152. Zwerge dienen.

1.

Ein Bauer hatte ein Hollemännchen bei sich, welches sich immer viel zu schaffen machte. Das Haus war stets voll Frucht, ohne daß der Bauer wuste, woher diese kam. Einst aber sah die Frau, als sie eben aus der Küche kam, wie das Hollemännchen mit einem Strohhalme auf dem Rücken die Treppe hinaufging, wobei er gewaltig ächzte. Da sprach sie zu ihm: »ächze du und der Teufel, was mag dir wol dein Strohhalm so sauer werden!« Als sie dieß gesagt hatte, ließ jener den Strohhalm fallen, und siehe, es war ein halbes Malter Weizen. Das Hollemännchen aber ist fortgegangen und nie wiedergekommen.

2.

Einst kam zu einem Leineweber ein Geselle und bat ihn in Arbeit zu nehmen. Der Meister sagte, wenn er in einer Woche ein Stück (6 stîgen) weben könne, dann wolle er ihn annehmen. Der Geselle ging auf die Bedingung ein und blieb bei dem Meister. Als nun der Montag kam, fing er nicht an zu arbeiten, sondern aß und trank und ging dann spazieren. Der Meister fragte ihn, ob er denn nicht arbeiten wolle; doch er erwiederte, er müsse erst alles Garn bei einander haben, Aufzug und Einschlag (schêrige und inslag), erst dann werde er anfangen zu weben, er wolle schon zur rechten Zeit das Stück fertig haben. Der Meister hatte aber nur das Garn zum Aufzuge. So verging [138] ein Tag der Woche nach dem andern bis zum Freitage; alle Tage aß und trank der Geselle im Hause und ging dann fort. Freitag Abends sagte er zum Meister, wenn jetzt alles Garn da wäre, so möge er nur zu Bette gehen. Der Meister antwortete, es wäre alles beisammen, und ging zu Bette. Nun fing es an in der Stube lebendig zu werden, als wenn viele Menschen auf einmal darin arbeiteten. Der eine peipet, der andereschîrt, ein dritter macht spûlen, ein vierter webt (wirket); genug der eine that dieß, der andere that das, und viele Hände waren geschäftig. Der Meister, der den gewaltigen Lärm hörte, stand auf und schaute durch das Schlüsselloch, um zu sehen, was es in der Stube gebe. Einer von den Leuten, die in der Stube arbeiteten, bemerkte ihn und sprach zu dem Gesellen, es gucke einer durch das Schlüsselloch. Darauf ging dieser hin und sagte, er solle sich wegpacken. Als es bald Tag war, kam der Geselle zum Meister und forderte noch Garn, er habe nicht genug; dieser aber sagte zu ihm: »ach nân düwel, slât strâ in!« und so thaten sie auch. Am anderen Morgen war das Stück fertig und lag hinter dem Webestuhl. Der Meister wollte aber den Gesellen nicht länger behalten und schickte ihn fort. Es mag wohl der Teufel selbst gewesen sein.

3.

Ein Zwerg kam zu einem Schuster und bot sich ihm als Geselle an. Der Schuster hatte gerade viel Arbeit, er war deshalb bereit ihn als solchen anzunehmen und fragte ihn, wie viel Lohn er haben wolle. Da forderte der Zwerg wöchentlich 24 Thaler. Der Schuster sagte, das wäre viel Geld und er wäre doch so klein; was er denn arbeiten könne? Ja, sagte der Zwerg, der Lohn sei allerdings hoch, aber seine Arbeit sei dessen würdig; er wolle ihm in jeder Woche 24 Paar große Reiterstiefel machen. So nahm ihn denn der Schuster an. Am andern Morgen aber fing der Zwerg nicht etwa an zu arbeiten, sondern machte es sich bequem und ging im Hause herum. Der Schuster erinnerte ihn nun an sein Versprechen; jener antworte, das werde er schon halten, that aber dennoch nichts. So wurde es Sonnabend; und auch dieser Tag ging hin, ohne daß der Zwerg arbeitete. Nachts 11 Uhr regte sich etwas im Hause und mit einem Male war das ganze Haus voll Zwerge. Der Schuster, der mit seiner Frau schon zu Bette gegangen war, hörte das Geräusch und wurde neugierig. Er sah also durch das Schlüsselloch. [139] Da fand er Hausflur und Stube ganz mit Zwergen angefüllt. Die einen schnitten zu, die anderen nähten, der Geselle aber saß müßig mitten darunter und rauchte. Plötzlich sagte einer der Zwerge: »Meister, er guckt!« »Laß ihn gucken!« war die Antwort. Dieß wiederholte sich dreimal; das vierte Mal aber sagte der Meister: »stoß ihm das Auge aus!« Da stieß jener dem Schuster mit dem Pfriemen das Auge aus. Nun ging dieser zu seiner Frau zurück und erzählte ihr, was er gesehen habe und wie es ihm ergangen sei. Die Frau rieth ihm, nicht wieder hinzugehn. Das Arbeiten der Zwerge im Hause dauerte bis ein Uhr fort, dann ward alles wieder still. Als am anderen Morgen die Frau aufgestanden war, gab sie dem Zwerge die 24 Thaler und sagte ihm, er könne nun gehn. Doch dieser fragte, wo der Meister wäre, er wolle ihn gern sprechen. Die Frau erwiederte es könne nicht geschehen, denn ihr Mann sei krank. Der Zwerg fragte weiter: was ihm denn fehle? das wisse sie nicht, war ihre Antwort. Der Zwerg drang aber in sie, sie möchte ihren Mann einmal rufen, und fügte hinzu, vielleicht könne er ihm helfen. Endlich holte sie ihren Mann herbei. Als der Zwerg diesen nun fragte, was ihm fehle, erzählte er, wie er die Zwerge habe arbeiten sehen und wie es ihm weiter ergangen sei. Da blies ihm der Zwerg ins Auge und sprach dabei die Worte: »ein ander Mal laß dein Gucken!« Der Schuster aber konnte von dem Augenblicke an mit dem Auge wieder sehen.

4.

In einem Dorfe lebte ein Schuster mit seiner Frau in gutem Wohlstande. Selten aßen sie ihr Abendessen rein aus und jedes Mal setzte die Frau den Rest in die Pfanne des Ofens. Am andern Morgen bemerkte der Schuster, daß das übrig gebliebene Essen verzehrt war, aber zugleich waren auch die Schuhe und Stiefeln, welche er Tags zuvor zugeschnitten und auf seiner Schusterbank hatte liegen lassen, fertig gemacht. Als er sah, daß diese sehr gut genäht waren, schnitt er immer mehr zu und jedes Mal waren sie am andern Morgen fertig. Der Schuster wurde nun immer neugieriger und wollte gar zu gern wissen, wer die Schuhe mache, bohrte deshalb in die Stubenthür ein Loch und merkte in der Nacht auf, indem er durch das Loch sah. Er wunderte sich aber nicht wenig, als ein Zwerg kam und emsig zu nähen anfing, dabei aber immer nach dem Loche guckte, welches er wahrscheinlich bemerkt hatte. Als er [140] ein Paar Schuhe fertig hatte, ging er an den Ofen, verzehrte das Essen, welches darin stand und verschwand dann. Nachdem der Schuster dieß eine Zeit lang so fortgesetzt hatte, stellte er immer mehr Speise in die Pfanne; zuletzt wollte er dem Zwerge noch einen besondern Dienst erweisen und legte ihm einen Anzug auf die Schusterbank. In der nächsten Nacht kam der Zwerg wieder und fand das Zeug; nun machte er zwar die Schuhe fertig, dann aber zog er das Zeug an, schnitt sich ein Paar Stiefel zu, nähte sie, zog sie an und sagte dann: »was brauche ich noch für die Bauern Schuhe zu machen, jetzt kann ich dem Zwergenkönige dienen!« Damit verschwand er und kam nicht wieder.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 152. Zwerge dienen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BF86-F