[210] Bekenntnisse

Der Heitre

Mädchen, Mädchen, laß dir sagen,
Wenn der Mund im Lächeln schwebt,
Wangen röter sie verklagen,
Busen sich neugierig hebt,
Will das Mädchen Liebe wagen.
Einen Wunsch nur kann ich geben:
Fühl' die Freuden immer neu;
Einen Rat, ihm nachzustreben:
Flieh' den Ernst und glaube treu,
Scherz der Lieb' ist schönstes Leben.
Götter scherzen mit der Welt,
Männer müssen handeln, siegen,
Fallen, wie das Schicksal fällt,
Keiner mag es überfliegen,
Wär' er auch der kühnste Held.
Schönheit darf zum Himmel schweben,
Frauen haben Götterrecht,
Leichtes Freudespiel zu weben,
Ernste Müh' geziemt dem Knecht;
Scherzend liebt, die frei will leben.
Andre Scherze welken bald,
Ohne Lieb'erwiderung,
Lassen einsam uns und kalt.
Liebe, ewig leicht und jung,
Fühlt sich trübe nie, noch alt.
Holde Lust geheimen Gebens,
Deine Rosen, süße Scham!
Bindet sie zum Kranz des Strebens;
Selbst ihr Gram ist linder Gram,
Scherz der Lieb' ist Ziel des Lebens.

Der Glühende

Lockend schwillt der Mund der Rosen,
Öffnet dir des Duftes Fülle;
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Willst du süß begeistert kosen,
Sticht ein Dorn aus Blumenhülle,
Spottet noch, wenn Schmerzen tosen.
Dürft' ich sagen, wie ich liebe,
Ungestört im leisen Bunde,
Aus dich atmen, Glut der Triebe,
Klagt' ich nicht mehr: Rosamunde,
Wilde Scherze scherzt die Liebe.
Heißer fühl' ich stets die Wunden,
Flöhe gern den Blitz der Augen,
Kann zerrissen nie gesunden,
Bis ich Mund an Mund darf saugen
Süßen Tod von Rosamunden.
Wenn sie ferne mich vertriebe,
Seufzt' ich ferne nach der Frucht,
Die mir ewig Blume bliebe.
Fliehend hindert mich die Flucht,
Wild und wilder scherzt die Liebe.
Anmut will den Mut mir rauben,
Will in Unmut mich versenken,
Meiner Wehmut nichts erlauben!
Neuen Traum will Treu' erdenken,
Aber Reue scheut zu glauben.
Wenn mein Herz, von Leid nun trübe,
Ihr entsagt' und nichts mehr sagte,
Und im Mißverständnis bliebe,
Würdet ihr gerührt euch fragen:
Scherzt so wilden Scherz die Liebe?

Der Besonnene

Vor des Lebens Doppelwege
Tritt der Ernst zum Jüngling hin,
Zeigt dem Mut'gen enge Stege,
Oder Scherz berauscht den Sinn,
Daß nur Lust zur Lust ihn rege.
Glücklich aber, wer die beiden
Kühn besiegend schlau verbunden!
Kein Verhältnis darf er meiden,
Hat des Rätsels Sinn gefunden:
Ernste Freud' und Scherz mit Leiden.
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Milde lächeln, milde schonen,
Sah ich die Geliebte so;
Will sie scherzend Treue lohnen,
Wird das Herz mir schmerzlich froh,
Wähnt' in ihrem noch zu wohnen.
Keinen Scharfsinn darf ich neiden,
Seit mein Sinn sich ihr verband,
Und so innig als bescheiden
Sie des Leichtsinns Tiefen fand;
Ernst in Freud' und Scherz mit Leiden.

Der Unbefriedigte

Glaubend einst, sie lieb' im Ernst,
Ward ich stolzer schon und sagte:
»Glück, wenn du dich je entfernst« –
Als sie unterbrechend fragte:
»Ob du Scherz verstehen lernst?«
Was bezaubert nur mein Herz?
Wie sie lieblich lieblos handelt.
Was erregt mir regen Schmerz?
Daß sie wankend stets verwandelt,
Scherz in Ernst, und Ernst in Scherz.

Der Unglückliche

Herz, was frommte deine Treue?
Stille Reue.
Geist, mein Geist! wohin verloren?
In tiefen Zoren.
Magst du keinen mehr beneiden?
Leer sind Freuden.
Freude also will ich meiden,
Wie sie schön und schöner glänze.
Leicht zerreißen zarte Kränze,
Schwere Ketten sind dann Leiden.
Was muß innig dich betrüben?
Wie sie lieben.
Trösten dich nicht güt'ge Freunde?
Besser Feinde.
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Hoffst du nichts vom künft'gen Tage?
Neue Plage.
Ewig also ich entsage,
Lieb' und süße Freundschaft dir!
Freuden werden Leiden mir;
Täuschung flieh', willkommen Klage!

Der Zürnende

Wenn leiser Reiz den jungen Mut erregt,
Entspringt so freudig nichts aus innerm Born,
Von allem, was der Mensch in sich bewegt,
Als deine schöne Flamme, heil'ger Zorn!
Dich hab' ich in des Herzens Herz gehegt.
Die höchsten Rosen blüh'n an scharfem Dorn;
Wer glaubt, er müss' am ersten Schmerz verbluten,
Ist nie gestorben in der Freude Fluten.
Es drängt der Mut Gefühl oft an Gefühl,
Die innre Liebe stockt im Übermaß;
Der Himmel scheint dir schwer, der Äther schwül.
Wenn endlich dann entbrannt der Mut genas,
So haucht die Welt dir wieder grün und kühl,
Du regst dich leicht im neuen Ebenmaß,
Wie sich nach rotem Blitz und schwarzem Regen
Die bunten Erdenwesen frisch bewegen.
In Lieb' und Zorn blüht alles Lebens Kraft.
Drum trenne frevelnd nie den hohen Bund,
Der ewig neu die Welt verjüngend schafft,
Und macht des Menschen heilig Wesen kund.
Wer neu dem süßen Tode sich entrafft,
Dem sprüht die Flamme leicht vom sel'gen Mund,
Und leicht kann Schönheit, schnell verletzt, entbrennen;
Denn nie wird gute Lieb' ein Ziel erkennen.

Wahnsinn

Bittre Schmerzen reißen wild.
Herz sei mild!
Denn du magst es doch nicht sagen;
Nimmer half ja noch dein Klagen,
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Seit zerbrochen dir dein Bild.
Tod wär' Freude,
Nähme nur die Erd' uns beide!
Kühlung saugen
Möchten gern die trocknen Augen,
Brennen heißer stets im Leide.
Laute, diesen Mißlaut sprich,
Und dann brich,
Eh' ich ganz in Haß versunken,
Wahnsinn rede todestrunken,
Weil die Einz'ge von mir wich.
Gebt mir Blut,
Daß ich lindre diese Glut,
Und wer's tat,
Ewig schmacht' er ohne Rat,
Oder sink' in gleiche Flut.

An die Jungfrau

Die hohen Augen werden mich verzehren.
Maria, große Mutter, ach verschone!
Verbirg das lichte Haupt, die Strahlenkrone;
Wie soll ich sonst dem irren Wahnsinn wehren?
Du selber, Heil'ge, mußt mich Sanftmut lehren,
Daß schöner Tod, geweiht vom ew'gen Sohne,
Am Kreuz der Liebe meine Sehnsucht lohne.
Was ich beginne, muß die Glut vermehren.
So blicke wieder und dann laß mich sterben! –
Wie eilt' ich schnell durch dieser Erde Schwächen!
Früh oder spät muß alles so verderben.
Aus Liebe einzig floß, was ich verschuldet;
In Liebe will das Herz, Madonna, brechen,
Des irre Liebe gnädig du geduldet.

[215] Abschied des sterbenden Sängers

In Liebe lebend streb' und bilde Werke,
Verklär' im Farbenglanz geliebte Leiden,
Und mal' in Liedern, die kein Licht beneiden,
Des Feuers Schönheit, das dich ewig stärke.
Nun wisse, daß ich mich verschwinden merke.
Die Liebe will, ich soll vom Leben scheiden,
Der Freude Heimat mußt' ich lange meiden,
Berauschend raubt Musik die letzte Stärke.
Mein einzig Leben war, den Tod verschönen.
Der andern tiefgefühlte Not beweinen,
War sterbend Lust dem trostberaubten Herzen.
Und weint dein Geist bei den zerrißnen Tönen,
So werd' ich selber dir alsbald erscheinen
Mit leiser Stimme in den wilden Schmerzen.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Bekenntnisse. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D609-6