[191] [193]Friedrich Schlegel
Stimmen der Liebe

[193] [195]Die Fröhliche

Die Erde grünt, die Sonne lacht, und klingender
Ertönt der Vöglein Stimme laut, die flüssige.
Ach kläng' die meine schöner nur und singender,
Dann sollte froh erwidern jeder Müßige,
Die Lieder tanzen wilder stets und springender!
Wir locken Bäume wohl und auch Vierfüßige,
Wenn Fantasie sich selbst nicht kann regieren,
Und freie Verse muß improvisieren.
Schon hör' ich Dichter singen voll Gelahrheiten,
Uns warnend, daß der Jugend Rose flüchtig;
Wie lust'ge Götter oben in den Klarheiten
Die Element' auch lieben also tüchtig.
Sie sagen, Liebe lehr' uns ew'ge Wahrheiten;
Das glauben sie im Ernst und reden wichtig,
Wie Pflanzen, Tiere, ja die Stein' nicht minder,
Sich lieben all' und alle kriegen Kinder.
Die klügsten Frauen scherzen mit der Liebe;
Selbst Mädchen fürchten, sonst noch unerfahren,
Die Langeweile dieser ew'gen Triebe.
Wo wir bei kühnem Spott oft fröhlich waren,
Den schönen Kreis, der sonst nicht schön mehr bliebe,
Laßt heilig uns vor jedem Ernst bewahren.
Was wär's auch, wenn die Lust, die uns versammelte,
Gleich jeden wieder in sich selbst verrammelte?
Man frage nicht, ob's Frauen oder Männer;
Man frage redlich nur, wer ist wohl witziger?
Ein Scherz hat hier vereint des Scherzes Kenner,
Gesell'ger Streit macht jede Schärfe spitziger;
Drum laßt vom Zügel frei der Laune Renner.
Die schöne Lust sei toller stets und hitziger;
Das Mädchen soll nicht denken an das Weibliche,
Der Mann dafür vergessen alles Leibliche.
Entflammen mög' euch Poesie, die gütige,
Sie sei euch Wein, und Freiheit unsre Liebe.
So trotzen dem Geschick wir Übermütige,
Und spotten seiner ungeschickten Hiebe.
Die Scherz nicht kennen, ängsten sich wie Wütige,
Und bleiben dumm, wie sehr man sie auch riebe;
Wir aber wollen hoch in Lüften schweben,
Zur Lust von neuem uns durch Lust erheben.

[195] Wechselgesang

Sie

Leicht fühl' ich mich, als schwebt' ich schon von hinnen
Und brächte Dank den Gütigen dort oben,
Wo Freudenströme lau im Äther rinnen,
Daß mein Geschick sie mir so leicht gewoben;
Drum wollen neue Torheit wir ersinnen.
Und laß zur Sicherheit noch dir geloben,
Daß ich die Kühnheit nicht zu furchtsam meide,
So frei du schwärmst in sinnreich feiner Freude.
Er

So frei du schwärmst in sinnreich feiner Freude,
Seh' ich doch auch das Gold im Glase blinken;
Und willst du, daß ich keinen Gott beneide,
Vergiß die strenge Sitt' und laß uns trinken,
Bis wir vom heitern Scherz berauscht sind beide.
Die Kunst ist leicht, nur folge meinen Winken!
Auch darfst du nicht von andern Dingen träumen,
Du läßt den Wein im Becher sonst verschäumen.
Sie

Du läßt den Wein im Becher sonst verschäumen,
Drum darf ich längre Rede nicht erlauben.
Ich schwör' es dort bei den azurnen Räumen,
Und was ich schwöre, magst du sicher glauben:
Ich will Versäumtes länger nicht versäumen,
Und niemand wird mir diesen Vorsatz rauben;
Du sollst in dieser Kunst mich unterrichten.
Beim Wein erkenn' ich neu des Leichtsinns Pflichten.
Er

Beim Wein erkenn' ich neu des Leichtsinns Pflichten,
Die mir vor allen immer heilig waren;
Und darf ich nur der Hoffnung Anker lichten,
So werd' ich froh begrüßen die Gefahren,
Im süßen Rausch die ganze Welt vernichten,
Von ird'schem Unmut rein den Mut bewahren,
Und selig nur das Eine wünschen müssen,
Ich dürfte, Liebling, dich mit Anmut küssen.
[196] Sie

Ich dürfte, Liebling, dich mit Anmut küssen,
Und tät' es, wenn ich wüßte, was es sollte.
So treibt an Woge Wog' in wilden Flüssen,
Als ob die vor'ge jede haschen wollte,
Wie zwecklos Kuß an Kuß in Lieb' Ergüssen
Sich reiht, seit Langeweil' der Nacht entrollte.
Weißt du, mein Freund, nur diese alte Weise,
So bleiben wir im allgemeinen Gleise.
Er

So bleiben wir im allgemeinen Gleise,
Bis wir aus ihm in unser eignes lenken;
Und dies geschieht zu Zeiten auch ganz leise.
Ein Bild nur ist, um Sinn darein zu senken,
Der Kuß; drum will nach deinem Wunsch ich weise
Zur alten Sitte neuen Geist erdenken.
Wird es mich schon zu Treu und Leid betören.
Laß froh beim Kuß uns ew'ge Untreu schwören.
Sie

Laß froh beim Kuß uns ew'ge Untreu schwören,
Wo Reize locken, kindlich sie versuchen,
Des Seelchens Wünsche sorgsam zu erhören,
Im schönen Wechsel leichte Freuden suchen;
Und will der schwere Ernst die Spiele stören,
Das lange matte Einerlei verfluchen.
So werden wir denn frei und freier leben,
Bis göttlich leicht wir in den Lüften schweben.
Er

Bis göttlich leicht wir in den Lüften schweben,
Und selig zu den sel'gen Göttern kommen,
Wird oft noch Freude dir den Busen heben.
Sind nur der Treue Fesseln uns entnommen,
Ist Liebe, ewig grün, des Lebens Leben;
Und hast du, was ich scherzend bat, vernommen,
So weiß ich ferner keinen Stoff zur Klage,
Als daß zu schnell entfliehn des Frühlings Tage.

[197] Lied

Süße Liebe denkt in Tönen,

Denn Gedanken stehn zu ferne,

Nur in Tönen mag sie gerne

Alles was sie will verschönen.

Wenn sich neue Liebe regt,
Alles die Gefühle wagen,
Die man, ach! so gerne hegt,
Laß mich fühlen, doch nicht sagen,
Wie die Seele sich bewegt.
Wird sie jemals sich beschränken?
Sich in Lust und Leid zu senken,
Kann sie nimmer sich entwöhnen!
Doch was soll das eitle Denken?
Süße Liebe denkt in Tönen.
Wenn die Nachtigallen schlagen,
Hell die grüne Farbe brennt,
Will ich, was die Blumen sagen
Und das Auge nur erkennt,
Leise kaum mich selbst befragen.
Wenn ich wandl' auf stiller Flur,
Still verfolgend die Natur,
Und sie fühlend denken lerne,
Folg' ich den Gefühlen nur,
Denn Gedanken stehn zu ferne.
Wer es je im Herzen wagte,
Zu dem Äther zu entfliehen,
Den der Himmel uns versagte,
Denkt in leisen Fantasien,
Was er nie in Worten sagte.
Worten ist es nicht gegeben,
Unsre Seele zu beleben;
Nah' sich ahnden schon das Ferne,
Lächelnd weinen, lieben, leben
Nur in Tönen mag sie gerne.
Wenn sich süß Musik ergossen,
Darf es der Gesang nur wagen,
[198]
Und in Wohllaut hingegossen
Leise zu der Laute sagen,
Daß im Wohllaut wir zerflossen.
Wenn man den Gesang nur kennte,
Ihn den Schmerzen nicht mißgönnte,
Würden sie sich leicht versöhnen,
Und die schöne Liebe könnte
Alles, was sie will, verschönen.

Parodie

Sagt' ich Wer und Wo und Wie?

Wenn ich sie zum besten habe,

Gleich verteilend solche Gabe,

Wär' es nicht mehr Ironie.

Wenn sich neue Liebe regt,
Pflegen sie es leicht zu wagen,
Was sie fühlend doch nicht sagen,
Wie das Herz sich auch bewegt.
Wenn es noch so leise schlägt,
Hört es doch die eine Sie,
Die ihm gern das ihre lieh';
Und so oder so geht's allen.
Wollt' ich durch den Scherz mißfallen,
Sagt' ich Wer und Wo und Wie.
Wenn die Nachtigallen schlagen
Und im dichtbelaubten Hain
Mit der Liebsten du allein,
Magst du's fühlen, doch nicht sagen.
In so wundersamen Lagen
Ist ein zu bescheidner Knabe
Selten wie ein weißer Rabe;
Und so oft sie das bestritten,
Hat es jede noch gelitten,
Wenn ich sie zum besten habe.
Wer es je im Herzen wagte,
Sich den Himmel zu erringen,
Fand oft solch ein schön Gelingen,
Daß er endlich sich beklagte.
[199]
Wenn ich allzu kühn es sagte,
Tadelt nicht des Scherzes Gabe,
Nehmt zufrieden, was ich habe.
Liebe sollte Lust erwecken,
Jeder gern die Mädchen necken,
Gleich verteilend solche Gabe.
Wenn sich süß Musik ergossen,
Dürfen doch die Augen fragen,
Was im Grunde nichts will sagen,
Bleibt es bei so leichten Possen.
Was man einmal recht genossen,
Liebt man immer oder nie,
Bis die süße Frucht gedieh.
Wenn es nur bei Scherzen bliebe,
Ohne vollen Ernst der Liebe,
Gäb' es keine Ironie.

Bildnisse

Erstes

Der Blume gleich, die sich zur Sonne wendet,
Erhebt das schöne Haupt, so sanft gebogen,
Von seidner Locken Heil'genglanz umflogen,
Das Auge, das zum Himmel Strahlen sendet.
Die edle Nase, die so sinnreich endet,
Der hohe Mund, der glatten Stirne Bogen,
Der Wange braun, von Röte angeflogen,
Sie scheinen ganz zur Harmonie vollendet.
Wer sieht den Wurm an dieser Blume nagen?
Wer ahndet nahen Tod so schöner Hülle,
Die Schmerzen, die des Knaben Herz umwinden?
Zerrissen in der Harmonien Fülle,
Scheint mitleidsvoll der stille Geist zu sagen:
Das Schönste muß, erscheinend euch, verschwinden.

Zweites

Die hellen Blitze hätten uns geblendet
Des Auges, das kein Nebel noch betrogen,
[200]
Wenn Anmut selbst den Umriß nicht gezogen,
Und jedes Lächeln um den Mund verschwendet.
Dem Himmel scheint der Mienen Spiel entwendet,
Das, wie Musik enteilt, auf schnellen Wogen,
Dem ird'schen Blicke oft zu rasch entflogen,
Eh' er dem Scherz die Freude nachgesendet.
Wer sieht den Mund nicht leise spottend fragen?
Wer wähnt, daß er dem Auge sich verhülle?
Wer möchte dieser Stirn nicht Kränze winden?
Ob sich nur Freude kindlich hier enthülle,
Ob zarte Geister neckend selbst sich plagen,
Darauf wird keiner wohl die Antwort finden.

Kränze

Erster

Wie süße Unschuld kindlich sich erfreue,
Das soll der Blümchen helles Bunt bedeuten,
Die ach! so gern dein gelbes Haar umstreuten,
Und demutsvoll dir weih'n die Kindestreue.
Die Rose nur errötet hold vor Reue,
Weil sie, da ältre Knospen noch sich scheuten,
Den Kelch geöffnet schon gleich andern Bräuten,
Daß lieber Hauch den ihren sanft erneue.
Und wie sie schüchtern blüht so bunt umkränzet,
So strebt dein junger Sinn in heil'ger Demut,
Die innern Reiz' entfaltend auszuhauchen.
Drum überrascht dich oft so süße Wehmut;
Wo solches Aug' in solchen Perlen glänzet,
Wird sich ein andres bald in Wonne tauchen.

[201] Zweiter

Wie Morgensonne dunkelm Fels enthoben,
Im Strahlentau erfrischt die braunen Saaten,
So glüh'n auf schwarz umlocktem Haupt Granaten,
Zu feuerschönem Liebeskranz gewoben.
Es muß solch heilig Rot der Seher loben,
Der, was die Farbe glänzt, in Lieb' erraten;
Auf schwarzem Grunde flammende Granaten,
In Trauernacht das Morgenrot von oben.
Dir leuchten dunkel ernst die hohen Augen
Vom Schmerz, der dich ergriff im Heiligtume,
Sich laut ergießt in heiße Klagetöne.
Wie immer reiner brennt die zarte Blume,
Je tiefer den harmon'schen Glanz wir saugen,
So glühe, liebe, traur' in dunkler Schöne.

Dritter

Laß weiße Rosen dir die Stirn umkränzen,
Zum schönen Zeichen, das die Freund' erfreue;
Wie in dem milden Herzen reine Treue
Nie Farbe wechselt vor der Täuschung Glänzen.
So schwebe heiter mit in unsern Tänzen,
Daß sich an deiner, unsre Freud' erneue,
Erhalte du sie rein und fern von Reue,
Bis Engel dich mit hellern Rosen kränzen.
Denn wie der weiße Schmuck der Seele Zeichen,
Die gern das Wort verhüllt in stillen Bildern,
Von treuer Lieb' und Unschuld nie zu weichen;
So soll, daß wir ungläubig nicht verwildern,
Uns deine Treue, was wir nie erreichen,
Das Urbild aller Treu' im Abglanz schildern.

Vierter

Wen hat dein Lächeln reizend wohl getroffen,
Der nicht zu kühn zu hoffen sich erkühne?
[202]
Schreckst du ihn gleich, so sieht er bald zur Sühne
Im süßen Augenspiel die Himmel offen.
Wer wollte da nicht froh und freier hoffen,
Wenn froh die Hoffnung schwebt auf heitrer Bühne,
So hold umkränzt von leichter Myrten Grüne,
Daß ihn, nur ihn der süße Blitz getroffen?
Wo noch nicht ganz der Unschuld Reich zerronnen,
Darf leichter Reiz wohl leicht das Auge reizen,
Das schöner Hoffnung frisches Grün erquicket;
Wer endlich dann die schöne Braut gewonnen,
Läßt andre gern mit leichten Blitzen reizen,
Beglückt, wenn er der Unschuld Blum' erblicket.

Der Verlassene

»Rosen, süße Marianna,
Marianna, süße Rosen
Reicht dir hold dein holdes Kindlein,
Treu zu schmücken deinen Frohen.
Grün verhüllt noch Knospe diese,
Andre prangen freudig offen.
Eine, eine nur gewelket,
Unter diesen vielen Rosen!« –
»Diese eine,« sprach Maria,
»Diese eine magst du loben;
Wenn die rote Hülle bleichet,
Atmet frei die Liebe oben.« –
Als nun heil'ge Luft gehauchet,
Ward die Seele fortgezogen;
Ihre und der seinen Seele,
Und das Kindlein glänzt noch holder,
Frisch im Arm der bleichen Mutter,
Die es schlummernd angesogen.
Weh, daß sie entflohen!
Und den Jüngling traf es heimlich,
Daß der Frühling ihn betrogen.
Leise sprach der hohe Jüngling:
»Schöne Augen sind verloschen,
Doch der Himmel glänzt nur heller.
Rosenschein hat sich ergossen;
[203]
Könnte den dein Händchen greifen,
Dürft' ich nicht mehr irre folgen.
Keine Stunde darf ich zaudern;
Lächle, Mädchen, mir gewogen!
Marianna, unsre Mutter,
Marianna, meine Rose,
Leuchtet rot am blauen Himmel,
Wo die tiefen Augen locken,
Bis ich in Azur zerflossen.
Weh, daß sie entflohen!« –
Doch das Kindlein lachte fröhlich,
Schlug die blauen Augen offen;
Daß die Mutter wieder käme,
Mocht' es wohl im stillen hoffen.
Drum so mocht' es fröhlich lachen,
Seinen lieben Vater kosen,
Haschte nach den bunten Lüften,
Denn die Welt erschien ihm golden.
»Deine Züge sind wie ihre,
Die ich nie mehr sehen sollte;
Deine Augen sind gleich ihren,
Als ob trinken sie mich wollten,
Und du lächelst wie Maria,
Die im Lächeln mir entflohen.
Weil Maria mich verlassen,
Weiß ich nichts mehr von der Tochter.
Weh, daß sie entflohen!« –
Irrend eilt' und irrt' er weiter,
Wollte gern den Geist ermorden,
Träumte kindisch tief und tiefer,
Und vergaß, daß sie gestorben.
Leise weint' er in die Laute,
Bis zum Hauche er geworden;
Glänzend schimmert noch die Träne,
Wie im Blau der Himmelsbogen.
Glänzend blühet auch das Kind,
Wie im Licht die rote Rose.
Nach dem heiter blauen Lande
Wo die süße Mutter wohnet,
Wandte sie die jungen Blicke,
Wie die Blume nach der Sonne,
Und man hieß sie Cölestine,
[204]
Weil so himmlisch blüht die Knospe,
Wie die junge Mutter blühte,
In der Liebeslust Aurora.
Weh, daß sie entflohen!

Die Freudige

Die Träume verschwinden, Aurora erscheint.
Es lebte und strebte verschlossen im Dunkel
Die Kraft meiner Liebe wie Licht des Karfunkel,
Bis da ich umarmte dich, ewigen Freund.
Zu dir hab' ich frühe die Tränen geweint,
Noch eh' ich die Sonne des Lebens erkannte,
Noch eh' ich im Feuer der Freude entbrannte,
Im Herzen des Herzens dich immer gemeint.
Nun darf ich der Freude Musik nicht entfliehen;
Es sind ja die Schmerzen in Wohllaut verschwunden.
Kühn heb' ich die Stirne von Kränzen umwunden,
Zu singen mit dir der Lust Harmonien.
Ja wollte hinunter der Abgrund uns ziehen,
Und wäre zum Tode die Braut nur erwacht;
Wo du mir zugegen, da leuchtet die Nacht,
Und möchte am Himmel die Sonne verblühen.
Ich schaue vom Felsen den Teppich der Fluren,
Als hätt' ich sie nie zuvor noch gesehen,
Die Wasser, die Bäume, so Kühlung uns wehen,
Das freudige Spiel der jungen Naturen;
An Sternen, in Blumen die heiligen Spuren,
Ich kann es nicht sagen, doch fühl' ich die Tiefe,
Als ob aus der Ferne Aurora mich riefe,
Ein leuchtender Wink aus dunkeln Azuren.
Wie dürstet mich ach! nach den himmlischen Quellen.
Das Dunkel ist klar, und offen die Pforte,
Ich höre der Mutter erzeugende Worte,
Ich sehe der Liebe das Leben entquellen.
Ich kann nicht entsteigen den lieblichen Wellen,
So dringen zur Seele die süßesten Gluten;
Die Erde begrüßt mich, in Frühlinges Fluten,
Ich fühle die Sehnsucht den Busen mir schwellen.

[205] Erscheinung

Einsam blieb die Mutter auf der Erde,
Einsam steht die Mutter nun im Leben.
Bleich die Wang', und bleicher noch im Herzen,
Lebt sie schweigend und will schweigend enden;
Denn nur einmal weinte sie von Herzen.
Als sie weinte, ward das Dunkel helle,
Von des Knaben Schimmer sie geblendet.
Ihren Knaben sah sie lächelnd schweben,
Andre Kinder schwebten um ihn ferne.
Tändelnd saß er an der alten Stelle,
Zu dem Spielzeug, das er kannte, redend:
O wie lieb' ich die Sachen,
Die mit mir spielen!
O wie bunt sind die Kinder,
Die mit mir fliegen!
Sie scheinen mich zu hüten,
Und geben Süßes.
Ich sehe, daß ich glänze,
Und habe Flügel.
Mit den Worten war der Schein verschwunden.
In dem Glanz vergaß sich selbst die Mutter;
Doch der Schrecken faßte sie im Dunkel,
Daß sie wohl auf ewig hingesunken,
Wenn nicht neues Licht der Nacht entsprungen.
Ernsthaft winkt das Mädchen tief im Grunde,
Bittet aus der Ferne nimmer ruhend,
Klagend fließt Gesang vom süßen Munde.
Ich bitte um die Mutter,
Ihr gebt mir weiße Rosen;
Ich frage nach der Mutter,
Ihr zeigt des Himmels Bogen.
Ich war so gern auf Erden
Und liebte recht die Sonne;
Nun bin ich leiser Schatten,
Sie winken mir nach oben.
Ich bin ein banges Mädchen,
Der Liebe früh entzogen;
Ich bin noch kindisch blöde:
Was soll ich schon am Throne?
[206]
Du hast mich auch verlassen,
Sonst wärst du schon gekommen.
O komm' zu deinem Kinde,
Das ungern dir entflohen!
Als das süße Mädchen sang die Klagen,
War's als ob die Schmerzen alle brachen,
Aufgelöst in Tränen mich zu baden,
Die nun ewig einsam und verlassen,
An das Mädchen denkt und an den Knaben.

[207] Ansichten

Die Fröhliche

Wie frisch vom Regen mit erneuter Blüte
Die grünen Kinder blühen im Gefilde,
So spielt im heitern Licht die innre Güte,
Wenn süßer Rede Tau uns netzet milde,
Im bunten Glanze froh ein leicht Gemüte
Zum Scherze dichtet flüchtige Gebilde,
Wo Leichtsinn oft den leichten Sinn verschönet,
Der Witz sich zierlich selbst zum Schein verhöhnet.

Die Trauernde

Im Dunkel wohnt die hohe Glut verschlossen,
Und tiefer gräbt das Herz sich selbst die Wunde,
Das gern in Tränen wohl sein Blut vergossen,
So lang' es einsam weint, den Freund nicht funde.
Leid wird zur Freude unter Leidgenossen,
Wo man im Schmerz vernimmt der Gottheit Kunde,
Und trifft das Wort die Tiefe unsrer Trauer,
Die Wahrheit uns ergreift mit leisem Schauer.

Die Glückliche

Der Sommer glüht im Purpur der Granaten,
Und auch die kleinsten Blümchen schimmern golden,
Und wenn der Abend weht in grünen Saaten,
Wird alles sanft der gleiche Schein vergolden;
So kann auch Einen Sinn nur fühlend raten,
Die Seele in des Freundes Wort, dem holden.
Ein Sinn, der, wie die Worte schweben, bliebe:
Was ihr klagt oder scherzt, es ist nur Liebe.

Klage der Mutter

Ja in des Herzens Glut werd' ich vergehen.
Seit mir die Welt verschwunden,
Die holden Kindlein mir der Tod entwunden,
Will nirgends Kühlung wehen;
Von wo aus freudig strömten alle Flammen,
Da dringen nun die Schmerzen hin zusammen.
Zurückgetreten sind ins Herz die Fluten,
Und will die Freundin lindern,
Erregt ihr sanfter Hauch nur wild're Gluten,
[208]
Und kann das Leid nicht mindern.
Ach, dürft' es einmal strömen frei ins Freie,
So ruht' ich bald im Schoß der ew'gen Treue.

Das Kind an die Mutter

Ich komme dich zu bitten,
Du liebe Liebe,
O laß dich grün umkränzen
Von deinem Kinde.
Weg mit dem dunklen Schleier,
Dann bist du schöner;
Und schau die süßen Blüten,
Wie glänzt es fröhlich!
Die Sonne scheint ja, Mutter!
Du kannst mir glauben,
Und willst du dich nicht kränzen,
So werd' ich traurig.
Sind deine Augen heiter,
So lacht das Grüne;
Sind deine Augen dunkel,
So stirbt die Blüte.

Die Unzufriedene

Es merket kaum die Leiden
Das leicht erfreute Auge;
Und ob auch Fremde horchen,
Mußt du dich stets im Dunkel einsam glauben.
Sie eilen schnell und weiter
Bewußtlos hin im Raube,
Mit leichtem Mut sich täuschend,
Zum Todesschlummer kaum geweckt vom Traume.
Und kehr' ich zu den Besten,
So muß ich tiefer trauern,
Wenn Edles so verdorben,
Als ob der Mensch nur zum Gemeinsten tauge.
Die Sorge zu zerstreuen,
Muß man wohl Schmerzen kaufen;
[209]
Dem Leichtsinn es ergebend,
Das volle Herz durch leeren Schein berauschend.
O, Leben, leeres Leben!
So lange du auch dauerst,
Muß der im Zweifel kreisen,
Den du umschlossen hältst in engen Mauern.

Die Heitre

Rede heiter, denke milde,
Schwebe still im sanften Gleise,
Blühend nach der Blumen Weise;
Wie sie duften im Gefilde,
Lebe linde, liebe leise.

Die Eitle

Reizte Schönheit keinem eigen,
Wär' das Leben
Reizend schön, ein lieblich Streben.
Gebend raubt den schönen Schein
Dem, der eh' sie gab, sich sehnte,
Die ihm hingegeben wähnte,
Sein zu werden sei ihr Sein.
Keiner darf der Eine sein;
So kann schweben
Reizend schön der Liebe Streben.

Das Mädchen

Wenn mich einsam Lüfte fächeln,
Muß ich lächeln,
Wie ich kindisch tändelnd kose
Mit der Rose.
Wären nicht die neuen Schmerzen,
Möcht ich scherzen;
Könnt' ich, was ich ahnde, sagen,
Würd' ich klagen,
Und euch bange hoffend fragen:
Was verkünden meine Lose?
Tändl' ich gleich mit Scherz und Rose,
Muß ich lächelnd dennoch klagen.

[210] Bekenntnisse

Der Heitre

Mädchen, Mädchen, laß dir sagen,
Wenn der Mund im Lächeln schwebt,
Wangen röter sie verklagen,
Busen sich neugierig hebt,
Will das Mädchen Liebe wagen.
Einen Wunsch nur kann ich geben:
Fühl' die Freuden immer neu;
Einen Rat, ihm nachzustreben:
Flieh' den Ernst und glaube treu,
Scherz der Lieb' ist schönstes Leben.
Götter scherzen mit der Welt,
Männer müssen handeln, siegen,
Fallen, wie das Schicksal fällt,
Keiner mag es überfliegen,
Wär' er auch der kühnste Held.
Schönheit darf zum Himmel schweben,
Frauen haben Götterrecht,
Leichtes Freudespiel zu weben,
Ernste Müh' geziemt dem Knecht;
Scherzend liebt, die frei will leben.
Andre Scherze welken bald,
Ohne Lieb'erwiderung,
Lassen einsam uns und kalt.
Liebe, ewig leicht und jung,
Fühlt sich trübe nie, noch alt.
Holde Lust geheimen Gebens,
Deine Rosen, süße Scham!
Bindet sie zum Kranz des Strebens;
Selbst ihr Gram ist linder Gram,
Scherz der Lieb' ist Ziel des Lebens.

Der Glühende

Lockend schwillt der Mund der Rosen,
Öffnet dir des Duftes Fülle;
[211]
Willst du süß begeistert kosen,
Sticht ein Dorn aus Blumenhülle,
Spottet noch, wenn Schmerzen tosen.
Dürft' ich sagen, wie ich liebe,
Ungestört im leisen Bunde,
Aus dich atmen, Glut der Triebe,
Klagt' ich nicht mehr: Rosamunde,
Wilde Scherze scherzt die Liebe.
Heißer fühl' ich stets die Wunden,
Flöhe gern den Blitz der Augen,
Kann zerrissen nie gesunden,
Bis ich Mund an Mund darf saugen
Süßen Tod von Rosamunden.
Wenn sie ferne mich vertriebe,
Seufzt' ich ferne nach der Frucht,
Die mir ewig Blume bliebe.
Fliehend hindert mich die Flucht,
Wild und wilder scherzt die Liebe.
Anmut will den Mut mir rauben,
Will in Unmut mich versenken,
Meiner Wehmut nichts erlauben!
Neuen Traum will Treu' erdenken,
Aber Reue scheut zu glauben.
Wenn mein Herz, von Leid nun trübe,
Ihr entsagt' und nichts mehr sagte,
Und im Mißverständnis bliebe,
Würdet ihr gerührt euch fragen:
Scherzt so wilden Scherz die Liebe?

Der Besonnene

Vor des Lebens Doppelwege
Tritt der Ernst zum Jüngling hin,
Zeigt dem Mut'gen enge Stege,
Oder Scherz berauscht den Sinn,
Daß nur Lust zur Lust ihn rege.
Glücklich aber, wer die beiden
Kühn besiegend schlau verbunden!
Kein Verhältnis darf er meiden,
Hat des Rätsels Sinn gefunden:
Ernste Freud' und Scherz mit Leiden.
[212]
Milde lächeln, milde schonen,
Sah ich die Geliebte so;
Will sie scherzend Treue lohnen,
Wird das Herz mir schmerzlich froh,
Wähnt' in ihrem noch zu wohnen.
Keinen Scharfsinn darf ich neiden,
Seit mein Sinn sich ihr verband,
Und so innig als bescheiden
Sie des Leichtsinns Tiefen fand;
Ernst in Freud' und Scherz mit Leiden.

Der Unbefriedigte

Glaubend einst, sie lieb' im Ernst,
Ward ich stolzer schon und sagte:
»Glück, wenn du dich je entfernst« –
Als sie unterbrechend fragte:
»Ob du Scherz verstehen lernst?«
Was bezaubert nur mein Herz?
Wie sie lieblich lieblos handelt.
Was erregt mir regen Schmerz?
Daß sie wankend stets verwandelt,
Scherz in Ernst, und Ernst in Scherz.

Der Unglückliche

Herz, was frommte deine Treue?
Stille Reue.
Geist, mein Geist! wohin verloren?
In tiefen Zoren.
Magst du keinen mehr beneiden?
Leer sind Freuden.
Freude also will ich meiden,
Wie sie schön und schöner glänze.
Leicht zerreißen zarte Kränze,
Schwere Ketten sind dann Leiden.
Was muß innig dich betrüben?
Wie sie lieben.
Trösten dich nicht güt'ge Freunde?
Besser Feinde.
[213]
Hoffst du nichts vom künft'gen Tage?
Neue Plage.
Ewig also ich entsage,
Lieb' und süße Freundschaft dir!
Freuden werden Leiden mir;
Täuschung flieh', willkommen Klage!

Der Zürnende

Wenn leiser Reiz den jungen Mut erregt,
Entspringt so freudig nichts aus innerm Born,
Von allem, was der Mensch in sich bewegt,
Als deine schöne Flamme, heil'ger Zorn!
Dich hab' ich in des Herzens Herz gehegt.
Die höchsten Rosen blüh'n an scharfem Dorn;
Wer glaubt, er müss' am ersten Schmerz verbluten,
Ist nie gestorben in der Freude Fluten.
Es drängt der Mut Gefühl oft an Gefühl,
Die innre Liebe stockt im Übermaß;
Der Himmel scheint dir schwer, der Äther schwül.
Wenn endlich dann entbrannt der Mut genas,
So haucht die Welt dir wieder grün und kühl,
Du regst dich leicht im neuen Ebenmaß,
Wie sich nach rotem Blitz und schwarzem Regen
Die bunten Erdenwesen frisch bewegen.
In Lieb' und Zorn blüht alles Lebens Kraft.
Drum trenne frevelnd nie den hohen Bund,
Der ewig neu die Welt verjüngend schafft,
Und macht des Menschen heilig Wesen kund.
Wer neu dem süßen Tode sich entrafft,
Dem sprüht die Flamme leicht vom sel'gen Mund,
Und leicht kann Schönheit, schnell verletzt, entbrennen;
Denn nie wird gute Lieb' ein Ziel erkennen.

Wahnsinn

Bittre Schmerzen reißen wild.
Herz sei mild!
Denn du magst es doch nicht sagen;
Nimmer half ja noch dein Klagen,
[214]
Seit zerbrochen dir dein Bild.
Tod wär' Freude,
Nähme nur die Erd' uns beide!
Kühlung saugen
Möchten gern die trocknen Augen,
Brennen heißer stets im Leide.
Laute, diesen Mißlaut sprich,
Und dann brich,
Eh' ich ganz in Haß versunken,
Wahnsinn rede todestrunken,
Weil die Einz'ge von mir wich.
Gebt mir Blut,
Daß ich lindre diese Glut,
Und wer's tat,
Ewig schmacht' er ohne Rat,
Oder sink' in gleiche Flut.

An die Jungfrau

Die hohen Augen werden mich verzehren.
Maria, große Mutter, ach verschone!
Verbirg das lichte Haupt, die Strahlenkrone;
Wie soll ich sonst dem irren Wahnsinn wehren?
Du selber, Heil'ge, mußt mich Sanftmut lehren,
Daß schöner Tod, geweiht vom ew'gen Sohne,
Am Kreuz der Liebe meine Sehnsucht lohne.
Was ich beginne, muß die Glut vermehren.
So blicke wieder und dann laß mich sterben! –
Wie eilt' ich schnell durch dieser Erde Schwächen!
Früh oder spät muß alles so verderben.
Aus Liebe einzig floß, was ich verschuldet;
In Liebe will das Herz, Madonna, brechen,
Des irre Liebe gnädig du geduldet.

[215] Abschied des sterbenden Sängers

In Liebe lebend streb' und bilde Werke,
Verklär' im Farbenglanz geliebte Leiden,
Und mal' in Liedern, die kein Licht beneiden,
Des Feuers Schönheit, das dich ewig stärke.
Nun wisse, daß ich mich verschwinden merke.
Die Liebe will, ich soll vom Leben scheiden,
Der Freude Heimat mußt' ich lange meiden,
Berauschend raubt Musik die letzte Stärke.
Mein einzig Leben war, den Tod verschönen.
Der andern tiefgefühlte Not beweinen,
War sterbend Lust dem trostberaubten Herzen.
Und weint dein Geist bei den zerrißnen Tönen,
So werd' ich selber dir alsbald erscheinen
Mit leiser Stimme in den wilden Schmerzen.

[216] Klaggesang am Grabe eines Jünglings

Erste Stimme

Jasmin und Lilien, Veilchen, junge Rosen,
Der liebsten Blumen Fülle will ich bringen,
Durch sie dem schönen Schatten liebzukosen;
Und kann noch Freude, Jüngling, zu dir dringen,
Daß neu am kühlen Ort dein Herz erwarme,
So muß es, Freudenreiche, mir gelingen.
Dein blasser Geist schon frei vom alten Harme,
Er wird zur Erde wiederkehren wollen,
Wenn ich ihm freundlich öffne diese Arme.
Zweite Stimme

Ich weiß nicht, was des Frühlings Kinder sollen;
Seit mir verwelkte aller Blüten Blume,
Kann ich nur Schmerzen dieser Urne zollen.
Fließt, Tränen! Seufzer, atmet ihm zum Ruhme!
Was Worte nimmer sagten, fühl' versunken,
Du stille Klag' im innern Heiligtume.
Es glimmen in der Asche ew'ge Funken;
Neu werd' in deinem neuen Glanz ich leuchten.
Wink' nur, und alle Bande sind entsunken!
Erste Stimme

Ach, wenn dich süße Bitten doch erweichten,
So würde heller uns der Frühling glänzen,
Und Gram nicht mehr der Freundin Wange feuchten.
Zweite Stimme

Ach wolltest du mich nur zum Tode kränzen,
So würd' ich keine Freude ferner trüben,
Das Mädchen schweben froh in leichten Tänzen.
[217] Erste Stimme

Geheimnisvoll und lockend, wie von drüben,
Erklang des Jünglings Stimm' in deine Seele,
Zur ewigen Musik sie vorzuüben.
Zweite Stimme

Verschwunden ist das Lied der süßen Kehle.
Die Laute muß es einsam tief beklagen,
Wie schnell ihn raubten des Geschicks Befehle.
Erste Stimme

Auch mir erschien geliebt in heitern Tagen
Des wunderbaren Sängers zarte Blüte;
Nun daß sie welkte, muß ich ewig klagen.
Zweite Stimme

Nein, angerührt von deiner frohen Güte,
Heilt jeder Schmerz, es keimet schönes Leben;
Drum lebt der Schatten noch dir im Gemüte.
Erste Stimme

Bald welkt zum Schatten jedes freud'ge Streben.
So fielen, Arme! uns die dunkeln Lose;
Das Schön' ist jedem Hauche hingegeben.
Die Freude stirbt, indem ich mit ihr kose;
Der Schmerzen Stachel wollt' ich gern nicht achten,
Sänk' nur nicht allzu schnell der Schönheit Rose.
Umsonst, daß wir nach ew'gem Frühling trachten!
Wir selbst entblättern, es verweht der Glauben,
Gibt denen dennoch Recht, die ihn verlachten!
Scheu ist die Liebe, will sich nicht erlauben,
Was reizend ihr erscheint, nur um zu fliehen,
Dem Augenblicke kühn und schnell zu rauben.
[218] Zweite Stimme

Die Welt gibt nur zurück, was ihr geliehen.
Aus eigner Tiefe muß sich Nahrung saugen
Die Seele, kann sich selber nicht entfliehen;
Und wandte einmal sie auf sich die Augen,
So will sie ewig sich in sich verzehren,
Und nie zu keiner flücht'gen Freude taugen.
Gesänge klagend wird den Schmerz sie mehren,
Bis alle Kräft' in ew'gen Schlummer sinken,
Dann muß sie auch die Freud' am Schmerz entbehren.
Verstummend darf sie keinem Freund mehr winken,
Und muß, von irdischer Musik geschieden,
Im Dunkel unsichtbare Tränen trinken.
Erste Stimme

Fahr' wohl, und lächle diesen Blumen Frieden!
Noch blühen sie, bald werden sie dir gleichen.
Warum hast du der Freude Ruf vermieden?
Zweite Stimme

Vergebens hofft' ich ein erwidernd Zeichen.
Bald wird Geräusch der Freude um mich summen,
Mir aber tief ins Herz die Klage schleichen,
Und weil die deine stumm, auch sie verstummen.

Notizen
Erstdruck in: Friedrich Schlegels Gedichte, Berlin (Julius Eduard Hitzig) 1809.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Stimmen der Liebe. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D686-A