Jeremiaden

Aus dem Reichsanzeiger

Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,
Ach! und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit!

Böse Zeiten

Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik,
Und mit dem Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.

Skandal

Aus der Ästhetik, wohin sie gehört, verjagt man die Tugend,
Jagt sie, den lästigen Gast, in die Politik hinein.

[290] Das Publikum im Gedränge

Wohin wenden wir uns? Sind wir natürlich, so sind wir
Platt, und genieren wir uns, nennt man es abgeschmackt gar.

Das goldne Alter

Schöne Naivetät der Stubenmädchen zu Leipzig,
Komm doch wieder, o komm, witzige Einfalt, zurück!

Komödie

Komm, Komödie, wieder, du ehrbare Wochenvisite,
Siegmund, du süßer Amant, Maskarill, spaßhafter Knecht!

Alte deutsche Tragödie

Trauerspiele voll Salz, voll epigrammatischer Nadeln,
Und du, Menuettschritt unsers geborgten Kothurns.

Roman

Philosophscher Roman, du Gliedermann, der so geduldig
Stillhält, wenn die Natur gegen den Schneider sich wehrt.

Deutliche Prosa

Alte Prosa, komm wieder, die alles so ehrlich heraussagt,
Was sie denkt und gedacht, auch was der Leser sich denkt.

Chorus

Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,
Ach! und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schiller, Friedrich. Jeremiaden. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-CB97-A