Der Glühende

Lockend schwillt der Mund der Rosen,
Öffnet dir des Duftes Fülle;
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Willst du süß begeistert kosen,
Sticht ein Dorn aus Blumenhülle,
Spottet noch, wenn Schmerzen tosen.
Dürft' ich sagen, wie ich liebe,
Ungestört im leisen Bunde,
Aus dich atmen, Glut der Triebe,
Klagt' ich nicht mehr: Rosamunde,
Wilde Scherze scherzt die Liebe.
Heißer fühl' ich stets die Wunden,
Flöhe gern den Blitz der Augen,
Kann zerrissen nie gesunden,
Bis ich Mund an Mund darf saugen
Süßen Tod von Rosamunden.
Wenn sie ferne mich vertriebe,
Seufzt' ich ferne nach der Frucht,
Die mir ewig Blume bliebe.
Fliehend hindert mich die Flucht,
Wild und wilder scherzt die Liebe.
Anmut will den Mut mir rauben,
Will in Unmut mich versenken,
Meiner Wehmut nichts erlauben!
Neuen Traum will Treu' erdenken,
Aber Reue scheut zu glauben.
Wenn mein Herz, von Leid nun trübe,
Ihr entsagt' und nichts mehr sagte,
Und im Mißverständnis bliebe,
Würdet ihr gerührt euch fragen:
Scherzt so wilden Scherz die Liebe?

Notes
Erstdruck in: Poetisches Taschenbuch für das Jahr 1806 von Fr. Schlegel, Berlin (Joh. Fr. Unger) 1806.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Der Glühende. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D615-A