Nr. 170. Der Bergmönch in St.-Andreasberg. (I-IV.)

I.

Auch in St.-Andreasberg ist der Bergmönch bekannt. Er war ein wirklicher Mönch und wollte die Bergwerke einrichten, brachte es aber nicht zu Stande. Den Rehberger Graben fing er an zu bauen, der die ganzen Wasser zum Bergbau nach Andreasberg bringt, war auch fast damit zu Ende, da wurde er darüber bankrott. Nach seinem Tode ließ er sich nun, weil ihn der Gedanke an den Bergbau nicht ruhen ließ, sehen, im Wäschgrund, vor dem Treibholz, am Dammbach, und wo die Grube Samson, vielleicht der tiefste Schacht der Erde, stehet. Überall aber, wo er gegangen ist, haben sie nachher Erz gefunden, und daher rühren die andreasberger Bergwerke, die reichsten auf dem Harze. Der Bergmönch ist von Geburt ein Graf gewesen, und wie er sich als Geist hat sehen lassen, hat er Puffjacke, Hinterleder und Licht gehabt, das Licht ist nicht ausgegangen, und wenn der Wind so stark gewehet hat, daß er Bäume ausgerissen hat.

II.

Im Sperrlutterthale kam der Bergmönch des nachts einem Vogelsteller entgegen mit dem Geleucht, der Vogelsteller dachte, es sei ein Bergmann und sprach: »Du kannst mir wohl ein wenig Inselt (Unschlitt) geben; wie du siehest, gehet mein Licht aus.« Da gab der Bergmönch ihm Inselt von seinem Grubenlicht, das brannte einen Tag und eine Nacht, da wars schieres Silber.

III.

Einmal kam der Bergmönch in Bergmannskleidung am Sonntag zu einem Kunstjungen, der auf einen Kunstknecht wartete. Der Kunstjunge meinete, es sei sein Kunstknecht, fuhr also hinter ihm her, bis sein Inseltlicht trocken war. Da legte ihm der Bergmann eine weiße Wand (ein Stück Kalkspat) aufs Licht, da hat es wieder gebrannt. Der Bergmann hat nicht gesprochen, sie haben aber viel Erz miteinander gesehen. Nach einiger Zeit kamen sie wieder auf den Fleck, wo sie angefahren waren, da ist der Bergmann verschwunden. Es hat sich aber gezeiget, daß der Kunstjunge dreißig Jahre hinter ihm hergefahren ist. Von den Leuten, mit denen er [169] gearbeitet, ist niemand mehr dagewesen, und das Haus, worin er gewohnet hatte, haben fremde Leute bewohnet. Sein Licht hat aber immerfort gebrannt, bis ers einmal an jemand verkaufet hat. Da hat es nicht mehr gebrannt, und als der Käufer es ihm wieder gebracht, hat es auch bei ihm nicht mehr gebrannt.

IV.

Im Jahre 1849 hat der Bergmönch sich zuletzt sehen lassen. Damals sollte die Grube Andreaskreuz eingestellet oder doch nur noch schwach betrieben werden, da zeigete sich der Bergmönch im Wäschgrund und ist gegangen bis nach dem Berge Matthias Schmidt, wo der Andreaskreuzer Gang hingehet. Das dauerte wohl vier Wochen und viele Leute sind des abends zwischen neun und elf hingegangen, um ihn zu sehen. Seitdem ist nun auch wieder Erz da und die Grube stehet in gutem Betriebe.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. 170. Der Bergmönch in St.-Andreasberg. (I-IV.). TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8480-B