[173] Alte Gedichte

aus dem Spanischen

An die heilige Katharina

Reine Magd, von klarem Golde
Hat dir Gott ein Herz gegeben,
Das so fromm bestehen sollte;
Tät der Brust das dein' entheben,
Wie dein Fleh'n begehren wollte.
Ja, er malt' auf deinen Wänden
Karmosinen seine Wunden,
Will sein Blut dazu verwenden.
Da ward nachgebild't gefunden
Jede Qual an Füß' und Händen.
Christi Leiden mußt', o Holde,
In der Hütte dich umgeben;
Die kein' andre Nahrung wollte,
Was sein heilig Mahl nicht zollte,
Und zum Lager dürre Reben.

Auf der Pilgrimschaft

Jungfrau, ewig Braut am Throne
Dessen, der vor allen Zeiten
Dich zum Troste uns bereiten
Wollte, für des Lebens Frone.
Du des heil'gen Gartens Krone,
Hohe Perle, so uns bliebe,
Quell der gottgeweihten Triebe,
Strahlenglanz der ew'gen Liebe,
Du, von der Gott selber schriebe,
Königin dich hieß zum Lohne.
Teure Zuflucht für Entfloh'ne,
Milder Ölbaum reich an Früchten,
In des Schatten wir uns flüchten,
Da der Friede selig wohne.
Deiner Glorien lichte Krone
Wollte Salomo schon zeigen,
Engel feiern's in den Reigen;
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Du, der sich die Himmel neigen,
Stumm die Schönsten alle schweigen,
Vor der Mutter mit dem Sohne.
Ach, wie spricht in sanftem Tone
Die hodsel'ge Heiterkeit,
Gnadenvolle Gütigkeit,
Daß sie freundlich unser schone.
In den Feldern von Sione,
Lilienblume hold verschlossen,
Frommer Demut Palm' entsprossen,
Die des Segens Füll' ergossen,
Uns gewaffnet mit Geschossen,
Allen Schrecken gar zum Hohne.
Lieb' entquillt aus jeder Zone
Dir, des Lebens neue Sonne;
Leuchtend Licht, das uns, o Wonne,
Neu erschuf im ird'schen Tone!
Herrin! ach was sind wir ohne
Deine süße Huld zu achten?
Wenn wir gleich die Pein verlachten,
Wird die Schuld uns trüb umnachten,
Wenn es nicht die Augen machten,
Lichter Hoffnung Chalcedone.
Schau herab von deinem Throne,
Königin, zu der wir trachten,
Unsern Feind durch dich verachten,
Jeden Schmerz in Frieden brachten,
Ende du mein tiefes Schmachten,
Daß ich selig bei dir wohne.

Vom Leiden Christi

Erd' und Himmel sich beklagten,
Trübe war das Licht verborgen,
Wütender das Meer zu brüllen
Wälzte dunkel seine Wogen,
Als der hohe Welterlöser,
An dem Kreuze bald gestorben,
Worte, würdig heißer Tränen,
Also sagte, wie sie folgen:
»Nun, o Herr, in deine Hände
Sei anjetzt mein Geist befohlen.«
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O unsäglich tiefe Trauer,
Unvergleichbar bittre Lose,
Daß der unerschaffne Schöpfer
Selber zum Geschöpf geworden,
Um dieselben zu erretten,
Die ihm gaben Tod zum Lohne!
Nur du seine hohe Mutter,
Reiner Jungfrau'n heil'ge Krone,
Du allein vom Trost entkleidet,
Magst es sagen, Freudenlose!

Lied

Da nun tot der Herr des Lebens,
Der mein Sohn,
Sei der Tod das Ziel des Strebens,
Und mein Lohn.
Mutter ward ich wie noch keine,
Ohne Sorg' und ohne Schmerzen,
Die ich jetzo erst beweine,
Seit sie doppelt mir im Herzen,
Doppelt Leiden mir gegeben
Um den Sohn,
Daß im Tod der Herr des Lebens
Ist entflohn.
Weil viel Tod ist überwunden
Durch des Einen bittres Sterben;
Drum muß billig für die Wunden
Viele Tod' ich Eine sterben,
Und es schickt den Trost vergebens
Von dem Thron,
Zu mir her das Licht des Lebens,
Für den Sohn.
Vöglein, die ihr fliegt in Reihen,
Tiere, wandelnd auf den Weiden:
Sagt, warum wollt ihr nicht schreien,
Mich zu trösten in den Leiden?
Der allein kein Trost gegeben,
Weil entflohn
In den Tod der Herr des Lebens,
Der mein Sohn.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Alte Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D619-2