[147] [149]Friedrich Schlegel
Erste Frühlingsgedichte
(1800. 1801.)

[149] [151]Weise des Dichters

Wie tief im Waldesdunkel Winde rauschen,
Ihr Lied dazwischen Nachtigallen schlagen,
Der muntre Vogel singt in Frühlingstagen,
Daß wir dem fernen Ruf bezaubert lauschen;
So seht ihr hier jedwede Weise tauschen,
Betrachtung, linde Seufzer, tiefe Klagen,
Der Scherze Lust, der Liebe kühnes Wagen,
Und was den Seher göttlich mag berauschen.
Anklänge aus der Sehnsucht alten Reichen
Sind es, die bald sich spielend offenbaren,
Uns ihr Geheimnis bald mit Ernst verkünden;
Sinnbilder, leise, des gefühlten Wahren,
Des nahen Frühlings stille Hoffnungszeichen,
Die schon in helle Flammen sich entzünden.

[151] An Heliodora

Aus tiefem Herzen wollte Liebe dringen,
Im Grün der Jugend flammte hoch der Mut
Durch lichte Kraft die Sterne zu erringen.
Doch brannte bald der Geist in eigner Glut,
Verachtend wandt' er sich von allen Dingen,
Zum Raub gegeben seiner Sehnsucht Wut.
Da klang der dunkeln Tugend Lichtgebot:
Befrei' dich Freier selbst, durch heil'gen Tod.
Kraft dieses Strahls ward ich mir neu gegeben.
Des Todes Liebe heilt des Lebens Wunde,
Aus der Vernichtung blitzt das höchste Leben.
Die große Bildung wuchs auf sicherm Grunde;
Was herrlich war und sein wird, faßt' im Streben
Kunstlieb' und Heldenstolz im festen Bunde.
Der Wissenschaften Geist in Einem Bilde
Erschien dem Zauberrufe schön und milde.
Da wird ein Feuer aus den alten Funken.
Die Brüder, die mich schonend oft ertragen,
Wenn in der Freundschaft Urbild ich versunken,
So grenzenlos begehrt' ohn' es zu sagen,
Sie sind mit mir von gleicher Liebe trunken;
Wir alle hoffen, es soll göttlich tagen.
Zum Scherz belebt den Kreis der Frauen Güte,
Auch mich erfreut des Witzes zarte Blüte.
Du warst mir Morgensonne, Heliodora!
Aus deinem Lichte sog ich neue Glut;
Du bist mir Lebensquelle, Heliodora!
Durch deren Kraft der alte Schmerz nun ruht;
Blüh' auf, du Wunderblume, Heliodora!
Zur ew'gen Poesie hauch' ew'gen Mut.
Ich will nicht länger mit dem Schicksal rechten,
Zu schönem Kranz nur schöne Zweige flechten.
Doch wollen mit Vernunft wir vorwärts schreiten;
Verstand erkenne, was die Lust begonnen.
Durch Klugheit seh' ich selbst die besten gleiten,
Verworrne List ist gar zu bald zerronnen;
Sie irren von sich selbst in ferne Weiten
[152]
Und haben nichts als ihre Müh' gewonnen.
Zeigt Weisheit sich in törichtem Gewande,
So kommt der Dumme leichtlich von Verstande.
Die schwangre Zukunft rauscht mit mächt'gem Flügel,
Ich öffne meiner Lebensbahn die Schranken,
Schau in des klaren Geistes tiefsten Spiegel;
Da kämpf' ich, Werke bildend sonder Wanken,
Entreiße jeder Wissenschaft das Siegel,
Verkünd'ge Freunden heilige Gedanken,
Und stifte allen Künsten einen Tempel,
Ich selbst von ihrem Bund ein neu Exempel.
Will das Geschick mich aber früh zerschlagen,
So sinken wir in Einer Todesflut;
Der bunten Erde kann ich leicht entsagen,
Denn für die Kunst nur lodert meine Glut.
Laß uns nach ihr auch auf der Sonne fragen!
Ein Schwert vereine hier noch unser Blut.
Dem Geist genügt zu hinterlaßnem Ruhme
Der Liebe Kranz im ird'schen Heiligtume.

Im Frühlinge

Wie freut sich die Seele der Freude erschlossen,
Im Frühlingestagen,
Die mutigen Lieder zu wagen,
Entrissen dem Zügel in Freiheit zu jagen,
Das Ziel zu erreichen mit kühnen Geschossen.
Das Feuer der Fluren will Freude nur sagen;
Im Dunkel der Bäume
Da bilden sich rosige Träume,
Da schwellen die Kräfte, da schwindet das Zagen.
Nun wächst Fantasie wie Felsen zu ragen,
Es kommen geschossen
Gestalten auf feurigen Rossen,
Im Silber der Flüsse dann Friede geflossen
Und dunkel erklingen die heiligen Klagen.
[153]
Wenn kühne Gedichte den Lippen entflossen
In fliegenden Worten,
So öffnen sich feurige Pforten,
Und klar ist der Frühling der Gottheit Genossen.
Von Wogen des Lebens harmonisch umflossen,
Kann Kummer sie nagen?
Sie sehen den Morgen ja tagen,
Im Herzen die Erde vor Liebe noch schlagen,
Die ewigen Ströme von neuem ergossen.

Lied

Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.
Will der rote Morgen tagen,
Hoffnung hohe Freude geben,
Rosenlicht am Himmel schweben,
Kühner Mut die Kräfte wagen,
Muß ich sagen:
Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.
Senkt sich milde Röte nieder,
Wenn die Ruh' am Bache lauschet,
Abend kühl im Walde rauschet,
Dunkel schlagen ferne Lieder,
Seufz' ich wieder:
Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.

Rückkehr zum Licht

Unsre Erde liebt den Äther,
Möchte gern der Sonne nahn.
Starres Eisen ward lebendig,
Als das Licht hernieder kam,
Heil'ges Licht der heil'gen Sonne,
Und uns alles Schöne gab.
[154]
Kühne Felsen trieb die Tiefe,
Hohe Lüfte schwebten nah,
Von dem Äther abgesendet
Um die große Braut zu fahn.
Scham macht rot den blauen Schleier,
In den Adern rinnt Metall,
Edelsteine blitzen unten,
Und in Wolken blüht der Strahl.
Süßes Blut durchdringt die Glieder,
Flammen rieseln unsichtbar,
Sehnsucht schwellt die üpp'gen Hügel,
Grüne Fülle quillt im Tal,
Und es spielen bunte Tiere,
Wo den Schoß der Äther traf.
Pflanzen, Tiere und Metall
Atmen nur des Lichtes Kraft;
Andre Wesen leuchten anders,
Mancher Schein von Einem Strahl.
Leichtes Eisen, fester Äther,
Steht der Mensch vollendet da;
In dem Antlitz glänzt die Erde,
Und zur Sonne will die Tat.
Wo die Farben wieder Eins,
Wird das Licht sich selber klar,
Denket mutig auf die Rückkehr,
Wann der Heimat es gewahrt.
Frohe Zeichen schaut das Auge,
Wo das kühne Leben wallt,
Wo die wilde Erdenfülle
Schön vereint ist zum Gesang;
Da erinnert an die Sonne
Uns ihr Abglanz, die Gestalt.
Freier regt sich dann die Liebe
Die so tief verschlossen lag;
Wo die Schönheit angesprochen,
Hatte Liebe schon gefragt.
Wenn das Herz in schöner Liebe
Kühnlich schwebet gleich dem Aar,
Strömet hoch die Fantasie,
Wie die Flamme vom Altar.
Was der Geist so hell gedichtet
[155]
Lebet ewig fest und wahr;
Und zur Sonne kehrt das Licht,
Wo das heil'ge rein und klar.

An eine Freundin der Poesie

Aus deinen braunen Augen,
Da leuchtet heiter,
Wie grüner Maien,
Die Freude voll Vertrauen.
Mich dünkt, es gleichet,
Vom Liede schön entzündet,
Dein froh bewegt Gemüte
Den frommen Zeiten,
Da in der Jugend Rose
Noch Pilgerinnen
Des Glaubens Lilie
In volle Herzen schlossen,
So leicht durchs Leben gingen,
An treuem Stabe
In grünem Frühling wandelnd,
Der immer bliebe.

Monolog

Ja, ich fühle mich gezwungen
Endlich dir mein Leid zu klagen.
Lüfte! könnt ihr mir nicht sagen,
Wo so lange bleibt die Meine?
Daß ich irren muß alleine,
Seufzen nach der Unbekannten;
Nein, der nur zu wohl Bekannten,
Die in jedem Traum ich sah,
Deren Bild mir immer nah,
Doch vor allem hier im Tal;
[156]
Hier erfreu' ich mich der Qual,
Hier ergeb' ich mich den Träumen,
Irrend auf den grünen Räumen,
Wo der Waldbach rauschend fließt.
Wenn sich im Gesang ergießt
Klage hoher Nachtigallen,
Sie ins tiefe Herz mir schallen,
Öffnet sich der stumme Mund,
Tut mir selbst mein Leiden kund,
Rufend dich, du lang Ersehnte!
Alles, was ich Freude wähnte,
Kann mir keine Lust mehr schaffen.
Fremd sind mir die teuren Waffen,
Nichts der Rosse kühnes Spiel;
Ach und was mir so gefiel,
Lieber Freunde mutig Scherzen,
Das verwirrt mir nur die Schmerzen,
Seit ich hin, nicht mehr mein eigen.
Komm, Geliebte, dich zu zeigen,
Daß ich dich mit Glanz umkröne!
Komm, und gib mir deine Schöne
Mein zu sein, mein Heiligtum!
Bin ich darum reich an Ruhm,
Aller Jugend Kron' und Zier,
Daß ich krank und einsam hier
Soll umsonst nach Freude schmachten?
Jede Kunde, die mir brachten
Ferne Männer, stille Boten,
Was du mir geheim entboten,
Was so manche Sommernacht,
Die ich glühend durchgewacht,
Durch die Wälder mich getrieben,
Das ist in der Brust geblieben,
Alles andre gar verschwunden.
Keine hatt' ich noch gefunden,
Die wie ich der Glut ergeben.
Ach, sie fühlten nicht das Leben,
Das der vollen Seel' entquillt!
Keine hat das Herz gestillt,
Das die Kraft so gern verschwendet.
Du allein hast Trost gesendet,
[157]
Süße Herrin, du alleine,
Du an Schönheit einzig Eine,
Stolze Heldin, herrlich Wesen,
Die ein Gott wohl auserlesen,
Daß mir kühne Hoffnung bliebe,
Wahr zu finden meine Liebe.

Fantasie

Alte Töne tönen wieder,
Rasch entflieht das wilde Leben;
Jetzt der Sehnsucht hingegeben,
Wenn der Knabe einsam weint;
Dann zu hoher Lust vereint,
Wenn der Freuden Ziel gefunden;
Bald von leichtem Scherz umwunden,
In des Übermutes Fülle;
Zwischendrein die alte Stille,
Frisch lebendig was vergangen,
Alter Liebe angehangen,
Wie vergangen schon das Neue;
Schmerzen, die ich nimmer scheue,
Weil sie tiefre Lust erzeugen,
Kalte Fesseln, die mich beugen,
An der Jugendblüte nagen;
Laßt, o laßt mich alles sagen.
Weh, ach weh! ihr öden Mauern,
Wo die Blume ward gefunden,
Die mit Freuden mich umwunden;
Daß sie alle gleich verschwunden,
Muß ich trauern.
Frühen Leiden hingegeben,
Mußte Schönheit so verderben,
Süße Anmut welkend sterben;
Blühend noch muß Tod erwerben
All mein Leben.
Kam die Liebe zum Knaben gegangen.
Da die lang Ersehnte nun ihm nahte,
[158]
Weiß er kaum sein neues Glück zu wagen.
Freude, klare Freude gibt ihm alles;
In der Freude aber neu Verlangen,
Das die Freude oft zu Leide machte.
O dies Verlangen
Zu kühlen, an den Lippen festzuhangen,
Bis daß in süßer Lust der Sinn vergangen!
Und faßt dich einmal dieses tiefe Sehnen,
So darfst du nimmer wähnen, es zu füllen,
Und wollte dich umhüllen ganz die Liebe
Zu ihren schönen Freuden.
Laß uns fröhlich tändeln,
Laß uns Scherz ersinnen,
Mit blitzenden Augen,
Mit lieblichen Lippen.
O wie süß ist die Freude,
Mit der Liebe zu spielen,
Und eins mit dem andern
Zu tändeln wie Kinder!
Nur dich Hohe schmückt die Krone.
Lichtglanz muß dich golden zieren,
Rosenstrahlend triumphieren,
Herrin, auf des Herzens Throne!
Alles gab ich dir zum Lohne,
Alles für die heil'ge Freude,
Bis wir freudeflammend beide,
Beide sagten: Nun verschone!
Wenn ich unverstanden bliebe
Ohne Gegenstand mein Streben,
Keine Liebe mir gegeben,
Würd' ich dennoch innig lieben,
Um so inniger nur leben.
Was mein Sehnen lieblich wähnte,
Was ich liebesehnend meine
Ist so heiter, lind und reine,
Daß kein Sinn sich weiter sehnte,
Der gesehn dies einzig Eine.
Wenn ich fern von Freuden bliebe,
Ohne Gegenstand mein Streben,
Keine Liebe mir gegeben,
Würd' ich dennoch innig lieben
Und in heitern Freuden schweben.
[159]
Kühne Wogen, wildes Leben,
Laß den Strom nur immer brausen,
Frischen Sturm im Herzen sausen;
Wie der Adler durch die Lüfte,
Über Meere, über Klüfte,
Laß mich schweben, laß mich fliegen!
Alles kann der Mut besiegen,
Mut entsprungen hohem Glauben;
Keiner kann die Liebe rauben,
Wie auch wechseln die Gefühle
In dem irdischen Gewühle.

An die Freundin

Mich traf, ich weiß nicht wie, ein süß Verlangen,
Sogleich mit dir zu sterben.
Es dünkte mich, wir gingen
Im Grün, die Stirn vom Morgenstrahl getroffen,
Weit, weit von Menschenspuren.
Im Steigen hören wir die Lerche singen,
Das Auge lächelt auf die stillen Fluren,
Des Berges Höh' schon nah, wo froh wir wagen,
Die Freiheit zu erwerben.
Nun wirst den Freund du, Freudenreiche fragen:
»Warum willst du verderben?« –
Ich sah mich selbst, mein Wesen klar und offen;
Erreicht das Ziel, das alle Wünsche hoffen,
Wenn sie sich nicht beschränken.
Wie wenig alles, muß ich seitdem denken.

Der welke Kranz

Es war noch Mai, da hast du sie gebrochen,
In Blumen ausgesprochen, selber Blüte,
Was blühend im Gemüte schon sich regte,
[160]
Und heilig sich bewegte,
Was kindlich ach! der Freund so gerne hegte,
Wenn sie ihr Herzchen legte an das seine,
Wo ich nun ewig weine.
Die Veilchen sandte mir das Kind zum Zeichen,
Die so mein Herz erweichen, daß die Augen
Den Schmerz, den sie nun saugen, nie vollenden,
Sich oft noch zu ihr wenden,
Und finden welk den Kranz dann in den Händen.
Wie der, hat sie zu enden früh erkoren,
Sich unbewußt verloren.
Nimm hin die hohe köstlich liebe Gabe,
Das einz'ge, was ich habe von der Teuern,
Ihr Bild mir zu erneuern, wenn in Tränen,
Dem Tode zu das Sehnen
So gern entflieht der Erde eitlem Wähnen.
Doch erst laß mich in Tränen ganz versenken
Das süße Angedenken!
Uns, die in Lust des Todes Leben fanden,
Kühn die Natur verstanden in den Flammen,
Wo Lieb' und Schmerz zusammen uns verbunden;
Uns sei die Stirn umwunden,
Vom Zeichen, dessen Sinn wir längst gefunden.
Denn sproßten aus den Wunden oft nicht Rosen,
Uns schmerzlich liebzukosen?
Laß denn des Mädchens Schatten uns umschweben,
Der Wehmut hingegeben,
Bis wir im Tode Eins noch inn'ger leben,
Und dann dies tiefe Streben ganz vereinet,
Das lächelnd sich beweinet.

Bitte

Ach laß die teure Frau in bittern Leiden,
Du milde Königin, mir nicht versinken!
Ihr Herz erfrische bald ein himmlisch Winken
Aus jenen Augen, die mit Licht uns weiden.
[161]
Sie darf der Morgenröte Glanz nicht meiden,
Vor der die Sterne all' ins Dunkel sinken,
Und darf aus deinem Bilde Gottheit trinken;
Sie lebt in Lieb', und liebend wird sie scheiden.
O Mutter! tot und arm sind jetzt die Herzen,
Doch wenn auch alle von dir abgefallen,
Das Heil'ge überall verspottet bliebe;
Wir fühlen noch die gottgeweihten Schmerzen,
Die freudig hin zum letzten Feuer wallen,
Es glüht und blüht in uns die erste Liebe.

Lob der Frauen

Ein göttlich Spielwerk strömt die schöne Welt
In lichter Lebensfülle,
Des schönsten Wesens Hauch in alle Sinne;
Das ew'ge Bild glänzt neu in jeder Hülle,
Gießt Kraft ins Herz, und hält
Das trunkne, daß in Freud' es nicht zerrinne.
Du heil'ge, lockst den Geist zu ew'ger Minne,
Natur! im Abgrund schön, wie in den Funken
Des Lichts, im Tod und in des Lebens Welle;
Du aller Schönheit Quelle,
Aus deren üpp'gem Schoße sonnentrunken
Das mut'ge Tier entquillt, die holde Pflanze,
Der vollen Erde Brust zum bunten Kranze.
Doch müssen alle Erdenkinder weichen
Dem hohen Menschenbilde,
Aus dessen Aug' das All sich selbst beschaut,
Des kühnes Haupt am himmlischen Gefilde
Die Sterne mag vergleichen,
Und deuten, was im fernen Morgen graut.
Aus allen Zeiten, Zungen fließt Ein Laut,
Wie Sonn' und Erde Eins im Lichte strahlen,
Vergangne, künft'ge, jetz'ge Geister bindend,
Die heil'ge Kunst erfindend,
Und bildet ew'ger Liebe süße Qualen.
[162]
Der Mensch nur lächelt, selbst sein holder Spötter;
Aus seinem Haupt entsprangen alle Götter.
Das Urbild solcher Bildung blüht im Weibe;
Es ist der Menschheit Blume,
Die selig duftet stille Liebesflammen.
Der Frauen Reiz nur glänzt im lichten Ruhme;
Aus ihrem süßen Leibe
Blitzt Kraft in jene, die vom Himmel stammen.
Schmilz aller Männer Macht und Geist zusammen;
Was groß und würdig, mögen sie erringen,
Zur Schönheit wird die Freud'gen Lieb' entzünden.
Den Gott im Werk verkünden,
Lehrt Lieb' und auch durch Tat zu ihm sich schwingen;
Und Liebe kann der Milden Hand nur geben,
Die kindlich der Natur im Schoß noch leben.
Nie hat so treu der Freund den Freund gefunden,
Als sanfte Frau'n oft waren,
Wenn's mutig galt, ans Herz des Liebsten hin
Zu dringen durch den Tod und durch Gefahren;
Dem Einz'gen fest verbunden,
Nichts achtend allen Glanz und Weltgewinn.
Aus tiefer Lieb' erzeugt und zartem Sinn,
Blüht schön in Frau'n der Tugend milde Frucht,
Verstand und Frieden glänzt vom Angesichte,
Das Aug' in heiterm Lichte
Blickt freundlich lächelnd auf des Lebens Flucht;
Der Frauen Geist beseelt der Freude Bund,
Da lächelt jeder Schmerz sich bald gesund.
Das Kind saugt Liebe aus der Mutter Brust
Es ruht der Knab' im Schoß,
Der Jüngling ehrt ihr Aug' als sein Gestirn;
Des Mannes freudig Herz erschwillt ihm groß
Beim Anblick solcher Lust,
Er kränzt mit Ehr' und Ruhm die würd'ge Stirn.
Nichts Höhers denkt des Sehers weises Hirn
Als dich, Natur! Kein Wesen aber gleichet
So nah dir als der Mutter Kraft und Tugend,
Die jung in fremder Jugend,
Des Mitgefühles tiefste Tief' erreichet,
[163]
Und schwelgend in der Erde schönster Fülle,
Des Lebens Adel zeigt in reiner Hülle.
Im ew'gen Lichte blüht der leichte Himmel;
Die Tiefe voll Verlangen
Treibt Keime auf aus innerm Herzensgrunde;
Des Gottes Kraft hält fest die Erd' umfangen,
Und fröhlich im Gewimmel,
Bekränzt sie bräutlich sich zum Hochzeitsbunde.
Von vielem Schönen weiß ich hohe Kunde,
Doch sag ich's, schöne Frauen, kühn und laut;
Ihr seid die schönsten Blüten dieser Erde!
So wahr ich froh noch werde
Beim Kuß der hingegebnen Braut;
Wer solche Blumen darf zu Kränzen flechten,
Der ist der höchst' in sterblichen Geschlechten.

Das Gedicht der Liebe

Wie nächtlich ungestüm die Wellen wogen,
Bald schwellend liebevoll zum Sternenkranze,
Bald sinkend zu der Tiefe hingezogen,
Sehnsüchtig flutend in dem Wechseltanze,
Bis Morgenrot empor scheint aus den Wogen,
Noch feucht in blumenlichtem Tränenglanze;
So steigen hier der Dichtkunst hohe Strahlen
Aus tiefer Sehnsucht Meer und Wonnequalen.

Stanzen

Zur Einleitung eines Märchens


Wie Blätter dunkles Grün um Blumen ranken,
Als ob es gern die Glut der Farben kühlte,
Weil sonst das Auge würd' im Glanz erkranken,
Wenn es berauscht im Blumenfeuer wühlte,
Wo rote, weiße, bunte Strahlen wanken,
Nicht auch im Grün das Licht gemildert fühlte;
So möcht' ich, dich umarmend, Märchen weben,
Die Flammen durch Geschwätz zu lindern streben.
[164]
Die Flammen, wo den süßen Tod wir starben,
Den du, ein scheues Kind sonst, nimmer scheutest,
Seit meine Bitten deine Huld erwarben,
Wo sterbend du zum Leben mich erneutest,
Und, glaubt' ich schon im Überfluß zu darben,
Durch Reiz im Reiz dich freuend mich erfreutest:
Sie werden unsern holden Leib verzehren,
Wenn wir nicht ihrem süßen Gifte wehren.
Doch weil, wo Frag' und Antwort wechselnd spielen,
Die Lippen bald sich inniger vermählen,
Und im Geflüster süße Pfeile zielen;
So möcht' ich andre Stundentäuschung wählen,
Und wüßt' ich nur, wie sie dir wohlgefielen,
Dir reizende Geschichtchen neu erzählen,
Die du anhörtest, weichlich hingegossen,
Als kämen süß vom Himmel sie geflossen.

Spruch

Wer gewährt nur Edlen Gunst?
Die hohe Kunst.
Wo verliert man nie die Spur?
In der Natur.
Wie gewinnst du sichres Gut?
Durch eignen Mut.
Tapfer also heil'ge Glut,
Hoch hinan zum ewig Schönen!
Flamme kühn, und laß sie höhnen,
Eins in Kunst, Natur und Mut.

Tändeleien

Als der Witz ein Liebchen suchte,
Neckt' er Mädchen fern und nah,
[165]
Endlich wählt' er doch die Freude
Die ihm leis' entgegen kam.
Schwerer ward ihr zartes Seelchen,
Wußte nicht, wie ihr geschah,
Bis nach einem leichten Stöhnen,
Von dem Söhnlein sie genas.
Mutwill hieß das Kind der beiden,
Der noch kaum ein Knabe war,
Als er schon mit Mädchen spielet,
Gleich erhascht' die flücht'ge Scham.
Hold errötend floh die Kleine,
Bis an seiner Brust sie lag,
Wo er sorgsam ihrer pflegte,
Daß sie ruhig bei ihm saß.
Als die Kleine Mutter wurde,
O wie liebte sie ihn da!
Brachte viele, viele Kinder,
Alle Scherze leicht und zart.

An Selinde

1.
Als das Köpfchen an mir ruhte,
Konnt' ich nicht ein Wörtchen sagen;
Konnte glühend von Verlangen,
Keine Liebkosung doch wagen.
Sieh so glühend muß ich lieben,
Und du fühlst nicht meine Klagen!
2.
Sirene, du Sirene,
O wie süß kannst du loben!
Da ward ich ganz entzündet,
Fern die Klugheit geflohen.
Es war, als ob du liebtest,
Das hat mich so betrogen:
»Die Süße will dich lieben,«
Dacht' ich in Lust erhoben.
Sirene, o Sirene,
Welch Netz hast du gewoben!
[166] 3.
Laß frei die Flammen, die mich quälend drücken,
Sei einmal noch wie sonst ein liebend Weib!
Komm an das Herz, das frei von allen Tücken,
Gib hin der Lust den jugendlichen Leib,
Und laß die zarten Glieder mich umschlingen;
Wie sollt' ich sonst das volle Herz bezwingen?
4.
Zwar du littest meine Küsse,
Doch erwidertest kaum einen,
Flammen schwebten auf den Lippen,
Und berührten schon die deinen;
Doch getäuscht floh'n sie zurücke
Und verzehrten sich alleine.
Böses Kind, um diese Kälte
Könnt' ich wie ein Kind fast weinen.
5.
Den treuen Freund auf ewig dir zu weih'n,
Hast du ihm deine Freuden hingegeben.
Laß auch die Schmerzen offenbar ihm sein,
Daß nie der Täuschung Wolken uns umschweben!
Schön bist du doch; wozu der eitle Schein?
Drum sag' mir, sag' mir alles, süßes Leben,
Ich soll und muß an deine Wahrheit glauben,
Nur du kannst selber dich mir wieder rauben.
6.
Die süße Stunde werd' ich nie vergessen,
Als mich der liebe Leib so süß umschlungen,
Auch du von meinem Leben warst durchdrungen
Uns beid' umschwebt' ein seliges Vergessen!
Was darf mit freier Liebeslust sich messen,
Wenn endlich jeder Zweifel nun bezwungen,
Die Welt in einen Augenblick verschlungen,
Und Freude macht das leichte Herz vermessen?
7.
Noch einmal laß das süße Gift mich saugen,
Fester uns verbünden,
Heißer dich entzünden!
Noch einmal laß in deinen Arm mich sinken,
Daß so umschlungen,
Ganz durchdrungen,
Ein Blitz der Lust belebend beide töte.

[167] Lied

Kleine Frauen, kleine Lieder,
Ach man liebt, und liebt sie wieder.
Wie die Blume glänzt dem Kinde,
Lächeln Leichtsinn uns die Mädchen,
Leichte rollt des Lebens Rädchen
In der Liebe Lustgewinde.
Darum singt man froh und linde,
Kleine Frauen, kleine Lieder,
Liebt sie, und sie lieben wieder.
Und es gleiten von der Kehle
Diese Spiele, diese Wörtchen,
Wie ein süßes Lieblingsörtchen
Lieblich schwebet vor der Seele.
Ach, man fragt nicht, ob was fehle:
Denn man singt die kleinen Lieder,
Wie man liebt, und singt sie wieder.

Der Schiffer

Friedlich lieg' ich hingegossen,
Lenke hin und her das Ruder,
Atme kühl im Licht des Mondes,
Träume süß im stillen Mute;
Gleiten lass' ich auch den Kahn,
Schaue in die blanken Fluten,
Wo die Sterne lieblich schimmern,
Spiele wieder mit dem Ruder.
Säße doch das blonde Mägdlein
Vor mir auf dem Bänkchen ruhend,
Sänge schmachtend zarte Lieder!
Himmlisch wär' mir dann zu Mute;
Ließ' mich necken von dem Kinde,
Wieder tändelnd mit der Guten.
Friedlich lieg' ich hingegossen,
Träume süß im stillen Mute,
[168]
Atme kühl im Licht des Mondes,
Führe hin und her das Ruder.

Die Verhältnisse

Rücksichten sind's, die unsern Blick berücken;
In Absicht jede Aussicht gleich erkalten,
Bis wir, eh' wir uns umgesehn, veralten,
Und beugen dann, von Einsicht schwer, den Rücken.
Roh scheint's, der Erde Blumen grade pflücken.
Wir möchten fein der Schonung Linie halten,
Der Liebe Leben künstlich klug verwalten,
Verständig und mit Anstand uns erdrücken.
Wir sollen unbekannte Größen wählen,
Es sind zu wenig Gleichungen gegeben,
Drum hatt' und hat's ein sonderbar Bewendnis;
Denn, weil wir endlos rechnen, zweifeln, zählen,
Wird uns das klare, leichte, freie Leben
Ein einzig vielverschlungen Mißverständnis.
Tapfer verhalte dich stets; so ist dein das beste Verhältnis,
Kannst du gelassen es sehn, wie sich verwickelt das Volk.

Bündnis

Wo mehre bildend sich in Eins verbunden,
Gewinnt der Künstler seines Daseins Mitte,
Weiß nun, wohin er richten soll die Schritte,
Und sieht die Teile sich zum Ganzen runden.
In neuer Jugend wird die Kraft gesunden,
Die fort von Stuf' und Stufe höher schritte,
Und wenn man noch so starke Schmerzen litte:
Die Bildung bleibt, es fliehen nur die Stunden.
[169]
Es darf der Mensch von Herzensgrund nur wollen,
Mit Mut sich schließen an die mut'gen Brüder,
Den festen Sinn vom Ziele nimmer wenden;
So muß ihm jeder Stoff Gestaltung zollen,
Die höchsten Würden steigen zu ihm nieder,
Er kann des Lebens Kunstwerk groß vollenden.

Ein Traum

Tief im dunkelgrünen Walde
War ein Leu von hohem Mute;
Dieser liebte seinen Herren,
War ihm treu von Herzensgrunde.
Auf dem Tiere ritt der Jäger,
Sprengte durch die grünen Fluren;
Wollt' er auf den Rücken springen,
Stand der Löwe ganz geduldig.
Doch nach vielen Tagen einmal,
Da er wieder es versuchte,
Ward die alte Wildheit rege,
Dreht' er sich in zorn'gem Mute,
Als ob er ihn töten wollte,
Seinen Herrn, den lieben, guten.
Doch alsbalde ward er's inne,
Und da war er still und ruhig.
Traurig senkt' er nun die Blicke,
Und es nagt' ihn bittrer Kummer,
Daß er seinem Herren zürnte,
Ihn gar balde hätt' verwundet;
Das zernagt sein großes Herz ihm,
Und es wird ihm immer dunkler.
Nieder legt er sich zu Boden,
Hingestreckt auf hartem Grunde,
Liegt er da zehntausend Jahre,
Wie von Schmerz und Reu verwundet,
Achtet nicht der Freundes Reden,
Ganz versteint in herbem Kummer.

[170] Betrachtung

Das kleine Haus, es steht noch an der Stelle,
Wo ich es sonst gesehn vor vielen Jahren,
Seit ich so manches Leid und Freud' erfahren,
Umhergetragen auf des Lebens Welle;
Dieselben Tritt' und Weg' an selber Stelle,
Die kleinsten Dinge, wie sie ehmals waren;
Bemüht die alte Ordnung zu bewahren,
Sorgt noch der Diener, wie er alles stelle.
So bleibt Beschränkung gern in tiefem Frieden;
Wie draußen auch die wilden Stürme toben,
Es lockt die stille Welt da zu verweilen.
Den kühnern Geist hat immer Ruh vermieden;
Will sinnend auch Gefühl die Stille loben,
Er muß auf wildem Flügel weiter eilen.

Bild des Lebens

Krank, matt, gebückt, sah ich den Alten schleichen,
Den Blinden muß die Hand des Mitleids führen.
Weh! die der Augen süßes Licht verlieren;
Das könnte wohl den härt'sten Sinn erweichen!
Ob bald die Nebel vor der Sonne weichen,
Fragt er, die Strahlen schon die Berge zieren.
Es hörend, hebt er an zu triumphieren;
Froh, durch Gesang den Himmel zu erreichen.
Das war es, was mich mehr als Tränen rührte;
Ein rechtes Bild des armen Menschenlebens,
Wie Blind' auch uns in Nacht das Mitleid führte.
Die Sonne sucht der dumpfe Blick vergebens;
Selig, wenn nur das Herz den Strahl noch spürte,
In Nacht das Licht begrüßend unsres Strebens!

[171] An die Dichterin

Gern flieht der Geist vom kleinlichen Gewühle
Der Welt, wo Albernheiten ernsthaft thronen,
Auf zu des Scherzes heitern Regionen,
Verhüllt in sich die heiligsten Gefühle.
Umweht ihn einmal Äther leicht und kühle,
So kann er nimmer wieder unten wohnen,
Und schnell wird jenen Scherz der Ernst belohnen,
Daß er sich neu im eignen Bilde fühle.
Die Wünsche, die dich hin zur Dichtkunst ziehen,
Der frohe Ernst, in den du da versankest,
Das sei dein eigen still verborgnes Leben;
Was du gedichtet, um ihr zu entfliehen,
Das mußt du, weil du ihr allein es dankest,
Der Welt zum Scheine scherzend wiedergeben.

Farbensinnbild

Laß edlen Mut den weißen Altar gründen,
Hoch Fantasie in Purpurflammen wehen,
Und Liebe wirst du bald im Zentrum sehen,
Wo grün die Feuersäulen sich entzünden;
Durch braune Locken wird sich Myrthe winden,
Der Freund mit goldnen Früchten vor dir stehen,
Die Kinder dann in Blumen zu dir gehen,
Mit Ros' und Lorbeer dich die Schwester binden.
Es war der alten Maler gute Sitte,
Des Bildes Sinn mit einem Strich zu sagen,
Der den Akkord der Farben drunter schriebe;
So mag auch dieses Lied es kühnlich wagen,
Zu deuten auf der Dichtung innre Mitte,
In Farben spielend um die süße Liebe.

[172] Ein Lied des Heinrich von Veldeck 1

Mein sehnendes Denken, dazu meine Sinn' allgemeine,
Auf Eines sich lenken, besorgen einzig das Eine,
Wie ich Ihr bescheine,
Daß ich schon lange mit Sange sie meine,
In stetem Mute, sie gute, sie reine.
Selig in Freuden ich wäre, der reichste an Gute,
Wollte mein Leiden bedenken die wohlgemute,
Vor Falschem behute;
Und möcht' es gelingen mit Singen dem Mute,
Daß sie mein hüte mit Güte, sie liebe, sie gute.
Wohl mir der Sinne, die mir immer gaben die Lehre,
Daß ich sie minne, je länger und je mehre;
Daß ich ihr' Ehre
Recht als ein Wunder besunder so sehre
Minne und meine, sie reine, sie selig, sie hehre.
Mein' Hände ich falte, mit Treuen gar flehn'd auf ihr Füsse,
Daß sie, wie Isalde Tristranden, mich trösten müsse,
Und also grüße,
Daß sie die Schmerzen von Herzen mir büße
Und sie mich scheide von Leide, sie liebe, sie süße.

Fußnoten

1 In diesem Gedichte sind nur wenige Worte verändert worden, welche nach der jetzigen Sprache nicht verständlich gewesen sein würden; damit man an diesem Beispiel sehe, wie wenig an der Sprache dieser alten Lieder zu ändern nötig wäre, um sie wieder neu und allgemein zu machen, sobald nur das Versmaß recht verstanden und richtig abgeteilt wird. –

An eine Freundin in der Ferne

Oft seh' ich vor mir deine blauen Augen
Und täusche mich, vergessend daß du ferne.
Ich möchte Huld aus deinen Blicken saugen,
Versinke träumend in die dunkeln Sterne,
Und acht' es nicht, daß andre wenig taugen,
Froh, wenn ich dein Gemüt vernehmen lerne;
Seh' ich dann um den Mund dein Lächeln schweben
So wünsch' ich heiter neben dir zu leben.

[173] Alte Gedichte

aus dem Spanischen

An die heilige Katharina

Reine Magd, von klarem Golde
Hat dir Gott ein Herz gegeben,
Das so fromm bestehen sollte;
Tät der Brust das dein' entheben,
Wie dein Fleh'n begehren wollte.
Ja, er malt' auf deinen Wänden
Karmosinen seine Wunden,
Will sein Blut dazu verwenden.
Da ward nachgebild't gefunden
Jede Qual an Füß' und Händen.
Christi Leiden mußt', o Holde,
In der Hütte dich umgeben;
Die kein' andre Nahrung wollte,
Was sein heilig Mahl nicht zollte,
Und zum Lager dürre Reben.

Auf der Pilgrimschaft

Jungfrau, ewig Braut am Throne
Dessen, der vor allen Zeiten
Dich zum Troste uns bereiten
Wollte, für des Lebens Frone.
Du des heil'gen Gartens Krone,
Hohe Perle, so uns bliebe,
Quell der gottgeweihten Triebe,
Strahlenglanz der ew'gen Liebe,
Du, von der Gott selber schriebe,
Königin dich hieß zum Lohne.
Teure Zuflucht für Entfloh'ne,
Milder Ölbaum reich an Früchten,
In des Schatten wir uns flüchten,
Da der Friede selig wohne.
Deiner Glorien lichte Krone
Wollte Salomo schon zeigen,
Engel feiern's in den Reigen;
[174]
Du, der sich die Himmel neigen,
Stumm die Schönsten alle schweigen,
Vor der Mutter mit dem Sohne.
Ach, wie spricht in sanftem Tone
Die hodsel'ge Heiterkeit,
Gnadenvolle Gütigkeit,
Daß sie freundlich unser schone.
In den Feldern von Sione,
Lilienblume hold verschlossen,
Frommer Demut Palm' entsprossen,
Die des Segens Füll' ergossen,
Uns gewaffnet mit Geschossen,
Allen Schrecken gar zum Hohne.
Lieb' entquillt aus jeder Zone
Dir, des Lebens neue Sonne;
Leuchtend Licht, das uns, o Wonne,
Neu erschuf im ird'schen Tone!
Herrin! ach was sind wir ohne
Deine süße Huld zu achten?
Wenn wir gleich die Pein verlachten,
Wird die Schuld uns trüb umnachten,
Wenn es nicht die Augen machten,
Lichter Hoffnung Chalcedone.
Schau herab von deinem Throne,
Königin, zu der wir trachten,
Unsern Feind durch dich verachten,
Jeden Schmerz in Frieden brachten,
Ende du mein tiefes Schmachten,
Daß ich selig bei dir wohne.

Vom Leiden Christi

Erd' und Himmel sich beklagten,
Trübe war das Licht verborgen,
Wütender das Meer zu brüllen
Wälzte dunkel seine Wogen,
Als der hohe Welterlöser,
An dem Kreuze bald gestorben,
Worte, würdig heißer Tränen,
Also sagte, wie sie folgen:
»Nun, o Herr, in deine Hände
Sei anjetzt mein Geist befohlen.«
[175]
O unsäglich tiefe Trauer,
Unvergleichbar bittre Lose,
Daß der unerschaffne Schöpfer
Selber zum Geschöpf geworden,
Um dieselben zu erretten,
Die ihm gaben Tod zum Lohne!
Nur du seine hohe Mutter,
Reiner Jungfrau'n heil'ge Krone,
Du allein vom Trost entkleidet,
Magst es sagen, Freudenlose!

Lied

Da nun tot der Herr des Lebens,
Der mein Sohn,
Sei der Tod das Ziel des Strebens,
Und mein Lohn.
Mutter ward ich wie noch keine,
Ohne Sorg' und ohne Schmerzen,
Die ich jetzo erst beweine,
Seit sie doppelt mir im Herzen,
Doppelt Leiden mir gegeben
Um den Sohn,
Daß im Tod der Herr des Lebens
Ist entflohn.
Weil viel Tod ist überwunden
Durch des Einen bittres Sterben;
Drum muß billig für die Wunden
Viele Tod' ich Eine sterben,
Und es schickt den Trost vergebens
Von dem Thron,
Zu mir her das Licht des Lebens,
Für den Sohn.
Vöglein, die ihr fliegt in Reihen,
Tiere, wandelnd auf den Weiden:
Sagt, warum wollt ihr nicht schreien,
Mich zu trösten in den Leiden?
Der allein kein Trost gegeben,
Weil entflohn
In den Tod der Herr des Lebens,
Der mein Sohn.

Notes
• Erste Frühlingsgedichte
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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Erste Frühlingsgedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D711-A