Geistliche Oden oder Gesänge:
Bevorauß underschiedene Psalmen Davids auß dem eygentlichen Verstand der Schrifft auff anderer Psalmen und Gesänge gewöhnliche Weisen gesetzt

1. Der 6. Psalm

Auff die Weise deß 77.

Zu Gott in dem Himmel droben.


Herr, nicht schicke deine Rache,
Ueber meine böse Sache,
Ob sie wol durch Uebelthat
Grossen Zorn verdienet hat;
Freylich muß ich es bekennen,
Ursach hastu sehr zu brennen,
Doch, du wollest jetzt allein
Vatter, und nicht Richter seyn.
Schicke lieber, o mir Armen,
Für den Eyffer dein Erbarmen,
Heyle mich, dann ich vorhin
Schwach und lagerhafftig bin.
Siehe, wie ich ab sey kommen,
Wie mir alle Krafft genommen:
Mache, Herr, es ja nicht lang,
Marck und Bein ist sterbekranck.
Für der Sorgen, Pein und Schmertzen
Ist kein Hertz in meinem Hertzen,
Mein Gemüthe, das dich liebt
Ist biß auff den Grund betrübt.
Mein Trost, kanstu noch verweilen?
Hat es keine Noth zu eylen?
Macht dann deine Hülffe sich
Schwächer, als der Kummer mich?
Kehre wider, wider kehre,
Ehe ich mich in Angst verzehre,
Reiche deine Hand, o Gott,
Meiner Seelen in der Noth!
Zwar du möchtest sie wol hassen,
Weil sie selber dich verlassen,
Doch betrachte diß darbey,
Was dein Heyl und Güte sey.
Menschen, die nicht mehr im Leben,
Die den Geist schon auffgegeben,
Wissen nichts von Schuld und Pflicht
Und gedencken deiner nicht.
Dann wer kan dir Ehr erweisen,
Wer vermag dich wol zu preisen,
Wann er schon liegt außgestreckt
Und im tieffen Grabe steckt?
Meine müde Seufftzer sagen,
Was der Mund nicht weiß zu klagen;
Durch mein Weynen alle Nacht
Wird mein Bette naß gemacht,
Meiner Augen heisse Zehren,
Die mir Ruh und Schlaff beschweren,
Quellen als ein Wasserfluß,
Daß mein Lager schwimmen muß.
[167]
Von der Pein, die ich empfunden,
Ist mein Antlitz abgeschwunden,
Ungedult macht die Gestalt
Mir für meinen Jahren alt.
Dann ich muß von allen Seiten
Mit dem losen Hauffen streitten,
Der mir anthut Schmach und Spott
Und mich ädert auff den Todt.
Nun, ihr Uebelthäter, ziehet,
Ihr Tyrannen, auff und fliehet,
Geht, ihr Volck der Eytelkeit,
Hin, woher ihr kommen seyt,
Dann der Herr sicht, wann ich weyne,
Daß ich diß mit Treuen meyne;
Meine Thränen fliessen hin
In sein Hertz und beugen ihn.
Er, der Herr, hat schon mein Flehen
Mit Genaden angesehen,
Mein Gemüthe, das mich regt,
Hat ihm seines auch bewegt.
Alsobald ich ihn gebetten,
Ihm für Augen bin getretten,
Hatt auch seine Güte sich
Außgebreitet über mich.
Für der gantzen Welt auff Erden
Sollen die nun schamroth werden,
Zittern noch für Gott und mir,
Die mich hassen für und für.
Weichen müssen sie zurücke
Plötzlich und im Augenblicke
Und doch sehen auch darbey
Daß der Herr mein Heyland sey.

2. Der 15. Psalm

Auff die Weise deß 24.

Dem Herren der Erdkreiß zusteht.


Wer wird dann je so selig seyn,
O Herr, wer kömpt doch bey dir ein,
In deinen Zelten stäts zu wohnen?
Wem wird auff deinen Berg zu gehn,
Den heil'gen Berg, frey offen stehn?
Wer ist, den du so wirst belohnen?
Herr, dieser ist es, dessen Geist
Sich von der schnöden Erden reißt,
Recht geht und, was gerecht ist, übet,
Dem ihm zu handeln außerkiest,
Als wie es recht und erbar ist,
Und hertzlich sehr die Warheit liebet,
Der seines Nächsten Sinn nicht kränckt
Die Lügen, die er ihm erdenckt,
Ihn nicht ermordet mit der Zungen,
Sagt nicht dem Nachbar Böses nach
Und lässet ihm erdachte Schmach
Und falschen Spott unauffgetrungen,
Der loses Volck nicht ehrt und liebt,
Dem aber sein Gemüthe giebt,
So Gott hoch helt für allen Dingen,
Der nimmer ändert seinen Eyd
Und solt es ihm schon anderweit
Den höchsten Schimpff und Schaden bringen,
Der nicht Finantz und Wucher übt,
Nicht den, der ihn Geschäncke giebt,
Zu willen falsches Urtheil heget.
Wer also redet, also lebt
Und embsig nach dem Guten strebt,
Der bleibt auch stäts und unbeweget.

[168] 3. Der 32. Psalm

Auff die Weise deß 9.

Ich wil dich, Herr, von Hertzen Grund.


O wol dem, der die Uebelthat
Nicht mehr auff sich zu tragen hat,
Dem seine Laster, sind verdecket,
Darein er sich zuvor gestecket.
O selig dem, der Gottes Huld
Nicht zuschreibt seiner Fehler Schuld,
Bey welchem kein Betrug zu finden,
Dardurch er bergen wil die Sünden!
Da als ich wolte sicher gehn,
Und mein Verbrechen nicht gestehn,
Geschwand ich gantz an Marck und Beinen
Für stätem Heulen und für Weinen.
Dann deiner Hand ergrimmte Macht
Lag auff mir Armen Tag und Nacht;
Es ist mir alle Krafft zerronnen,
Wie Graß dorrt von der Sommersonnen.
Da aber ich umb Gnade bat,
Erzehlte meine Missethat
Und sprach: O Herr, ich beichte lieber,
Da liessestu die Schuld vorüber.
Darumb das Volck der Heiligkeit
Dir ruffen sol zu rechter Zeit,
So wird kein Strom nicht zu ihm fliessen,
Wann alle Fluten sich ergiessen.
Du bist mein Schirm, beschütze mich;
Treib Angst und Schmertzen hinter sich,
Daß ich mit süssem Lobgesange
Auff die Erlösung frölich prange.
Ich wil dein Lehrer seyn, sprichstu,
Den Weg dir weisen richtig zu,
Dich, wo du wandelst, aller Seiten
Mit meiner Augen Klarheit leiten.
Nicht seyt ein Maulthier oder Pferd,
Das nichts versteht und nichts begehrt
Und dem der Zaum den Mund muß zwingen,
Wann du es wilt zum Lauffe bringen.
[169]
Also auch wird ein böser Mann
Durch Straffen in die Zucht gethan;
Wer nach dem Herren trägt Verlangen,
Wird Glimpff und Gütigkeit empfangen.
Ihr, die ihr liebt Gerechtigkeit,
Und sauber von Gemüthe seyt,
Freut euch im Herren, singt und ehret
Den, dessen Huld euch singen lehret.

4. Der 38. Psalm

Auff die Weise deß 91.

Wer in deß Allerhöchsten Hut; oder: Durch Adams Fall.


O Herr Gott brich doch nicht herfür,
Mit deines Eyffers Flammen:
Es schlage ja nicht über mir
Dein heisser Zorn zusammen;
Hör auff und zeuch doch wider ein,
Diß strenge Stieffgemüthe;
Laß deinen Grimm nicht höher seyn,
Als deine grosse Güte.
Mein Fleisch ist nicht von Menschen wund,
Da Menschen wider heylen;
Du hast mich selbst biß auff den Grund
Versehrt mit scharffen Pfeilen.
Es lässet deine Hand und Last
Mich unter ihr kaum regen,
Sie martert mich, daß ich nun fast
Für Mattigkeit erlegen.
Dein schwärer Zorn hat diß gethan,
Daß ich an meinem Leibe
Nichts sehen oder fühlen kan,
Das unverletzet bleibe.
Dein Haß und mein Verbrechen macht,
Daß ich nicht Ruh mag finden,
Daß alles sich an mir verwacht,
Auch die Gebeine schwinden.
Der Sünden Krafft beginnt so weit
Mir Schwachen obzusiegen,
Daß ihre Höhe nun bereit
Mein Häupt hat überstiegen:
Der schnöden Mängel hartes Joch,
Die meine Schultern plagen,
Ist freylich gar viel schwärer noch,
Als daß ich es sol tragen.
Ich bin an solchen Wunden kranck,
Die sich nicht stillen lassen,
Die faules Eyter und Gestanck
Mit grosser Abscheu fassen.
Was aber dieses macht und thut
Da kömpt von meinem Willen,
Von Thorheit, die mein Uebermuth
Erhitzt war zu erfüllen.
Mein hartes Uebel presset mich
So, daß ich krum muß gehen
Es druckt mein Antlitz unter sich
Gerade nicht zu stehen.
Ich trett' in schwartzen Kleydern her,
Als Zeichen meiner Sorgen,
Die mich begleyten mit Beschwer
Biß in die Nacht und Morgen.
[170]
Ich Armer schleppe kaum herein
Die abgezehrte Lenden,
Das Eingeweyd ist von der Pein
Verdorret aller Enden;
Vom Wirbel an biß auff den Fuß
Ist nichts befreyt der Plage,
Kein Glied ist, das nicht zeugen muß
Von Kranckheit, so ich trage.
Ich bin nicht mehr nun, der ich zwar
Vor dieser Zeit gewesen,
Als ich bey guten Kräfften war;
Jetzt kan ich nicht genesen,
Muß heulen wie ein grimmes Thier
Für Ungedult und Schmertzen,
Für Brausen, welches für und für
Mir wohnet in dem Hertzen.
Nun, Herr, was sol ich dir so viel
Von meiner Sache klagen?
Du weissest doch des Wundsches Ziel,
Den ich dir vor wil tragen.
Diß, so in meinem Sinne liegt,
Ist gantz dir unverborgen:
Es ist dir klar, wie mich bekriegt
Das Seufftzen meiner Sorgen.
Mein Hertze wil mir durch die Brust
Und geht mit schnellen Schlägen,
Die Krafft in mir hat fort gemust,
Sie kan sich nicht mehr regen;
Der hellen Augen schönes Liecht
Hat gäntzlich abgenommen,
Es ist nur von mir mein Gesicht'
Und von sich selber kommen.
Die Leute, denen ich vorhin
Gewesen gar viel lieber,
Die Freunde, derer Scheu ich bin,
Stehn alle gegenüber;
Die gantze Schar der Nachbarschafft
Schleicht furchtsam nach der Seiten,
Betrachtet meine schwache Krafft
Mit Eckel gar von weitem.
Es hält ein solches Volck auch Rath,
Mich in Gefahr zu setzen,
Das meinen Tod geschworen hat
Und stellet mir mit Netzen.
Ihr gantzes Tichten geht dahin,
Wie sie mich rücken wollen,
Wie sie mich, der ich sonst kranck bin,
Der Schlachtbanck lieffern sollen.
Ich aber muß durch Stilleseyn,
Die Qual mir selbst vermehren,
Muß Ohren haben, ach der Pein,
Und doch darmit nicht hören.
Mein bleicher Mund darff anders nicht,
Als nur mit Schweigen klagen,
Und was bey mir das Hertze spricht,
Steht mir nicht frey zu sagen.
Ich bin als wie ein tauber Mann,
Dem sein Gehör entgangen,
So daß er nichts vernehmen kan,
Vermag kein Wort zu fangen;
Bin stumm als einer, welcher gar
Die Zunge nimmer reget,
Nicht Zeugnuß gibt, ein Ding sey wahr,
Noch falsches widerleget.
Doch, Herr, mein Hort, ich halte mich
In diesem meinem Leyden
Allein an deine Hülff und dich;
Du wirst mich wol bescheyden;
Ich habe meine Rede nicht
Auch selbst mit dir verloren,
Du hörest, was mein Hertze spricht,
Mit gantz geneigten Ohren.
Diß aber sag' ich für und für
Und kräncke meine Sinnen,
Der lose Hauffe wird an mir
Die Augen weiden können;
Dann wann mein Fuß durch falschen Sprung
Solt' über Hauffen gehen,
Sie würden sich darob genung
Nicht wissen zu erhöhen.
[171]
Es ist nun mehr dann allzu war
Daß ich zur Angst gebohren
Und als zu stündlicher Gefahr
Deß Gleitens außerkohren,
Dieweil gewiß ein neues Leyd
Ein anders allzeit treibet,
Und meine Noth mir jederzeit
Für dem Gesichte bleibet.
Ich sage meine Missethat
Die mich in solchen Schmertzen
Zuförderst eingeführet hat,
Und beichte sie von Hertzen.
Es ist mir meiner Sünden Zahl
Nur, leider, unverborgen;
Ich bin für sie mit Neu und Qual
Auch stets in grossen Sorgen.
Hergegen aber welche mir
So feindlich wiederstreben,
Die brechen häuffig sich herfür,
Erstarcken noch und leben.
Sie haben mir der Hülffe loß
Sie zum Kopf wachsen sollen,
Und machen mit Gewalt sich groß,
Thun selber, was sie wollen.
Ja, was noch ärger, denen ich,
Doch stets für Freund gestanden,
Die gehn zusammen wieder mich,
Und lohnen mir mit Schanden.
Es pfleget mir ihr schnöder Sinn
Die Feindschafft nach zu tragen,
Bloß darumb, weil ich embsig bin,
Dem Guten nach zu jagen.
Doch mögen sie, o Herr, mein Gott,
Verfahren in dem Hassen,
Du einig wollest mich in Noth
Mit Hülffe nicht verlassen.
Es müssen ja dein Widerstand
Und Heil nicht ferren weichen.
Damit ich die Genaden-Hand
In Nöthen kan erreichen.
Ach Gott, den Trost, der mir gebricht,
Laß mich in Zeiten kriegen,
Komm bald, o Herr, und säume nicht,
Ich möchte sonst erliegen;
Komm bald, laß meine lange Pein
Dein Eilen jetzt erstatten,
Der du doch einig und allein
Ein Trost bist mir zu rathen.

5. Der 42. Psalm

Auff die Weise deß 24.

Dem Herren der Erdkreiß zusteht.


Gleich wie ein Hirsch mit schneller Flucht
Ein frisches Quell im Walde sucht
Und embsig läufft nach kühlen Bächen;
So ist auch meine Seel', o Gott,
Sie dürstet nach dir in der Noth
Und sehnet sich, dich anzusprechen.
Sie stirbt für Durst und wündscht zu sein
Umb ihren Gott; er ists allein
Durch den ihr Trauren wird benommen.
Ach, soll ich dann nicht bald hin gehn
Und ihm für seinen Augen stehn,
Will nicht der schöne Tag schier kommen?
[172]
Ich weine durch die gantze Nacht
Und wann der Tag sich zu uns macht
So sind mein Morgenbrod die Threnen;
Dieweil man allzeit zu mir spricht:
Wo ist dein Gott? nun kömpt er nicht,
Nach dem du dich so pflegst zu sehnen.
Mein Hertze springt im Leib' entzwey,
Wann ich bedencke, wie ich sey
In meines Gottes Hauß getretten
Und wie ich voller Freudigkeit
Umbringt vom Volcke für der Zeit
Geopffert habe mit Gebeten.
Doch sorge nicht, wirff alles hin,
O meine Seel', und hoff' auff ihn:
Warumb wilst du solch Leidt erweisen?
Er lebet noch und wird sich bald
Erzeigen als dein Auffenthalt,
Und du wirst ihn in Kürtzen preisen.
Mein Geist ist gantz bestürtzt in sich,
Weil ich, mein Gott, gedenck' an dich
Und muß verjagt ins Elendt gehen,
Hier wo man jenseit den Jordan
Den Misarsberg auff wüster Bahn,
Und Hermons Hübel siehet stehen.
Doch wann ein schwartzer Abgrund schon
Den andern rufft, daß auch darvon
Nichts unerschüttert bleibt auff Erden,
Wann gleich der tieffen Schleusen Schaum
So hoch schlägt, daß die Felsen kaum
Für ihm erblicket mögen werden,
Wann alle deine Ströme sich
Erhüben und bedeckten mich
Mit ihrem Sturm und rauen Wellen,
So würde doch mein Athem hier,
Mein Geist der würde für und für
Auff dich nur seine Hoffnung stellen.
Ich weiß, daß deine Gütigkeit
Sich liesse sehn bey Tagezeit,
Daß ich befreyt von andern Dingen
Mit Ruh hernachmals auff die Nacht
Von deiner Güt' und grossen Macht,
O höchster Vatter, köndte singen.
Mein Felß, auff den ich gantz gebaut,
O Gott, dem meine Seele traut,
Will ich mit Eyfer zu ihm sagen:
Gedenckst du dann an mich jetzt nicht?
Gestehst du, daß mein Hertze bricht,
In dem die Feinde mich so plagen?
Es scheint ein scharffes Schwerd zu seyn
Und dringet mir durch Marck und Bein,
Wann ich die grosse Schmach muß hören,
Daß mich der Feind in meiner Noth
Noch höhnt und spricht: Wo ist dein Gott,
Den du so heilig pflegst zu ehren?
Doch sorge nicht; wirff alles hin,
O meine Seel', und hoff' auff ihn;
Warumb wilst du solch Leidt erweisen?
Er lebet noch und wird sich bald
Erzeigen als dein Auffenthalt,
Und du wirst ihn mit Freuden preisen.

[173] 6. Der 49. Psalm

Auff die Weise deß 5.

O Herr, dein Ohren zu mir kehre.


Ihr Menschenschar, ihr grossen Herden
Der Leute, höret fleissig an,
Diß was man hier nur hören kan:
Thue auff das Ohr, o Volck der Erden,
Gelehrt zu werden.
Ihr Herren, die nach Ehren streben
Und die ihr schlechter Ankunfft seyd,
Die viel besitzen weit und breit
Und denen mehr nicht ist gegeben,
Als armes Leben.
Mein wahrer Mund soll was beginnen,
Das als ein Schutz der Klugheit sey;
Es kommen mir Gedancken bey
Verstandes voll, ich habe Sinnen
Die Weißheit können.
Mein Ohr wird nach der Lehre jagen,
Der nichts als Hoheit ist bewust;
Es soll die Harffe meine Lust
Die Sprüche, so ich für zu tragen
Mit Singen sagen.
Was darff ich groß in Furchten schweben
Bey bösen Tagen meiner Zeit,
Wann schon der Straffe Billigkeit,
Die ich verdient durch leichtes Leben,
Mich hat umbgeben?
Zwar viel sind geldstoltz unnd ergetzen
Durch grosses Reichthumb ihren Muth,
Verlassen sich auff falsches Gut
Und pflegen ihren Sinn zu wetzen
An hohen Schätzen.
Doch keiner ist im gantzen Hauffen
Der seinen Bruder lösen kan,
Der ihn bey Gott, bey dem die Bahn
Verrennet ist, frey durch zu lauffen
Erst ab wird kauffen.
Dann eine Seel, als die nicht stirbet,
Er heischet gar zu schweren Lohn;
Man gebe, was man will, darvon
So ist es nichts, das Wort vertirbet
Darmit man wirbet.
Ihm mag doch weder Frist geschehen,
Noch daß er ewig leben soll;
Er muß nur, wann sein Lauff schon voll
Und reiff ist, wider alles Flehen
Die Grube sehen.
Man schauet ja daß weise Leute
So wol als Narren untergehn;
Dem Frembden, die für Erbe stehn,
Wird morgen, sterben sie nur heute,
Ihr Gut zur Beute.
Noch wollen sie sich einverleiben
Durch Häuser in die Ewigkeit;
Ihr Bau soll stehen jederzeit,
Ihr Namen soll der Welt verbleiben,
Und stets bekleiben.
Jedoch sie mögen sich erhöhen
Durch Glücke, das sie viehisch macht,
Sie werden auch bey ihrer Pracht
Wie Vieh und Thiere, die nicht stehen,
Bald, bald vergehen.
[174]
Ihr Hoffen, Wandel, Thun und Tichten
Geht mißlich, ihr Verstand ist blind,
Doch pflegt ihr Stamm und Kindeskind
Nach ihrer Weise sich zu richten
Mit stetem Pflichten.
Sie sollen Schlaffbegräbniß haben,
Deß Todtes feiste Weide seyn,
Den Frommen dienen, wann der Schein,
Der Sonnen kömpt, und Würmer laben,
Wenn sie begraben.
Mich aber, ob ich auch zwar sterbe,
Und meine Seele, wird mein Gott
Erretten auß deß Grabes Noth,
Verleihen, daß ich bey ihm erbe,
Und nicht verderbe.
So solt du nun darnach nicht fragen,
Wann sich ein Schatz bey einem zeigt
Und dessen Hauß sehr plötzlich steigt,
Wird an Gewalt in schnellen Tagen
Empor getragen;
Wann seine letzte Stunde schläget,
So nimpt er nichts mit sich darvon,
Schläfft er im frischen Sande schon,
Es wird kein Reichthumb, das er heget,
Zu ihm geleget.
Zwar wird er sich für selig schätzen
Mit seinem freyen Leben hier,
Auch preisen hoch und sehr an dir,
Wann du dich wirst nach Lust ergetzen
Und frölich letzen.
Doch wird er seinen Vättern gleichen
Und ihrem Alter ehnlich seyn,
Deß rechten Liechtes klarer Schein,
Der soll ihn ewig nicht erreichen,
Noch je bestreichen.
Wer, schließlich, hoch ist und darneben
Nicht auch Verstand und Sinn erhöht,
Ist wie ein Vieh, das nichts versteht,
Das auff ein mal muß übergeben
Geist, Seel und Leben.

7. Der 51. Psalm

Auff die Weise deß 6.

In deinem grossen Zoren.


Herr, richte dein Gemüthe,
Nach deiner grossen Güte
Und nicht nach meiner That;
Laß meine schwere Sünden
Barmhertzigkeit empfinden,
Die keine Masse hat.
Geuß über meinen Schaden
Die Ströme der Genaden
Und wasch ihn klar und rein:
O wasche meine Glieder,
Mein Gott, und laß mich wieder
Von Lastern sauber seyn.
Ich muß bestehen und sprechen,
Es klage mein Verbrechen
Mich selber bey mir an.
Wohin ich mich will wenden,
Vermein ich, aller Enden
Sey diß, was ich gethan.
Wormit ich mich beflecket,
In was für Schuld gestecket,
Das weissest du allein,
Du thust mir recht mit Schelten,
Mit Straffen und Vergelten,
Und dein Gericht ist rein.
[175]
Ich bin ein Mensch, bin kommen,
Von Boßheit eingenommen,
Auff dieser Erden Reich;
Die meiner ist genesen
Empfieng im Sündenwesen,
Trug Schuld und mich zugleich.
Du aber, dem für allen
Die Warheit ein Gefallen,
Die auß dem Hertzen geht,
Du wilt mich wissen lassen,
Die Weißheit recht zu fassen,
Was in dem Grunde steht.
Besprenge mein Gemüthe
Mit Isop deiner Güte,
So bin ich klar und rein;
Herr, wasche mich, zu werden
So weiß als je auff Erden
Ein neuer Schnee mag seyn.
Laß deinen Trost mich lehren,
Die Ohren Wonne hören,
Auff meiner Schulden Last,
Laß Freuden mich durchdringen
Und die Gebeine springen,
Die du zermalmet hast.
Ach, drücke für den Sünden,
So deinen Zorn entzünden,
Die strengen Augen zu;
Der meinen Missethaten
Durch Tilgung werde rathen,
Das sey genädig du.
Ein reines Hertz, ein Leben,
Das dir allein ergeben,
O Schöpffer, schaffe mir,
Gib mir die neuen Sinnen,
Die dich nur lieb gewinnen,
Dir folgen für und für.
Nicht kehre mir den Rücken,
Laß ja dein Antlitz blicken
Als meiner Seelen Liecht;
Mit deinem heil'gen Geiste,
Dem ich Gehorsamb leiste,
Verlaß mich nimmer nicht.
Die Freude deines Heiles,
Der Seelen besten Theiles,
Laß wider zu mir ein;
Dein freyer Geist mich führe,
Mein gantzes Thun regiere,
Von Lastern frey zu seyn.
Dann will ich nachmals zeigen
Zu gehn auff deinen Steigen
Der Uebelthäter Schar,
So wird auch aller Enden
Der Sünder Volck sich wenden
Auff dich zu gantz und gar.
Das Blut, so mich beflecket,
Das werde ja verdecket,
O Gott, mein Heil, von dir:
Auff daß von meiner Zungen
Dir werde Lob gesungen
Und deiner Güte Zier.
Laß, Herr, durch reichen Segen
Sich meine Lippen regen,
Brich auff den blöden Mund,
So wird durch seine Lehre
Dein werthes Lob und Ehre
An allen Orten kund.
Ich ehrte dich mit Thieren,
Doch Rauch zum Himmel führen,
Ist nichts für dir als Rauch;
Das arme Vieh verbrennen,
Heist bey dir, recht zu nennen,
Mehr nicht, als nur Gebrauch.
Das Opffer, so du liebest,
Dem du die Augen giebest,
Ist ein zermalmter Sinn;
O Herr, du wirst die Schmertzen
Deß gar zerknirschten Hertzen
Nicht stossen von dir hin.
[176]
Du wollest, Herr, erfüllen
Mit Glück auß gutem Willen
Dein Sion, deine Statt:
Laß dein Gemüthe schauen,
Jerusalem zu bauen,
Die dich zum Stiffter hat.
Dann wirstu nach Genügen
Gerechtes Opffer kriegen
Auß vieler Art und Schaar:
Dann wird man Farren bringen,
Jedoch für allen Dingen
Das Hertz auff dein Altar.

8. Der 85. Psalm

Auff die Weise deß 74.

Warumb verstößt du mich, o Herr so gar.


Du hast, o Herr, dein Land zuvor geliebt,
Hast Jacobs Volck erlöset auß den Banden
Und deiner Schar vergeben ihre Schanden,
Die Schuld bedeckt, mit der sie dich betrübt.
Du hast den Zorn von dir weit abgethan,
Es legte sich dein grosser Eyfer nieder;
O Heyland, komm, Gott, tröste ja uns wider,
Nim uns doch auch genädig bey dir an.
Soll nun dein Haß stets brennen Nacht und Tag,
Soll dieser Grimm uns jetzt und immer drücken?
Wilt du uns denn nicht wiederumb erquicken,
Auff daß dein Volck sich deiner freuen mag?
Wir sind ja wol gar kaum Erbarmens werth,
Doch laß dein Recht die Schärffe dißmal sparen
Und lieber noch Genade wiederfahren;
Nim weg die Last, die uns so sehr beschwert.
Ich hoff es selbst zu hören, was Gott nun
Wird seinem Volck und Heiligen versprechen,
Daß Fried und Ruh bey ihnen an soll brechen,
Auff daß sie nicht auß Thorheit Sünde thun.
Doch seine Hülff ist denen gar nicht weit,
Die unverfälscht in seiner Furchte bleiben,
Damit sein Lob mag unter uns bekleiben,
Und unser Land bewohnen jederzeit.
Es wird ein Bund mit Güt und Treu geschehn,
Gerechtigkeit und Fried einander küssen,
Die Warheit wird auff Erden weit entspriessen
Und Billigkeit vom hohen Himmel sehn.
[177]
Der Herr wird auch mit Segen bey uns stehn,
Damit das Land mag sein Gewächse geben;
Gerechtigkeit wird immer bey ihm schweben,
Und für und für in vollem Schwange gehn.

9. Der 103. Psalm

Auff die Weise deß 100.

Ihr Volcker auff der Erden all.


Heb hoch deß Herren Herrligkeit,
O meine Seele, weit und breit,
Es preise Muth und Sinn in mir
Deß heil'gen Namens grosse Zier.
O meine Seele, weit und breit,
Heb hoch deß Herren Herrligkeit;
Vergiß nicht seiner Gnadenthat
Und was er offt erwiesen hat.
Der ohn Entgeltung dir vergibt
Die Schuld, darmit du ihn betrübt,
Verschaffet deinem Hertzen Ruh
Und heilet seine Schwachheit zu.
Der dich errettet auß Gefahr
Und nimpt deß armen Lebens war,
Bekrönt dich reichlich jederzeit
Mit Langmut, Huld und Gütigkeit,
Der mehr von Gütern dir beschert,
Als dein Mund darff und du begehrt,
Auch dir stets neue Jugend bringt,
Als wie ein Adler sich verjüngt.
Der Herr verschafft Gerechtigkeit
Und Recht ohn allem Unterscheid
Setzt das gedruckte Volck in Ruh
Und spricht ihm selbst die Sache zu.
Er hat dem Moses seine Bahn
Und rechte Wege kundt gethan,
Hat seiner grossen Wercke Pracht
Israels Kinder klar gemacht.
Er ist es, der Genad erzeigt,
Der zum Erbarmen hoch geneigt,
Der langsamb Haß und Eyfer hegt
Und eylends grosse Güte trägt.
Zwar Ursach hat er gar zu wol,
Doch ist er Grimmes nicht so voll
Und wird nicht zancken jederzeit,
Noch zornig seyn in Ewigkeit.
Er schickt nach unsrer Sünden Zahl
Nicht auch die Straffen allzumal;
Schaut nicht, was unsre Missethat
Für harten Lohn verdienet hat.
Die so in seinen Furchten gehn
Sehn seine Güte höher stehn,
Als hoch deß schönen Himmels Zelt
Die Stelle von der Erden helt.
So weit als sich der Sonnen Bahn
Von Ost und West erstrecken kan,
So weit auch setzt er auß Gedult
Von uns der schweren Sünden Schuld.
Wie sich ein Vatter-Hertze regt
Und Langmuth mit den Kindern tregt,
So auch erbarmt er derer sich
Die ihn stets fürchten inniglich.
Dann diß wohnt ihm genugsamb bey,
Was unser Zeug und Ursprung sey,
Er weiß und siehet uns allein
Geringen Staub und Asche seyn.
[178]
Deß Menschen Leben wächst an Zier
So schwach und zart als Graß herfür,
Ergrünet auch mit voller Pracht
Wie eine Blum im Felde lacht.
Ihr Safft wird welck und sie verbleicht
Wann sie ein kleiner Wind bestreicht;
Die Wissenschafft wohnt keinem bey,
Wo sie zuvor gestanden sey.
Des Herren Gnad ist sonder Ziel
Ob der Schar die ihn fürchten will,
Er pflantzet die Gerechtigkeit
Auff Kindeskind mit langer Zeit.
Ich meine derer Kindeskind,
Die seines Bundes Hüter sind
Und nemen sein Gebott so ein,
Desselben Thäter auch zu seyn.
Er hat ihm fest und unverletzt
Im Himmel seinen Thron gesetzt,
Sein Reich erstreckt sich umb und an
Auff alles, was man finden kan.
Ihr Engel lobt deß Herren Macht,
Ihr Helden, die ihr vor ihm wacht
Und sein Gebott thut, daß sein Wort
Erklingen mag durch alles Ort.
Erhebt den Herren weit und breit
Die ihr sein Heer und Diener seyd
Und richtet fleissig in die That
So viel er euch befohlen hat.
Ihr, seine Wercke, lobet ihn
So weit sich seine Gräntzen ziehn;
Brich, meine Seel, auch du hervor,
Und heb ihn ewiglich empor.

10. Der 104. Psalm

Auff eine eigene Weise

Erwache, meine Seel, und sage Lob dem Herren,
O Gott, wie bist du doch so rühmlich für und für!
Dein grosser Schein bestralt den Weltkreiß weit und ferren,
Dein Schmuck, in dem du gehst, ist nichts als Schmuck und Zier.
Dein Kleid ist reiniglich und sauber zubereitet,
Ist auff den Glantz gemacht und liechter Schönheit voll:
Du hast das blaue Tuch deß Himmels außgebreitet
Dir zur Tapezerey, als wie ein König soll.
Die Decke, welche dir diß hohe Hauß muß tragen
Und du hast auffgewölbt, ist unerschöpfftes Meer;
Das Wasser ist dein Hoff, die Wolcken sind dein Wagen,
Die Winde flügelst du und jagst sie für dir her.
Die Winde flügelst du und schickst sie allzusammen
Wie treue Boten auß, dein Herold ist die Lufft,
Der Donner höret dich, der Sturm und schnelle Flammen
Erzeigen ihren Dienst, wann deine Stimme rufft.
[179]
Du hast deß Himmels Fuß, die grosse Last der Erden,
Dein weises Meisterwerck, in starcken Grund gelegt,
Den Bau ihm lassen selbst zur Gegenwage werden,
So daß er weder sinckt, noch auff die Seite schlegt.
Du hattest ihm vorhin zum Mantel umbgegeben
Die bodenlose See, ihr Schaum gieng überher;
Die Felsen, so ihr Haupt dermassen hoch erheben,
Die stunden zugedeckt und waren lauter Meer,
Jedoch so bald dir nur geliebet hat zu wincken,
Hat auch die wilde Flut ihr einen Weg gesucht.
Auff deiner Stimme Plitz fieng alles an zu sincken,
Die Wellen worden scheu und eilten in die Flucht.
Die Berge mengten sich der Lufft mit ihren Spitzen
Und ragten stoltz herfür, das Feld ward abgesenckt,
Die Klippen mußten stehn, die tieffen Thäler sitzen,
Da wo du jeglichem hast seinen Ort geschenckt.
Du hast der breiten See den Gräntzestein gezeiget,
So daß ihr küner Lauff nun seine Schwelle weiß
Und nicht mehr unbepfält an frembdes Ufer steiget.
Und nicht mehr überfällt den müden Erdenkreiß.
Die flachen Gründe sind der Brunnen kühle Stelle,
Worein sie hat gepflantzt dein unerschöpffter Sinn;
Hier sucht ihr freyen Gang die Flut der reichen Quelle,
Hier rauscht der Flüsse Strom an rauen Bergen hin.
Diß hast du für die Thier' auch also haben wollen,
Damit kein Mangel sey auff ihrer grünen Bahn
Und sie den heissen Durst genüglich stillen sollen,
So daß deß Wildes Heer sich frölich letzen kan.
Hier hört man umb den Strand auff hohen Aesten singen
Die schöngemahlte Schar der weiten Himmelslufft,
Hier hört man sie mit Lust die Tageweise schwingen,
Das Thal und Feld und Wald und Ufer widerrufft.
Du machst die Berge naß, schickst angenehmen Regen
Auß deinen Wolcken her mit einer milten Hand;
Die Lufft muß schwanger sein, gebehren deinen Segen,
Dein süsser Perlentau befeuchten alles Land.
Du lässest für das Vieh entspriessen feiste Weide,
Du giebst ihm weiches Graß und schaffest Futter ein;
Das Volck der Sterblichen hat Kräuter und Getreidt,
Damit es beydes satt und auch gesund kan sein.
[180]
Der Menschen Hertz und Blut wird durch das Blut der Erden
Den Wein, den Sorgentrost, zur Fröligkeit gebracht,
Sein Antlitz kann von Oel erquickt und schöner werden,
Die Glieder von der Krafft deß Brodes starck gemacht.
Daß so viel Bäume sich durch Thal und Berg erhöhen
Und wachsen ungeprosst und haben vollen Safft,
Daß auff dem Libanon die festen Cedern stehen,
Das wolgeschmackte Holtz, diß hast du auch geschafft.
Hier pflegt in stiller Ruh der Sperling auff zu rüsten,
Sucht für sein leichtes Nest ihm einen kleinen Raum;
Hier sieht man hoch empor den stoltzen Reiger nisten,
Fast umb ein dickes See, auff einem Tannebaum.
Die zarte Hindinn kennt, daß Berge für sie dienen,
Die Gemse schwinget sich auff Klippen in die Lufft;
Die samenreiche Zucht der flüchtigen Caninen
Hat ihren Auffenthalt in wilder Felsen Klufft.
Damit das Jahr von uns kan eingetheilet werden,
So muß deß Mondens Nadt jetzt leer, jetzt trächtig stehn
Es weiß deß Tages Zier, die Hertze dieser Erden,
Die Sonne, welche Zeit sie soll zu Bette gehn.
Du heissest alles Land durch Finsterniß verbleichen
Und giebst den Wolcken umb das braune Kleid der Nacht;
Dann hört man wie die Thier' auß ihren Löchern weichen
Und wie das scheue Wild sich durch die Püsche macht.
Der Wälder Furcht und Krafft, die jungen Löwen, wissen
Wo Raub zu suchen sey in ihrer Hungersnoth,
Dieweil sie einig dich, nur einig dich, begrüssen
Und brüllen auff zu dir, du auch der Thiere Gott!
Wann dann der Sonnen Gunst mit einem güldnen Blicke
Den Erdenkreiß erweckt von seiner langen Ruh,
Da nemen sie den Weg in voller Schar zurücke
Und läufft ein jegliches auff seine Höle zu.
Dann legt der Mensch sich an, verbringt auff seinem Grunde
Und Ackern den Beruff, worzu er ist bestimmt
Und wird der Erden Artzt, biß daß die Abendstunde
Die Arbeit und den Tag zugleiche von ihm nimpt.
O Herr, wie wunderbar und groß sind deine Wercke!
Wer ist es, der sie kennt und alle nennen soll?
Du, du hast diß gethan durch deine weisse Stärcke:
Das gantze weite Rundt ist deiner Güte voll.
[181]
Was dann die See betrifft, wer will ergründen können
Das Vieh der reichen Flur und kalte Schuppenheer?
Dann die Gestalt an ihm ist nimmer außzusinnen,
Die Anzahl nur allein so groß nicht als sein Meer.
Hier laufft das kühne Schiff dir Wette mit dem Winde,
Und eilt geflügelt fort durch seine nasse Bahn,
Hier hast du eingesetzt den Walfisch in die Gründe,
Damit er lustig sein und frölich schertzen kan.
Es schaut und wartet, Herr, mit gläubigem Verlangen
Diß was hier schwebt und lebt auff deine Gütigkeit;
Er dient dir sehnlich auff und hoffet zu empfangen
Die Speise, die du schaffst zu rechter Essenszeit.
Sie kommen allesampt und heissen ihnen geben,
Und kriegen Unterhalt, daß keines Mangel hat;
Sie kommen allesampt und du erquickst ihr Leben;
Thust du die Hand nur auff, so sind sie gäntzlich satt.
Woferren aber du verbirgest dein Gesichte
Und ihnen ihren Geist erzürnet wilt entziehn,
So zittern sie für Angst, so werden sie zu nichte
Und sind ein leichter Staub und Asche wie vorhin.
Wird nachmals über sie dein Athem außgelassen,
So lebt was jetzund schon vom Leben nicht mehr weiß
Und kann ihm neue Lufft und frische Kräfften fassen,
Ja du verjüngest auch den gantzen Erdenkreiß.
Deß Herren werthes Lob soll ewig bey uns wallen,
Wir wollen allezeit erheben seine Krafft;
Der Herr der Herren hat ein grosses Wolgefallen,
Hat seines Hertzens Lust an Wercken, die er schafft.
Wann er die Erde nur ergrimmet an will blicken,
So zittert und erbebt die gantze schwere Last;
Die Felsen geben Dampff, der starcken Berge Rücken
Die rauchen, wann er sie mit einem Finger fast.
Ich will auß aller Krafft deß Herren Ruhm erheben,
Will preisen meinen Gott mein gantzes Leben lang,
Will, also weit er mir auff Erden Frist wird geben,
Erhöhen seine Macht durch meinen Lobgesang.
Hergegen dieses sey er auch von mir gebetten,
Er lasse meine Stimm' auß Gnaden zu sich ein
Und gebe, daß sie kan in sein Gesichte treten,
So wird mein gantzer Sinn zum Singen freudig sein.
[182]
Der Sünder böse Schar muß außgerottet werden,
Muß sehn, nach dem sie ringt, den wolverdienten Todt;
Das gottverhaßte Volck muß nicht mehr sein auff Erden:
Du wache, meine Seel', und lobe deinen Gott.

11. Der 137. Psalm

Auff die Weise deß 96.

Singet ein neues Lied dem Herren.


An Babylons begrünten Flüssen
Da wolten wir der Ruh geniessen
Und frey von stetem Kummer seyn;
Bald kam uns Sion aber ein,
Daß wir die Thränenquellen liessen.
Wir musten nur die Harffen meiden
Und henckten sie den zarten Weiden
An ihrer Aeste bleiche Zier,
Die gleichsamb mit uns und als wir
Auch schienen Traurigkeit zu leiden.
Noch sagten die, so uns gefangen,
Durch die wir im Rauch auffgegangen,
Wol auff, singt einen Freudenthon,
Laßt von der werthen Burg Sion,
Die schönen Freyer-Lieder prangen.
Ach sprachen wir, wer kan sich zwingen,
Was frölichs jetzt herfür zu bringen?
Der Herr zwar herschet für und für,
Doch wer will in der Frembde hier
Wie recht und gut ist, ihn besingen?
Diß kan ich dir von Hertzen sagen,
Jerusalem, wann dein Behagen
Auß meinen Sinnen wird getrant,
So müsse diese meine Hand
Die Harffen ewig nicht mehr schlagen.
Die Zunge klebe mir am Rachen
Wann nicht mein Hertze stets wird wachen,
Jerusalem, in treuer Gunst,
Wann mir nicht deine Liebesbrunst
Wird süsser seyn, dann alle Sachen.
Du wollest, Herr, es ja gedencken,
Den Kindern Edom es nicht schencken,
Daß sie Jerusalem zerstört;
Fort, fort, hat man ihr Wort gehört,
Man muß sie auff den Grund versencken.
O Babylon, frech von Geberden,
Du auch solt kehren noch die Erden!
Wol, wol, durch welchen dir fortan
Das Uebel, so du uns gethan
Gar reichlich soll belohnet werden!
Wol, wol dem, der sich wird befleissen
Dir deine Kinder weg zu reissen
Von deiner Brust mit grimmer Hand;
Der sie wird schlagen an die Wand,
Und an die rauen Felsen schmeissen.

[183] 12. Der 148. Psalm

Auff die Weise deß 128.

Selig ist der gepreiset.


Es soll den Herren loben
Deß gantzen Himmels Feld,
Ihn rühme, was dort oben
Die weite Wohnung hält.
Es müsse von ihm schallen
Der Engel süsses Chor;
Ihn hebe hoch für allen
Diß starcke Heer empor.
Ihn lobe sampt der Sonne,
Deß Mondens bleiche Zier:
Ihm gebe seine Wonne
Der Sternen Schaar herfür;
Der Himmel Lauff erhebe
Den, welcher ihn erhöht,
Das Wasser ihm Lob gebe,
Das auff dem Himmel steht.
Sie sollen nicht verhälen
Deß Herren Namens Pracht,
Weil sie auff sein Befehlen
Erschaffen und gemacht.
Er hat sie steiff gegründet
Für Zeit und Noth zu stehn:
Durch seine Satzung bindet
Er sie, schnurrecht zu gehn.
Du solt ihm Lob erfinden,
Der Erden grosses Heer,
Ihr Wallfisch in den Gründen,
Ihr Flüsse, Quell und Meer.
Das Feuer sampt dem Rauche,
Schloß, Hagel, Schnee und Eiß,
Der Sturm, so auß Gebrauche
Ihm zu gehorchen weiß.
Die Berge, so hoch ragen,
Die Hügel allzumal,
Die Bäume, so viel tragen,
Der Cedern grosse Zahl,
Das Wild in Pusch und Brüchen,
Das Haußvieh, was man hegt,
Die Würme, welche kriegen,
Das Heer, das Flügel trägt,
Die so gekrönet werden,
Die Menschen allerhand,
Die Fürsten auff der Erden,
Die Richter durch das Land,
Auch Jüngling und Jungfrauen
An Sinn und Jahren zart,
Die an dem Alter bauen
Und Knaben frischer Art.
Die sollen einig loben
Den Herren für und für,
Sein Name schwebet oben
Ob Welt und Himmels Zier;
Das Volck hat er erhaben,
Das ihm sein Lob erkiest,
Israel, dem an Gaben
Und Gunst er Nachbar ist.

13. Morgen-Lied

Auff die Weise deß 33. Psalmen

Wolauff ihr Heyligen und Frommen.


O Liecht, gebohren auß dem Liechte,
O Sonne der Gerechtigkeit,
Du schickst uns wieder zu Gesichte
Die angeneme Morgens-Zeit,
Drumb will uns gehören,
Danckbarlich zu ehren
Solche deine Gunst.
Gieb auch unsern Sinnen,
Daß sie sehen können
Deiner Liebe Brunst.
[184]
Laß deines Geistes Morgenröthe
In unsern tunckeln Hertzen seyn,
Daß sie mit ihren Stralen tödte
Der eiteln Wercke kalten Schein;
Siehe, Herr, wir wancken,
Thun und auch Gedancken
Gehn auff falscher Bahn,
Du wolst unserm Leben
Deine Sonne geben,
Daß es wandeln kan.
Verknüpffe mit deß Friedens Bande
Der armen Kirchen schwache Schar,
Nim weg von unserm Vatterlande
Verfolgung, Trübsal und Gefahr.
Laß uns ruhig bleiben,
Unsern Lauff zu treiben
Diese kleine Zeit,
Bist du uns wirst bringen
Wo man dir soll singen
Lob in Ewigkeit.

14. Gesang zur Andacht

Auff die Weise deß hundert und vierdten Psalms

Auff, auff, mein Hertz', und du mein gantzer Sinn,
Wirff alles das, was Welt ist, von dir hin;
Wo daß du wilt, was göttlich ist, erlangen,
So laß den Leib, in dem du bist gefangen.
Die Seele muß von dem gesäubert seyn,
Was nichts nicht ist, als nur ein falscher Schein,
Muß durch den Zaum der Tugend dämpffen können,
Die schnöde Lust der eusserlichen Sinnen.
Ein jeder Mensch hat etwas, das er liebt,
Das einen Glantz der Schönheit von sich gibt;
Der suchet Gelt und trauet sich den Wellen,
Der gräbet fast biß an den Schlund der Höllen;
Viel machen sich durch Kriegesthat bekant
Und stehn getrost für Gott und für ihr Land:
Der dencket hoch und strebet gantz nach Ehren,
Und jener läßt die Liebe sich bethören.
Indessen bricht das Alter bey uns eyn,
In dem man pflegt umb nichts bemüth zu seyn;
Eh' als wir es recht mögen innen werden,
Es kömpt der Tod und rafft uns von der Erden.
Wer aber gantz dem Leib' ist abgethan
Und nimpt sich nur der Himmels-Sorgen an,
Setzt allen Trost auff seines Gottes Gnaden,
Dem kan noch Welt, noch Tod, noch Teuffel schaden.
[185]
Den Ancker hat der Noah eingesenckt,
Da als er war mit Lufft und See verschrenckt;
Der grosse Trost hat Abraham erquicket,
Als er sein Schwerd nach Isaac gezücket.
Der Glaube muß von Gott erbetten seyn,
Der einig macht, daß keine Noth noch Pein
Und Todes-Angst auch den geringsten Schmertzen
Erwecken kann in frommer Leute Hertzen.
Drumb schau', o Mensch, hinauff und über dich,
Nach dem, was nicht den Augen zeiget sich,
Was niemand kan beschliessen in den Schrancken
Der Sterblichkeit und flüchtigen Gedancken.
Vollbringstu das, mein Hertz', und du, mein Sinn,
Und lägst die Last der Erden von dir hin,
Sagst ab dem Leib', in dem du bist gefangen,
So wird Gott dich, und du wirst Gott erlangen.

15. Neujahrs-Lied

Das Jahr ist fortgelauffen
Hat seiner Tage Hauffen
Das letzte Ziel gemacht;
Was haben wir indessen
Für Missethat vergessen,
Für gutes Werck vollbracht?
Groß ist die Zahl der Stunden,
Noch wird sie überwunden
Von Rechnung unsrer Schuld:
Doch, Christe, dein Gemüthe
Reicht weiter zu an Güte,
An Langmuth und Gedult.
Was deiner Herde Sachen
Nicht wissen gut zu machen,
Zahlt deine Liebesbrunst.
Ach! laß auch künfftig schauen,
Wie billich, daß wir bauen
Auff solche treue Gunst.
Es sey ein mal ein Ende
Dem Kriege, der die Hände
Sehr tieff hat eingesetzt;
Wir müssen bald erliegen,
Woferren durch dein Siegen
Das Leyd nicht wird ersetzt.
Nun, Herr, du wirst dich regen
Mit einem neuen Segen,
Auff dieses neue Jahr;
Gieb, also nur zu leben,
Daß wir dir Anlaß geben
Zu retten deine Schar.

[186] 16. Lobgesang über den freudenreichen Geburtstag unsers Herrn und Heylands Jesu Christi

[1624.]


Ich bin, o Jesu, zwar bereitet, deine Krippen
Und dich, du süsses Kind, mit diesen meinen Lippen
Zu preysen inniglich, gleich wie ich vormals pflag
Mit Freud und Lust zu thun, wann dieser hohe Tag
Gewünschet kommen war; dann kan auch auff der Erden
Wol etwas bessers noch von uns erfunden werden,
Mein Heyland, alls dein Lob, wofern in vollem Chor
Ein jeder sich erhebt, schwingt seine Stimm' empor,
Und wil nicht letzter seyn, wie man im Wettelauffen
Sich einer gantz bemüht, vor dem gemeinen Hauffen
Zu treffen auff den Zweck, sticht seinen Klepper an,
Der Sieges Hoffnung voll, nicht minder als der Mann
Den Wind schier überholt, und wann er unterweilen
Ihm auf der Fersen nach ein ander Pferd hört eylen,
Da gischt er, schaumt und schnaubt, gibt auff den Staub nicht viel
Reist seinen Reuter fort und bringt ihn an das Ziel,
So solte mir auch sein. Ach, aber ich bin kommen,
Wo fast mir alle Fug zu singen ist benommen,
In diesen wilden Ort, da niemals keine Gunst
Gewesen noch sein wird zu einer freyen Kunst:
Da alle Liebe ligt die Stimme zu erheben,
Auff Art der schönen Schar, die um die Wiege schweben,
Darein man dich, o Kind, o grosses Kind, gelegt,
Das zwar gewieget wird, und doch die Welt bewegt.
Kein Tempel ist hier nicht, in dem ich köndte hören,
In meiner Sprachen zwar, diß dein Geburtsfest ehren,
An dem du worden bist was Menschen müssen seyn,
Und bleibst doch wahrer Gott, bist Gott und Mensch allein.
So hab ich auch bißher nicht wenig abgenommen,
Bin einen grossen Theil von meinen Kräfften kommen
Durch Kranckheit, welche mich noch jetzt nit gäntzlich lest;
Was sonsten mehr hier ist, ist grimmer Frost und Pest.
Doch richtet mich noch auff, daß dennoch ein Gedancken
Dich ohne Red' erweicht, daß weder Ziel noch Schrancken
Für deine Gottheit ist; du birgst dich nirgend ein
Und lessest deine Kirch' ein reines Hertze seyn.
Drum nim, o Jesu, an, nim an mit dein Gesichte
Das Erd und Meer erquickt, mein niedriges Gedichte,
So dich, o Höchster, lobt und einig auff dich siht;
Du hast auch nicht verschmäht der armen Hirten Liedt,
[187]
Im Fall es schon nicht war mit Worten außerlesen,
Und wolte, wolte Gott, ich were da gewesen,
Ihr Hirten, unter euch, und hette diese Nacht
Daselbsten auch mit ihr, mit Wachen zugebracht.
Ich hette wol, wann ich das Kind het sehen liegen,
Ein grünes Lorberlaub geflochten um die Wiegen,
Weil sonst die rauhe Lufft des Winters alle Feldt
Und aller Blumen Zier mit Eiß umschlossen helt.
Ich hett' ein schlechtes Lied mit euch auch wollen singen
Ein schlechtes Lied, das Gott ihm doch gar wol lest klingen;
Alexis würde gantz vergessen worden seyn
Und auch der Galatee mit ihrer Liebespein.
O welch ein lieber Tag, an dem wir Menschen finden
Vor Armuth Ueberfluß, Genade für die Sünden
Und für Verachtung Ruhm, an dem die Sterbligkeit
Verkehrt wird in den Fluß der unerschöfften Zeit.
O welch ein lieber Tag, ein Tag, den Menschen Sinnen,
Wie hoch sie immer gehn, mit nichten fassen können!
Gott wird ein wahrer Mensch, des Vaters Wort und Rath
Nimt Fleisch und Blut an sich. O grosse Wunderthat,
Zwar über die Vernunfft, nicht über unsern Glauben
Der Gottheit, die er hat, lest er sich nicht berauben,
Und lest nichts mangeln auch der Menschheit, die er nimt,
Bleibt, was er war vorhin, und wird, was er bestimt:
Kein Mensch auff dieser Welt vermochte Gott zu werden;
Jetzund wird Gott ein Mensch, kommt zu uns her auff Erden.
Der, so war ohne Zeit, hebt jetzund an zu seyn,
Ist auch deß Menschen Sohn, nicht Gottes Sohn allein.
Ein Kind ist uns geborn, ein Sohn ist uns gegeben,
Meßias unser Heyl, durch den wir alle leben.
Der Herr, der höher ist, alß alle Himmel sind,
Und tieffer alß die Erd', ist jetzt ein schwaches Kind.
Der Auffgang auß der Höh', und der den Cherubinen
Gegeben ihren Schein, dem so viel Engel dienen,
Der um den Himmel her die schönen Wolcken streckt,
Der Vieh und Felder ziert, auf den wird Schilff gedeckt.
Der Glantz der Herrligkeit, für dem die Erde zittert,
Für dem der tieffe Grund der Berge wird gesplittert,
Komt, zu erhalten das durch seine Gütigkeit,
Was er durch seine Krafft erschaffen vor der Zeit.
Der Vater ewiglich wird jetzt ein Kind auff Erden,
Auff daß wir nun hinfort auch Gottes Kinder werden.
Er wird dahin gelegt in einen schlechten Stall,
Damit uns werden kan des Himmels schöner Saal;
[188]
Er lest die wilden Thier jetzt stehn zu seinen Füssen,
Den Engeln uns hierdurch in künfftig einzuschließen;
Der Quell des Lebens selbst ligt an der Mutter Brust,
Daß unsre Seele nur krieg' ihre wahre Kost.
Jetzt wird Emanuel verneuern alle Sachen,
Verendern das Gesetz, uns frey und ledig machen,
Jetzt wird der Menschen Witz und Weißheit gantz gefellt,
Denn Gottes Weißheit wird geboren auff der Welt.
Jetzt wird die wilde See sich sicher treten lassen,
Der Taube wird gar wol die Rede können fassen,
Der Stumme wird gehört, die Lahmen werden gehn,
Die Krüppel grade sein, die Todten aufferstehn,
Der rauhe Boreas wird jetzt sich nicht bewegen,
Der strenge Sturm der See wird seine Wellen legen
Und unterthänig sein. Der Brunnen Sand und Koth
Wird Kraut und Pflaster seyn für blinder Leute Noth.
O hochgezierter Tag, ein Tag des Heils und Ehren,
Ein Tag, an welchem uns die Engel selber lehren,
Ein rechter Freudentag voll Herrligkeit und Pracht,
Ein Tag, den uns der Herr der Herren selbst gemacht!
O welch ein schöner Tag, an dem uns ist geboren
Der vor dem Tage war und der den Tag erkoren,
Das Liecht erschaffen hat. Ein Tag, den Abraham,
Den Jacob lange Zeit vorhin zu Hertzen nahm,
Ein Tag, den Isac sah', alß er nichts kondte sehen,
Ein Tag, an welchem das noch endlich ist geschehen,
Darauff die Väter schon vor vieler Zeit gehofft
Und der Propheten Schar so sehnlich hat gerufft,
Ein Tag, da alle Welt daran bestürtzt muß werden.
Augustus der verschreibt den gantzen Creiß der Erden,
Schleust Janus Tempel zu; Herodes bebt und zagt,
Die Weisen sehn den Stern, der ihnen Gott ansagt.
Der Schrifftgelehrten Witz verstumt ob diesen Dingen,
Die Brunnen geben Oel, die Engel selber singen,
Der armen Hirten Volck thut, was es sol und kan,
Der Ochs und Esel stehn und beten das Kind an.
Ey komt, komt, last uns doch die Zelle recht beschauen,
In der der Heyland liegt, komt zu der grossen Frauen,
Die doch noch Jungfrau ist und ihres Sohnes Kind;
Komt last uns recht besehn den Schönsten, so man find.
Wer hette doch vermeynt, o Samson, hoch von Thaten,
Daß deine starcke Macht da solte hingerathen
[189]
Wo bloß ein schwaches Weib, ein Weib dich grossen Mann
Nach ihres Hertzens Lust gefangen nehmen kan?
Die arme Delila, die Menschen voller Sünden,
Die sollen dir, o Held, die Hände können binden,
Die sollen gleichsam dir verzaubern Hertz und Sinn,
Daß du auß Liebe dich in ihre Schoß legst hin?
Ich dörffte fast von dir mit jenem Alten sagen,
Daß Lieb' und Weiseseyn gar selten sich vertragen;
Alleine du erwehlst das, was die kluge Welt
Nach sterblicher Vernunfft für lauter Thorheit helt.
Hat dieser Hände Krafft die Himmel können bauen?
Sind das die Augen hier, so auff die Völcker schauen?
Hat dieser zarte Mund, der noch nicht reden kan,
Vorzeiten das Gesetz uns Menschen kund gethan?
Ach seht, wie klein und schwach ist doch um unsertwillen,
Der Himmel, Erde, See und alles kan erfüllen.
Er komt in trüber Nacht, im Winter, arm und bloß,
Hat um und über sich Schnee, Reiff und strengen Schloß.
Er muß auff Heu und Stroh an Stat der Bette liegen,
Der Stall ist sein Pallast, die Krippe seine Wiegen,
Die für Tapecerey mit Spinnen ist umwebt,
So elend ist der Ort, wo unser Heyland lebt.
Nun, liegt er schon so arm, jedoch hat ihn umgeben
Der gantze Himmel selbst, die reinen Geister schweben
Um ihren Fürsten her und singen ihm allhier,
Gleich wie sie auch zuvor gesungen für und für.
Man siht sein Armut wol der Gotheit Macht verschweigen,
Doch stehn die Sternen da, so klärlich auff sie zeigen.
Zwar dieses werthe Kind ligt auff dem Häu und klagt,
Doch hat es schon zuvor den Auffgang angesagt.
Der schöne Lucifer, der Tröster dieser Erden,
Kan mit des Sternes Zier gar nicht verglichen werden,
Der jetzt sich sehen lest. Die grosse Schlange weicht,
Die Jungfrau schämet sich, des Löwens Glantz verbleicht.
Junonen Fisch, der Krebs, zeucht zu sich seine Scheren,
Der starcke Hercules begehrt sich nicht zu wehren
Und kniet nach seiner Art. So groß alß pflegt zu seyn
Der Wolckenliechter Schar, verendert ihren Schein,
Wird sämtlich blaß und bleich. Das helle Rad der Sonnen,
Wie klar es immer ist, gibt williglich gewonnen.
Die weisen Könige sind sehr darob erfreut
Und machen sich das Kind zu grüssen bald bereit.
Sie ziehen eyffrig hin und opffern ihre Gaben,
Das Hertze zuvorauß, dem angenehmen Knaben,
[190]
Der aller König ist, wiewol er sitzt und klagt
In seiner Mutter Schoß, der außerwelten Magd,
Des Weibes ohne Mann, an Leib' und an Gemüthe
Von allen Lüsten frey, voll Gottes Gnad' und Güte,
Die was sie nicht begreifft doch saget mit der That,
Sie habe den geborn, der sie erschaffen hat.
Vor diesen hat sie sich im Hertzen unterwunden
Den Himmel auff zu gehn, mit dem sie nun verbunden
Und gleich vermählet ist, hat auff das Kind gedacht,
Auff daß die Völcker nun so lange Zeit gewacht,
Hat über alles Lob die Jungfrau hoch erhaben,
Die Gott mit diesem Glück und Ehren wird begaben,
Daß sie sol Mutter seyn des Kindes, das die Welt
Und alles, was hier ist, hat in den Grund gestellt.
Jetzt ist hier alles neu, jetzt ist sie in dem Orden,
In dem von Anbegin noch keine funden worden;
Jetzt siht sie klaren Schein, doch keine Sonne nicht,
Sie sihet zwar die Nacht, doch heller alß das Liecht.
Bald wirfft sie auff das Kind die niemals falschen Augen,
Das ihr den Halß umfängt und jetzt begint zu saugen
Die wunderbare Milch, so nicht auß Menschen Brunst
Entsprungen, sondern nur auß blosser Himmelsgunst.
Geht weit von hinnen weg, geht weg, ihr schnöden Weiber,
Die, so ihr bloß auff Pracht, auff Zier der geilen Leiber
Die Sinnen habt gesetzt; hier ist die arme Magd,
Die Gott, die Liebe selbst, und nicht der Welt behagt.
Geht weit weg, die ihr nur, die Männer auffzuwecken,
Den Nacken, Brust und Halß gantz frech pflegt zu entdecken;
Maria, so hier sitzt, entblöst nur dem die Brust,
Der Menschen, Vieh und Wild erhelt mit seiner Kost.
Macht euch von hinnen auch, die so ihr nichts wolt wissen,
Alß nur von Ueppigkeit, von unverschämtem Küssen,
Und komt der Ehe vor mit Hoffnung voller List,
Hier ist nur die, so den, der Gott und ihr ist, küst,
Den, so sie eher schon im Hertzen hatt' empfangen,
Alß in der zarten Schoß, nach dem ihr Sinn gehangen
Von erster Wiegen an, dem schreibet sie sich zu,
Der ist ihr gantzes All, ihr Trost und ihre Ruh.
Das thut des Menschen Geist, wenn er das Fleisch verlassen
Und gantz sein selber ist, so hebt er an zu hassen
Was Fleisch und Blut angeht, lebt in dem Leibe zwar,
Und wird für Andacht doch sein gleichsam nicht gewahr.
Vor allem lest er nie die Augen der Gedancken,
Gleich wie die Leiber thun, von seinem Schöpffer wancken,
[191]
Schaut unverwand ihn an. Dann wann schon unser Sinn
Vom Geist entzündet wird, so siht er nirgend hin,
Biß bloß nur auff den Geist, wie Feuer alle Sachen,
Die es ergreiffen kan, zu Feuer pflegt zu machen.
So alß Maria wird in dessen Lieb' entzündt',
Der nichts alß lieben kan, so kömt er, wird ein Kind.
Komt, nahet euch herzu, kommt her, ihr keuschen Frauen,
Ihr reines Weibesvolck, die Mutter anzuschauen,
So doch noch unbefleckt; hier ist nichts um und an,
Das eine Jungfrau nicht betrachten sol und kan.
Komt tretet näher her, das schöne Kind zu grüssen,
Zu tragen auff der Hand, zu hälsen und zu küssen!
Lernt von Marien auch, wordurch man Gott behagt,
Die seine Mutter ist, und nennt sich doch nur Magd.
Sie ist voll Heiligkeit, voll Gottes, den sie träget,
Bringt Reden an den Tag, vom Himmel angereget,
Die zwar gantz göttlich sind; doch gleichwol, was man weit
Vor andern Worten hört, das ist von Niedrigkeit.
Auch Joseph sitzt alda, der sie pflag zu bewahren,
Und jetzund auch das Kind, verwundert ob den Scharen
Des Himmels voller Glantz und ob der zarten Braut,
Die Gott geboren hat und ist ihm auch vertraut.
O Bethlehem, sagt er, du hast zwar jetzt verloren
Den Pracht der Könige, von denen ich geboren.
Wol edel, aber arm; doch kömt hier in sein Reich
Ein ander König an, dem nichts auff Erden gleich.
Ey biß ja sehr gegrüßt! Der Auffgang wird dich ehren
Und auch der Niedergang wird deinen Namen hören.
Die Insel Creta selbst, des Jovis Vaterland,
Sol künfftig gegen dir seyn gäntzlich unbekandt.
Die ewige Stadt Rom wird neygen ihre Krone
Und ihres Adlers Macht vor deinem grossen Sohne,
Wird bey Apollo nicht mehr suchen Prophecey
Und sagen, daß in dir ihr Gott geboren sey.
Nicht minder lassen sich die armen Hirten finden;
Die Weisen dieser Welt und Herren sind dahinden
Und schlaffen sicherlich; kein grosser König wacht,
Indessen komt der Herr wie ein Dieb in der Nacht.
Das ungelehrte Volck, so nichts nicht weiß zu schreiben
Von Weißheit, Witz und Kunst, und gleichwol kan gläuben,
Wird einig außerwehlt, zu sehn den neuen Gast,
Den Gast in Israel, der Einfalt niemals haßt,
[192]
Die vor der Welt nicht taug. Sie werden jetzt gelehret,
Was nie kein Weiser noch zuvormals je gehöret,
Daß Christus sey geborn, der Hirte, der die Welt
Für seinen grossen Stall, uns für die Schafe helt.
Geht nun in Frieden hin, geht hin, ihr albern Leute,
Wie zwar die Meinung ist, sagt euer Mitpursch heute
Das, was ihr habt gesehn, singt von der neuen Zeit,
Darauff die alte Welt so lange sich gefreut.
Wir wollen auch mit euch von Hertzen uns erheben,
(Die Hertzen aber wird uns Christus selber geben)
Und ernstlich danckbar seyn. Weg aller Stoltz und Pracht,
Weg alles Gut der Welt, das keinen selig macht,
Fort, fort das schnöde Thun! wir wollen bloß gedencken
Auff dich, Emanuel, uns künfftig zuzulencken,
Zu richten unsern Sinn auff deine Niedrigkeit,
Auff daß wir fähig seyn der Gottheit nach der Zeit.
Wir wollen Menschen-Witz uns hier nicht meistern lassen,
Der nichts bey dir verfängt und nur zu Zanck und Hassen
Bey Leuten Anlaß gibt. Schick, o du süsser Hort,
Uns deines Geistes Krafft, auff daß wir ja dein Wort,
Du Wort von Ewigkeit, recht lernen und betrachten.
Gib, daß wir alles Creutz und Noth getrost verachten,
Der du auch arm und bloß auff diese trübe Welt
Für uns geboren bist, du werthes Lösegeld.
Hilff, daß wir uns in dir, dem höchsten Gute, freuen
Und jetzt auff diesen Tag mit dir durch dich verneuen,
Ziehn an ein Ehrenkleid und halten steiff und fest,
Den Frieden, den du uns jetzt anverkünden lest.
Nim auch, du starcker Held, von unserm Vaterlande
Den Eyffer deiner Hand, bind mit dem starcken Bande
Der Göttlichen Gewalt des Teuffels Wüten an,
Auff daß er uns, dein Volck, nicht mehr verfolgen kan,
Das fast erschlagen ist von stetem Streit und Kriegen.
Zeuch du mit uns zum Feld', auff daß wir nicht erliegen,
Du grosser Capitäyn, beut du uns deine Hand
Und thu dem grimmen Heer' erwünschten Wiederstand.
Verleyh' uns Einigkeit, hilff, daß wir schwachen Glieder,
Du, deiner Christen Haupt, alß wahre treue Brüder,
Der Zwitracht abgethan, behertzt zusammen stehn
Und deiner Feinde Macht recht unter Augen gehn.
So wollen wir dir jetzt, und dann in jenem Leben,
Den Ruhm, der dir gehört, mit rechter Andacht geben,
Der du ein wahrer Mensch bist worden in der Zeit,
Und bist auch wahrer Gott mit Gott in Ewigkeit.

[193] 17. Auff den Anfang des 1621. Jahrs

Wer dieses alte Jahr wil recht und wol vollenden
Und nach dem neuen sich zu guter Stunde wenden,
Der lege von sich weg der Eytelkeit Begier,
Die nicht hieher gehört, und lobe Gott mit mir.
Es schwinge, wer da wil, die sterblichen Gedancken
Hoch über seine Krafft; ich wil mit nichten wancken
In dieser grossen Fluth; wil preysen Eyffers voll
Den, dessen That kein Mensch ergründen kan noch sol.
Er hat auß lauter Nichts zum Ersten wollen machen
Durch seines Wortes Krafft den Ursprung aller Sachen,
Den Klumpen der Natur; in dieser schweren Last
Lag alles, was jetzt ist vermischet, eingefaßt.
Die Sonne fuhr noch nicht mit ihren schnellen Pferden,
Der Monde nam nicht ab, der schöne Bau der Erden
Hieng noch nicht in der Lufft, und das fischreiche Meer
Lieff noch mit seiner Fluth nicht um die Felder her.
Das Land stund unbewohnt, die See war nicht zu schiffen,
Der Lufft gebrach ihr Liecht, und alle Dinge schlieffen;
Es stritten wieder sich Naß, Trucken, Warm und Kalt,
Der ungemachte Klotz war öd' und ungestalt
Drauff kam der helle Schein, ließ nichts nit mehr verborgen
Auff Gottes Anbefehl; Er hat den klaren Morgen
Und Abend abgetheilt und Weiß von Schwartz getrennt,
Das Finsterniß die Nacht, das Liecht den Tag genennt.
Er hat rund um sich her das Wasser außgebreitet,
Den köstlichen Pallast des Himmels zubereitet,
Den Donner, Reiff und Schnee, der Wolcken blaues Zelt,
Ost, Norden, Süd und West in seinen Dienst bestellt.
Die strenge Fluth der See kam über einen Hauffen,
Durch seiner Stimme Plitz gezwungen, fort zulauffen
Auff ihrer Gräntzen Ziel. Das Schloß der Erden stund
Mit seiner starcken Hand geleget in den Grund.
Ein jeder that sein Amt; die Ströme müßten fliessen
An ihren Ufer her, die Bäche sich ergiessen,
Der frischen Brunnen Quell' entspringen unverhofft,
Mit lieblichem Geräusch' aus tieffster Felsen Klufft.
Die Thäler grüneten, das Erdreich stund umgeben
Mit Blumen, trug sein Obst, das Feld die süssen Reben
Und Oel und reiffes Korn und Kreuter mannigfalt:
Die Bäume schlugen auß, die Hügel wurden Wald.
Es wuchse gleichfals auch tieff in der Schoß der Erden
Das, welches halben wir zum meisten Feinde werden,
[194]
Das Gold, der Berge Marck, Stahl, Silber, Kupffer, Bley,
Der köstlich Deamant und Steine mancherley.
Die Sonne satzte sich auff ihren güldnen Wagen,
Der Monde kam herfür, die Lufft fieng an zu tragen
Das schöne Firmament, die Sternen giengen auff
Ein jeglicher bekam seyn Ziel und rechten Lauff.
Das Meer ward auch besetzt, das Heer der Fische schwummen
In Wassern klein und groß, der Walfisch muste kommen
Und spielen auff der See, der Krebs kroch an das Land,
Der Hecht kam auff den Grund, die Muscheln in den Sand.
Der Vögel leichtes Volck hub emsig an zu nisten,
Zu singen in der Lufft und in den stillen Wüsten;
Ein jeder kam wohin und brauchte seiner Ruh,
Die Turteltaube nam den Weg zur Ulme zu.
Die Schwalbe war bemüht ihr artlichs Hauß zu bauen,
Der grüne Papegey sich selber zubeschauen,
Der Adler schwang sich hoch, die schöne Nachtigal
Ließ hören ihre Kunst durch Wald, Feld, Berg und Thal.
Es giengen Vieh und Wild vermischet ohne Scheuen,
Das Schaf trat bey den Wolff, die Gemse bey den Löwen:
Die Kuh lieff in das Graß, der Hirsch in seinem Wald,
Sie lebten allesamt bey vollem Auffenthalt,
Und diß auß Gottes Krafft. Noch ein Thier war zu machen,
Der Vogt, der Oberherr und Pfleger dieser Sachen,
Der Mensch; den schuff er auch sein rechtes Ebenbild,
Mit aller Herrligkeit volkommen und erfüllt.
Und da die andern Thier' ihr Antlitz nieder drehen,
Schuff er den Menschen recht, den Himmel anzusehen,
Zu schauen an den Ort, nach dem er trachten sol:
Er stund gerecht für Gott, war aller Weißheit voll.
O, welcher Mensch vermag den Menschen zu beschreiben
Und kan so überhoch die engen Sinnen treiben!
Komm du und leite mich, zu reden mit Bedacht,
O Seele der Natur, du hast ihn auch gemacht.
Du hast das schöne Werck mit deiner Hand geschlossen
Und künstlich auffgeführt, dich selbst darein gegossen;
Er ist durch deine Krafft auff freyen Fuß gestellt
Der weltberühmte Mann, ja selbst die kleine Welt,
Die doch der grossen gleicht. Denn was ist nicht darinnen,
Das in der grossen ist? das Häubt, das Schloß der Sinnen,
Steht hoch, daß der Verstandt von dannen recht und wol
Auff das, was unten ist, die Sorgen wenden sol,
[195]
Die Glieder und den Leib bescheidentlich verwachen,
Die hitzige Begier zahm und gehorsam machen,
Den Zorn, den offtermals den Zaum zerbrechen wil,
Mit Macht zurücke ziehn, und fallen in sein Ziel.
Die Augen müssen auch weit in der Höhen stehen,
Sich fleißig umzusehn, dem Uebel zu entgehen
Das alle Stunden wacht und feyret niemals nicht;
Sie sind der Sinnen Bild, der Spiegel und das Licht,
Dabey die Liebe pflegt ihr Feuer anzuzünden,
Der Weg, durch den sie sich kan in das Hertze finden.
Sie werden durch den Wall der Stirnen zugedeckt,
Der Wangen schönes Feld liegt um sie her gestreckt.
So ist auch hoch die Zier der Nasen zu erheben,
Doch höher auch ihr Nutz; die stete Lufft zu leben
Geht bey ihr auß und ein. Negst dieser steht gesetzt
Der Mund, durch den der Mensch mit Speisen sich ergetzt,
Die Zähne hinder ihm; die Pforten von Corallen,
Die Lippen, sind geschickt selbst auff und zu zu fallen,
Der Zungen beyzustehn. Durch dich, du edler Mund,
Ward erstlich in der Welt die Art zu leben kund:
Du hast die Menschen erst gelehret Städte bauen,
So zuvorhin zerstreut in Wüsten und auff Auen
Herum gelauffen sind, und nur sich alß das Wild,
Mit Eicheln, wie man sagt, an Brodtes Stadt gefüllt
Sich auff den Bauch gelegt, getruncken auß den Flüssen.
Was nützlich ist von Gott und Erbarkeit zu wissen,
Hat der Poeten Volck mit dir erst kund gemacht
Und auch den Unterricht von Weißheit auffgebracht.
Das köstliche Gehör und Wunderwerck der Ohren
Nimt seine Bottschafft ein gleich zweyen schönen Thoren;
Auch ihm hat die Natur den hohen Ort gezeigt,
Dieweil der leichte Schall hinauffwärts allzeit steigt.
Die Hände sind bestellt zu treuen Schreiberinnen
Der Sachen, die man denckt, sie bilden ab die Sinnen,
Sie schaffen uns vor Neid' und arger Feindschafft Ruh,
Und tragen Vorrath auch den andern Gliedern zu.
Die Arme müssen uns mit ihrer Stärcke schützen,
Die Beine minder nicht alß steiffe Pfeiler stützen:
Die Füsse machen uns frey hin und wieder gehn:
Auff diesem Grunde pflegt der gantze Bau zu stehn.
Wil ich dann innerlich das schöne Werck beschauen,
Wie hat doch Gott allda so herrlich wollen bauen;
[196]
Dem heissen Magen sind zwo Thüren auffgethan,
Die führt die Nahrung aus, und jene nimt sie an.
Dann ist die Leber ihm gleich an der rechten Seiten,
Die das Geblüte pflegt zu kochen und zu leiten
Den andern Gliedern zu, in ihr steht einverleibt
Die Galle, so den Koth und Schleim von dannen treibt.
Zur Lincken ist der Miltz, zu dem das Blut muß schiessen,
Das noch nicht sauber ist. Er pflegt den Leib zu schliessen
Dem, welcher sich ergibt in gar zu vieles Leid;
Die Nieren nehmen weg die grosse Feuchtigkeit.
Das Hertze hanget frey, muß in der Mitten schweben,
Der Seelen werther Sitz, der Schlüssel zu dem Leben,
Der Ursprung, so zur Lust der Menschen Geist erregt,
Das Hauß, das Gottes Geist selbst zu bewohnen pflegt.
Die weiche Lunge weiß die Rede zu versehen,
Zu kühlen die Natur und Lufft ihr zuzuwehen;
Gleich wie der zarte West erfrischt das dürre Feld
Und vor der grossen Brunst der Sonne frey behelt.
Der Sinnen Hauß, das Hirn, die Werckstatt der Gedancken,
Ist zweyfach eingehült, so das es nicht bald wancken
Noch Schaden nehmen kan. Hier muß ich stille stehn
Und sagen, mein Verstand der mag nicht höher gehn.
Galenus und sein Volck die sollen weiter schreiben;
Das ist ihr Thun und Amt. Ich wil es lassen bleiben,
Biß ich der Sterbligkeit in künfftig abgethan,
Den Meister und das Werck zu gleiche schauen kan.
Diß ist das schöne Hauß. Das Leben nun darinnen,
Wie göttlich ist es doch; der mangelt seiner Sinnen
Der seine Sinnen nicht bestürtzt in sich beschaut,
Die Seele die Gott selbst dem Cörper anvertraut:
Der Geist von seinem Geist', aus ihm in uns gegossen,
Voll Himlischer Natur, im Leibe nicht beschlossen,
Der über Erd' und Lufft den Weg zum Himmel nimt
Und ausser alle dem, was untergehn muß, kömt.
O edles Wunderthier, zur Weißheit außerkohren,
Voll Geist, voll Lufft, voll Gott, vom Himmel selbst geboren,
Du Herr, du Ebenbild und Außzug dieser Welt,
Der unter sich den Lauff der hohen Sonnen stelt;
Du weise Creatur, du hast alßbald erkennet
Geflügel, Fisch' und Wild, ein jedes recht genennet.
Ach hettestu doch nicht so gröblich dich befleckt
Und in der Sünden Wüst die hohe Zier versteckt;
[197]
Nun hastu, da du jetzt in diesem schnöden Leben
Mit deines Leibes Last und Kercker gehst umgeben,
So feurigen Verstand, wie wird dein heller Schein
Nach dieser Zeit so hoch, so gantz vollkömlich seyn?
Auff daß auch Adam nicht, beraubt der süssen Liebe,
Das niemand gut kan seyn, in Einsamkeit verbliebe,
Kömt Gott, indem er schläfft, erbricht ihm seinen Leib,
Nimt eine Rippen weg und schafft das schöne Weib.
So, wann ein guter Artzt biß in das Fleisch wil schneiden,
Schläfft er den Krancken ein und nimt alßdann bescheiden
Das Eisen zu der Hand, indem er liegt in Ruh,
Und streicht auch unvermerckt den Schaden wieder zu.
Nachdem der Vater nun beginnet auffzuwachen,
Und siht das freundlich Sehn, das angenehme Lachen,
Der weissen Glieder Schnee, o, spricht er, meine Zier,
Ich kenne dich, mein Theil, o Bein und Fleisch von mir,
O du mein ander Ich, o Seele meinem Leben,
O meine Seele selbst, mein Trost, mir zugegeben,
Komm, Schwester, liebe Braut, umfange deinen Mann,
Ich nehme dich, mein Lieb, zu allen Fällen an.
So gieng das neue Par mit solchen hohen Gaben,
Mit solcher Herrligkeit, vollkommen und erhaben
Vor aller Creatur. Ach hette doch nur nicht
Der Fall so gantz verkehrt der grossen Weißheit Liecht;
Das Weib ward durch Betrug der Schlangen eingenommen,
Und Adam durch das Weib; sie wolten höher kommen,
Verloren aber so, durch Essen von der Frucht,
Das, was sie vor gehabt und was sie jetzt gesucht.
Das immer grüne Feld in Eden ward verschlossen,
Die Quelle, so mit Milch und Honig erstlich flossen,
Die worden zugestopfft, sie stunden gantz verzagt,
Arm, nackend und bestürtzt, und worden außgejagt.
Dann sahen sie den Grimm des Herren sich entzünden,
Dann wurden sie gewar der tieffen See der Sünden,
In welche sie gestürtzt; dann fing das Elend an,
Dem alle Menschen noch biß jetzt sind unterthan.
Dann ward die Sterbligkeit durch uns in uns erreget,
Der rechte Seelentodt, die Laster, erst geheget;
Der Sinnen Finsterniß verderbte den Verstand,
Die Lust, nicht recht zu thun, ward gegen Gott gewand.
Noch ließ er doch uns nicht. Dann, als des Zornes Flammen,
Gesetze, Tod und Hell' uns kamen zu verdammen,
[198]
Und solte nur ergehn das Urtheil nach Gebühr,
Schlug seine Güte doch des Weibes Samen für;
Das Lam, von Anbegin der Welt für uns geschlachtet,
Das aller Vätter Schar vor langer Zeit betrachtet,
Dem Noa sich vertraut, umringt mit See und Lufft,
Auff welches Abraham und Isaac gehofft,
Mit welchem Jacob auch, der streitbar Held, gerungen,
Das Josephen bewart, das Pharao bezwungen
Und in das Meer versenckt, das kräfftig Tag und Nacht
Die Kinder Israel beschirmet und bewacht.
Dem Moses seine Stimm' erhoben hat zu Ehren,
Da er den Himmel ihm begehret zuzuhören
Und selbst den Erdenkraiß zu seinen Zeugen nimt,
Dem Debora ihr Lied so geistreich angestimmt,
Das Josua beschützt, das Samson helffen streiten,
Von welchem David schon gespielet auff den Seiten,
Und sämtlich Jung und Alt ohn' allen Unterscheid
Mit hertzlicher Begier vorhin gepropheceyt,
Biß daß er endlich kam, das Heyl von Gott gegeben:
Dem sol ein jederman die Stimme nun erheben
Und ernstlich danckbar seyn mit aller Engel Schaar:
So lest man recht das alt', und nimt das neue Jahr.

18. Auff den ersten Januarii (1625)

Die Jahre pflegen zwar ihr rechtes Ziel zu finden
Und werden fortgeführt als eine schnelle Fluth,
Die ehe fleucht als kömpt; der Menschen rauer Muth
Wird, ist und bleibt verstockt in mehr als tausent Sünden.
Der Geist wil offte zwar sich etwas unterwinden,
Dein Himmel zu zugehen; doch was er macht und thut
Ist schwach und wird gehemmt durch unser Fleisch und Blut.
Der Geist von oben her muß einig uns entzünden
Mit seiner starcken Brunst, muß dämpffen unsern Wahn,
Der keine Frömmigkeit und Tugend fassen kan.
O Gott, nimb mit der Zeit des alten Jahres hin
Mein alte grosse Schult; gib, daß ich Neu und Schmertzen
Hier über tragen mag, und schicke meinem Hertzen
Mit diesem neuen Jahr auch einen neuen Sinn.

[199] 19. Klagelied bey dem Creutze unsers Erlösers

Ihr armen Sterblichen, habt ihr, wann ihr gesehen
Die Sonne liechte seyn, die starcken Winde wehen,
Des Monde Glantz auffgehn, die Sternen bey der Nacht,
Und leuchten aus der Lufft, auch je bey euch gedacht,
Da einer über uns das grosse Rund verwalte,
Der Himmel, Erd' und See bey ihrem Thun erhalte,
Der durch sein Regiment und Scepter für und für
Behersche dieses Reich, denselben seht nun hier.
Seht euren Schöpffer an, den Gott von allen Zeiten,
Den König der Natur, seht seine weisse Seiten
So jämmerlich durchbort, das Haupt, das güldne Haar,
Die Hände, welchen vor das Meer gehorsam war
Und Eolus darzu, den Leib, die zarten Füsse.
Ein jeder mache sich zu uns her und vergiesse
Die Zehren, wie auch er vor uns vergossen hat,
Als Blut ihm vor den Schweiß aus seiner Stirne trat
Und diese gantze Welt, ja, das noch mehr zu sagen,
Die Sünden allesampt ihm auff den Halse lagen
Und druckten ihn für uns. Ach Schand, ach Laster, ach,
Der Bau des Himmels knackt, die Wolcken geben nach,
Lufft, Feuer Erd' und Meer die scheinen auch zu leiden,
Und liegen gantz verwirrt, die Sonne selbst muß scheiden
Und kan das Leid nicht sehn. Du wilde Nation,
Ihr teufflisches Geschlecht, ist das nun dessen Lohn,
Der aus Egypten dich, o Israel, geführet
Durch Wüsten, da kein Mann vor jemahls war gespüret,
Da nie kein Mensch gewohnt, der dir in deiner Noth
Die Felsen quellen ließ, und gab dir Himmels-Brodt.
Das Antlitz, das ihr nicht auff Horeb köndtet schauen,
Für dem die Cherubin zu stehen nicht getrauen,
Das speyet ihr nun an. Jehova, den ihr nicht
Auch sonst nur nennen dürfft, die Warheit und das Liecht,
Der Löw auß Juda her wird jetzt von euch vernichtet,
Gehönet, außgelacht und schäntlich hingerichtet.
O du verdamptes Volck, sol das dein Gott nicht seyn,
Der so viel Wunder that, macht auß dem Wasser Wein,
Ließ in dem Munde schon das Brodt erst grösser werden,
Aß viertzig Tage nicht, gieng wie auff platter Erden
Auff Wässern überhin, hieß Blinde wieder sehn,
Trieb böse Geister aus und was sonst mehr geschehn,
Das nicht bey Menschen steht; jetzt kommen sie mit Hauffen,
Das heilig Osterlamb zu schlachten, zugelauffen,
[200]
Von Tyrus, von Sidon, von Idumea her,
Vom feisten Syrien, und wo das faule Meer
Nichts untersincken lest, wo Soduma verbrunnen,
Dem sie zu gleichen sind, wo Libanus der Sonnen
Fast in dem Wege steht, daß ja die Tyranney
Nicht deine, Solyma, so gar alleine sey,
Kein Mensch beschützet ihn, es ist nun gantz vergessen
Die Güte seiner Hand; er gab den Leuten essen,
Jetzt klagt er über Durst; die Stummen kamen hin
Und giengen redend weg, nun schreyen sie auff ihn
Und fördern seinen Todt; er hieß die Lahmen gehen,
Die lauffen nun für ihm; hieß Todten aufferstehen,
Jetzt tödten sie ihn selbst. Ach, ach, das schöne Haar,
Das Haupt, das edle Haupt, das vor gezieret war
Wormit? Mit Golde? Nein, mit des Gestirnes Krone,
Mit Strahlen voller Glantz, der Leib wird nun zu Hohne,
Den eine Jungfrau trug. Der Bart, die starcke Brust,
Für des Alcides schwach, sind Eiter, Koth und Wust.
Und wir sind doch verstockt? Was haben wir vor Sinnen,
Daß solche höchste Noth sie noch nicht kan gewinnen?
Welch Tiger ist so grimm? Wie, wan der grosse Held,
In dieses Mittel sich nicht hette dargestelt;
So kräfftig war die Gunst den Menschen zu erhalten,
Der jetzund sein Gemüth' hergegen lässt erkalten,
Schlägt alles in den Wind. Auff, auff doch und erwacht,
Thut weg von euch den Schlaff, der all zu sicher macht,
Ey, legt die Faulheit hin. Es wird doch nicht begehret,
Daß ihr ein sterblichs Ding zum Opffer ihm gewehret,
Stecht gar kein Lamb nicht ab, schlagt keine Ochsen nicht,
Kein Weyrauch darf hier seyn, kein eingeweyhtes Liecht;
Gott siht im Finstern auch. Er fraget nach dem Hertzen,
Er fordert einig nur die Sinn, der Reu und Schmertzen
Vor seine Laster trägt, er wil gebeten seyn
Mit eyffriger Begier, nur diß gefelt allein
In seinen Augen wol. Diß sind die rechten Gaben,
Das Zeichen wahrer Treu, diß wil er einig haben.
Wie neigt er doch das Häupt so sehnlich zu uns her?
Wie freundlich zeigt er doch die Seiten, so der Sper
Uns gantz eröffnet hat? Wie weiset er die Hände,
So uns durchnagelt sind, wie rufft er vor dem Ende,
Wie mit den Kindern dann ein Vater sich bespricht,
Wenn ihm nun Atropos die matten Augen bricht
Und reisst den Faden ab; wie strecket er die Armen
Nach seinen Söhnen auß? Kan da auch sein Erbarmen
[201]
Nicht lassen, da sich sein kein Mensch erbarmen wil,
Da ihn das Leben lässt? Hat doch die Gunst kein Ziel,
In die er uns gefasst. Wir aber haben Ohren
Und hören gleichwol nicht, wir sind verstockte Thoren
Und dencken gantz nicht nach was künfftig folgen sol,
Wann eben dieser Fürst den anvertrauten Zoll
Des Lebens fordern wird und Rechnung mit uns machen,
Wann dieser schöne Bau wird in die Flamme krachen
Und über Hauffen gehn. Da wird nicht einer seyn,
Von denen, die verdammt, der in die Glut hinein
Wird können auffrecht sehn. Sie müssen alle gehen
Wo Stix, der schwartze Fluß, pflegt unbewegt zu stehen
Und wo Cocytus laufft; da wird zu spates Leid
Und Neu erst bey euch seyn, da wird die rechte Zeit
Nicht mehr zurücke gehn; ihr werdet gerne wollen,
Daß Felsen und Gebirg euch überfallen sollen!
Umbsonst, gewiß umbsonst; so seht nun, weil ihr lebt
Und das Vermögen ist, daß ihr nur einig strebt
Zu bessern euern Sinn, zu dencken an die Stelle
Der Seelen, die Gott liebt, da nichts ist von der Helle,
Da Freuden übrig sind; so wird sich Christus auch
Erweisen brüderlich, wie sonsten sein Gebrauch
Gewesen von Beginn, wird selber in euch wohnen
Und nach viel Müh' und Angst euch zieren mit den Kronen
Der alten Ewigkeit und wird euch lassen gehn,
Wo das Gestirne sol zu euern Füssen stehn.

20. Auff daß Creutz des Herrn

Ist dieses hier das Holtz, damit wir Christen prangen,
Nach dem der Sünden Last ist von uns abgethan?
Ist diß das Holtz, an dem der rechte Pelican
Uns lebendig gemacht, da als die List der Schlangen
Uns sämptlich hat erwürgt? Ist dieser hier gehangen,
Der Himmel, Erde, Lufft und Meer regieren kan,
Der wieder Hell' und Todt schwingt seine Siegesfahn
Und den, der uns vor hielt, jetzt selber helt gefangen?
Ists hier, wo Gottes Zorn und Grimm verloschen sind
Und wo er seine Lieb' hat wieder angezündt?
Trugst du die edle Last? hat dich das Land genetzet,
Das alle Sünden trägt? O grosse Wunderthat!
Geheiligt ist der Wald, der dich getragen hat!
Noch heiliger der Berg, auff den man dich gesetzet.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Geistliche Oden oder Gesänge. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-639B-E