Wohlauf

Erwach mein Volk, heiß Deine Töchter spinnen

Wir brauchen wieder einmal deutsches Linnen

Zu deutschen Segeltuch. –

Der Herwegh rief's – wir haben's wohl vernommen
Wir stimmten an »das Lied der deutschen Flotte;« –
Doch sagt: durch welches Meer ist sie geschwommen,
Das Wirkliches nicht unsrer Lieder spotte?
In welchen Hafen darf sie ankernd liegen,
Nach welchen Küsten darf sie siegreich fliegen?
Ach, sucht sie nicht auf der Atlantis Räumen!
Sie treibt im Meer von unsern Zukunftsträumen.
Und doch! wir lassen diese Träumen immer!
Bedenkt es wohl, auch Träume treffen ein;
Wir träumen, wohl, beim ersten Frührotschimmer,
Der uns verheißt des Tages Sonnenschein.
Ob Deutschland liegt jetzt erst des Morgens Grauen
Die Lerchen steigen und die Nebel tauen –
Die Halme glänzen, perlenüberhangen –:
Auch Deutschland wird noch seinen Glanz erlangen
[97]
Und was in ihrem Traum die Dichter singen,
Was unsrer Redner lautes Wort begehrt.
Das mag wohl zu des Volkes Herzen dringen,
Doch wird es von den Fürsten auch gehört? –
Doch still, doch still – verjagt des Zweifels Wolke,
Die Macht »von Gottes Gnaden« ruht im Volke,
Im deutschen Volk, das auf sie fröhlich bauet,
Das seinen Fürsten, doch auch sich vertrauet.
So traue Dir! wohlauf Ihr deutschen Brüder
Noch einmal fordert Deutschland gutes Recht.
Noch einmal singt der deutschen Flagge Lieder,
Vor allem Volk, vor allen Fürsten sprecht,
Vom Meer von Adria bis auf zum Sunde,
Dasselbe fordert All' mit einem Munde;
Legt Hand an's Werk, baut nicht an alten Trümmern:
Die deutsche Axt soll deutsche Schiffe zimmern.
Kein Kirchenschiff in einem alten Dome,
Das zu des Mittelalters Dunkel ladet;
Ein kühnes Schiff, das nicht im engen Strome,
Das seine Brust im weiten Meere badet;
Das durch die Wogen seinen Weg sich bahne,
Sich spiegle stolz im stolzen Oceane,
Wo freie Lüfte mit der Flagge kosen
Und Trost verkünden wenn die Tiefen tosen.
[98]
Wohlauf, Ihr Weber, trauernde Gestalten,
Kein Webstuhl soll bei Euch mehr stille stehn,
Die Sorgen fort und laßt die Hoffnung walten,
Ermutigt mögt Ihr an die Arbeit gehn!
Frisch an das Werk! bald flattert Euer Linnen
Als stolzes Segel durch das Meer von hinnen –
Weiß flattert's wie die Taube Noahs aus,
Und bringt Euch segnend Hoffnungsgrün nach Haus.
Wohlauf! Wohlauf, Ihr deutschen Schwestern alle,
Die Ihr noch spinnt wie Eurer Mütter Brauch;
Ein neues Lied zu Eurer Spindel schalle,
Das Rädchen summt, so summt das Liedlein auch
Singt nicht vom Jungfernkranz, vom schmucken Freier,
Was wollt Ihr ewig mit der alten Leier?
Singt: Unser Volk wird Großes noch beginnen,
Und Segel brauchts, die gilt's ihm jetzt zu spinnen.
Und mit den Segeln soll die Flagge wehen –
Auch sie, auch sie ein Werk von Frauenhand!
Habt Ihr's nicht an des Bruders Brust gesehen,
Das schimmernde, das schwarz-rot-goldne Band?
In solchen Farben soll die Flagge nicken,
Dem Burschen nicht, wir woll'n dem Meer sie sticken,
Die Farben bringt es wiederum zu Ehren
Und keinem deutschen Schiff wird man sie wehren!
[99]
Schwarz, roth und gold! ein einig deutsches Zeichen
Auf allen Meeren so die Sonne schaut!
Eröffnet bald den neuen Hochzeitsreigen,
Wo Deutschland mit dem Ocean sich traut.
Es buhlt schon lange um das stillverzagte,
Das all sein Leid nur seinen Sternen klagte – –
Auf Deutschland! daß Dein Schmerz in Lust sich kehre
So schließ ein stolzes Bündniß mit dem Meere.

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TextGrid Repository (2012). Otto, Louise. Gedichte. Mein Lebensgang. Abteilung 1. Aus den Jahren 1840-1850. Wohlauf. Wohlauf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-64A2-1