VI.

Du edler Geist, der du den Leib regierest,
Wo während seiner Pilgerschaft verweilet,
Ein tapfrer Herr, erfahren, klug und weise,
Nun dir der ehrenvolle Stab ertheilet,
Mit dem du Rom und seine Irren führest
Und sie zurückrufst zu dem alten Gleise,
Red' ich zu dir, weil rings umher im Kreise
Der Tugend Strahlen all' ich seh' verschwunden,
Und Keinen, der vor böser That erbebe.
Nicht weiß ich, was Italien erstrebe,
Das nicht zu kennen scheinet seine Wunden,
Alt, träg und laß. Gebunden
Vom Schlaf, wird es sich jemahls wecken lassen?
O könnt' ich seine Locken nur erfassen! –
Ich hoffe nicht, daß jemahls aus dem trägen
Schlummer es sich ermuntert werd' erheben,
So große Lasten sind's, die auf ihm liegen.
Doch nun ist deinen Händen übergeben,
[33]
Die kräftig aufzurütteln es vermögen,
Rom, unser Haupt, nicht ohne höh'res Fügen.
Laß deine Hand mit Sicherheit sich wiegen
Auf seinem Haar und den zerstreuten Flechten,
Daß aus dem Schlamm gemach die Faul' erstehe.
Auf dich vertrau' ich ganz, der ich ihr Wehe
Den Tagen jammernd künde und den Nächten.
Wenn Römer je gedächten,
Nach eignem Ruhm die Augen aufzuschlagen,
Gebührt solch Heil, dünkt mir, nur deinen Tagen.
Die alten Mauern, welche scheut und liebet
Die Welt, wenn sie der Zeiten, so verflossen,
Gedenkt und dessen, was hinabgegangen;
Die Stein' auch, so die Glieder einst umschlossen
Von solchen, die, so lange nicht zerstiebet
Der Weltenbau, in lichtem Ruhme prangen,
Und alles das, was ein Ruin umfangen,
Hofft bald durch dich zu heilen jede Wunde.
O, treuer Brutus, große Scipionen,
Wie muß, wann sie euch kommt, mit Lust euch lohnen
Vom wohlvertrauten Amt die schöne Kunde!
Dann wird mit frohem Munde
Fabricius auch, die große Mähr zu preisen
Rufen: »Nun wird mein Rom recht schön erst heißen!«
Und, wenn der Himmel kennt der Erde Sorgen,
Die Seelen, die als Bürger droben stehen
Und ihre Leiber abgestreift hienieden,
Dich um des langen Haders Ende flehen,
Bey dem die Völker nimmermehr geborgen;
Drum werden ihre Tempel so gemieden,
[34]
Die, einst geweiht der frommen Andacht Frieden,
Nun Höhlen sind, wo Räuber finster schreiten,
Die jedem Besseren den Eingang wehren,
Und zwischen nackten Bildern und Altären
Des finstern Aufruhrs grauses Werk bereiten.
Weh, wie so andre Zeiten!
Beym Ton der Glock' erhebt sich Kampfes Toben,
Die hoch einst aufgehangen, Gott zu loben.
Jammernde Frauen, all' die Unwehrbaren
Von zartem Alter, nebst den müden Greisen,
So Lebens Langweil' und sich selber hassen,
Die schwarzen Brüder, wie die grau und weißen,
Und all die schwachen, mühevollen Scharen
Rufen: »O Herr, hilf, woll' uns nicht verlassen!«
Und dort die Armen, Zagen, Todesblassen,
Zu Tausenden der Wunder sie enthüllen,
Die einen Hannibal selbst müßten schmerzen.
Liegt dir nun Gottes brennend Haus am Herzen,
Lösch' wenig Funken nur mit treuem Willen,
Und plötzlich wirst du stillen
Die wilde Gier, die Flammen werden weichen,
Dein Lob erschallen in des Himmels Reichen.
Die Bären, Adler, Schlangen, Wölf' und Leuen
Sind einer großen Marmorsäul' zur Plage,
Wodurch sie selber Schmach und Weh sich bringen.
Drob führet jene werthe Herrinn Klage,
So dich berufen hat, sie zu befreyen
Von blüthelosen, bösen Pflanzenschlingen.
Wohl mehr als tausend Jahre schon vergingen,
Seit ihr die Bessern fehlten, hold und gütig,
Die sie erhoben, wo sie noch zu sehen.
[35]
Ein neu Geschlecht ach! seh' ich stolz sich blähen
Gegen der Mutter Haupt unehrerbiethig.
Vater, Gemahl! Einmüthig
Erwarten Hülfe All' von deiner Stärke!
Der größre Vater denkt auf andre Werke.
Selten geschah es, daß mit hohem Mühen
Das ungerechte Schicksal sich vertragen,
Das kühnem Handel ungern sich gesellet.
Nun da die Bahn dir seine Arme brachen,
Sey vieles andre Unrecht ihm verziehen,
Da mindest hier es mit sich selbst zerfället;
Dieweil kein Sterblicher so hoch gestellet,
Wie du, seit Menschendenken, aufzudringen
Auf offnem Pfad zu Ruhmes ew'gem Leben.
Die schönste Monarchie kannst du erheben,
Ein herrlich Tagwerk, seh' ich recht, vollbringen.
Wie rühmlich wird's dann klingen:
»Die Andern halfen ihr, der starken, jungen;
Der hat im Alter sie dem Tod entrungen!«
Im Capitol such' einen Herrn, Canzone,
Den ganz Italien ehrt aus einem Munde,
Der mehr an Andr', als an sich selber denket;
Sprich: »Einer, dem noch nimmer ward geschenket
Dein Anblick, wie wer liebt nach bloßer Kunde,
Sagt, daß zu jeder Stunde
Mit Augen, die in Schmerz gebadet stehen,
Um Huld dich Roma's sieben Hügel flehen.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 6. [Du edler Geist, der du den Leib regierest]. 6. [Du edler Geist, der du den Leib regierest]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6DAC-1