525.

a.

»Vechta (Stadt) hat seinen Namen erhalten von dem Sachsenkönige Vechta, dem Sohne des Bodo, welcher nach dem Tode des Arminius Führer der Sachsen war. Dieser Vechta war der zehnte Sachsenkönig und lebte vor Wittekind, unter dem um das Jahr 800 n. Chr. die Sachsen und damit auch Vechta zum Christentum bekehrt wurden.« (Notiz des Vechtaer Pastors Dr. Knoop (1674-86) im Lagerbuch der kath. Pfarre Vechta.)

b.

In früheren Jahren bestand in der Stadt und im Amte Vechta die Gewohnheit, einmal im Jahre die Grenzen der Marken zu begehen, und man nannte diesen Rundgang Snatgang Das gab für einige Bauerschaften eine besondere Festlichkeit. Eine Tonne Bier und Weißbrod und Kuchen wurde mit rund gefahren, auch die kleinen Knaben aus dem Dorfe mitgenommen. Bei jedem Grenzzeichen – Kreuzkuhle – wurde Halt gemacht, Bier getrunken und Kuchen und Weißbrot unter die Knaben verteilt. Sobald aber die Knaben ihre Geschenke erhalten hatten, liefen sie fort, denn wer eingeholt wurde, bekam Schläge. Dies wiederholte man bei jeder Kreuzkuhle. Es geschah aber, damit die Knaben später, wenn es etwa zu einem Grenzstreite käme, die Kreuzkuhlen fest im Gedächtnisse [308] hätten und sagen könnten: »Hier an dieser Stelle habe ich Kuchen und Schläge bekommen.« In anderen Bauerschaften wurde Bier und Musik mitgenommen und bei jeder Kreuzkuhle ein Feuer angemacht, getrunken und getanzt; die Kohlen aber wurden zuletzt in die Grube geworfen. Als daher vor einigen Jahren Streit um eine Markengrenze war, weil die Kreuzkuhlen nicht sicher aufzufinden waren, sagte ein alter Mann, sie sollten an den zweifelhaften Stellen nach graben: wenn es die rechten seien, müßten Holzkohlen darin liegen. Wieder in einer andern Bauerschaft gingen die jungen Leute gleichfalls mit; bei der ersten Kreuzkuhle wurde getrunken, und dann mußten zwei von den Jungen nach der nächsten Kreuzkuhle laufen; wer zuerst kam, erhielt ein Geschenk; traf einer aber die Kuhle nicht in grader Richtung, so wurde er doppelt gestraft und obendrein ausgelacht. Abends aber wurde getanzt. Tages vor dem Snatgang mußte in einigen Bauerschaften einer durch das Dorf laufen und vor jedem Hause rufen: »Morgen werd Snat goahn!« Wurde er dabei gestört, oder begegnete ihm ein altes Weib, oder ein Hase lief über den Weg, so mußte er gleich wieder um und rufen: »Morgen werd nin Snat gahn!« und er mußte die Ansage so oft wiederholen, bis sie glücklich ablief.

c.

Nach dem Tode des letzten Grafen Otto von Ravensberg lebte dessen Witwe Sophia mit ihrer Tochter Jutta auf der Burg zu Vechta. Jutta war nicht schön, aber reich, und ihr Reichtum zog manche Bewerber um ihre Hand herbei. Unter diesen zeigte sich auch der junge Graf Konrad von Diepholz. Dem war es aber wohl mehr um die gute Tafel, als um die Hand Juttas zu tun, und da gerade Jutta ihm den Vorzug gab, spottete er hinter ihrem Rücken über ihren Mangel an Schönheit und ihre Leichtgläubigkeit. Dies ward den Frauen hinterbracht. Da stellte ihn eines Tages Gräfin Sophia zur Rede, und als er zwar seine Liebe beteuerte, aber gegen eine baldige Hochzeit allerlei Ausflüchte vorbrachte, führte ihn die Gräfin in ein Zimmer, das war schwarz behangen, und in der Mitte lag ein Sandhaufen, daneben standen ein Priester, ein Scharfrichter und einige bewaffnete Knechte. Der Priester mußte Konrad zum Tode vorbereiten, worauf der Scharfrichter demselben den Kopf abhieb. Vater und Bruder des Enthaupteten sammelten ein Heer, um ihn zu rächen. Gräfin Sophia wandte sich an ihre Lehnsleute und Burgmänner, und da diese wegen der Untat [309] wenig zur Hülfe geneigt waren, bot sie ihre Grafschaft dem Bischof zu Osnabrück an. Der aber fürchtete die Macht der Grafen von Diepholz und schlug das Anerbieten aus. Da sagte die Gräfin: »Will Peter nicht, Paul wird schon wollen« (Apostel Paulus ist Patron des Stiftes und der Diözese Münster), und wandte sich an den Bischof von Münster, der ihr Schutz gewährte und dafür die Grafschaft erhielt. (Nach Nieberding in den Mitteilungen des Histor. Ver. zu Osnabrück, Bd. III., S. 37.)

d.

Auf dem Vechtaer Esch, an der Chaussee nach Oldenburg, steht ein Birnbaum, der eiserne Birnbaum genannt. Weder Blitz noch irdisches Feuer können den Baum vernichten. Der Blitz hat den Baum von der Krone bis zur Wurzel gespalten, aber beide Hälften grünten weiter. Der Besitzer hat Feuer an und um den Baum gelegt, aber das Feuer wollte nicht fassen, und der Baum blieb am Leben. Der Baum ist schon über 300 Jahre alt und hat schon Wallensteins und Tillys Scharen an sich vorbeiziehen sehen, und von dem Platze unter dem Baume aus haben die Schweden Vechta beschossen, während in der Krone des Baumes einige von ihnen saßen, um die Wirkung der Geschosse zu beobachten. In der Sankt Georgenkirche sitzt noch eine der Kugeln, welche die Schweden der Stadt zuschickten. (Im Mai 1647 wurde Vechta vom schwedischen General Königsmark belagert. Darüber sagt Driver in seiner Geschichte des Amtes Vechta, Seite 94: »In dieser Belagerung wurde die Pfarrkirche sehr beschädigt, wovon die oben im Gesimse derselben liegende Bombe Zeugin ist.«)

e.

Auf den Gründen, die jetzt zu der Stadt Vechta gehören, befand sich ehemals ein Gut Falkenrott, welches von dem Obersten Sprengepiel, einem Freischarenführer im dreißigjährigen Kriege, bewohnt wurde. Auf der alten Burgstelle soll ein Schatz vergraben sein. Sprengepiel war ein Schwarzkünstler und mit dem Teufel im Bunde. Dafür muß er in Vechta und weiter Umgebung umgehen, meist in Gestalt eines schwarzen Hundes. S. 179u, 183o, 204p, 550a, 261a. – Am Wege zum Falkenrott, nicht weit von der Stelle, wo ehedem die Burg stand, lag bis vor wenigen Jahren ein quadratförmig behauener Kieselstein, dessen vordere Fläche ein menschliches Antlitz in Relief zeigte. Der Stein ist dem Museum in Oldenburg überwiesen. Von diesem Stein erzählte [310] man, daß der Kopf sich zur Abendzeit in einen Menschen verwandte, der in weißen Kleidern und mit einem blauen Lichte in der Hand auf dem Wege hin und her ging. Kam jemand des Weges, so legte der Spuk sich am Wegesrande nieder und biß den Vorübergehenden in die Beine.

f.

Im städtischen Tannenkamp liegt der Galgenberg. Die letzten dort Hingerichteten sind drei Diebe aus Harpendorf in der Gemeinde Steinfeld gewesen. Der jüngste darunter hat um die Vergünstigung gebeten, zuerst gehängt zu werden, um aus der Qual herauszukommen. Dem Wunsche ist stattgegeben. Als dann der zweite am Galgen gebaumelt hat und die Henker daran gegangen sind, dem dritten den Strick um den Hals zu legen, kommt plötzlich ein Eilbote mit der Nachricht, daß der jüngste Dieb vom Landesherrn begnadigt sei.

g.

Am Wege nach Lohne hinter dem Pensionat Marienhain steht ein Kreuz. Man nennt das Gebiet dort»Zum hungrigen Wolf.« Ein Mann hat hier früher gewohnt, der aus dem mageren Boden nicht so viel zog, daß er seinen Hunger stillen konnte und so erhielt sein Besitztum die Bezeichnung »Zum hungrigen Wolf.« Von der Wohnung ist keine Spur mehr vorhanden. – Hinter dem Tonnenmoor durchbricht die Landstraße einen Höhenzug, hier Kreuzberge genannt, weil dort früher zwei Kreuze gestanden haben. Diese sind stets vom Blitze getroffen, und man hat schließlich die Aufstellung neuer Kreuze aufgegeben. Man erzählt von den Kreuzbergen, daß sich daselbst früher Wegelagerer aufgehalten und Passanten angefallen haben. Einst haben die in den Kreuzbergen hausenden Räuber jemand unter Drohung aufgefordert, 1000 Taler an einem Orte im Tonnenmoor niederzulegen. Das Geld ist an den verlangten Platz gebracht, aber zugleich haben sich handfeste Leute in der Nähe auf die Lauer gelegt, um die Erpresser abzufangen. Da kommt plötzlich ein Priester des Weges, der einem Kranken die letzte Wegzehrung bringen will. Der voraufgehende Küster sieht den Beutel mit Geld am Wege liegen und macht den Geistlichen dar auf aufmerksam. »Nimm ihn mit«, entgegnete dieser, »damit wir ihn morgen dem Verlierer ausliefern.« Der Küster schiebt den Beutel in die Tasche und beide gehen ihres Weges. Die Aufpasser denken, das Geld befinde sich in guten Händen. Die Räuber bleiben aus, und als man am folgenden Tage Erkundigungen einzieht, ist kein Kranker nah und fern anzutreffen, auch [311] weiß niemand vom einem Versehgang. Der Geistliche und Küster waren die Räuber gewesen.

h.

Vor dem Bremer Tor an der Landstraße nach Langförden liegt der Kuhmarkt. Als eine in der Stadt wütende Seuche die Abhaltung des uralten Maria-Himmelfahrtsmarktes unmöglich gemacht hat, hat man den Markt nach dem Platze verlegt, der jetzt noch Kuhmarkt genannt wird. Von dort ist er nach der Westerheide verlegt und heißt seitdem Stoppelmarkt.

i.

In der Nähe der Lüscher Straße ungefähr dem Bergkeller gegenüber an der Lohner Landstraße steht ein sogenanntes Marterle. Zwischen Leuten, die vom Stoppelmarkt gekommen sind, ist dort ein Streit ausgebrochen und ein Mann aus Damme dabei erschlagen. (Die Sterberegister der Pfarre Vechta wissen von dem Fall nichts.)

k.

Der Weg von Welpe nach Füchtel führt über dieTheklabrücke. Eine alte Erle neben der Brücke trägt nämlich das Bild der hl. Thekla. Auf den Weiden in der Nähe sind einst neun Stück Rindvieh an einer Seuche verendet, daraufhin hat der Besitzer von Füchtel das Bild der hl. Thekla dort angebracht. Andere sagen, bei der Theklabrücke sei einst eine ledige Frauensperson mit dem Vornamen Thekla ertrunken, worauf ein Füchteler Domherr das Bild gesetzt habe. (Brüder des Junkers zu Füchtel, die anderswo Domherrnstellen inne hatten, weilten oft längere Zeit auf dem Gute.

l.

Geht man des Weges von der Sekenkapelle nach dem Gute Welpedann, sieht man zu Eingang des Gutes an der rechten Seite des Weges eine Burganlage, ein Viereck, umgeben von einem tiefen Graben. Die Altertumsforschung hat sich nie damit beschäftigt. Eingeweihte wollen wissen, oldenburgisches Militär, das bis 1843 in Vechta lag, habe zwecks militärischer Übungen diese Burganlage geschaffen, die Leute aus der Umgebung sprechen ihr ein längeres Alter zu und verlegen die Entstehung in die Zeit der Sachsenkriege oder des dreißigjährigen Krieges.

m.

Am Abhange des Langenberges zur Rechten der Landstraße, welche von Vechta nach Diepholz führt, steht in der Heide ein großer Findling, »Dowe Dirk« genannt: 187d. Er hat die Aufschrift St. V. (Stadt Vechta), weil er ehemals ein Grenzstein war, der die Brägeler und Vechtaer Mark von einander schied.

[312] n.

Spuk im Kitzschen Hause: 180g; im Grünenmoor: 183o; im Gasten- oder Gerstenmoor: 194a; auf dem Esch: 182r. Vgl. auch 113c, 264. – Wie der Name des Gutes Welpe entstanden: 152 e. – Gesichte von einer Schlacht bei Vechta: 152k, o.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 525.. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2586-C