der Nacht, wie sich's gehört,
Wenn Keiner dich in deiner Ruhe stört.

Der Kirchgang

Will ich in die Kirche gehn,
Bleib' ich bei dem Keller stehn.
Zugeschlossen ist sein Thor,
Aber sieh, wer sitzt davor?
Zu der schönen Kellnerin
Setz' ich auf die Bank mich hin.
Darf sie schenken keinen Wein,
Darf sie doch mir freundlich sein.
Kind, ein freundliches Gesicht
Ist ja keine Sünde nicht.
Kann ich sitzen fromm bei dir,
Ist's wie in der Kirche hier.
[295]
Von der Kirche sprech' ich auch,
Will es so des Sonntags Brauch,
Von dem heiligen Altar,
Von dem grünbekränzten Haar.
Sitze still! Wer weiß, wie weit
Von uns beiden ist die Zeit,
Wo uns Gott der Herr bescheert,
Was uns besser beten lehrt.

Der letzte Gast

Ich bin der letzte Gast im Haus.
Komm, leuchte mir zur Thür hinaus,
Und bieten wir uns gute Ruh',
So gieb mir einen Kuß dazu.
Du schenktest heut' mir trüben Wein
In meinen letzten Becher ein.
Ich schalt dich nicht und trank ihn aus:
Ich war ja letzter Gast im Haus.
Mir gegenüber saßest du,
Es fielen dir die Augen zu.
Ich dacht': Sie wünscht dich wohl hinaus,
Du bist der letzte Gast im Haus.
Ich bin der letzte Gast im Haus;
Der schöne frische Rosenstrauß,
Den ich dir gab beim ersten Glas,
Hängt dir am Busen welk und blaß.
Nun gute Nacht! Nun gute Ruh'!
Und morgen früh wann öffnest du?
Ich bin der letzte Gast im Haus,
Und eh' es dämmert, wandr' ich aus.
Ich bin der letzte Gast im Haus,
Den letzten Tropfen trink' ich aus.
Setz' mir mein grünes Glas beiseit,
Zerbräch's ein Andrer, thät' mir's leid.

[296] Was ist Schuld daran?

Du hast zum Trinker mich gemacht,
Du schöne Kellnerin!
Ei, ei, wer hätte das gedacht,
Da ich so jung noch bin?
Und klag' ich an den süßen Wein,
Den sie in's Glas mir gießt? –
So klag' ich an den Vater Rhein,
Bei dem die Rebe sprießt.
So klag' ich an den Sonnenstrahl,
Thau, Regen, Luft und Wind,
Die doch auf Erden allzumal
Des Himmels Gaben sind.
Und klag' ich an ihr Schelmgesicht,
Ihr blaues Augenpaar,
Ihr Mündchen, das auch schweigend spricht,
Ihr goldnes Flechtenhaar? –
Sie hat ja ihren schönen Leib
Sich selber nicht gemacht,
Und in dem Grabe liegt das Weib,
Das sie zur Welt gebracht.
Wer stellt die Todten vor Gericht
Und stört des Grabes Ruh'?
Kind, nimm es dir zu Herzen nicht,
Und schenk' nur immer zu!

Der Wassermann

Wenn das Wasser draußen
Von den Scheiben rinnt,
Gieß' mir Wein hier innen
In das Glas geschwind!
[297]
Ist das Wetter trübe,
Hell ist doch der Wein,
Hell des Mädchens Auge,
Das ihn schenket ein.
Herrschet denn am Himmel
Heut' der Wassermann?
Kellnerin, so lege
Gleich die Laden an.
Gar zu griesegrämlich
Schauet er herein,
Möchte seinen Regen
Gießen in den Wein.
Sieh nur nach dem Kruge,
Schöne Kellnerin,
Daß er nicht für deinen
Seinen stelle hin!

Versprochen und zerbrochen

Wie manches Glas bezahl' ich hier,
Und hab' es nicht zerbrochen!
Auch nicht ein Küßchen giebst du mir,
Und hast so viel versprochen.
Und küssest du mich heute nicht,
Will ich bis morgen zechen;
Und wenn mir die Geduld zerbricht,
Mag auch ein Krug zerbrechen.

Die Trophäen des Trinkers

So hab' ich endlich ihn bezwungen,
Den Knaben, der die Welt bezwingt!
Ich habe müde mich gerungen,
Drum, Brüder, kommt zu mir und trinkt!
[298]
Er griff mich an in diesem Keller
Und stieß an's Glas mir ohne Scham,
Als eben meinen leeren Teller
Die Kellnerin vom Tische nahm.
Der Schaum bespritzte mir die Nase,
Und solch ein Nießen kam mich an,
Daß aus dem übervollen Glase
Der Wein mir in den Ärmel rann.
Er lachte hinter meinem Stuhle,
Da sprang ich auf und faßt' ihn baß,
Und leicht, wie eine Federspule,
Warf ich ihn nieder auf ein Faß.
Da lag er, ohne sich zu regen,
Und schrie und schluchzte jämmerlich.
Ich ließ mein gutes Herz bewegen,
Und sprach zu ihm: So trolle dich!
Doch seht, was ich ihm abgenommen,
Eh' ich ihn aus der Thüre ließ!
Nun mag er immer wiederkommen,
Der Ritter ohne Schild und Spieß!
Zum ersten seine Augenbinde,
Die dient mir jetzt zum Tellertuch,
Und, wenn ich abgenutzt sie finde,
Für einen Spund zum Überzug.
Mit seinen scharf gespitzten Pfeilen
Da bohr' ich meine Fässer an,
Vielleicht, daß ich sie auch zuweilen
Als Propfenzieher brauchen kann.
Und seine Fackel soll mir leuchten
In schwarzer Nacht aus jedem Schmaus,
Wenn mir der Weg zu glatt will däuchten,
Und sich im Wirbel dreht mein Haus.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Die schöne Kellnerin von Bacharach und ihre Gäste. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5949-4