[85] XXIII.

Willst du, daß ich dem alten Joch mich eine,
Amor, wie's scheint, mußt du wohl andre Proben,
Bevor du Herr zu loben,
Gar wunderbar' und neue erst bestehen.
Such' meinen theuren Schatz, den aufgehoben
Die Erde, daß ein Bettler ich erscheine,
Und jenes Herz, das reine,
Allwo mein Leben Wohnung sich ersehen.
Und ist es wahr, daß in des Himmels Höhen,
Wie's heißt, und in des Unterreiches Gründen
So groß dein Walten (denn bey uns wohl mögen,
Dein Können und Vermögen
Die adligen Gemüther all' empfinden),
So nimm dem Tod, was er genommen, wieder,
Und dein Panier leg' auf ihr Antlitz nieder!
Gib ihr zurück das Licht, mir einst gegeben
Zum Leitstern, und der Flammen milde Quelle,
Die nach erloschner Helle
Noch zünden; – weh, wenn ich sie leuchten sähe!
Denn nimmer mögen Hirsch je und Gazelle
Mit solchem Sehnen Quell und Fluß erstreben,
Wie ich das süße Leben,
Das Leid mir bringt in Zukunft so, als ehe, –
Wenn ich mich und mein Wollen recht verstehe,
So einzig mich beraubet meiner Sinnen,
Daß irr ich nun umher und pfadlos ziehe,
Und das mit eitler Mühe
Dem nach mich treibt, was ich nicht soll gewinnen.
[86]
Jetzt darf ich mich an deinen Ruf nicht halten;
Denn nur in deinem Reiche kannst du schalten.
Laß jene sanften Hauche wiederkehren
Außen, wie sie noch innen mir erklingen,
Die es vermocht, mit Singen
Zu sänftigen so Haß, als Zornes Neigen,
Das stürmische Gemüth zur Ruh zu bringen,
Den finstern, bösen Nebeln all' zu wehren,
Und meinen Sang zu Sphären
Erhoben, die er nie mehr kann erreichen.
O laß die Hoffnung dem Verlangen gleichen!
Und wann der Seele mehr der Kraft gegeben,
So gib ihr Ziel zurücke Aug' und Ohren,
Ohn' welches wie verloren
Ihr Wirken all' erscheint und todt mein Leben.
Umsonst ach! tönet über mir dein Werde,
So lang mein erstes Lieben deckt die Erde!
O laß mich wiedersehn den Blick, den schönen,
Der eine Sonne stand ob Eises Rinde,
Daß ich im Port dich finde,
Wohin mein Herz sich wandt' und nimmer kehret!
Den Bogen nimm, die goldnen Pfeil' entbinde,
Daß ich, wie sonst es war, von seinen Sehnen
Vernehm' in leisen Tönen
Das Wort, das mich, was Liebe sey, gelehret!
Die Zung' erreg', wo stündlich sich bewähret
Lockspeis' und Angel, die mich einst gefangen, –
Noch meine Lust! – Und deine Netze hülle
In blonder Locken Fülle;
Denn anderswo nicht bleibt mein Wille hangen.
[87]
Zerstreu' im Wind ihr Haar mit deinen Händen
Dran feßle mich; so kannst du Lust mir spenden
Dem Goldnetz soll dann keiner mich entziehen,
Dem kunstlos – kraus – verworrenen Geflechte,
Und keiner je mich brächte
Von ihres Blickes Gluth, des bittersüßen,
Der mehr, als Myrth' und Lorbeer, Tag und Nächte
Mein Liebesehnen grünen läßt und blühen,
Wenn kommen, wenn entfliehen
Die Zweig' im Busch, die Blumen rings auf Wiesen.
Doch nun, da sich der Tod so streng erwiesen,
Das Netz, das ich so ungern ließ, zerrissen,
Noch dir's, so lang' die Welt steht, wird gelingen,
Gleiches hervorzubringen,
Wozu versuchst du, Amor, noch dein Wissen?
Hin ist die Zeit, verwirkt hast du die Waffen,
Die ich gefürchtet. Was noch willst du schaffen?
Die Waffen waren: Augen, welche sandten
Der Flammenpfeil' unsichtbar glühe Zeichen,
Die der Vernunft nicht weichen,
Weil Menschen nichts vermögen gegen Oben;
Der Scherz; das Lächeln und das sinn'ge Schweigen;
Die zücht'ge Art; die Reden, die gewandten;
Und Worte, so, verstanden,
Gemeines Seyn zu adligem erhoben;
Der Engelblick, von Demuth zart umwoben,
Der sich bald da, bald dort so hörte rühmen;
Die Anmuth, der sie stehend, sitzend pflegte,
[88]
Daß Mancher Zweifel hegte,
Wem größres Lob von Allem möchte ziemen.
Die Wehr hat alle Herzen überwunden;
Seitdem du wehrlos, hab' ich Ruhe funden.
Die, so der Himmel deinem Reich' erkoren,
Magst du mit ein' und andrer Schling' umwinden!
Mich kann nur eine binden;
So will's der Himmel. Die ist nun zerstoben,
Und an der Freyheit kann ich Lust nicht finden.
Ich wein' und ruf': O Pilg'rinn hochgeboren,
Sprich, welches Gottes Zorn
Band mich zuerst, trug dich zuerst nach oben?
Gott, der so früh der Erde dich enthoben,
Hat solche Tugend und so hoh' entbunden,
Allein, um zu entzünden mein Verlangen.
Nun soll mir nimmer bangen,
Amor, vor deiner Hand, vor neuen Wunden!
Umsonst spannst du den Bogen; magst nur schießen!
Ihm schwand die Kraft bey ihrer Augen Schließen.
Der Tod entnahm mich, Amor, deinem Reiche;
Zum Himmel ging die Herrinn, mir gegeben,
Und ließ betrügt und frey zurück mein Leben.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 23. [Willst du, daß ich dem alten Joch mich eine]. 23. [Willst du, daß ich dem alten Joch mich eine]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-707C-B