Auff hn. Johan Proiten und jungfr. Esther Willembrochs hochzeit:

Wie wandelbar vnd schwach/ wie vngewiß vnd flüchtig/
Wie elend' vnd wie schlecht/ wie eitel vnd wie nichtig/
[67]
Seind alle dinge doch/ die diese grosse welt/
Die dochter der natur/ in jhren armen hält?
Das macht die schwinde zeit/ die alle dinge misset/
Die alle dinge giebt/ die alle dinge frisset/
Vnd wird doch nimmer satt. Die grosse Mörderin
Reisst-vns vnd vnser thun fast vnvermercket-hin.
Nicht lange/ hörte man mit süssem tirilieren/
Das leichte-fedder-volck in hoher lufft spatzieren/
Nicht lange gab der Lentz im walde/ berg' vnd thal/
Durch seinen westen-wind/ vns blumen ohne zahl/
Der felder frewd' vnd lust die riechenden violen/
Die erste frülings-zier – da-jhren saft-von hohlen
Das süsse honig volck: nicht lang'/ im vollem flor
Kam Chloris höchste pracht die schöne ros' hervor.
Auch sahe man hernach in gärten vnd in flüssen
In voller blüthe stehn/ die lilgen vnd Narcissen/
Der frembder Tulipan/ samt andern blümelein/
Die keiner zählen wird/ ließ blicken seinen schein.
Der ruch/die schöne farb' erfrischen hertz' vnd sinnen/
Man muss sie gerne sehn/ man muss sie lieb gewinnen/
Die schönen blümelein/ Zephyr der Sommer windt
Kan sein nicht mächtig seyn/ wird gegen sie entzundt.
Nu kömmt der kalte nord/ eh man es hofft/ geprauset/
Quer vber see daher/ pfeift heulet/ singt vnd sauset
Vnd rafft-in einem sturm viel zarter blumen hin.
Wie schöne sie auch seyn/ bricht doch nicht seinen sinn.
So thut der Hymen auch/ jhr spiegel vieler tugend/
An euch/ o jungfraw braut/ in ewrer grünen jugend/
In ewrer besten blüth'/ er pflickt die blum' herab/
Die euch die tugend selbst zu grosser zierde gab.
Die/ wie der morgenstern mit seinem klaren liechte/
Der andern sternen schein/ die blumen macht zu nichte.
Die wie der volle mon/ durch seinen schönen glantz
Des morgensternes preiß beschämet gar vnd gantz/
Die/ wie die göldne Sonn'/ eh sie recht auffgestanden
Den mon vnd sternen macht in jhrer pracht zu schanden/
Mit jhrer tugendt zier/ die rose schamroht macht/
Die reisset-freventlich der Hymen-ab vnd lacht.
Viel/ tugendsame braut/ ich dörffte das wol sagen/
[68]
Jhr hättet euch mit recht auf Hymen zu beklagen/
Wenn nicht der alte brauch in aller welt vnd hier/
Durch solcher blumen tod mehr blumen brächt' herfür.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Plavius, Johannes. Gedichte. Trauer- und Treugedichte. Treugedichte. Auff hn. Johan Proiten hochzeit. Auff hn. Johan Proiten hochzeit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7A0E-F