261. Schätze.

1.

Auf der Vogelsburg, der Stelle gegenüber, wo das Schloß gestanden haben soll, fand einst ein Mann aus Ahlshausen, der zufällig da vorbei kam, zwei schneeweiße Laken auf dem Boden ausgebreitet; darauf lag goldgelber Weizen, so gelb, wie er ihn noch nie gesehen hatte, und so rein, als wenn eine Taube ihn gelesen hätte. Verwundert wühlte er erst mit der Hand darin herum, dann nahm er ein Korn in die Hand, besah es genau und steckte es endlich beim Weggehn ein. Nachdem er eine Strecke gegangen war, fand er, als er zufällig in die Tasche griff, statt des Weizenkornes ein Goldstück. Sogleich kehrte er um und ging zu der Stelle zurück, wo die Laken gelegen hatten, aber diese waren verschwunden. Doch fand er da noch einige Goldstücke, die er vorher von den Laken geworfen haben mochte. Auch diese steckte er, halb froh halb ärgerlich, ein.

Genau an derselben Stelle sah der alte Asmus, dem diese Geschichte von seinem Vater viele Male erzählt war, als er einst nach Einbeck gehn wollte, um daselbst verschiedene Sachen einzukaufen, ein Goldstück am Boden liegen. Er bückte sich, um es aufzuheben, und sprach dabei: du kommst mir gerade gelegen (passig). Kaum hatte er das Wort gesprochen, so war das Goldstück verschwunden.

2.

Ein Bettler kam einst an einen einzeln stehenden Ackerhof, und bat um Aufnahme für die Nacht. Diese wurde ihm zwar verweigert, er wuste sich aber doch auf den Heuboden zu schleichen und legte sich dort schlafen. Um Mitternacht erwachte [248] er von einem Geräusche. Er stand auf und sah von dem Bodenfenster aus, wie der Herr des Hofes eine große Menge Gold aus dem Hause auf die Scheune brachte. Dort sagte er zu dem Teufel, welchen er am Tage vorher citirt hatte, er wolle das Geld, das er unrechtmäßig erworben habe, in der Scheune vergraben, und es solle nicht eher gehoben werden können, als bis zwei ganz schwarze Ziegenböcke, welche von einer Ziege geboren wären, sich auf der Stelle, wo es läge, zu Tode stießen. – Am andern Morgen machte sich der Bettler in der Stille davon. Nach vielen Jahren kam er wieder auf den Hof und fand dort alles verfallen. Der Bauer war gestorben und die Frau lebte in großer Armut. Der Bettler sagte zu ihr, was sie ihm geben wollte, wenn er sie wieder so reich machte, wie früher. Die Frau versprach ihm viel Geld und machte sich auch anheischig ihn lebenslänglich auf dem Hofe umsonst zu behalten. Darauf erzählte ihr der Bettler, was er in jener Nacht gesehen und gehört hatte, und machte sich dann auf die Reise, um die zwei schwarzen Ziegenböcke zu bekommen. Nach langem Reisen fand er sie endlich, und als sie auf die Stelle geführt waren, wo der Schatz lag, fingen sie von selbst an sich zu stoßen, bis beide todt auf dem Platze blieben. Darauf wurde der Schatz gehoben.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 261. Schätze. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B9DC-1