[41] Der Minister

Alles um des Volkes willen!
seht, ich lache selbst im stillen
dieser Bibeln und Postillen
und daß man so gläubig ist:
Ich, für mich, bin Atheist!
Doch das Volk, das Volk muß glauben!
Glauben heißt der Talisman,
dem die Erde untertan:
Wir die Adler, sie die Tauben!
Und das Volk, das Volk muß glauben,
glauben – oder doch so tun.
Täglich in die Kirche laufen,
himmlische Traktätchen kaufen
und mit Jordanwasser taufen,
samt dem christlichen Verein –
Nun, für mich sind's Faselein.
Doch das Volk, das Volk muß beten!
Denkt, o denkt nur den Skandal,
wenn die Bürger auch einmal
gottlos, wie der Adel täten!
Nein, das Volk, das Volk muß beten,
beten – oder doch so tun.
Ja, wenn ich es recht ermesse,
kann vielleicht sogar die Presse
für Beamte und Noblesse
schon ein wenig freier sein.
Aber für die andern? Nein!
Nein fürwahr, das Volk muß schweigen.
Wer gehorchen will, sei stumm;
schweigend wird das Publikum
stets sich am loyalsten zeigen:
Drum das Volk, das Volk muß schweigen,
schweigen – oder doch so tun.

1842

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TextGrid Repository (2012). Prutz, Robert Eduard. Gedichte. Gedichte. Der Minister. Der Minister. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8A1C-0