[158] Johann Rist
Weltliche Gedichte

Mein altes Lied, das ich vor zwanzig Jahren triebe,

Das sing' ich noch wie vor: Ich lieb', ich lieb', ich liebe.

J. Rist, Galathee (1642) Gva.

[159] [161]Neues Freudenlied über den glücklich beschlossenen Friede

1649.


Friede, du gewünschter Schatz,
Friede, sei willkommen!
Hast du denn bei uns den Platz
Wiedrum ingenommen?
Ist der Krieg denn ganz verjagt,
Der so lang' uns hat geplagt?
Wird denn nun auf Erden
Alles besser werden?
Ja, du güldne Friedenssonn',
Unser Teutschland lachet,
Daß du nun zu vieler Wonn'
Es hast frei gemachet
Von dem grausamen Beschwer;
Nun bringt man die Zeitung her,
Daß der Waffen Toben
Ganz sei aufgehoben.
Ach, wie wird des Herren Wort
Nun hinfort erschallen!
Ja, wie wird an manchem Ort
Manchem auch gefallen,
Gott zu loben Tag und Nacht,
Daß er uns herwieder bracht
Nach dem Raub' und Brande
Fried' und Ruh im Lande.
[161]
Unser Kaiser und zugleich
Fürsten, Grafen, Herren
Werden dieses große Reich
Nicht hinfort so zerren,
Wie zwar noch für kurzen Frist
Hin und her geschehen ist;
Friede sol das Leben
Teutschland wieder geben.
Friede sol der Künste Schar
Lieblich lassen blühen,
Daß man sich auch ganz und gar
Wird üm sie bemühen.
Ach, des güldnen Friedens Schein
Wird nur Lust und Freude sein
Hochgelahrter Geister
Und erfahrner Meister.
Friede wird den Handelsmann
Friedlich lassen reisen,
Daß er unser Teutschland kan
Nähren, kleiden, speisen;
Friede wird uns bringen her
Ueber Land und über Meer,
Was bei Kriegeszeiten
Niemand kont erstreiten.
Friede wird das wüste Feld
Wiedrum lassen bauen;
Friede wird der Schäfer Zelt
Pflanzen an den Auen;
Friede wird den Handwerksmann
Gnädig wiedrum schauen an;
Friede wird uns bringen
Glück von allen Dingen.
Friede wird sein' edle Frucht
Auch zu Wasser geben.
Müchten wir doch nur in Zucht
Tugendmäßig leben!
Weil man aber spüret schon,
Was man gibet Gott zu Lohn,
Wird der Fried' uns hassen,
Ja, wol gar verlassen.

[162] An sein schlechtes Büchlein

Schlechtes Büchlein, wilt du reisen
Nunmehr in die große Welt,
Da die Sachen schlecht bestellt,
Wo man dich mit Schmach wird speisen,
Ja dir sauren Lästerwein
Aller Oerter schenken ein?
Weißt du nicht, der dich geschrieben,
Daß er hat der Kläffer viel,
Welcher Gott verhaßtes Ziel
Dieses ist, ihn zu betrüben?
Bleibe, Büchlein, wo du bist,
Weil dein Herr noch frölich ist.
Ach, du bist ja schlecht bekleidet,
Schlecht von Worten, schlecht von Kunst;
Gleichwol hoffest du noch Gunst,
Da doch manches wird beneidet,
Das ein solcher Geist gemacht,
Der sich trefflich hoch gebracht.
Nein, da leben ander' Helden,
Buchner, Harstorff sind mir kund,
Schottel, Tscherning, Klaius, Hund,
Freinßheim, Buchholtz muß ich melden
Und der edlen Tichter mehr,
Reich von Kunst und groß von Ehr'.
Etlich' hat der Tod gerißen
In ein fest verschloßnes Grab;
Er nahm bei sich selber ab,
Daß ihr gar zu großes Wißen
Sie noch würd in dieser Zeit
Schützen vor der Sterblichkeit.
Opitz, teutscher Sprach Erretter,
Muste gar zu früh davon;
Flemming, unsrer Tichter Wonn'
Und der Grobheit Untertreter,
Ein so junger frischer Held,
Ließ ja gar zu schnell die Welt.
[163]
Zwar sie schlafen nach dem Leibe,
Wachen aber nach der Kunst;
Möglich ist es nicht ümsunst,
Was auch ich zu Zeiten schreibe:
Nach dem Tode lebt man noch.
Drum, mein Büchlein, gehe doch.
Gehe, weil du ja wilt gehen;
Glaube mir, daß mancher Geist,
Der nicht alles Thorheit heißt,
Dich mit Freuden wird ansehen,
Ja dich ehren ohne List,
Mehr auch als du würdig bist.
Sage nur den Hochgelahrten,
Unsern Teutschen teutsch und frei,
Daß ich stets ihr Diener sei,
Der in Demut woll' abwarten
Ihre Meinung und Bericht,
Ob du taugest, oder nicht.
Werden sie dich nützlich nennen,
Hast du schon erreicht dein Ziel;
Halten sie das Widerspiel,
Wahrlich, Buch, so must du brennen;
Denn der klugen Seelen Schrei'n
Soll und muß dein Richter sein.
Wird dich aber einer tadlen,
Der doch selber weinig weiß,
Diesem sag', er soll' mit Fleiß
Seine scharfe Lästernadlen
Stecken in sein falsches Herz.
Solches bringt dem Neider Schmerz.
Sprich: »Was hast du mirs zu sagen?
Bin ich selber doch nicht mein;
Sol ich aber strafbar sein,
Magst du meinen Herren fragen.
Lebt der nur, so wird er dich
Finden und wol schützen mich.«

[164] Lob der Poeten

An den Tichter Johann Klaien zu Nürenberg.


Kaum gläub' ich, daß auf dieser Erd'
Ein höher Lob gegeben werd'
An allem Ort' und Enden,
Als denen, die mit Hand und Mund
Des Himmels Gaben machen kund,
Ja Lehr' und Tugend senden
In manches Herz, das dieser Zeit
Sich sondert von der Eitelkeit.
Poeten mein' ich, werter Freund,
Poeten, welchen niemand feind
Als Leute, die nichts wißen;
Die nur sind Schlaven dieser Welt,
Ja Tag und Nacht das bloße Geld
Zu samlen sind geflißen.
Bei solchem Stank und Lasterschaum
Hat selten ein Poete Raum.
Ein edler Geist, der höher zielt,
Ein Geist, der Feur und Himmel fühlt,
Ist inniglich gewogen
Der hochgelahrten Tichter Schar,
Von welchen nimmermehr fürwahr
Ein Frommer wird betrogen;
Da samlet sich zu ieder Frist
Was hungrig nach der Weisheit ist.
Wenn lobet Gott ein reiner Mund,
Wer ehret ihn aus Herzengrund?
Ich mein', es thun Poeten.
Wer rühmet Gottes Wunderthat,
Im Fall er ihn erlöset hat
Aus großer Angst und Nöten?
Wer singet Gott ein Liedelein?
Ich sage, daß es Tichter sein.
Wer wüste von den Helden doch
Ein einzigs Wort zu sagen noch,
[165]
Welch' Ilium bezwungen,
Wenn der Poeten Haubt und Licht,
Homerus, ihre Thaten nicht
Der Nachwelt vorgesungen?
Ein hochbegabter Tichter schreibt
Ein Werk, das nach dem Tode bleibt.
Poeten können Herz und Sinn
Durch ihre Kunst zum Trauren hin,
Wenn sie nur wollen, bringen;
Sie können wiedrum schweres Leid
Verkehren bald in lauter Freud'
Und solches durch ihr Singen.
Was Menschen Augen je gesehn,
Muß ihnen schnell zu Dienste stehn.
Dafern nur ein Poete wil,
So steht der Himmel nimmer stil,
Die Sterne müssen tanzen;
Es springen auch die Stein' herfür,
Da hüpfen Wälder, Berg' und Thier',
Es zittern Wäll' und Schanzen;
Ja, was die schwarze Nacht bedeckt,
Wird durch Poeten aufgeweckt.
Herr Klaius, tretet doch herbei,
Durchleset dieß und saget frei,
Ob ich die Wahrheit schreibe?
Das weiß ich, daß kein Biedermann,
Was ich hier singe, strafen kan,
Wenn ich nur kühnlich bleibe
Bei dem allein, was Ihr gemacht,
Worüber Erd' und Himmel lacht.
Ihr, werter Tichter, und der Held,
Herr Harstorff, den die große Welt
Vor tausend andre preiset,
Ihr beide singet dergestalt,
Daß Ihr, was ich geschrieben, bald
Mit Hand und Mund' erweiset;
Drum seid Ihr, Lichter dieser Zeit,
Gesichert vor der Sterblichkeit.

[166] Klaggedicht

Wann Kunst und Wissenschaft, wann des Gemütes Gaben,
Damit für schlechtes Volk die hohen Geister traben,
Wann Scherz, wann kluge List, wann Witz aus Sterbens Not
Könt' helfen, ei, so wär mein Stapel noch nicht tot.
Ihn hatt' Apollo selbst zum Erben auserkoren,
Die Pallas nahm ihn auf, kaum wie er war geboren
Und in der Wiegen lag; sein Reichtum, Schatz und Zier
War zwar kein Geld noch Gold, nur Bücher und Papier. 1
Er liebte ja kein Geld, wie mancher, der sein Dichten
Auf das, was eitel heißt, nur einzig pflegt zu richten;
Auch fragt' er nichts nach Gunst, der Heuchler falschem Schein,
Sein Wunsch war, daß er könt' nur allen dienstlich sein.
Von seiner Kindheit an, auch durch sein ganzes Leben
Hat er sein Herz' und Sinn der Wissenschaft ergeben,
Und das mit rechtem Ernst, so war er ja genant,
Jedoch sein kluger Geist macht' ihn der Welt bekant.
Die weltberühmte Schul der theuren Gülpher Helden,
Die sol sein wertes Lob von langer Zeit vermelden,
Dich mein' ich, Helmenstätt; du hast ihn oft gehört,
Wann er dein wertes Volk mit Reden hat verehrt,
Mit Reden, da er könt' ein hartes Herz durch beugen.
Ihr hohen Stühl', ihr Tisch', euch ruf' ich all' zu Zeugen,
Ihr Seulen, die ihr in den schönen Zimmern steht,
Wo Phöbus und sein Volk oft auf und nieder geht;
Ihr wisset, wie er pflag mit Versen das zu preisen,
Was recht zu preisen war; er that euch allen weisen,
Daß zwar ein Hofemann gemachet werd', allein
Ein Singer und Poet müß' erst geboren sein.
Ich wil hier, was ich sonst noch rühmlich könt' erzählen
Von seinem großen Fleiß in Gottes Schrift, verhehlen.
Sein erstes Thun war Furcht des Herren Zebaoth,
Sein andres Ehr' und Zucht, das letzte Freud' in Gott.
[167]
Mehr schreib ich nichts hievon. Was über dieß die Tugend
Der Lieb' und Treu' betrifft, auch wie er in der Jugend
Sein Leben und sein Thun auf Redlichkeit gewandt,
Das, mein' ich, ist mir auch zum guten Theil bekant.
Sein Wissen war nicht schlecht, sein Lernen und sein Lehren
Ist vielen wol bewust; dieß kan sein Lob vermehren,
Daß Rostock, weil es ihn herzgründlich lieben that,
Ein Zeugnis seiner Kunst ihm gern ertheilet hat.
Was soll ich von der Lust, die er stets pflag zu tragen 2
Zu mancherlei Gedicht' und Freudenspielen sagen?
Da war er Meister inn'; er hats dahin gebracht,
Daß nun so mancher Geist auf Schauspiel ist bedacht.
Ist Varro gleich berühmt, ist er gleich Prinz gewesen,
Der Dichter seiner Zeit, solt' er die Spiele lesen,
Die Stapel auf dem Platz hat ehmals vorgestellt,
Er würde sich vor Scham hinschwingen aus der Welt
Nach Proserpinen zu. Was? Plautus muß ihm weichen,
Der kluge Seneca, Euripides desgleichen,
Und solcher Helden mehr, die schon vor langer Zeit
Erworben hier ein Lob der Kunst und Zierlichkeit.
Man pflegt es ja noch oft, o Bruder, zu erzählen,
Wie du dem Fried' und Krieg begüntest zu befehlen
Zu kommen auf die Bühn'; es war ein schön Gedicht,
Das mancher sah und doch den Sinn vermerkte nicht.
Die Götter musten hie der Teutschen Laster strafen
Und, wann die Buß' erfolgt', ein ruhigs Leben schaffen,
Der Spanier und Franzos', auch noch ein' andre Rott'
Aus Teutsch- und Engelland, die wurden dir zum Spott.
Bald must' im andern Spiel Germanien auch kommen, 3
Die hatte den Gebrauch der Alten angenommen;
[168]
Draus ward die neue Pracht, der Fremden Eitelkeit
Ihr' eigen schier, und das in einer kurzen Zeit,
Bis sie durch Gottes Rach kam in den Bettlerorden,
In welchem sie so gar ist ausgemergelt worden,
Daß auch, wie sehr man sucht, ihr glänzend Angesicht,
Auch Scepter, Schwert und Kron nunmehr kan finden nicht.
In diesen und noch viel mehr andren schönen Sachen
Da kontest du, o Freund, die Eitelkeit verlachen
Der jetzt betrübten Zeit; du kontest ohne Scheu
Erweisen, daß die Welt ein rechtes Tollhaus sei.
O wie so manchen Tag bin ich bei dir gestanden
In solcher schweren Lust! Die Werke sind fürhanden,
Die klare Zeugen sein, daß ich die Müh' und Zeit
Mit dir getheilet hab' in höchster Freundlichkeit.
Dein Geist der war geneigt was Frölichs zu beschreiben,
Und meiner wolte stets bei Traurgedichten bleiben:
Herodes, Wallenstein und Gustav waren mein, 4
Der Teutschen Fried' und Krieg und noch mehr andre dein.
Nun, dieß war unser Lust, der Wollust stets zu spotten,
Die Laster, könt' es sein, durch Spielen auszurotten.
Der Wille war doch gut, denn rühmlich ist der Mann,
Der oftmals lachend auch die Wahrheit sagen kan.
[169]
Dieß alles ist vorbei. Nun hast du mich verlassen,
Mich, der ich alles das gezwungen bin zu hassen,
Was Welt und Leben heißt. Du bist im Freudensal,
Du sitzest in der Ruh, und ich in steter Qual.
Wie der ist sonder Pein, der bei den Englen lebet,
So ist der voller Angst, der lang' auf Erden schwebet.
Wie oft gedenk' ich der dreifachen Angst und Not:
Geboren sein, drauf folgt viel Unglück, denn der Tod.
Geboren bin ich ja; das andre lern' ich schmecken
(Ich meine dich, o Kreuz); das dritte wird mich strecken
Zuletzt ins finstre Grab; mir ist nur eins bedacht;
Du hast sie alle drei durch Gott zum Ende bracht.
Nun freue dich in Gott, du edle Seel', dort oben,
Die du nicht fürchten darfst der tollen Feinde Toben,
Das uns noch täglich plagt ohn' alle Maß' und Ziel;
Wir leben hier im Streit, und du im Freudenspiel.
Ich weiß, mein Freund, ich weiß, du kanst der Sorgen lachen,
Die uns dieß Leben hie so sehr beschwerlich machen,
Da unser Wissen ist ein rechter Kindertand;
Die wahre Klugheit schwebt im rechten Vaterland'.
O selig, edle Seel', Gesell der Gottes Kinder,
O sorgenloser Geist, o Satans Ueberwinder,
Sei tausendmal gegrüßt! Wol mir, wann ich die Welt
Gesegnet hab' und dir alsdenn bin zugesellt.

Fußnoten

1 »Klaag-Gedichte Uber gar zu frühzeitiges Absterben Herren Ernst Stapelen, seines sehr geliebten Schwagers und höchst vertrauten Freundes, welcher den 13. Tag Octobris deß 1635. Jahres diese Welt seliglich verlassen.«

2 Lust: »Die sonderbare große Zuneigung, die Stapel durch sein ganzes Leben zu sinnreichen Schauspielen, als Comödien und Tragädien, hat getragen, in welchen Erfindungen er denn auch für vielen andern sehr glücklich gewesen, wie solches seine nachgelassene Werke genugsam bezeugen.« Rist. – 53 Man pflegt: »Mit diesen Worten wird gesehen auf des seligen Stapelii Irenaromachiam oder Tragico-Comaediam, der Friede und Krieg genant, welches sinnreiches und nachdenkliches Gedichte wir im Jahr 1630 auf öffentlicher Bühne haben vorgestellet, worauf es auch kurz hernach durch den Druck jederman gemein ist gemachet worden.« Rist. Das Stück erschien (Hamburg) 1636. Vgl. Goedeke's »Grundriß«.

3 Germanien. »Diese Germania war auch zum Theil seiner Comödien eine, in welcher wichtige und vortreffliche Sachen begriffen, als da Teutschland (welches unter der Gestalt einer ansehnlichen, ja königlichen Frauen wird vorgebildet) anfänglich in ihrer alten und ehrbaren Tracht, bald hernach in ausländischer sehr üppiger Kleidunge, zu allerletzt aber (nachdem sie von fremden Völkern, als Spaniern, Franzosen und andren mehr, schändlich betrogen worden) in sehr elender Gestalt und zerrissenen Bettlerslumpen hervortritt, ihr Unglück beklaget und endlich den allerhöhesten Gott mit einem demütigen Fußfall um Gnade und Verzeihung thut anrufen. Wie denn diese Tragödia auch also öffentlich ist gespielet, nunmehr aber nach Stapelii Absterben wegen unverhoffter Verwechselung der Zeiten fast gar geändert und umgekehret, auch an vielen Orten vermehret worden, dürfte vielleicht mit dem ehisten dem begierigen Liebhaber der Poetischen Gedichte durch den Druck übergeben und mitgetheilet werden.« Rist. Das ist nicht geschehen, wenn nicht Rist's »Friedewünschendes Teutschland« Stapel's Arbeit enthält. Später nahm Rist auch die Irenarom. für sich in Anspruch.

4 Herodes &. »Diese sind alle ganz neue und erst vor weniger Zeit erfundene und ausgearbeitete Tragädien, zu welchen noch gehören meine Polymachia, Irenochorus, Berosiana, Begamina und andre mehr, deren aber gleichwol keine (außer dem Herodes, als welche unter allen die ältiste) auf die öffentliche Bühne gebracht worden. Von meinen studentischenPerseus, Guiscardus und anderen mehr desselben Schlages, weil sie nicht unter diese Zahl gehören, schreibe ich hinfüro nichts. Die obgedachten aber könten vielleicht (alldieweil fast alles, was sich sowohl in geistlichen als weltlichen und Kriegssachen von Anno 1618 bis auf dieses gegenwärtige 1637. Jahr in Europa hat begeben und zugetragen, Poetischer und versteckter Weise in denselben wird vorgestellet) nach Gelegenheit der Zeit gemein gemachet und hervorgegeben werden.« Rist. Von den genannten Stücken scheint keins gedruckt zu sein.

Trost-Reimen an H. Hieronymum Snitker

Herr, wenn es müglich wär', itz völlig zu vertreiben
die Schmerzen, die so gar eur Vaterherz zerreiben,
daß kaum mit Worten ist zu zählen eure Pein,
so wolt' ich euch mit Hand und Mund zu Diensten sein:
[170]
Ich aber, der ich selbst, und zwar vor wenig Jahren,
was diese Schmerzen sind, mit Schmerzen hab' erfahren,
verdecke gleich die Not und wil zu dieser Frist
nur kürzlich zeichnen an das, was euch tröstlich ist.
Ihr wisset, werter Freund, daß alles, was wir sehen,
nachdem es seine Zeit gestanden, muß vergehen;
das eine lebt und schwebt, das andre fällt und bricht;
die schöne Sonne selbst bleibt ja beständig nicht.
Der Sommer ist dahin, die bunten Blumen sterben;
wir sehen Kräuter, Bäum' und alles Laub verderben,
ja, was so frölich stund für einer kurzen Weil',
erliget itz vom Reif' und zwar in großer Eil.
Inmittelst weiß man doch, daß, was itzund verschwindet,
zur schönen Frühlingszeit sich alles wiedrum findet
und gleich aufs neue lebt. Dieß treibt den Ackersmann,
daß er so große Müh' im Herbst ertragen kan.
Da wirft er seine Saat ins feuchte Land mit Freuden,
er glaubet, wenn die Kält' im Lenzen nun muß scheiden,
so wachs' und grün' alsdenn sein Körnlein frisch daher;
dieß schaffet, daß ihm gar kein Arbeit fällt zu schwer:
So wird des Menschen Leib, wenn ihn der Tod abmeiet,
gleich wie das liebe Korn, in Schwachheit ausgestreuet
und stehet auf in Kraft, in Ehr' und Herlichkeit,
wenn Christus unser Herr zur allerletsten Zeit
Sein prächtigs »Stehet auf, die ihr vergraben liget«
läßt schallen durch die Luft und fein zusammen füget
den Geist und seinen Leib, der schon so manches Jahr
im tiefen Schoß der Erd' als Staub vergraben war...

An Nicolaum Göttling

Göttling, alter werter Freund, Stuben-, Tisch- und Bettgeselle,
An der Stelle,
Wo die Warnou sich ergeußt,
Da sie fleußt
[171]
In das große Meer mit Freuden,
Sind wir beiden
Längst gewesen in der Lehr',
Aufzufassen Kunst und Ehr'.
Ach, wie gern hab' ichs gelesen,
Wo du nach der Zeit gewesen.
Magdeburg, dein Vaterland, das dir hat durch Gott gegeben
Dieses Leben,
Schickte dich auf Rostock hin,
Da dein Sinn
Wolte kaufen in der Jugend
Kunst und Tugend;
Damals war ich dein Gesell
An der edlen Weisheit Stell',
Als man lernen kont' in Frieden,
Bis der Krieg uns hat geschieden.
Rotenburg, die schöne Stadt, hat dir deinen Fleiß belohnet,
Da nun wohnet
Stürzel, der berühmte Mann,
Der da kan
Wol regieren, wol studieren,
Läßt auch spüren,
Daß er dir und mir ist hold;
Solches schätz' ich über Gold.
Nun, mein Bruder, kurz zu schreiben:
Rist sol sein und dein verbleiben.

An einem schönen Frühlingstage

Nun sich Himmel und Erd' erfreut
In der lieblichen Frühlingszeit,
Nun die Vögelein stimmen an
Das die Menschen ergetzen kan;
[172]
Nun die Flüsse so sanft und fein
Wiedrum schleichen ins Meer hinein,
Nun der Winter sich gibt zur Ruh'
Und die Wärme nimmt täglich zu;
Nun die Bäume gleich schwanger stehn,
Und die Blumen sich lassen sehn,
Nun die flüchtigen Thier im Wald
Artig springen und tanzen bald;
Ist der Mangel an denen doch,
Die nur lieben des Krieges Joch
Und nicht suchen des Friedens Ziel;
Menschen halten das Widerspiel.

An eine sehr schöne Blume im Frühling

Daß der Himmel dich schön geschmücket,
Daß die Sonne dein Kleid gesticket,
Daß du prangest für Gold und Seiden,
Muß mein' Adelwitz itz zwar leiden.
Daß die Bienen dich oftmals küssen,
Daß die Kranken dich preisen müssen
Und ihr' Aerzte dich heilsam nennen,
Muß mein' Adelwitz zwar bekennen.
Doch in allen denselben Sachen
Kan ihr' Herlichkeit dich verlachen,
Denn man findet nicht ihres gleichen,
Was geschaffen ist, muß ihr weichen.
Deine Kleider vergehen schleunig,
Deine Farben die nützen weinig,
Deine Kräfte sind zum Verderben,
Vielmals helfen sie gar zum Sterben.
[173]
Was hilft Lieblichkeit, wo kein Sprechen?
Was sind Blumen, die leicht zerbrechen?
Was ist Kleiderpracht sonder Singen?
Dieß kan keinem das Herz bezwingen.
Nein, mein' Adelwitz kan bewegen,
Daß sich grimmige Löwen legen,
Anzuhören die süße Weisen,
Da sie Daphnis mit pflegt zu preisen.
Was am Himmel ist schön zu finden,
Was die Blumen kan überwinden,
Was der Nachtigal Kunst nicht weichet,
Was der Perlen Gestalt sich gleichet,
Was mit Freudigkeit ist begabet,
Was durch Tugend das Herz erlabet,
Was den Schönsten den Preis benommen,
Das macht Adelwitz vollenkommen.

Loblied zu Ehren dem Cupido

Wer ist, der deine große Macht,
Cupido, kan erzählen?
Du hast den besten Rat erdacht,
Wir können's nicht verhehlen;
Drum rühmen wir dich ohne Spott,
Du bist der allerstärkste Gott,
Dir thun wir uns befehlen.
Daß alles nun aufs neue lebt,
Daß sich die Vöglein paaren,
Daß Bacchus an den Ulmen klebt,
Die Kräuter sich verjahren,
Das, rühmen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Du kanst es auch bewahren.
[174]
Daß jetzt der Stier die Kühe sucht,
Der Bock die weißen Ziegen,
Daß Philomel dem Tereus flucht,
Die Dohlen häufig fliegen;
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Du kanst sie all betriegen.
Daß jetzt die Vöglein mannigfalt
Bäum', Erd' und Nester füllen,
Daß sich jetzt freuen Jung und Alt,
Die Schaf auch Lämmer stillen,
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Nach allem deinem Willen.
Daß sich das ungestüme Meer
Zur Ruhe thut begeben,
Daß in demselben hin und her
Die großen Fische schweben,
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Ohn' dich kan niemand leben.
Daß oft die Weisen kindisch sein,
Ja wol die Narren ehren,
Daß Starke werden groß und klein
Und lassen sich bethören;
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Du kanst sie leicht verkehren.
Daß Menschen, Vögel, Fisch' und Thier,
Und was man sonst mag nennen,
Mit Liebesflammen für und für
Gequälet, nicht verbrennen,
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
Wer solte dich nicht kennen?
Daß auch dieß vielgeliebte Paar
Einander ist verbunden
[175]
Und sich nun endlich findt so gar
Verletzt mit Liebeswunden,
Das, singen wir ohn' allen Spott,
Verschaffest du, der Liebe Gott,
In so gar wenig Stunden.
Wer ist denn nun, der deine Macht,
Cupido, kan erzählen?
Du hast dieß süße Feur erdacht,
Das niemand kan verhehlen.
Wolan, du starker Liebesgott,
Wir wollen dir ohn' allen Spott
Dieß edle Paar befehlen.

Bekümmerte Liebesgedanken

Daphnis gieng für wenig Tagen
Ueber die begrünte Heid',
Heimlich fieng er an zu klagen
Bei sich selbst sein schweres Leid,
Sang aus hochbetrübten Herzen
Von den bittern Liebesschmerzen:
Ach, daß ich dich nicht mehr seh',
Allerschönste Galathe!
Ist mir recht, das sind die Spitzen,
Die ich an den Bäumen schau',
Hinter welchen pflegt zu sitzen
Galathee bei der Au',
Als sie zwinget meine Sinnen,
O du Preis der Schäferinnen;
Weh mir, daß ich nicht mehr seh'
Allerschönste Galathe.
Könt' ich in den Lüften fliegen
Wie ein schnelles Vögelein,
Ach, wie wolt' ich dich betriegen!
Bald, bald wolt' ich bei dir sein
[176]
Und dir tausend Schmätzlein geben,
Das wär mein erwünschtes Leben;
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
Möcht' ich bei der Sonnen stehen,
Bei dem güldnen Himmelslicht,
O wie fleißig wolt' ich sehen
Auf dein freundlichs Angesicht;
Tausend Stralen wolt' ich schießen,
Deiner Aeuglein zu genießen.
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
Kan ich denn nicht zu dir kommen,
Der ich dir so nah jetzt bin,
Ist mir schon der Weg benommen,
Ei, so nim die Seufzer hin,
Die ich dir von Herzen sende,
Bis das Glück sich wiedrum wende
Und ich dich mit Freuden seh',
Allerschönste Galathe.
Drum, ihr Winde solt ihr bringen
Meine Klag und Seufzer zu;
Selber kan ich nicht mehr singen,
Denn mein Herz ist sonder Ruh';
Ach, ich Armer hab' ersehen
Ihr Gezelt von ferne stehen;
Nun ist mir von Herzen weh,
Allerschönste Galathe.
O, ihr Vöglein, die ihr wendet
Euren Flug an ihren Ort,
Sagt, ich hab' euch hergesendet,
Daß ihr mit euch nehmet fort
Die getreuen Liebesthränen,
Die sich stündlich nach dir sehnen,
Bis ich dich in Freuden seh',
Allerschönste Galathe.
Galathee, du mein Leben,
Nimm die Wind' und Vöglein auf,
Die sich dir zu Dienst ergeben
Mit so schnellem Flug und Lauf!
[177]
Und weil ich dich nicht kan schauen,
Wollest du den Boten trauen,
Bis ich selbst dich wiederseh',
Allerschönste Galathe.

Traurige Nachtklage

Hin ist der Tag, die Nacht bricht an,
Man siehet schon die Sternlein schimmern;
Itz schau' ich, was die Venus kan
Und wie der Mond beginnt zu glimmern;
Die ganze Welt ligt in der Ruh,
Es schläft der Mensche mit den Thieren,
Kein Vogel hört man tireliren;
Allein ich thu' kein Auge zu.
Ich geh' ins weite Feld hinein,
Mit tausend Lichtern überstralet,
Und sehe, wie des Monden Schein
Den Erdenkreiß im Dunklen malet;
Es ist doch alles trefflich stil,
Ich höre nichts als Frösche schreien,
Kan doch von Unmut nicht befreien
Mein Herz, das ganz zerspringen wil.
Ich sehe bei dem Mondenlicht
Die Hütten meiner Schäferinnen,
Die mir zu Liebe wachet nicht
Und dennoch zwinget meine Sinnen;
Sie machet mich der Schmerzen vol
Und weiß doch selber nicht von Schmerzen;
Ich leide Qual in meinem Herzen,
Sie aber ruhet sanft und wol.
Sie hat der zarten Hände Schnee
Fein kreuzweis auf der Decke ligen,
Das weiß ich, ob ichs gleich nicht seh',
Auch mich nicht darf zu ihr verfügen;
[178]
Sie blaset eine süße Luft
Aus ihrem rosenfarben Munde;
Ich aber fühle diese Stunde,
Wie mir mein Herz vor Aengsten pufft.
Der Augen Blitz verbirgt sich zwar,
Dieweil ihr' Häublein sich geschlossen,
Und gleichwol werden mit Gefahr
Viel starker Pfeil' heraus geschossen;
Mein Lieb schont auch im Schlafe nicht:
Sie ruhet und kan doch im Schweigen
Mir Armen solche Stärk' erzeigen,
Daß mir mein Herz dadurch zerbricht.
Mein' Hirtin siehet zwar im Traum
Den armen Dafnis vor ihr schweben
Sehr hochbetrübt und wil doch kaum
Ein freundlich Wort demselben geben.
Ach, Schönste, merk auch meine Pein,
Kan ich dich wachend nicht bewegen,
So laß mich, wenn du dich must legen
Und lieblich träumest, bei dir sein.
Wirf dich herüm und kehre doch
Dein Antlitz gegen mich Verliebten.
Ach, Allerschönste, schläfst du noch,
Vernimmst du nicht mich Hochbetrübten?
Nein, nein, ich bin zu weit von dir,
Unmüglich ist es, dich zu sehen.
Wie? kan es denn auch nicht geschehen,
Ein Seufzerlein zu senden mir?
Du heller Mond, zieh' mich hinauf
Und laß mich dir zur Seiten schweben.
Was gilts, du hemmest bald den Lauf,
Wenn ich dir zeige dort mein Leben!
Du stralest recht auf ihr Gezelt.
Ach, küsse nicht die Purpurwangen,
Nur schaue doch im Schlafe prangen
Das schönste Bild der ganzen Welt.
Was sagst du? komm' ich nicht zu dir?
Nein, nein, du wilt allein betrachten
Der Florabellen Wunderzier,
Du wilt an ihrer Brust benachten.
[179]
Ach, daß ich nicht der Mond kan sein!
Ich wolt' in deinem Zimmer bleiben,
Mein Lieb, es solte mich vertreiben
Kein Schlaf noch klarer Sonnenschein.
Hilft denn mein Wünschen nirgends zu,
Darf ich mich länger hier nicht säumen,
So wil ich dich in stiller Ruh
Auf deinem Lager lassen träumen.
Du wertes Hüttlein, gute Nacht,
Ich gehe durch die Wälder klagen.
Ach, Florabella, laß mirs sagen,
Wenn du mit Freuden bist erwacht.

Auf den herannahenden Frühling

Ei, nun wil ich lassen schwinden
Alle Sorg' und Traurigkeit,
Weil die schöne Frühlingszeit
Sich nun bald wird lassen finden,
Weil der Winter wird vergehen,
Eis und Schnee zu Wasser wird,
Und die Gärten wolgeziert
Sind sehr lieblich anzusehen.
Hievon thut die Zeitung bringen
Aller Vögel Frölichkeit,
Die zu dieser Frühlingszeit
Ihre Stimmlein lassen klingen,
Da die Lerchen sich erfreuen,
Da der Baur zu Felde zeucht
Und aus Scheu'r und Ställen kreucht
Der Menalkas mit den Säuen.
Alles thut jetzt mutig werden,
Es komt wieder an den Tag,
Was zuvor verborgen lag
In dem tiefen Kot der Erden;
[180]
Man sicht alles hervor kriechen,
Kraut und Blumen mannigfalt,
Die so lieblich von Gestalt
Und anmutig sind zu riechen.
Ei, so wil ich in den Garten
Mit dem schönen Saitenspiel
Und der andern Kurzweil viel
Nur der Frölichkeit abwarten.
Ich wil suchen solche Gsellen,
Die da wissen Lust und Freud'
In der grünen Frühlingszeit
Fein gebührlich anzustellen.
Laßt uns guten Wein hergeben;
Lauten, Geigen, Jungfräulein
Müssen alle bei uns sein;
Das ist recht Studentenleben.
Wer solt das nicht lieber wollen,
Als arbeiten Nacht und Tag,
Stetig führen große Klag?
Wer weiß, wann wir sterben sollen!

Frühlingsgedicht

Daphnis wolte Blumen brechen,
Als der Merz den Frühling bracht;
Ach, sagt er, wer kan aussprechen
Meiner bittern Liebe Macht,
Liebe, die mich hat betrogen,
Daß ich bin ümher gezogen
Durch die Wälder Tag und Nacht!
Dieß sind ja die ersten Früchte
Von den Blumen dieser Zeit,
Da der Vögel Klinggedichte
Menschen, Vieh und Feld erfreut;
Dieß sind zwar die ersten Gaben,
Die wir von den Wiesen haben
Durch des Himmels Gütigkeit.
[181]
Aber wenn werd' ich erlangen,
O mein Blümlein Galathe,
Dich wie andre zu ümfangen,
Die ich jetzt für Augen seh?
Ach, wenn werd' ich doch berühren
Dich, die du mich pflegst zu führen
Durch den Regen, Reif und Schnee?
Diese Blümlein darf ich tragen
Mit mir heim in mein Gezelt;
Aber dich, mein Lieb, zu fragen,
Ob dir auch ein Kuß gefällt,
Darf ich kaum mich unterstehen,
Weil ich nie ein Bild gesehen,
Das dir gleichet in der Welt.
Dieses Blümlein zu gewinnen,
Kostet weder Müh' noch List;
Aber ach! daß du von Sinnen
So ganz hart und steinern bist!
Keine weiß ich dir zu gleichen,
Weil dich niemand kan erweichen,
Wenn er noch so redlich ist.
Könt' ich deine zarten Glieder
Stets verwandeln, wenn ich wolt',
Und dich denn verkehren wieder,
Fragt' ich nichts nach Geld und Gold;
Nun wolt' ich für alle Sachen
Solch ein Blümlein aus dir machen,
Das mich stets erfreuen solt'.
O wie wolt' ich dich bewahren
In dem Garten meiner Treu!
Ei, denn soltestu erfahren,
Schönste Blum', was lieben sei!
Denn so wolt' ich dich mit Freuden
Küssen auf mein schweres Leiden
Tag und Nacht ohn' alle Scheu.
Brich die Sinnen, Galathee,
Zwinge doch den harten Mut,
Gönne Daphnis, daß er sehe
Dich, sein allerhöchstes Gut!
Sei den Lilien gleich von Herzen,
[182]
Die nicht stets mit Stachlen scherzen,
Wie die falsche Rose thut.
Ach, bedenke doch die Thränen,
Die dein Schäfer manchesmal,
Wenn er sich nach dir muß sehnen,
Fließen läßt ohn' alle Zahl.
Ach, bedenke doch, daß lieben
Sonder nützen sei betrüben,
Ja der allergrößte Qual.
Alles zwar, was Menschen sehen
Hie auf Erden weit und breit,
Galathee, muß vergehen,
Phöbus selbst hat seine Zeit;
Ja, was in der Welt zu finden,
Muß zuletzt doch gar verschwinden:
Lieben bleibt in Ewigkeit.

An den dichten Wald

Spielet sanft, ihr schlanken Zweige,
Spielet, weil der Tag ist hell,
Eh' auch Phöbus läuft zur Neige,
Spielet meiner Florabell;
Helfet mir, mit süßen Weisen
Diese Menschengöttin preisen.
Zweiglein sauset in die Wette
Gleichsam einen Lobgesang,
Eh' die Schönste geht zu Bette
Und man hört der Frösche Klang;
Denn wil ich die Stimm' auch schwingen,
Florabellen zu besingen.
Neiget euch doch bald, ihr Eichen,
Gar zur Erden mit Begier!
Florabellen seh' ich schleichen
Hinter jenem Busch herfür.
Ach, was trag' ich groß Verlangen,
Florabellen zu empfangen!
[183]
O du schönster Tag im Lenzen,
Phöbus machet dich zwar rein,
Nun ich aber sehe glänzen
Florabellen Aeugelein,
Wirst du schöner als die Sonne;
Eile doch, mein Herz und Wonne!
Ja, sie komt mit sanften Schritten!
Denket, welch ein' Himmelspracht!
Dicker Wald, laß dich erbitten,
Oeffne dich mit ganzer Macht,
Denn so wil ich näher treten,
Florabellen anzubeten.
Florabella, laß mich knieen
Nur für deiner Majestat!
Daphnis wil nur vollenziehen,
Was er dir versprochen hat;
Laß ihn, sol er nicht verderben,
Schönste, deinen Schlaven sterben.

Daphnis der Lärchenfänger

Als Daphnis einst spazieren gieng
Und ohngefähr zwo Lerchen fieng,
Gedacht er an die Galatheen,
Sprach: »Allerliebstes Täubelein,
Ach, daß du möchtest bei mir sein,
Du möchtest drei Gefangner sehen.
Ein halbe Stund' ist kaum vorbei,
Da waren diese Vöglein frei,
Die nunmehr in dem Netze hangen;
Auch ist es wahrlich nicht so lang',
Als ich noch lebte sonder Zwang
Und bin doch itzt so stark gefangen.
Was hilft michs denn, daß ich so oft
Bezwing' ein Vöglein unverhofft
[184]
Und bin doch selber fast verstricket
Durch Galathe; was nützt es mir,
Daß ich so manches schnelles Thier
Hab' aus den Lüften weggerücket?
Sol das noch rechte Freiheit sein,
Indem so manches Vögelein
Sich selber zum Gefangnen machet
Und beut sich mir zu dienen an,
Alsdenn mich die bezwingen kan,
Die meiner Schmerzen höhnisch lachet.
Ach nein, ihr Lerchen, ob ich zwar
Euch könt' erwürgen ganz und gar,
So wil ich doch aus Liebe schonen,
Ich wil euch nicht mit Ach und Weh,
Als mir zu thun pflegt Galathe,
Für unverfälschte Treue lohnen.
Dafür solt ihr bei Tag und Nacht.
Wenn Daphnis hält die Thränenwacht,
Der Galatheen Lob ausbreiten
Und zeigen allen Hirten an,
Weil Daphnis nicht mehr leben kan,
Sie sollen ihm sein Grab bereiten.
Wolan, ihr allerliebsten Thier,
Ich bin gefangen mehr als ihr
Und kan die Freiheit nicht erwerben;
Dennoch so sag' ich in der Stil'
Und schwer' euch, daß ich redlich wil
Der Galatheen Diener sterben.

Daphnis wünschet einmal frei zu sein

O wie so selig muß doch sein
Ein Vöglein in den Lüften,
Die Nachtigal beim Bächelein,
Der Fuchs im finstern Klüften,
[185]
Die Schlang' im Busch, ein Fisch im Meer,
Der Teucher in den Seen,
Der edler Hirsch, so hin und her
Mag in den Wäldern gehen!
Die Thier' in ihrer Einsamkeit
Die dörfen sich nicht klagen,
Noch, wie ich muß, zu jeder Zeit
Sich mit Gedanken plagen;
Sie suchen ihre Freud' und Lust
In Wassern und in Weiden,
Und ihrer keinen ist bewust,
Was seufzen sei und leiden.
Die Freiheit ist ihr höchstes Gut,
Ihr einig All, ihr Leben;
Ich aber, wie ein Schlave thut,
Muß stets in Sorgen schweben;
Ich bin verstricket Tag und Nacht
Mit schweren Liebesbanden,
Ja, werde durch der Schönsten Macht
Fast ganz und gar zu Schanden.
Ach, möcht' ich nur so glücklich sein
Wie die, so mit den Flügeln
Sich schwingen in die Luft hinein
Und wohnen auf den Hügeln:
Die wißen recht, was Freiheit ist,
Was scherzen heißt und lieben;
Ich aber muß, durch fremde List,
Ohn' Ende mich betrüben.
So wünsch' ich, wie die Nachtigal
In Einsamkeit zu singen
Und wie ein Hirsch durch Berg und Thal
In Freiheit herzuspringen,
Ja wie die Schlang' in finstrer Höhl'
Auch einst mich frei zu machen.
So kan mein hochbetrübte Seel'
Im Wunsch auch herzlich lachen.

[186] Der Hirsch

Ihr Götter in den Feldren,
Sylvanus und du Pan,
Ihr Nymphen in den Wäldren,
Hört doch mein Klagen an!
Ich armer Held muß sterben
Und das wol tausendmal,
Kan doch nicht gar verderben,
Verbleib' in steter Qual.
Die Thier' im finstren Klüften
Erdulden nicht so viel,
Die Vöglein in den Lüften
Die haben noch ihr Ziel.
Der Hirsch wird oft gejaget,
Komt auch noch oft davon;
Ich lebe gar verzaget,
Amor zu Spott und Hohn.
Wird schon der Hirsch getroffen,
Lebt er doch gleichwol noch;
Ich leb' ohn' alles Hoffen,
Ich sterb' und lebe doch.
Wird schon der Hirsch gestellet,
Fängt sichs doch nicht allzeit;
Ich werde stets gefället,
Wann Amor ist bereit.
Das Wild wird wol geschossen,
Doch nur ein einzigs Mal;
Cupido unverdrossen
Scheußt aus mich ohne Zahl.
Wird schon der Hirsch verwundet,
Fühlt er doch wenig Schmerz;
Mir ist so gar entzündet
Mit heißer Glut mein Herz.
Dem Hirschlein wird genommen
Sein Leben weg in Eil';
Mir wil der Tod nicht kommen
Mit seinem Jägerpfeil.
[187]
O, wol den schnellen Thieren,
Die in den Wäldern sein,
Sie dörfen gar nicht führen
Schmerz, Klagen, Leid und Pein.
Sie leben nur in Freuden,
Die Freiheit ist ihr Gut.
Wol dem, der so ohn' Leiden
Stets führt ein frischen Mut!
Ei, wil denn meine Schmerzen
Mein Lieb nicht lindern bald,
So wünsch' ich mir von Herzen,
Zu sein ein Hirsch im Wald.

Hirtenlied

Spielet auf und laßt uns singen,
Wie die kalte Zeit einbricht,
Die zwar alles kan bezwingen,
Nur verliebte Seelen nicht;
Luft und Wasser, See und Erden
Stehen gleich dem harten Stahl,
Auch das Feld muß Eisen werden
Und die Wiesen allzumal,
Nur bei treuer Lieb' allein
Wil das Feur erhalten sein.
Kan der Winter alles zähmen,
Kan er töten Laub und Gras,
Kan er schon die Frücht uns nehmen,
Kan er zwingen alles Naß:
Ei, so muß er doch mit Schanden
Von den Herzen ziehen ab,
Die mit festen Liebesbanden
Sind verknüpfet bis ins Grab:
Es wil treue Lieb' allein
Bis ans Ende standhaft sein.
[188]
Ist ein Schäfer, der nicht liebet?
Solcher ist von schlechter Art,
Wo er nicht die Sinnen übet
Und im Herzen die bewahrt,
Die er ihm allein erkoren
Vor sein auserwähltes Gut:
Ei, so hat er gar verloren
Witz und Kühnheit, Herz und Mut;
Doch wil treue Lieb' allein
Steif und fest erhalten sein.
Wil man hohe Geister kennen,
Klug von Worten, groß von That,
Lieber, laß dir einen nennen,
Der mit Ernst geliebet hat.
Das sind ja geringe Seelen,
Blöde Schäfer, sehr verzagt,
Die kein eignes Herz erwählen
Und das Lieben nie gewagt.
Doch wil treue Lieb' allein
Bis ins Grab erhalten sein.
Daphnis hat sich recht besonnen,
Daß er seine Galathe
In den Feldern lieb gewonnen,
Eh' der Sonnentrank, der Schnee,
Aus den Wiesen uns getrieben;
Ach, was ist es wolgethan,
In dem Sommer so zu lieben,
Daß man es genießen kan,
Wenn der Winter läßt allein
Zwei verliebte Herzen sein.
Spielet auf, ihr Hirtenknaben,
Eh' der Tag wird hingerafft;
Daphnis wil nun bald vergraben
Galatheen Jungfrauschaft;
Lasset die Schalmey erschallen,
Eh' die Sonn' ins Wasser geht,
[189]
Galatheen zu gefallen,
Welch' in Daphnis' Armen steht.
Galathee sol allein
Daphnis' Allerliebste sein.

Auf die Winterszeit

Der Winter hat sich angefangen,
Der Schnee bedeckt das ganze Land,
Der Sommer ist hinweggegangen,
Der Wald hat sich in Reif verwandt.
Die Wiesen sind von Frost versehret,
Die Felder glänzen wie Metall;
Die Blumen sind in Eis verkehret,
Die Flüsse stehn wie harter Stahl.
Wolan, wir wollen von uns jagen
Durchs Feur das kalte Winterkleid;
Komt, laßt uns Holz zum Herde tragen
Und Kohlen dran, jetzt ist es Zeit.
Laßt uns den Fürnewein hergeben
Dort unten aus dem großen Faß!
Das ist das rechte Winterleben:
Ein' heiße Stub' und kühles Glas.
Wolan, wir wollen musicieren
Bei warmer Luft und kühlen Wein;
Ein ander mag sein' Klagen führen,
Den Mammon nie läßt frölich sein.
Wir wollen spielen, scherzen, essen,
Solang' uns noch kein Geld gebricht,
Doch auch der Schönsten nicht vergessen,
Denn wer nicht liebt, der lebet nicht.
Wir haben dennoch gnug zu sorgen,
Wann nun das Alter komt heran;
Es weiß doch keiner, was ihm morgen
Noch vor ein Glück begegnen kan.
[190]
Drum wil ich ohne Sorgen leben,
Mit meinen Brüdern frölich sein.
Nach Ehr' und Tugend thu' ich streben,
Den Rest befehl' ich Gott allein.

An Meister Hämmerling

Wunder-Wunder-Wunderding!
Unser Meister Hämmerling
Treibt doch gar zu grobe Possen:
Daphnis muß ihm sein geschossen
Zweifelsfrei mit Liebespfeilen,
Weil er durch der Liebe Scherz
Könne sein getreues Herz
Unter so viel Nymphen theilen.
Ja, dieß kan nicht anders sein!
Daphnis ist durch Liebespein
An dem linken Ohr entzündet;
Hämmerling hat das ergründet,
Hämmerling, das Haubt der Narren,
Der so gar verstehet nicht,
Was nur heiß' ein Kunstgedicht,
Wil doch immer mit drein schnarren.
Hämmerling der redet wahr!
Solten nicht ein zwanzig Par
Der begabten Schäferinnen
Ihren Daphnis lieb gewinnen,
Der sie niemals zwar gesehen?
Gönnet ihnen doch den Preis,
Weil er ihre Namen weiß,
Welch' in vielen Büchern stehen.
Fillis komt aus Frankreich her,
Perlemund weit übers Meer,
Florabell' aus welschen Landen,
Galathe ist da gestanden,
[191]
Wo Diana pflag zu baden,
Rosimind' ist spanisch gar,
Lilliet hat hundert Jahr
Und wol mehr auf sich geladen.
Wär' es nicht ein feines Stück,
Sein Gewissen, Ehr' und Glück
So gar liederlich verscherzen?
Nein, man nimt dieß mehr zu Herzen,
Als die Venusnarren pflegen.
Namen sind es und nichts mehr.
Daphnis suchet Kunst und Lehr'
Aus der Sprachen Grund zu legen.
Ronsard und der Theophil
Führten ihn zu diesem Ziel,
Und Petrarch hat ihm gewiesen,
Wie die Tugend wird gepriesen.
Hat er nun die Schäferinnen
Schon gerühmet? Ei, wolan,
Tugend trieb ihn, welche kan
Auch ein steinern Herz gewinnen.
Wunder-Wunder-Wunderding,
Daß der Meister Hämmerling,
Der sonst wolbekante Hase,
Geht davon mit einer Nase
Länger als des Daphnis Prügel.
So recht! Nunmehr wirds geschehn,
Daphnis Lieder werden stehn
Ewig auf der Musen Hügel.

[192] Scherzlied

Freund des Himmels, steht das wol,
Fremde Müh' und Arbeit stehlen?
Solches pfleg' ich zu befehlen
Einem, der bald kläglich sol
Seine Sünd' im Regen büßen
Und uns segnen mit den Füßen.
Ich bekenn', es war ja schlecht,
Was ich dazumal geschrieben; 1
Niemals pflag' ich das zu lieben,
Was ich schreib', als wär es recht;
Auch sogar, daß meine Sachen
Keiner könte besser machen.
Weg mit solchem Uebermut!
Das sind rechte Midasohren.
Andre sind auch keine Thoren.
Solcher Stolz thut nimmer gut.
Der ist billig klug zu nennen,
Der sein' eigne Fehl kan kennen.
Ich weiß wol, Ihr kluger Hahn,
Mich nach meiner Maß zu messen.
Ist es aber unterdessen
Recht und wol von Euch gethan,
Daß Ihr Euch mit Früchten stopfet,
Derer Stamm Ihr nie gepfropfet?
Aber ich erinnre mich,
Daß Ihr seid gewohnt zu liegen.
Was Ihr schreibet von den Kriegen,
Ist das wahr? Ja hindersich!
Wer nun leugt durch all sein Leben,
Ist dem Stehlen auch ergeben.
[193]
Lieget, stehlet! Dieß ist klein,
Bis Ihr größer Lob erwerbet.
Wo Ihr aber vor mir sterbet,
Sol dieß Eure Grabschrift sein:
Diese Dohl', so hier vergaben,
That kein' eigne Feder haben.

Fußnoten

1 »An einen Calendermacher oder Sterngucker, der eines anderen Poetische Gedichte vnter seinem Nahmen pflag hervor zu geben, die doch bereits lengst zuvor vnter deß Autoris Nahmen gedrucket waren.«

Hofleben

Jedermann weiß, daß die Blinden
Des bestirnten Himmels Licht,
Und was sonsten ist zu finden
In der Welt hie, schauen nicht;
Weil sie denn nichts können schauen,
Müssen sie nur Worten trauen.
Zwar ich wil es nicht verneinen,
Blinde die sind übel dran;
Noch viel ärger, die da meinen,
Selig sei derselbe Mann,
Der sich und sein ganzes Leben
Hab' an Höfelust ergeben.
Blind sind alle, die da sagen,
Daß bei Hof' ein Leben sei,
Das man führ' ohn' alles Klagen,
Da man, vor der Armut frei,
Nur in Freuden werd' erzogen.
O wie weit, wie weit betrogen!
Wer kein falsches Herz kan leiden
Und ein Maul, das freundlich spricht,
Wer Gefahr und Not wil meiden,
Komme ja nach Hofe nicht,
Weil der Tod an diesen Orten
Vorne sitzet bei der Pforten.
[194]
Tausend Unglück must du tragen,
Wilt du hoch am Brette sein;
Wer sich darf bei Hofe wagen,
Kriegt zu Lohn den bloßen Schein,
Den man wahre Freundschaft nennet,
Freundschaft, die kein Mensche kennet.
Wer sich gleich mit Fleiß gesellet
Zu der frommen Männer Schar
Und sein Leben so bestellet,
Daß er hoffet, die Gefahr
Könn' ihm nun hinfort nicht schaden,
Wird mit Neidern erst beladen.
Liegen und den Nächsten schänden,
An sich kaufen falsche Gunst,
Kluge mit Geschenken blenden,
Ist bei Hof' ein' alte Kunst;
Wie man Gutes sol verkehren,
Pfleget man daselbst zu lehren.
Sich und seine Thaten preisen,
Ist der Höfling' erste Lust;
Eigne Klugheit zu erweisen
Und mit aufgeworfner Brust
Andre fast vor nichts zu schätzen,
Das mag diese Leut' ergetzen.
Freunde nur mit Worten weiden
Und versprechen oft und viel,
Mit dem langen Messer schneiden,
Ist der Höfling' einzigs Ziel,
Die oft mit der Heuchler Stangen
Viel der schlechten Vögel fangen.
Wer noch kan bei Hofe schweigen,
Bleibet ohne Spott und Hohn;
Wer die Wahrheit stets wil geigen,
Der kriegt keinen andern Lohn,
Als daß man die Geig' hinreißet
Und ihm um die Ohren schmeißet.
Viel' hat auch der Hof gefangen
Durch den Schein der Herlichkeit,
[195]
Weil man da einher thut prangen
Anders nicht, als wär die Zeit,
Die wir doch so schleunig enden,
Nur zur Hoffart anzuwenden.
Gottesfurcht ist ausgetrieben,
Treu' und Glauben sind davon;
Keiner thut den andern lieben;
Undank ist der beste Lohn,
Welchen auch zuletzt die Frommen
Von den Herren selbst bekommen.
Du, mein Freund, bist nun genesen,
Du, du hast es recht bedacht;
Damals bist du klug gewesen,
Wie du gabest gute Nacht.
Wilt du schlafen, wilt du wachen,
Kanst du jetzt den Neid verlachen.
Lasse nun gen Hofe laufen,
Wer nicht selber herschen wil;
Laß' ihn Rauch für Rauch verkaufen;
Ich und du wir sitzen stil,
Schauen, wie dadurch auf Erden
Aus den Herren Schlaven werden.

Lob des Hoflebens

Himmel, dir sei Lob gesungen,
Daß ich der bin, der ich bin,
Auch annoch fein ungezwungen
Leben kan nach meinem Sinn.
Hoher Dinge Lieb und Lust
Herschen nicht in meiner Brust.
Neulich als ich angesehen
Großer Leute Stand und Pracht,
Wust ich kaum wie mir geschehen,
Denn ich hätt' es kaum gedacht,
Daß so große Schlaverei
Bei der Fürsten Höfen sei.
[196]
Heißet das in Freud und Ehren
Seine Jahre bringen zu?
Gott, wie läßt man sich bethören!
Ist doch weder Rast noch Ruh'
An den Höfen, wo man sich
Plagen muß so jämmerlich.
Wann der Hofeman wil essen,
Muß er erstlich auf die Jagd,
Da der Mahlzeit wird vergessen
Und nur an das Wild gedacht.
Ach, da murren Magn und Mund,
Hungrig ist man als ein Hund.
Wann der Hofemann wil schlafen,
Muß er für der Tafel stehn;
Hat er Nötigs gleich zu schaffen,
Muß er doch nach Hofe gehn;
Bittet ihn ein Freund zu sich,
Spricht der Fürst: »Ich fodre dich.«
Wann der Hofemann wil schreiben
Was sein eignes Werk betrifft,
Ruft der Junker: »Laßt das bleiben!
Man wird heut' ein' ander Schrift
In Pokalen setzen auf.
Bruder, scher herauf und sauf!«
Ei, du feines Hofeleben!
Solt ein Mensch, der witzig ist,
Dir den höchsten Preis nicht geben,
Da du doch so jämrich bist!
Ei, daß solchem Ungemach
Edle Seelen laufen nach!
Recht das heißt zu Hofe laufen
Und zu Hof' ein Jäger sein,
Tag und Nacht zu Hofe saufen
Den geschmierten Schwefelwein;
Wachen, hoffen, höhnisch sehen,
Das heißt recht zu Hofe gehen.
O, wie selig ist zu schätzen,
Der in seinem Hüttelein
[197]
Auf gut schäfrisch sich ergetzen
Und sein eigner Herr kan sein,
Essen da, was Gott beschert,
Werden nie durch Zank beschwert.
Himmel, dir sei Lob gesungen,
Daß ich der bin, der ich bin,
Auch annoch fein ungezwungen
Leben kan nach meinem Sinn.
Aller Höfe Glanz und Pracht
Sing' und sag' ich gute Nacht.

Zeit genug

Was andren Leuten in der Welt,
Ihr Haus betreffend, nicht gefällt,
Das bleibet mir zwar unbekant;
Mir aber komt ein Ding zur Hand,
Ein rechtes Elend, vol Betrug,
Mein ärgster Feind, heißt. »Zeit genug!«

Auf die Heuchler

Der kluge Satyrus der konte nicht erleiden
Des falschen Bauren Maul, das fertig war in beiden,
Versteh', in kalt und warm; er wuste, daß zween Brei
In einem Topf gekocht ein seltzam Fressen sei.
O, wie viel seglen noch hinweg mit allen Winden!
Wie viel, wie mächtig viel sind hie und da zu finden,
Die krumm und höckricht sein, bald wiedrum gleich und schlecht;
Den solcher leichten Burß sind alle Sättel recht.

[198] Natur gehet für die Lehr

Art lässet nicht von Art, die Katze läßt das Mausen,
Der Dieb das Stehlen nicht, die Affen wollen laufen,
Der Garte bringt sein Kraut, der Hirte treibt fürs Thor,
Was ehmals Wasser war, wird Wasser wie zuvor.
Salz komt aus Wasser her, es quillet aus der Erden,
Kan auch mit schlechter Müh' ein Wasser wiedrum werden,
Und weil denn Eis und Schnee aus Wasser ist gemacht,
So wird es auch sehr leicht ins Wasser wieder bracht.
Die Katz' hält zwar das Licht, wann Salomo wil essen;
Erblicket sie die Maus, so ist des Lichts vergessen,
Und wann Marcolphus gleich noch eins so zornig wär,
Bleibt doch mein Sprichwort wahr: Natur geht für die Lehr.

Diogenes

Diogenes der pflag ohn' alle Ross' und Wagen
Sein ganzes Hausgerät stets mit sich umzutragen,
Das war ein' alte Tasch', ein Gerstenmus, ein Stab,
Dazu ein Becherlein, das nannt' er all' sein Hab.
Und wann er solches trug, so klagt' er schier mit Zähren,
Es thäte dieß Gerät ihn gar zu sehr beschweren,
Er meinte seinen Stab, Beibeutel und Pokal,
Der doch nur büchen war, den Plunder allzumal.
Als er nun einst am Fluß aus Ungeschicht that hinken
Und sah ein armes Weib aus ihren Händen trinken,
»Was«, rief er, »schlepp' ich mich, mein Trinkgeschirr, mit dir?
Ich seh' ein besser Stück; mein Becherlein, lig' hier,
Ich trage dich nicht mehr.« Hiemit that er sich wenden
Zum kühlen Bach und trank hinfürter aus den Händen,
Womit er uns zugleich erinnert recht und wol,
Daß einer mehr nicht, als ihm not ist, haben sol.

[199] Der Kaiser von Byzanz

Der Kaiser von Bysanz saß einsmals sonder Sorgen
Bei seinen Räten bis schier an den lichten Morgen,
Vom Wein und Freuden voll, stund endlich auf und kam
Zu einem klugen Rat, den er besonders nahm,
Sprach: »Freund, du bist mir lieb, jetzt solt du was begehren;
Sag an, was sol es sein? ich wil dirs schnell gewähren;
Denn deine große Treu hats ja vorlängst gemacht,
Daß ich mit Gaben dich zu ehren bin bedacht.«
»Nein«, sprach der tapfer Mann, »ich lasse mich begnügen
An kaiserlicher Gnad', als die mir kan zufügen
Das, was mir nötig ist; ich habe schon so viel,
Als ich zu diesem mal nicht bitten kan noch wil.«
»Wol«, sprach der Kaiser dann, »dieweil dirs nicht ist eben,
Zu bitten, kan ich auch wol ohngebeten geben:
Ich wil, was heimlich ist, dir alles zeigen an,
Ja, was mein Ehgemahl kaum recht erfahren kan;
Was meine Seele weiß, das wil ich dir vertrauen.«
»Nein«, rief der kluge Rat, »ach, Herr, jetzt thut mir grauen,
Die Gnad' ist gar zu groß, drum wil ich den Bericht,
Den niemand wissen sol, auch selber wissen nicht.«
Der Kaiser wolt' hierauf der Reden Ursach hören.
»Ganz gerne«, sprach der Rat, »das wil ich schleunigst lehren,
Warum, o großer Herr, ich gänzlich nicht begehr',
Zu wissen, das mir einst kan schaffen viel Beschwer.
Es ist ja mancher Herr, der kaum sich selber zwinget,
Daß er nicht unters Volk sein' Heimlichkeiten bringet,
Und wann sichs dann begibt, daß das, was heimlich war,
Wird durch ihr eignes Maul den Leuten offenbar,
So muß der oft die Schuld, der ohne Schuld ist, tragen,
Fällt drob in Ungenad'.« Hie muß ich nochmals sagen:
Ein recht verständig Herz das hütet sich fürwahr
Vor Herren Heimlichkeit, so bleibt es ohn' Gefahr.

[200] Was geht doch über Weiberlist?

Neaera Mann war über Land
Von seinem Herren ausgesandt,
Daß er ein' angelegne Sach'
An fremden Orten richten mag,
Und wann er die gerichtet aus,
Alsdenn bald wiedrum käm' zu Haus
Und meld es seinem Fürsten an,
Was er gelassen und gethan. 1
Indem erhört man ein Gerücht',
Als ob er nunmehr lebe nicht;
Er sei ohnlängst bei finstrer Nacht
Im Wald erwürgt und umgebracht
Und läg' jetzt mitten in dem Pfad,
Zwölf ganzer Meilen von der Stadt,
In Regen, Hitz' und Sonnenschein;
Man solt' ihn schleunigst holen ein.
Ein ander sagt, es wär nicht wahr;
Herr Appius lebt' ohn Gefahr,
Ja sei auch noch verletzet nicht;
Es sei nur Lügen und Gedicht,
Was man von dieser Unglücksnacht
Aus Scherz hab' auf die Bahn gebracht.
So rief der ein', es wär geschehn,
Ein ander wolt' es nicht gestehn;
Doch war der Immenschwätzer Zahl
Viel größer noch, die allzumal
Bezeugten fast mit Hand und Mund,
Daß Appius noch wär' gesund
Und wüste gar von keiner Pein;
Er würde bald zugegen sein.
Als dieß sein junges Weib vernahm
Und auf den Markt gelaufen kam,
Hilf Gott, wie rief das liebe Kind!
Sie warf die Hauben gar geschwind
[201]
Vom Kopf herab und riß ihr Haar,
So daß es zum Erbarmen war.
Sie schrie: »Ach weh, ich armes Weib!
Mein Schatz, wo find' ich deinen Leib?
O Appius, mein liebster Mann,
Ach weh', ach weh', was fang' ich an?
Sag' an, mein Schatz, wie weit von hier
Hat dich der Tod entzogen mir?
Sag' an, bekenn' es ohne Scheu,
Ob auch noch Leben in dir sei;
Wo nicht, so hol' mich Arme nach.
Wie kan ich solches Ungemach
Erdulden, o mein Appius,
Daß ohne dich ich leben muß?
Ein finstres Grab ist mein Begehr.
O süßer Tod, kom' eiligst her
Und würge mich von Stunden an,
Weil ich nicht länger leben kan.«
So schrie das Weib; ihr Leid war groß;
Manch tausend Thränen sie vergoß,
Ja wrang die Händ' und schlug die Brust,
Daß es die Stein' erbarmen must'.
Und ob gleich viel' ihr schrien zu,
Daß sie doch stünd' in guter Ruh',
Es hätte nicht so große Not,
Ihr Appius wär' nimmer tot,
So half es alles nicht ein Haar.
Neaera rief noch immerdar,
Ja heulte so erschrecklich sehr,
Als ob sie nicht bei Sinnen wär,
Bis daß man endlich ihren Mann,
Der gleichwol tot war, bracht' heran.
Ganz blutig lag er ohne Sark.
Und wie er nun kam auf den Markt,
Da schwieg das Weib und gieng zu Haus,
Ihr Leid und Klagen das war aus;
Sie ließ hinfort kein Seufzerlein,
Ein andre möchte traurig sein;
[202]
Sie aß und trank mit solchem Mut,
Als mancher kaum zur Hochzeit thut;
Recht frölich war ihr Angesicht;
Bei ihr war mehr kein Trauren nicht,
Nur Scherzen und Spazierengehn,
Den ganzen Tag im Fenster stehn,
Bei guten Freunden frölich sein,
Das war ihr' Arbeit ganz allein.
Dieß wunderte manch frommes Kind,
Wie sich das Weiblein so geschwind'
Aus so gar großer Traurigkeit
Doch schicken könt in solche Freud',
Und war doch gleichwol keiner nicht,
Der forschen dorft' aus ihr Bericht,
Weil Frau Neaera nicht nur zart,
Auch reich und wert gehalten ward,
Bis endlich ihre Muhme kam
Und sie zu fragen unternahm,
Was dieß doch vor ein Handel wär,
Daß sie zuvor so mächtig sehr
Getrauret, da sie doch nicht gar
Und eigentlich berichtet war
Von ihres liebsten Mannes Tod;
Jetzt aber, da sie selbst die Not
Mit Augen leider angesehn,
So wär' es um ihr Leid geschehn;
Sie säng' und sprüng', es wär' behend'
Ihr Trauren schon vorlängst zum End';
Ein solcher Wechsel der käm' ihr
Und vielen fremd und seltzam für;
Sie möchte doch zu dieser Stund'
Ihr allen Handel machen kund.
»Ja«, sprach sie, »Muhme, weiß sie nicht,
Wie mit den Weibern oft geschicht?
Als ich vernahm die neue Mär',
Wie daß mein Mann erschlagen wär',
Und bald ein ander kam und sprach,
Es wäre nichts noch an der Sach',
Ei wol, da war es Weinens Zeit,
Da klagt' ich nur der Wäscher Streit;
[203]
Denn einer sprach, mein Mann wär' hin;
Der andre schlug mirs aus dem Sinn.
Und weil sein Tod war mein Begehr,
So ward mir angst, drum schrie ich sehr;
So lang' ich noch im Zweifel stund,
Beklagte sich mein bleicher Mund;
Ich muste sorgen früh und spät,
Daß er vielleicht noch leben thät;
Drum schrie ich, bis der Leichnam kam
Und ich den rechten Grund vernahm.
Da ward' ich heimlich froh und still',
Erfüllet war mein Wunsch und Will';
Ich kam aus aller Angst und Not
In schnelle Lust, denn er war tot.
Jetzt bin ich nun mein eigen Herr;
Was wolt' ich doch begehren mehr?
Nun, Lob sei Gott, mein Leid ist hin,
Dieweil ich frei und ledig bin!«
So sprach das Weib. O leichtes Thier!
O falsches Herz, das für und für
Den Raben solt' ein Futter sein,
Geh, schäme dich ins Herz hinein!
Ist das wol Lieb, ist das wol Treu?
Ich muß mein Urteil sagen frei:
Wenn dieß wär' aller Weiber Sinn,
Man ließ' sie stündlich fahren hin
Mit Leib und Gut ins finstre Grab,
So käm' der Mann der Marter ab
Und würde von dem Thier erlost.
Doch ist dieß frommer Männer Trost,
Daß sie nicht sein all' einer Haar,
Wiewol das Sprichwort bleibt mir wahr,
Das nicht so neu erfunden ist:
Was geht doch über Weiberlist?

Fußnoten

1 »Aus eines Frantzösischen Poeten Erfindunge.« Das Gedicht ist bemerkenswert wegen der Anwendung der alten Reimpaare, die im 17. Jahrh. sonst nicht gebräuchlich waren.


Notes
• Weltliche Gedichte
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Weltliche Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-99A7-E