657. Das Siebenuhrläuten in Aub.

Mündlich.


Unweit Aub liegt am Saume des Waldes Herrnholz auf einem von Westen her sanft aufsteigenden Hügel die Ruine der Burg Reichelsberg. Hier hauste in früheren Zeiten ein altes Rittergeschlecht, und noch sieht man die Stelle der Zugbrücke, der Burgkapelle, den Burghof, Gewölbe u.s.w. Nach der anderthalb Stunden entfernten Burg Brauneck, sowie nach Hohenlandsberg sollen unterirdische Gänge geführt haben.

Einmal in rauher Winternacht stieg ein Burgfräulein von Reichelsberg hinunter in den Wald, wo ein geliebter Ritter ihrer harren wollte. Sie verirrte sich aber vom Wege und fand den Erwarteten nicht. Dichte Schneeflocken flogen vom Himmel, so daß endlich keine Spur vom Wege mehr zu erkennen war. Da wurde die Arme von großer Angst und Furcht überfallen und rief ein um das andere Mal um Hilfe. Aber nichts ließ sich hören, selbst die Thiere des Waldes hatten sich in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen, denn der Sturm heulte fürchterlich und beugte die Wipfel der mächtigsten Bäume. Da warf sich das verlassene Fräulein in ihrer Seelenangst auf den schneebedeckten Boden und flehte unter den heißesten Thränen zu Gott um Errettung aus so großer Gefahr. Während sie noch betete, da kam es ihr auf einmal vor, als hörte sie den Silberklang eines Glöckleins, das von einem nahen Dorfe zu ihr herübertönte! Freudig horchte sie, ob nicht der Sturm ihren Sinn betrüge, aber nein, es war wirklich so: das Glöcklein ließ fort und fort seine Silberstimme erklingen. Freudigen Mutes ging die Jungfrau den süßen Tönen nach und gelangte bald aus dem dunkeln Walde zur Gollach, an deren Ufer sich der Reichelsberg erhob. Da hörte das Glöcklein auf zu läuten, die Jungfrau war gerettet, denn jetzt konnte sie den Weg nicht [205] mehr verfehlen. Dankbaren Herzens warf sie sich auf ihre Knie und gelobte zur Stunde, ein Geläute zu stiften, das verirrte Pilger zur Nachtszeit auf den rechten Weg führen könnte. Und solches Gelübde hat sie treulich erfüllt; noch heute ertönet vier Wintermonate hindurch von Martini bis zum 22. Februar allabendlich um 7 Uhr eine Viertelstunde lang ein helles Glöcklein vom Kirchthurm zu Aub herab über die Fluren des Gollachthales, späte Wanderer auf rechten Weg zu führen.

Diese Sage ist nicht allein hier, sondern auch in der Nachbarschaft mit einigen Veränderungen im Munde des Volkes lebendig.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Zweiter Band. 657. Das Siebenuhrläuten in Aub. 657. Das Siebenuhrläuten in Aub. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F920-3