Sieg der Trägheit

Die armen Buckel, demütige Schultern, zogen selig zur neuen Zeit und wußten nur dies.


Die Erdschale blätterte zitternd vor ihnen ab, ein Schlammgeschwür schwoll auf, klebrige Barrikaden liefen ins Dunkel um, weich drohende Saugnäpfe wie ein gieriger Blutegelfries.

Die armen Menschenköpfe und Leiber stießen an die mächtige Mauer von grauzitterndem Brei,

Ein Schleim floß wie fette Aale nächtlich um sie und vergurgelte ihr Geschrei.


Das schwarze Gebirg von langsamem Leim schloß hinter ihnen sein triefendes Tor,

Durch träge Blasen klatschten strudelnde Glieder wie versinkendes Stroh im Moor.

Schwankend bebt es herab und fließt zäh ab. Ein schwarzes Loch dreht sich schluckend und faul,

Eine kalte Riesenfresse wälzt auf, Bergfalten um ein zahnloses saugendes Maul.

Die Menschenwälder zappelnd zum Tod trieben erstickt mit sausendem Kreis hinab in den dunklen Schlauch.

O Aufstand zum Licht! o Erdengesicht! O Endnacht im trägen riesigen Bauch!


Kamerad, und wissen Sie noch, wie die blanke Polizei auf dicken Maschinenstiefeln aus den Nebenstraßen fiel?

Trafalgar Square war dunkel und hell wie ein schreiender Rohrteich, im Londoner Mittagswind.

In Berlin stampften Schüsse heiß ins Geschrei, die graugrüne Schloßkuppel lag lieblich über dem leeren langen Platz.


[23] Wiehern in den Newski-Prospekt, im Winterfrost drückten sie den Mob tot!

Und wissen Sie noch, daß schnelle Gefängnisse mit Wärtern und Prügelstrafen gebaut wurden?

In Japan Köpfe ab. Über Rußland standen frische Galgenbäume.

In New York die Faust vom dritten Grad den Angeklagten so lang ins Gesicht, Hunger und Heißfolterdurst, bis sie lieber im elektrischen Stuhl von Sing-Sing starben.

Aber Madrid, o Gefängnisse von Monjuich, blutstöhnend. Man schraubte eiserne Wechselstromhelme an die Schläfen zum Irrsinn. Und allen quetschte man Tag für Tag die Hoden langsam zusammen.

Der erste Blutstropfen hatte dick und schwarz die Erde erreicht.
Das himmlische Licht war verschwunden schräg zuckend über die spitzen Dächer hin.
Der Abend stieg wie Schnalzen aus dem Fett der geilen Städte.
Die bleichen Lampen bissen Schatten um Herren mit Mappen unterm schwitzenden Arm,
Dünne Frauen hoben vor ihnen die Röcke hoch.
O kleine Erde, was hast du vergessen!
Du feindliche hast das Licht Gottes gefressen.
Die Sterne wehren dein gieriges Kreisen mit strahlendem Dorn,
Aus deinen Wunden bricht in Blutsäulen der himmlische Zorn.
Deine Städte und Berge rollen taumelnd im nächtlichen Rund,
Bis unter deinen dumpfen Menschen gesiegt hat der geistige Bund.

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TextGrid Repository (2012). Rubiner, Ludwig. Gedichte. Das himmlische Licht. Sieg der Trägheit. Sieg der Trägheit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9EB3-C