196. Katzen sind Hexen.

1.

Ein Kaufmann in Wulften hatte eine Katze. Diese kam jeden Mittag, wenn er Fleisch aß, zu ihm und streckte die Pfote nach einem Stück aus; er gab ihr dann jedes Mal ein Bißchen. Eines Mittags war er gerade ärgerlich, und als nun die Katze wieder die Pfote nach dem Fleische ausstreckte, hieb er mit dem Messer darnach. Die Pfote fiel ab und es war ein Menschenfinger; zu gleicher Zeit aber stand seine Nachbarin, die bekannte Hexe Hobein, vor ihm, schrie vor Schmerz ganz jämmerlich und bat ihn, er möchte ihr doch den Finger wiedergeben. Er that dieß. Nun nahm die Hexe den Finger, blies einmal zu und der Finger saß wieder fest.

2.

Ein Soldat, der auf Posten stand, wurde jede Nacht von einer Schaar Katzen umschwärmt und durch ihr Geschrei so in Angst und Schrecken gesetzt, daß er es nicht mehr aushalten konnte. Er klagte daher seine Noth einem alten Unterofficier. Dieser gab ihm den Rath, wenn er wieder von ihnen belästigt würde, tüchtig um sich zu hauen und wo möglich eine der Katzen zu verwunden; vor allen Dingen aber müsse er suchen ein abgehauenes Glied in seine Gewalt zu bekommen. Als nun die Katzen wieder heulend um ihn herumsprangen, hieb er tüchtig um sich, und schlug einer Katze eine Vorderpfote ab, die er sogleich beisteckte. Nachdem die Katze vergeblich versucht hatte ihm die Pfote wieder zu entreißen, entfloh sie endlich unter fürchterlichem Geheul. Der Soldat aber war nicht wenig erstaunt, als er am anderen Morgen eine Menschenhand hervorzog. Nun wurde nachgesucht, und man entdeckte ein altes Weib, dem die eine [179] Hand abgehauen war. So wurde sie als Hexe erkannt und dann bestraft.

3.

In Edesheim ist eine Straße, die Kattenstrâte genannt, und daran wieder ein Haus, welches noch jetzt dat Kattenhûs heißt. In diesem Hause wohnte vor Zeiten ein einzelner Mann. Eines Abends wollte dieser sein Abendbrot kochen und hatte zu dem Ende einen Kessel mit Brei aufgesetzt. Mit einem Male kam eine Katze vor die Thür und gab durch ihr klägliches Winseln zu erkennen, daß sie gern herein wolle. Der Mann öffnete die Thür und sagte: »kum kättgen un warme dek!« Bald darauf kam eine zweite Katze vor die Thür und dann eine dritte. Da sprach die zweite zu der dritten: »kum kättgen, warme dek, segt Hanjörgen âk vor mek.« So kamen nach und nach acht Katzen in die Stube und setzten sich um den Ofen herum. Der Mann hatte sie alle eingelassen. – Als sie nun beisammen waren, sprach die eine Katze zu der anderen: »wenn de grâte kümt, sau wil wer an.« Der Mann aber hörte das, nahm darauf den Löffel mit dem heißen Brei und schleuderte diesen den Katzen in die Augen; zugleich hieb er mit einem großen Messer unter sie und mehreren die Pfoten ab. Am anderen Tage waren viele Frauen im Dorfe krank; einigen waren die Hände oder Füße abgehauen, andere waren völlig blind.

4.

In einem Dorfe hatte ein Bauer mit seiner Frau lange glücklich gelebt. Mit einem Male starb rasch hinter einander sein ganzes Vieh; kaufte er auch neues wieder und fütterte er dasselbe auch noch so gut, es half ihm nichts, es starb dennoch bald. So wurde er nach und nach arm und hatte zuletzt nur noch sehr wenig. Da kam eines Tages ein armer Mann zu ihm und sprach ihn um ein Almosen an. »Ich habe selbst nicht viel mehr«, sagte der Mann, »ich weiß nicht, wie es zugegangen ist.« Und nun erzählte er dem Bettler alles und nahm ihn in Rath. »Ihr müßt mir erlauben«, erwiederte darauf der Bettler, »daß ich mich dreimal hinter einander Nachts in eueren Pferdestall lege, dann will ich euch helfen.« Man erlaubte das gern. In der Nacht kamen außerordentlich viele Katzen zwischen die Pferde und quälten dieselben auf die schändlichste Weise. Er sah das zwei Nächte ruhig an und ließ sie gewähren. In der dritten Nacht aber nahm er einen Knittel und schlug mit aller Kraft dazwischen; auch gelang es ihm der einen Katze mit einem Beile, [180] welches er gefaßt hatte, eine Pfote abzuhauen. Die Katze schrie jämmerlich, und alsbald waren alle verschwunden. Er hob die Pfote auf und es fand sich, daß es eine Menschenhand war. Am anderen Morgen erzählte der Mann dem Bauern alles, was in der Nacht vorgefallen war, und zeigte die Hand vor, welche ganz schwarz war. Er fügte dann den Rath hinzu, er solle jetzt das ganze Haus zuschließen und alle Löcher sorgfältig verstopfen. Es werde dann seine alte Nachbarin vor das Haus kommen, laut schreien und ihn bitten, das Haus auszuschließen, sie wolle dies oder das borgen; er solle das aber nicht thun. Er wolle die Hand in einen Kessel thun und sie darin kochen; wenn aber die Thür geöffnet würde, so würde das alte Weib ihre Hand schnell aus dem Kessel nehmen, und dann hülfe alles nichts. Wie der Bettler gesagt hatte, so geschah es auch. Die alte Frau kam vor die Thür und schrie jämmerlich, der Mann machte aber nicht auf. Der Bettler kochte unterdessen die Hand fortwährend und sagte dann zu ihm, nun möge er einmal in das Haus seines Nachbars gehn und sehen, was die Frau mache, – denn sie war, als ihr alles Schreien nichts half, endlich fortgegangen. Er that das auch und fand die Frau im Bette liegend und im Sterben. Der Bettler aber kochte immer zu, und wie er kochte, starb die Frau nach und nach. Nach ihrem Tode wurde der Leichnam auf den Rath der anderen Bauern auf einem Scheiterhaufen verbrannt.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 196. Katzen sind Hexen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BED8-E