[210] Bekenntnisse

Der Heitre

Mädchen, Mädchen, laß dir sagen,
Wenn der Mund im Lächeln schwebt,
Wangen röter sie verklagen,
Busen sich neugierig hebt,
Will das Mädchen Liebe wagen.
Einen Wunsch nur kann ich geben:
Fühl' die Freuden immer neu;
Einen Rat, ihm nachzustreben:
Flieh' den Ernst und glaube treu,
Scherz der Lieb' ist schönstes Leben.
Götter scherzen mit der Welt,
Männer müssen handeln, siegen,
Fallen, wie das Schicksal fällt,
Keiner mag es überfliegen,
Wär' er auch der kühnste Held.
Schönheit darf zum Himmel schweben,
Frauen haben Götterrecht,
Leichtes Freudespiel zu weben,
Ernste Müh' geziemt dem Knecht;
Scherzend liebt, die frei will leben.
Andre Scherze welken bald,
Ohne Lieb'erwiderung,
Lassen einsam uns und kalt.
Liebe, ewig leicht und jung,
Fühlt sich trübe nie, noch alt.
Holde Lust geheimen Gebens,
Deine Rosen, süße Scham!
Bindet sie zum Kranz des Strebens;
Selbst ihr Gram ist linder Gram,
Scherz der Lieb' ist Ziel des Lebens.

Notes
Erstdruck in: Poetisches Taschenbuch für das Jahr 1806 von Fr. Schlegel, Berlin (Joh. Fr. Unger) 1806.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Der Heitre. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D8BB-6