[13] [1]Eingang zu diesem Büchlein/
Trutz Nachtigal genant

1.
Wan morgenröth sich zieret
Mit zartem rosenglantz/
Vnd sitsam sich verlieret
Der nächtlich Sternentantz:
Gleich lüstet mich spatziren
In grünen Lorberwald:
Alda dan musiciren
Die pfeifflein mannigfalt.
2.
Die flügelreiche schaaren/
Daß Federbürschlein zart
In süssem Schlag erfahren/
Noch kunst noch athem spart:
Mit Schnäblein wolgeschliffen
Erklingens wunder fein/
Vnd frisch in Lüfften schiffen
Mit leichten rüderlein.
3.
Der hole Waldt ertönet
Ab jhrem kraussen sang:
[1]
Mit Stauden stoltz gekrönet
Die Krussten geben klang:
Die Bächlein krumb geflochten
Auch lieblich stimmen ein/
Von Steinlein angefochten
Gar süßlich sausen drein.
4.
Die sanffte Wind in Lufften
Auch jhre Flügel schwach
An Händen/ Füß/ vnd Hüfften
Erschüttlen mit gemach:
Da sausen gleich an Bäumen
Die lind gerührte Zweig/
Zur Music sich nit säumen;
O wol der süssen streich!
5.
Doch süsser noch erklinget
Ein sonders Vögelein/
So seinen Sang vollbringet
Bey Mon- vnd Sonnenschein.
Trutz-Nachtigal mit namen
Eß nunmehr wird genant/
Vnd vielen Wildt- vnd Zahmen
Obsieget vnbekandt.
6.
Trutz-Nachtigal mans nennet/
Ist wund von süssem Pfeil:
[2]
Die lieb eß lieblich brennet/
Wird nie der Wunden heil.
Gelt/ Pomp/ vnd Pracht auff Erden
Lust/ Frewden eß verspott/
Vnd achtets für beschwerden/
Sucht nur den schönen Gott.
7.
Nur klinglets aller Orten
Von Gott/ vnd Gottes Sohn;
Vnd nur zun Himmelpforten
Verweisets allen thon:
Von Bäum- zun Bäumen springet/
Durchstreichet Berg/ vnd Thal/
Im Feldt vnd Wälden singet/
Weiß keiner Noten zahl.
8.
Es thut gar manche Fahrten/
Verwechßlet Ort/ vnd Lufft:
Jetzt findet mans im Garten
Betrübt an holer Klufft;
Bald frisch vnd frewdig singlet
Zusampt der süßen Lerch/
Vnd loben Gott vmbzinglet
Den Oel- vnd andren Berg.
9.
Auch schwebets auff den Waiden/
Vnd wil beyn Hirten sein/
[3]
Da Cedron kombt entscheiden
Die grüne Wisen rein;
Thut zierlich sammen raffen
Die Verßlein in bezwang/
Vnd setzet sich zum schlaffen/
Pfeifft manchen Hirtensang.
10.
Auch wider da nit bleibet/
Sichs hebt in Wind hinein/
Den lären Lufft zertreibet
Mit schwancken Federlein:
Sich setzt an grober Eichen/
Zur schnöden Schedelstatt;
Wil kaum von dannen weichen/
Wird Creutz/ noch peinen satt.
11.
Mit jhm wil mich erschwingen/
Vnd manchem schwebend ob
Den Lorber-Crantz ersingen
In deutschem Gottes lob.
Dem Leser nicht verdriesse
Der zeit/ vnd Stunden lang:
Hoff jhm es noch erspriesse
Zu gleichem Either-sang.

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TextGrid Repository (2012). Spee, Friedrich. Gedichte. Trutznachtigall. Eingang zu diesem Büchlein. Eingang zu diesem Büchlein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1243-6