§. 18. Spiele der Verdammten.

Als im Anfange noch das goldene Zeitalter waltete, spielten die Götter friedlich mit goldenen Tafeln und Würfeln auf Asgard, und wenn nach der Götternacht die goldne Zeit wiederkehrt, werden sie wieder mit goldnen Tafeln werfen auf dem Idafelde. Erinnerung hieran findet sich in den Sagen von den Spielen der Verdammten, welche mit goldenen Kegeln und Kugeln spielen. Wenn ferner die schlachtgefallenen Helden, die Einherjar, in Walhalla den Tag mit Kampfspiel und Tischgelag verbringen, so tönt auch jetzt noch Gleiches im Volke wieder, so ferne die Verdammten am Tische sitzen und zechen oder ihre Kämpfe erneuern. – Es ist der heidnische Himmel, dessen Nachklang in diesen Sagen durchbricht, der nun zur Hölle gesunken ist, und Vergangenheit mit Zukunft in Verbindung bringt.

1.

Oben am Böhmerwalde bey Büchersreut, wohin gar viele böse Geister vertragen sind, verirrte sich einmal ein Wanderer und ward dabey von der Nacht [141] überrascht. Plötzlich sah er ein wunderschönes Schloß vor sich stehen, die Fenster hell erleuchtet, und erfreut in der Hoffnung, eine Nachtherberge zu finden, trat er ein. Es kamen ihm da verschiedene Thiergestalten entgegen, Pudel mit ungeheueren Augen, große Katzen, zuletzt der Pförtner mit einem grossen Bunde Schlüssel: der führte ihn in einen grossen Saal, wo gezecht und gespielt wurde. Aber Karten, Würfel und Damenbrett waren von glühendem Eisen, ebenso Kugel und Kegel. Dazu ward schäumendes siedendes Bier kredenzt. Erschrocken rief der Wanderer: »Jesus, Maria und Joseph!« – und der Spuck war verschwunden. Aber er befand sich bis an die Knie im Waldsumpfe. Am Morgen erst half ihm Einer, der des Weges kam, heraus. – Es war der Ort der verbannten Geister, an welchem kein Thier vorüberzubringen ist.

2.

Einmal reitet Einer am Schwarzweiher vorbey, und da er auf dem Damme ein Haus stehen sah, hell erleuchtet, und Lärmen vernahm, wie von fröhlicher Gesellschaft, dachte er, hier könne er auch einen frischen Trunk mitnehmen, stieg ab, band das Pferd an die Thüre und trat ein. Da sah er Mehrere sitzen, darunter Einige, welche er als längst verstorben kannte. Darauf ging er hinaus in den Hof und sah, wie eine Menge Personen, von welchen er wieder Mehrere als bereits verstorben wußte, sich mit Kegelspiel unterhielten. Nun befiel ihn Angst. Eiligst geht er zur Thüre hinaus; sein Pferd war an einer Kronwittstaude angebunden. Er schaut um und das Haus war verschwunden.[142] So reitet er heim, legt sich nieder und stirbt.

3.

Dieselbe Geschichte wird als auf dem Schwarzenwürberg selbst vorgefallen erzählt. Der Müller ritt Samstag Nachts heim und gewahrte auf einmal eine schöne Strasse, der er folgte, bis er an einen Ort kam, wo Viele sassen, die er als schon verstorben kannte. Sie hoben ihn vom Rosse und banden dieses an eine Säule. Dann brachten sie ihm zu trinken. Er aber trank nicht, und das war sein Glück. Muschenried.

4.

Wieder reitet ein Müller vom Viehmarkte zu Rötz nach Hause. Da kam er zum Schwarzweiher, in den die verdammten Geister verbannt sind. Er sah ein Schloß herrlich dastehen, in voller Beleuchtung und drinnen Hexen und Druden tanzen, während Katzen aufspielten. Da wollte er auch einen Trunk thun, stieg ab und band seinen Gaul an den Ring eines Fensters. Wie er die Thüre des Zimmers öffnete, sah er an einem schwarzgedeckten Tische, auf dessen jedem Ecke eine schwarze Kerze brannte, viele »Herren« sitzen und Karten spielen; sie luden ihn ein, sich lustig zu machen, zu tanzen und zu trinken. Zwey davon erkannte er. Kaum aber hatte er drey Schritte in's Zimmer gethan, als ihn ein Grausen befiel; schnell trat er zurück, und hinaus und schloß die Thüre in Gottes Namen. Einer der Bekannten aber rief ihm nach: »Das hat dir ein guter Geist gerathen, sonst wärst du unser gewesen!« Draussen war Alles verschwunden, und der Gaul stand an einen Strauch gebunden.

[143] 5.

Einer ging von Neubäu nach Strahlfeld. In der Nähe des Schwarzenwürberges kam ein Anderer hinter ihm daher, der ihm zurief: »Heb die Füsse auf, es kommen Schmelchen!« Er kümmerte sich nicht darum. Da hob es ihn auf und führte ihn auf den Berg hinauf und in ein Zimmer, in welchem mehrere sassen und Karten spielten. Die Füsse hatten sie unter dem Tische in einem feurigen Kessel. Darunter war auch sein Vater. Voll Entsetzen ging er rücklings gegen die Thüre und hinaus. Der Vater aber rief ihm nach: »Es ist dein Glück, daß du rückwärts zur Thüre hinausgingst, sonst hättest du nicht mehr hinausgefunden!«

6.

Ein alter, armer, aber frommer Mann ging eines Abends von Winklarn nach Hause, und wie er auf das Frauensteinerholz zukömmt, hatte es ihn verführt. Wie er nun so geht, erblickt er plötzlich ein herrliches Gebäude vor sich, dessen Fenster alle erleuchtet waren, gleich als gäbe es ein grosses Fest. Er trat ein, und sah lauter festlich gekleidete Menschen, vornehmen Standes, im Zimmer: so getraute er sich nicht hineinzugehen, sondern setzte sich vor dem Thore auf eine Bank nieder, in der Absicht, wenn Jemand herauskäme, um Nachtherberge anzusuchen. Darüber verfiel er in einen tiefen Schlaf. Nicht lange, so weckte ihn heftiges Krachen und Zusammenstürzen, und er befand sich in einem Gewölbe, von Finsterniß umgeben. Allmälig erblickte er eine Helle, er ging darauf zu, gelangte so in's Freye und befand sich innerhalb der Trümmer der Burg Frauenstein. Schon war es Mittag. [144] Da wollte er, vor der Sonne sich zu schützen, in das Gewölbe zurück; es war nicht mehr zu sehen.

7.

Bey Tiefenbach ist eine Mühle, auf der es im Advente fürchterlich haust: man sieht dort schwarze Männer, welche mit glänzenden Kugeln um einander werfen.

8.

Auf dem Wege von Deggendorf nach Zwiesel ist ein Wald, in welchem sich ein sumpfiges Thal befindet, gleich einem Weiher, das Sauloch genannt. Viele Geister sind hineingebannt. – Ein böhmischer Geschirrhändler war einmal des Weges, verirrte sich im Walde und kömmt zu einem grossen Hause, mit schöner Kegelbahn. Der Gegend kundig hatte er gleichwohl nie Etwas davon gesehen oder gehört. Da waren viele vornehme Herren, welche Kegel schoben, um theueres Geld, und weil er so zuschaute, rief ihn Einer an, er solle aufsetzen. Auf einmal hörte er Gebetläuten, es war 4 Uhr Morgens. Da that es einen solchen Kracher, daß er vermeynte, es falle der Wald zusammen. Gerade wollte er den letzten Kegel aufsetzen. Da war Alles verschwunden, und er hatte den Kegel in der Hand, eitel Gold. Mit Mühe arbeitete er sich aus dem Sauloche – denn in dessen Mitte stand er – heraus und ward zum reichen Manne.

9.

Ein Amtsdiener war des Weges von Vohenstrauß nach Tirschenreut und hatte sich in die Nacht hinein verspätet. Er verirrte sich: da kam er an ein grosses Gebäude; die Fenster zeigten, daß Licht brannte und Leute auf wären. So zog er am Glockenstrang, [145] und ein grünes Männchen öffnete ihm und führte ihn in ein Zimmer, wo ihrer Zwölfe bey Bier und Kartenspiel sassen. Sie frugen ihn, woher er komme; er antwortete kurz: »Ich bin geschickt.« Dann boten sie ihm Essen und Trinken: er aber nahm nichts an, sondern setzte sich hinter den Ofen auf die Bank, sich zu wärmen. Das war sein Glück. Es schlug Mitternacht: da löschte das grüne Männchen die schwarze Kerze aus, fing die Herren am Tische in seine Arme zusammen und verschwand: der Bote aber saß an einer Mauer. Morgens erkannte er Flossenburg.

Mehrere wollten dort Schätze graben und liessen Einen aus ihrer Mitte am Seile in den Keller hinab: der sah unten an langer Tafel die vertragenen Geister in blauen Gewändern dasitzen und mit eisernen Karten spielen.

10.

Anderthalb Stunden von Bärnau, bey der Silberhütte, ist der Silberberg mit einem Walde: in letzterem befindet sich eine Hut, und auf dieser ein großer Stein, unter welchen ein Loch hineingeht. In der Höhle sitzen vier drinnen, und spielen mit eisernen Karten. Der Ort ist sehr gefürchtet und das Vieh fängt zu brüllen an, wenn es nahe hin soll.

11.

Jetzt noch kommen die Geister der alten Vehmritter im Schloßhofe zu Berneck bey Gefrees zusammen, um sich ihre Thaten zu erzählen: jeder will die größte vollbracht haben. Man hört sie in ihrer alten Mundart reden.

12.

Nahe an Pfatter ist eine kleine Anhöhe, Hüterberg [146] genannt. Da hört man die Geister Kegel scheiben. Ein Bube wollte das Spiel mit ansehen, ward aber versprengt und kam erst in acht Tagen heim, ohne zu sagen, was er erfahren.

Einer wollte sich in der Nähe hängen: schon am Stricke hörte er wunderschöne Musik aus der Anhöhe heraus und er war den Leuten, die ihn abschnitten, gar nicht dankbar dafür, daß sie ihn abgehalten, zu den Geistern mit der schönen Musik zu kommen.

Von solcher Geistermusik geht auch anderwärts die Sage. In der Weiherlohe, am südlichen Fusse des Schellenberges, hört man am Dreykönigsabende wunderschöne Hörnermusik, die bis zur Staralou oder Störenlohe tönt.

13.

Bey Dieterskirchen, am Sattelstein, der auch sonst verrufen ist, stand früher ein verwunschenes Schloß. Einer, sehr verwegen und Nichts fürchtend, wollte das Fürchten lernen, und bat den Wirth von Dieterskirchen, bey dem er diente, ihn auf's Schloß zu schicken. Dort kochte er sich und aß. Um eilf Uhr in der Nacht legt sich ein schwarzer Mann in's Bett. Sagte der Geselle, der noch am Tische über seiner Mahlzeit saß: »Magst keine Knödel, kannst mitessen!« Als er keine Antwort erhielt, stand er auf, und trat an's Bett, um sich niederzulegen. Da sagt er zum Geist: ruck! der aber hört nicht. So stößt er ihn auf die Seite hinüber und nimmt seinen Platz ein. Nun aber begann das Bett im Zimmer herumzurasen und warf ihn empor bis zur Decke, und dieses so lange, bis es Zwölfe schlug. Halbgebrochen, aber nicht mehr [147] beunruhiget, schlief er ein. In der zweyten Nacht ging es ebenso, wo nicht ärger; aber er fürchtete sich nicht. In der dritten endlich kamen ihrer Fünfe und brachten Kegel mit und Todenköpfe als Kugeln; er mußte nun mit ihnen kegeln, sollte aber mehr treffen, als sie Alle mitsammen; drey Schub durfte er thun. Der Hans aber schob sie Alle hin und traf das letztemal auch noch den König. Nun führten sie ihn hinaus in einen Gang und fielen mit ihm in eine Höhle hinunter. Da mußte er schmiden, und doch meynte er kaum den Hammer heben zu können. Glücklicherweise brachte aber der Oberste der Geister seinen Bart in den Schraubstock, und verlor seine Stärke; gewaltig schlug nun der Geselle auf ihn ein, bis er um Schonung bat. Sie ward ihm und damit die Erlösung, dem furchtlosen Hans aber Alles, was an Schätzen da lag. Das Schloß verschwand, und der Hans stand allein und kehrte mit seiner Beute heim, und gab als Zehent den Armen den vierten Theil.

14.

Am Dreyfaltigkeitsberge vor Regensburg ward eine grosse Schlacht geliefert: zeitweise stehen die gefallenen Krieger auf aus ihren Gräbern und erneuern den Kampf.

15.

Auf der Gaissenwiese bey Waldthurn sieht man um Mitternacht zwölf Geister mähen.

16.

Am Kürberge, unweit Stamsried, sieht man noch zeitweise die alten Ritter sich gegenseitig bekämpfen, und in der Burg zu Rieden fünf Reisige in Pickelhaube und Panzer im Boden graben.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 18. Spiele der Verdammten. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DEF1-5