[92] Die Verschmähte

»Die Liebe suchet nicht das Ihre.« 1. Kor. 13.


Und wäre mir kein Freudenkranz erlaubt,

So wollt' ich mich anstatt des Kranzes schmücken

Mit dem Gefühl, auf ein geliebtes Haupt

Mit sanfter Hand den Kranz des Glücks zu drücken.

Rückert.

Die kleine Luise

Wenn junge Fräulein aus der Stadt, die das Pfarrleben nur aus Voß' Luise und aus ihren eigenen Illusionen kannten, hie und da einen Nachmittagspaziergang in das Pfarrhaus zu W. machten, wenn sie in der Gartenlaube Kaffee tranken und frische Butter genossen, so fühlten sie sich so recht durchdrungen vom Frieden des Landlebens und priesen Luise, das Pfarrtöchterlein, glücklich, daß sie immer an diesem freundlichen Aufenthalt, dem Staub und Gezänk der Städte fern, verweilen durfte. Luise sah sie dann wohl etwas verwundert aus ihren freundlichen Augen an und besann sich, ob wohl diesen jungen Mädchen, die nur für ihre Ausbildung und für ihr Vergnügen lebten, der Tausch auch in die Länge gefallen würde. Sie selbst kam sich dann recht undankbar vor, daß sie dies gepriesene Glück bis jetzt nicht höher geschätzt hatte, und griff noch viel frischer und unverdrossener ihre mannigfaltigen Pflichten an, von denen die Fräulein wohl gar keine Vorstellung hatten.

Luise war das älteste Kind des Pfarrers und hatte ihre Mutter kaum gekannt. Ihr Vater war so angegriffen worden von dem Tode seiner Frau, daß er es für seine Pflicht hielt, als Hausvater, der sich den Seinen erhalten müsse, so viel als möglich für seine Erholung und Zerstreuung zu tun. Die Aufsicht über den verwaisten Haushalt hatte Jungfer Dore, eine entfernte Verwandte des Pfarrers, übernommen; eine zänkische Person, die Luise spinnen und stricken lehrte und der im [92] übrigen sie und die zwei kleinen Brüder überall im Wege waren. Die Kinder bemerkten auch oft gar bedenkliche Zustände an ihr, zumal wenn sie Kellergeschäfte besorgt hatte; sie zogen sich dann scheu in eine Ecke des Zimmers oder des Gartens zurück. Luise machte ihnen Berge von Sand und Nestchen von Heu, oder sie tummelte sich mit ihnen auf dem Rasenplatz des alten Kirchhofes. Die Kinder wurden nicht geplagt, sie hatten nicht Mangel zu leiden; aber der Druck, der auf einer freudlosen Heimat liegt, senkte sich schwer auf ihre jungen Seelen.

Da kam Tante Jette, eine entfernt wohnende Schwester des Pfarrers, zum Besuch und entdeckte mit Entsetzen die unordentliche Wirtschaft der Jungfer Dore. »Christian,« sagte sie dem Pfarrer mit Entschiedenheit, »es hilft alles nichts: du mußt wieder heiraten, dein Haus und deine Kinder gehen zu Grund.« – »Ich glaube es selbst,« sagte dieser ergeben; »ich habe lange schon gemerkt, daß es nicht recht im Hause zugeht, und aus lauter Verdruß und Mitleid mit den armen Kindern mochte ich gar nicht mehr daheim bleiben. Wenn du mir ein taugliches Frauenzimmer weißt ...«

Die Tante blieb vorderhand da; Jungfer Dore wurde entlassen, was den Kindern nicht leid tat, obgleich sie von der heulenden Zärtlichkeit überrascht waren, mit der sie beim Abschied sie umarmte. Sie wurden gründlich gewaschen und bekamen neue Kleider, und bei jeder vorkommenden Unart pflegte die Tante zu seufzen: »Aber um Gottes willen, was wird dazu eine Stiefmutter sagen!«

Eines Tages wurden Haus und Kinder besonders schön geputzt, Gugelhopfen gebacken und der Kaffee viel heller als gewöhnlich geröstet. Die Tante ermahnte die Kinder, sich ordentlich aufzuführen: »Es kommen Besuche; da müßt ihr hübsch freundlich und artig sein, und wenn ein Fräulein mit euch redet, so seid nur nicht so dumm schüchtern. Ihr dürft auch ein Späßchen machen und zu ihr sagen: ›Sei du unser Mütterlein!‹ Das wird sie freuen, und ich geb' euch dann nachher Kuchen.« – »Aber unsre Mutter ist ja tot,« meinte Luise; [93] »und Stiefmütter sind bös,« sagte der kecke Fritz. – »Schweig, naseweiser Bube!« schalt die Tante. »Ihr dürft ja froh sein, wenn der Vater wieder eine brave Mutter für euch bringt! Theodor ist gewiß artig und kann ganz nett Mutter sagen zu dem Fräulein, das bin ich gewiß.«

Nun, die Besuche kamen. Es war eine Bekannte der Tante, eine wohlhabende Kaufmannswitwe der nahen Stadt und ihre Tochter, eine sehr stattliche, elegante Dame von etwa achtundzwanzig Jahren. Die Mama sah sich recht gehörig in allen Räumen des Hauses um und ließ sich beim Kaffee von der Tante alle Zehent- und sonstigen Verhältnisse der Pfarrei gründlich auseinandersetzen; der Pfarrer unterhielt sich mit der Tochter, die trotz der großen Sicherheit ihres Benehmens doch hier etwas verlegen schien und sich zuletzt zu den Kindern wandte, die von Luisen beaufsichtigt an einem Kindertischchen in der Ecke saßen. »Die Kleine hat schöne blaue Augen,« sagte Fräulein Amalie, als sie Luisens stillem, aufmerksamem Blick begegnete, »und sieht verständig aus;« – »und recht gutmütig,« fügte ihre Mama hinzu. – »Das sind alle drei,« bestätigte die Tante, »das ist in unsrer Familie.« Fritz verstand dunkel die bedeutungsvollen Blicke der Tante, und ihrer Ermahnungen zur Zutraulichkeit eingedenk, zeigte er Amalien sein Bilderbuch und fragte: »Gelt, das ist schön?« – »Jawohl, ihr habt viel schöne Sachen,« sagte Amalie. – »So bleib du eben da und sei unser Mütterlein!« stieß Theodor ziemlich überraschend heraus und blickte dann triumphierend nach der Tante und nach dem Kuchen. Amalie wurde rot, Tante und Mama stießen sich an. »Wie wunderbar,« meinte die letztere. – »Sichtbar Gottes Finger,« sagte die Tante.

Nun wurde noch ein Spaziergang durch den Garten gemacht, bei dem die Kinder entbehrlich waren; Theodor rühmte sich sehr seiner Heldentat, und Fritz sah etwas neidisch auf das größere Stück Kuchen, das er zum Lohn dafür erhalten; Luise aber machte sich in ihrem sechsjährigen Köpfchen ihre eigenen stillen Gedanken.

Nicht gar lange nach diesem Besuch wurden wieder festliche [94] Anstalten im Pfarrhaus getroffen, nicht nur Gugelhopfen, sogar Biskuit und Zimtsterne gebacken. Das Fräulein kam wieder, viel schöner geputzt als damals, und der Pfarrer stellte sie den Kindern als seine Braut und ihre künftige Mutter vor. Sie brachte Luisen, die seither noch Trauer um die Mutter getragen hatte, ein Rosakleidchen mit, den Knaben Trommel und Gewehr, und küßte die Kinder; die Tante sagte ihnen, daß es ein großes Glück für sie sei, eine so gute Mutter zu bekommen, und es war eine Freude und Herrlichkeit.

Als nun bald darauf die Hochzeit gefeiert wurde, als man die alten geweißten Zimmer tapezierte und die neue Mutter mit vielen neuen und schönen Sachen einzog, da ging es der kleinen Luise eigen. Sie mußte viel mehr an die verstorbene Mutter denken als zuvor: wie sie an dem Arbeitstischchen am [95] Fenster gesessen, die Kinder auf Schemeln zu ihren Füßen; wie man sie am letzten Tag noch zu ihr gebracht, wo sie so bleich auf ihrem Bett gelegen war und ihnen nur stumm die Hand gegeben hatte, und wie sie nachher mit dem toten Brüderlein im Arm ganz unter Blumen im Sarge gelegen. Sie konnte darüber mit niemand sprechen, konnte auch nicht sagen, wie es ihr weh tat, als man das alte runde Tischchen der Mutter in eine obere Kammer trug und dafür einen eleganten Arbeitstisch mit gedrehten Füßen ans Fenster stellte. Aber sie war ein Kind und freute sich auch wieder wie ein Kind an allem Neuen: an den tapezierten Zimmern, den schönen Möbeln und auch an der neuen Mutter.

Gar zu viel konnten sie nun diese freilich nicht genießen; die junge Frau versicherte den Pfarrer mit angenehmer Heiterkeit, daß sie nicht aufs Land gezogen sei, um daheim einzurosten: da wurden denn kleine Reisen zu Verwandten und zahlreiche Besuche in der Nachbarschaft gemacht und erwidert. Die Kinder hatten gar nichts dagegen, da stets etwas Gutes für sie dabei abfiel und sie auch zu Anfang öfters mitgenommen wurden; auch erbaute sich jedermann an der Zärtlichkeit der jungen Stiefmutter gegen die Kinder, namentlich gegen Theodor, der gar ein netter Junge war. Mit der Zeit wurde es freilich lästig, die Kinder mitzuschleppen; auch bekam Theodor einen Ausschlag um den Mund, mit dem man ihn nicht gut sehen lassen konnte. Man ließ ihn daheim und die andern ihm zur Gesellschaft.

So saß denn Luise wieder mit den Brüderlein zusammen im Grasgarten oder in der Zimmerecke, tröstete den ungeduldigen Theodor, den die Mama nicht mehr gern bei sich hatte, weil ihr sein Aussehen Ekel einflößte, und erzählte den beiden Geschichtchen, – sie war wie ein kleines Mütterlein mit den Brüdern, noch ehe sie sieben Jahre alt war.

Da kam zu großem Jubel der Kinder ein neues Schwesterchen zum Vorschein. Die Wärterin aus der Stadt, die angekommen war, ließ die kleinen Bursche aber nicht ins Wochenzimmer; nur Luise durfte dableiben, das Schwesterlein wiegen, [96] der Mutter die Fliegen wehren, die kleinen Hemdchen vom Trockenplatz holen, sie machte sich gar brauchbar, die kleine Luise; aber die Brüder seufzten unaufhörlich nach ihr und kamen in sehr verwilderten Zustand.

Die Mama war wieder auf und lebte ihrer Erholung; Luise führte das Kind im Wägelchen in den Grasgarten, lachte und sang ihm vor, wenn es weinen wollte, und auch die kleinen Zigeuner von Brüdern ließen sich wieder blicken. Die Mama fand es entsetzlich, daß es auf dem Dorf keine Kleinkinderschule gebe, wo man so unmüßige Bursche aufheben könne. Als nun im nächsten Jahr der Abwechslung halber ein neues Brüderlein gekommen war, da fand sie es unumgänglich nötig, die Buben in einem guten Kosthause unterzubringen, wo sie unter beständiger Aufsicht seien. Der Pfarrer meinte, sie seien doch noch gar zu jung; aber die Frau sagte mit großer Bestimmtheit: »Ich habe Mutterpflichten für diese Kinder übernommen und muß für ihr Bestes sorgen, auch wo es Opfer kostet. Du siehst, ich lasse Luise nicht von mir und wollte gern das Äußerste tun; aber alles ist mir leider nicht möglich, meine armen Kleinen haben doch auch einiges Anrecht an mein Mutterherz.« Die Frau blickte mit nassen Augen auf die zwei armen Kleinen, die eben von Luise und dem Kindermädchen zur Ruhe gebracht und gehätschelt wurden, und der Pfarrer willigte seufzend ein.

Die Pfarrerin wurde eine wahre Löwin von Mutterliebe für die zwei Knaben, sie ließ Schneider und Nähterinnen kommen, um ihre allerdings sehr verwahrloste Garderobe herzustellen: gesunde, neue Stücke auf Knie und Ellbogen, die den verblichenen Gewändern wieder ihre Jugendschöne vortäuschten. Sie ließ sich nicht nehmen, die Knaben selbst zu der Frau Präzeptorin zu bringen, die sie in Kost nehmen sollte; sie gab dieser geplagten Frau, die achtzehn Kostgänger neben sechs eigenen Kindern auf mütterlichem Herzen tragen sollte, die allerumständlichste Anweisung, wie der Charakter und die Garderobe ihrer Kinder zu behandeln seien; sie empfahl sie ihr zehnfach zu bester Aufsicht und Pflege und wurde[97] über ihre eigene Muttertreue so gerührt, daß sie Tränen vergoß. Dem Pfarrer wurde das Herz gar schwer, als er die armen kleinen Bursche in fremdem Hause zurücklassen mußte; aber er erfuhr auf dem Heimwege noch so viele und gründliche Beweise von der mütterlichen Fürsorge seiner Frau für die Knaben, daß es seine eigene Schuld war, wenn er nicht gehörig glücklich und dankbar wurde.

Luise war daheim geblieben mit der Kindsmagd bei den kleinen Geschwistern; sie lehrte gerade Gabrielchen gehen und hatte unbeschreibliche Freude an ihr; aber das Kissen des kleinen Bruno, in das sie ihr Köpfchen barg, wurde naß von den vielen heißen Tränen, die sie den Brüdern nachweinte.

Es brauchte nicht viele Jahre, bis auch diese Lücke im Pfarrhaus wieder ausgefüllt wurde; das Mittelalter und die Römer- und Griechenzeit mußten Namen für den jungen Nachwuchs liefern: eine Gabriele, Kornelia und Adelgunde, ein Bruno, Artur und Tuisko füllten allmählich alle Räume des Pfarrhauses, und es gab kaum in den Ferien und bei den jeweiligen Tauffesten mehr Raum für Fritz und Theodor, die sich mit der neuen Bevölkerung gar nicht mehr zurecht fanden und, wenn sie einmal wieder zum Besuch nach Hause kamen, Luisen beim Eintritt am Ärmel zupften und leise fragten: »Du, ist wieder eins da?«

Die große Luise

Luise, die wußte Bescheid unter der neuen Geschwisterschar, die kleine Luise, die allmählich groß geworden war, sie wußte nicht wie; und die Geschwister alle kannten Luise und riefen Luise und plagten Luise viel mehr als die Mutter, die, »obgleich sie am liebsten immer daheim geblieben wäre«, es doch um ihrer Kinder willen für heilige Pflicht hielt, sich nicht verrosten zu lassen, und darum häufig kleinere Ausflüge und größere Reisen machte.

Der Vater hatte seine Herzensfreude an Luise, und oft traten ihm Tränen in die Augen, wenn er so das kleine Mütterchen [98] unter den Geschwistern sah, wie sie das Kleinste auf dem Arm hielt, dem Größern Steinchen zum Spielen gab, den andern erzählte, für die fernen Brüder sorgte und dachte und keines vergaß als sich selbst. Über ihre Erziehung war er nicht so ganz beruhigt. Es hatte schwer gehalten, ihr nur zum regelmäßigen Besuche der Dorfschule zu verhelfen, und seit sie konfirmiert worden, war gar nichts mehr für ihre Ausbildung geschehen. Er hatte einigemal die Absicht, sie in eine auswärtige Bildungsanstalt zu bringen oder ihr wenigstens Musikunterricht bei dem Dorfschullehrer geben zu lassen; aber seine Frau bewies ihm in einer schönen Rede, wie die häusliche Wirksamkeit Luisens eigentümliches Element und allein ihrem Charakter angemessen sei; was den Musikunterricht betreffe, so müsse das ein rechter sein oder gar keiner; – es war kein großer Zweifel hier, daß für das letztere entschieden wurde. Man hatte sie zu der alten Nähterin gesetzt, die als stehender Gast im Pfarrhause das Weißzeug der Kinder im Stand halten mußte, und sie war ohne besondere Anleitung allmählich von den geringsten bis zu den feinsten Nähtereien aufgestiegen; je blöder die Augen der alten Kathrine wurden und je gröber ihre Stiche, desto feiner und geschickter lernte Luise ihre Nadel führen. Ebenso hatte sie der Schneiderin, welche die Mutter aus der Stadt kommen ließ, ihre Geheimnisse abgelernt, und sie betrachtete mit gerechtem Stolz die Schwesterlein, deren zierliche Kleidung ihr Werk war, denen zulieb sie sogar alle Eitelkeit der Putzläden studierte, wenn sie je einmal zur Stadt kam, um die dort gesehenen Herrlichkeiten auf wohlfeile Weise nachzuahmen.

Um aber doch auch für die geistige Bildung der Stieftochter zu sorgen, ordnete die Pfarrerin an, daß nachts, wenn endlich die Gabrielen, Adelgunden, Tuiskos und so weiter zur Ruhe gebracht waren, bildende Werke vorgelesen wurden. Es war recht schön; aber die gute Luise, die seit ihrem elften Jahr nicht mehr wußte, was ungestörte Nachtruhe sei, war meist so müde, daß sie bald fest eingeschlafen war und selbst bei den klassischen Stellen nicht erwachte.

[99] »Du siehst das gute Kind,« sagte die Pfarrerin mitleidig lächelnd; »wie lächerlich wäre es, ihr eine Bildung aufzudrängen, für die sie nicht Sinn und Bedürfnis hat! Ich habe es immer für die erste Mutterpflicht gehalten, jedes Kind nach seiner Individualität zu behandeln. Luise, meine Liebe!« rief sie mit erhobener Stimme, »ich glaubte, du wolltest noch den Butterteig auf morgen rüsten.« Luise erhob sich eilig und beschämt von ihrem Schläfchen und machte sich emsig an die Arbeit. »Siehst du?« sagte die Mutter leise und triumphierend zu dem Mann; »so etwas erhält sie munter, das ist nach ihrem Sinn!« Die Mama las für sich in dem bildenden Werke, bis sie, erbaut über sich selbst und ihre individuelle Erziehungsweise, zur Ruhe ging, während Luise noch bis tief in die Nacht emsig waltete im Hause und sich dann neben die kleine schreiende Adelgunde legte, um sie zur Ruhe zu bringen.

Man bewunderte allgemein, wie gut sich die Pfarrerin konservierte, wie sie immer noch Zeit und Frische für den geselligen Verkehr behielt. Auch wurde das gute Verhältnis zu der Stieftochter sehr gerühmt; man hörte hier nichts von Zank und Streit, nichts von unterdrücktem Ärger und Übelwollen, es ging alles in der größten Freundlichkeit: »Liebe Luise, besorge doch den Kaffee! Meine Liebe, du wirst dich wohl der Kleinen annehmen müssen!« usw., und wenn die Pfarrerin eine Landpartie mit ihren Gästen machte, so zog es Luise meist vor, daheim zu bleiben. Die Pfarrerin bemerkte dann freundlich gegen ihre Gäste: »Man muß sie gewähren lassen; sie ist ganz für den engsten Kreis der Häuslichkeit geschaffen.«

Und recht wohlgefällig nahm sie dann die Komplimente über die gelungene Erziehung der Stieftochter hin und bemerkte bescheiden: »Die Kleine selbst hat es mir wirklich erleichtert und vergilt mir jetzt die Mühe, die es mich gekostet, sie nach ihrer Individualität zu behandeln.«

Und Luise? – war sie ein willenloses Opferlamm oder die stille Dulderin eines freudlosen Daseins? Keins von beiden. Sie war noch gar nie dazu gekommen, sich ihrer Ansprüche ans Leben bewußt zu werden; sie dachte nur ihrer Pflichten, [100] denen sie nach ihrem demütigen Sinn so wenig genügte, und bat Gott von einem Tag zum andern um die Kraft, ihr Tagewerk besser vollbringen zu können. Von früher Kindheit an für andre bemüht, hatte sie fast unbewußt die schwere Kunst gelernt, die viele durch ein ganzes langes Menschenleben nicht lernen und nicht lernen wollen: die Kunst, sich selbst zu vergessen. Der beste Panzer gegen die Stacheln fremder Selbstsucht ist ein selbstloses Gemüt. Was andre als Last von sich wegschoben und auf ihre Schultern legten, das übernahm sie freudig als Zeichen ehrenden Vertrauens.

Ihr Leben war nicht freudlos; sie freute sich des Gedeihens der Geschwister, ihrer Zuneigung und Anhänglichkeit, besonders der unbeschreiblichen Liebe der ältern Brüder, denen sie immer das Nächste und Liebste auf Erden blieb; sie freute sich des Gartens, der ausschließlich ihrer Sorge übergeben war, ihrer Nelken und Monatrosen; unbewußt freilich, sie schrieb keine Reflexionen darüber in ihr Tagebuch; aber sie empfand den Segen dieser Freude in der ungebrochenen Kraft und Frische, mit der sie ihr mühevolles Tagewerk vollbrachte.


Bruno und Artur hatten längst das Alter erreicht, in dem Theodor und Fritz das Elternhaus verlassen hatten; die Mutter aber fand, daß es für ihre Individualität besser sei, sie zu Hause zu behalten, auch hätte es doch des Pfarrers Kasse kaum aufwenden können, für alle Söhne Kostgelder zu bezahlen. Da nun auch für Gabrielens und Kornelias aufkeimende Fähigkeiten der Unterricht des Dorfschullehrers nimmer zureichend befunden wurde, hielt es die Mutter für das beste, einen Vikar anzunehmen, der den Unterricht der Kinder gemeinsam mit dem Papa übernehme. »Wir haben zu große Opfer für unsre älteren Kinder gebracht,« sagte sie mit edler Selbstverleugnung; »ich muß suchen, die Erziehung meiner eigenen Kinder weniger kostspielig zu bestreiten, ich habe mich immer bestrebt, meine Mutterpflichten zu erfüllen.« Und sie schwieg wieder mit stiller Rührung über sich selbst.

[101]

Der Vikar

Herr Lehner, der Vikar, kam, ein junger Mann von kräftiger Gestalt, der Pfarrerin aber viel zu unkultiviert in Kleidung und Aussehen, und fatal durch die Pfeife, deren Rohr nebst Quästchen unter allen Lebensumständen aus seiner Rocktasche hervorsah, wenn sie nicht in seinem Munde dampfte. Aber er war ein guter Prediger, hatte schöne Sprachkenntnisse, eine gutmütige Weise, die Kinder an sich zu gewöhnen, und war recht frisch und unverdrossen zu den verschiedenen Leistungen, die ihm aufgetragen wurden.

Er war armer Leute Kind, hatte eine entbehrungsvolle, freudenarme Jugend verlebt, und seine ärmliche Heimat, in der leider auch die Armut zum Zankapfel geworden, stand in grellem Gegensatz zu den erwachenden Bedürfnissen äußeren Behagens und Wohlstands, die unzertrennlich von erweiterter Geistesbildung sind.

Da war es ihm denn unendlich wohl, aus der schmutzigen Schusterstube, aus den kasernenartigen Räumen des Seminars in ein hübsches, wohleingerichtetes Pfarrhaus zu kommen; und das bescheidene Vikariatsstübchen, das aus einer alten Rumpelkammer hergestellt und mit alten Inventarstücken verschiedener Zeitalter möbliert war, dünkte ihn der Inbegriff von Behaglichkeit.

Die stattliche, schöngeputzte Frau Pfarrerin imponierte ihm ungemein, und er war ein gläubiger und bewundernder Zuhörer, als sie ihn ihre Verdienste als Mutter im allgemeinen und als Stiefmutter insbesondere allmählich erraten ließ. Luise, deren schlichte Gestalt neben der ansehnlichen, wohlkonservierten Mama kaum bemerkt wurde, die zum Mittagessen immer zu spät mit hochgeröteten Wangen aus der Küche kam und meist keine Suppe mehr und nur noch erkaltetes Gemüse fand, die nach dem Abendessen sogleich wieder verschwand, um die kleineren Geschwister zu Bette zu bringen und den größeren Gesellschaft zu leisten, wenn sie sich fürchteten, – beachtete er anfangs kaum. Er kannte sie aus der Mutter [102] Schilderung, die sich freute, einen neuen Zeugen ihrer Vortrefflichkeit zu haben, und die sich mit der Pfeife versöhnte, die den Vikar zu einem so geduldigen Zuhörer machte, als ein »gutes einfaches Geschöpf von höchst bescheidenen Gaben, nur für den engsten Kreis der Häuslichkeit geschaffen«, und er dachte, sie scheine dazu wirklich recht gut und brauchbar.

Nun traf es sich aber, daß es die Frau Pfarrerin um ihrer jetzt erwachsenen Kinder willen immer mehr für Pflicht hielt, die geselligen Kreise der Nachbarschaft zu besuchen; es gab kleine, allwöchentliche Pfarrkränze in den Häusern, größere allmonatliche in einem Gasthofe der Umgegend; auf dem Jahrmarkt war es unumgänglich nötig, Einkäufe fürs Haus selbst zu machen, die wichtigeren freilich mußte man auf der Weihnachtsmesse der Residenz besorgen; – dann war die Frau Dekanin eine sehr artige Frau und höchst empfindlich, wenn man sie nicht oft besuchte; Doktors endlich, vor denen durfte sie sich nimmer sehen lassen, wenn sie nicht bald auf einen Tag zu ihnen kam, und mit Oberamtmanns konnte es die tödlichste Feindschaft geben, wenn man nicht Gabriele und Kornelia zu ihrer Alwina und Rosalie brachte! Die gute Frau Pfarrerin erlag fast unter der Last ihrer geselligen Verpflichtungen und seufzte schwer, solange ihr Luise Schal, Hut und Sonnenschirm herbeitrug; wie gern wäre sie heute daheim geblieben!

Luise genoß dieses Glück des Daheimbleibens reichlich. »Es [103] ist jetzt schade – wenn heute nicht die Wäsche wäre, so hättest du wohl mit können,« meinte die Mutter; oder hieß es: »Willst du nicht auch mit, Luise? Ich fürchte aber, Tuisko, der arme Schelm, läßt dich nicht fort; er ist so eigen, wenn ihm etwas fehlt, und so an dich gewöhnt.«

Luise fand das ganz natürlich und ließ sie beruhigt ziehen, sie hatte genug aufzuräumen nach den Abgehenden; es tat ihr wohl, wenn es stiller wurde und wenn sie ihre Geschäfte allein besorgen konnte, ohne die beständigen Anweisungen und Bemerkungen, mit denen die Pfarrerin ihre Hausfrauen- und Mutterwürde retten wollte. Auch war es ihr nur möglich, ruhig an einer Arbeit zu bleiben, wenn sie allein blieb. Da nun auch der Pfarrer meistens seine Frau begleitete und dem Vikar als Beweis seines Vertrauens Haus und Amt übergab, traf es sich gar manchmal, daß dieser und Luise mit einigen der Kinder allein zu Hause waren. Er fühlte sich in ihrer Gesellschaft viel behaglicher als in der der Frau Pfarrerin; dort wurde er es allmählich müde, beständig den Zuhörer zu machen, der nur hie und da ein Zeichen der Aufmerksamkeit oder ein Murmeln der Anerkennung von sich geben durfte.

Luise hörte ihm zu, wenn er je zuweilen den Nachmittagskaffee mit ihr trank oder sich mit seiner Pfeife in die Nähe des runden Nähtischchens setzte, das sie für sich in einer bescheidenen Ecke wieder aufgestellt hatte, und es war wunderbar, wie er ihralles erzählen konnte: seine verkümmerte Kindheit, das Elend und den Unfrieden seines Vaterhauses, die sparsamen Genüsse seiner Studienjahre, – und wenn dann ihre blauen Augen so mit dem Ausdruck tiefer Teilnahme, innigen Verstehens auf ihm ruhten, so fand er, daß sie wirklich recht schön seien, auch ihr Gesicht angenehm, nur etwas zu blühend. Luise, die in Anwesenheit der Mutter fast stumm war und der sich erst in der Einsamkeit die Zunge löste, wußte nichts zu klagen; sie fand nur Grund zum Dank in ihrer Vergangenheit, aber sie konnte hier zum erstenmal den dämmernden Erinnerungen an ihre selige Mutter Worte geben. Auch Lehner hatte seine Mutter früh verloren, nur ihr sanftes, blasses Gesicht [104] schwebte ihm in dunkler Erinnerung noch vor. Freilich, wenn er dann seiner zänkischen, neidischen Stiefmutter gedachte, wie vielen Grund fand dagegen Luise, ihr Geschick zu preisen: sie hatte nie Härte von der zweiten Mutter erfahren! Lehner hatte so seine eigenen Gedanken darüber, als ihm allmählich die Augen aufgingen über die Art, wie die Mama die Individualität der Stieftochter benützte; aber er hütete sich, ihren glücklichen Glauben zu trüben.

Sehr ungestört blieben freilich solche Mitteilungen nicht, wenn nicht hie und da zufällig das ganze Heer auswärts war. Da zupfte einmal Gabriele am Rock: »Luise, schneid auch das Puppenkleid!« Dann kam Bruno: »Luise, stich mir ein Heft ein!« Artur verlangte eine Schnur zu seinem Drachen, und Adelgunde hatte ihr Taschentuch verloren; die Magd wußte nicht, welches Beet sie umschoren sollte, und ein paar Dorfmädchen [105] baten um Blumen zu einer Hochzeitsfeier. »Luise!« – »Jungfer Luise!« tönte es allenthalben und überall.

Und allenthalben und überall gab sie Antwort und Auskunft und Beistand mit unermüdeter Geduld, mit unzerstörbar guter Laune. Wenn der Vikar, wütend über die endlosen Störungen, eben im Begriff war, wenigstens unter die unmüßige Kinderschar mit einem kleinen Donnerwetter zu fahren, so sah Luise ihn gutmütig lachend an und meinte: »Nun, wollen wir sehen, was es das nächste Mal gibt.« – »Aber wie können Sie nur geduldig bleiben bei dieser ewigen Plage?« – »Ei,« lächelte sie, »es steht nirgends geschrieben, daß es gerade mein Beruf sei, zu nähen und stillzusitzen; ich muß ja froh sein, daß so viele Leute etwas von mir wollen.«

Und Luisens unübertreffliches Talent, die Liebhabereien und Bedürfnisse von jedermann zu erraten! Nur einmal hatte sie bemerkt, daß er den Schnittlauch auf der Suppe mit dem Löffel etwas beiseite geschoben, und von diesem Tage an wurde er nimmer auf die Suppe gestreut, sondern besonders auf einem Tellerchen gegeben. Wie sie seinen Geburtstag erraten, blieb ihm ein Rätsel; aber es konnte nicht Zufall sein, daß gerade an diesem Tage lauter Leibgerichte gekocht waren und die Kinder ihm frische Blumen aufs Zimmer brachten. Er hätte dies nun freilich auf Rechnung eines besonderen Interesses für sich schreiben können; aber er hörte zufällig an einem Sonntagmorgen die Hausmagd verwundert fragen: »Aber Jungfer Luise, warum ziehen Sie sich nicht in die Kirche an? Ich kann ja heute nachmittag darein gehen.« Luise erwiderte freundlich: »Nein, Christine, heute ist dein Geburtstag, da gehst du in Ruhe zur Kirche; nachmittags erlaubt die Mutter, daß du deine Eltern besuchst.« – »Ach, du lieber Gott!« rief die gerührte Magd, »hab' ja selbst kaum gewußt, daß mein Geburtstag ist, und hat sein Lebtag noch niemand daran gedacht; woher wissen denn Sie's?« Da hörte denn der geschmeichelte Vikar, daß Luise solche zarte Aufmerksamkeit nicht nur für ihn allein hatte.

So ferne von Absichtlichkeit und Koketterie auch Luisens [106] einfaches Wesen war, ein aufmerksamer Beobachter hätte doch zugeben müssen, daß sie nun alles, was sie immer getan, noch viel williger, heiterer, frischer tat als zuvor: ein Geist stiller Freudigkeit beseelte all ihr Tun und Wirken, der dem Werte ihrer treuen Pflichterfüllung den Reiz der Liebenswürdigkeit beifügte. Das war nicht Gefallsucht, es war wohl kaum schon ein aufkeimendes wärmeres Gefühl für den Vikar; es war zunächst nur die unbewußte Empfindung, daß zum erstenmal ein teilnehmendes Auge auf ihr ruhte, daß ihre kleinen Opfer, ihre emsige Sorge um andre verstanden und anerkannt wurden, – es war die Sonnenwärme der Sympathie, die all den Blüten ihrer stillen Seele mit einemmal Duft und Farbe gab.

Und diese selbstlose Luise, die noch nicht wußte und ahnte, woher ihr diese ungewohnte Freudigkeit kam, ertappte sich doch hie und da auf selbstsüchtigen, vermessenen Gedanken, wie sie sie nie zuvor gehegt: Gedanken an eine eigene Heimat, etwas stiller, einfacher vielleicht als ihr Vaterhaus, eine Heimat, in der sie die Herrin war und die sie nach ihrem Sinn gestalten durfte; an ein Herz sogar, das ihr eigen gehörte, das sich bekümmerte, wenn sie litt, sich freute, wenn sie froh war; aber sie scheute sich, diesen Träumen Gestalt zu geben, und konnte bisweilen, wenn sie einen Augenblick still gesessen, auffahren und mit einer ihr fremden Hast eine Arbeit vornehmen. Auch schlief sie nie ein, wenn abends der Vikar vorlas, und der Vater hatte sie zu seinem unaussprechlichen Erstaunen schon in seinem Zimmer ertappt, wie sie eifrig im Konversationslexikon nachschlug, um einigen Lücken ihres Wissens nachzuhelfen.

Der Vikar, eine sachliche Natur, hing nicht so lange unbewußten Eindrücken nach. Gar bald, nachdem sich ihm der Gedanke aufgedrängt: »Das gäbe eine gute Frau,« fragte er sich weiter: »Warum nichtmeine Frau?«, und die Sache schien ihm mit jedem Tag mehr einleuchtend. Freilich, er hatte noch nicht lange die Universität verlassen, und die Aussichten auf Anstellung lagen in weiter Ferne; aber Luise war ja erst neunzehn, und konnten sie nicht einen Patronatsdienst erhalten? Er [107] war von Hause aus arm und Luise nicht reich; aber er hatte ja oft gehört, daß eine häusliche Frau ein Kapital sei, und wer konnte häuslicher sein als Luise? Auch schien ihm ein Einkommen von dreihundert oder gar fünfhundert Gulden eine gar schöne Sache, und er wußte noch nicht recht, wie man es nur angreifen sollte, das aufzubrauchen. Luise allein konnte er ohne Erröten in sein armes Vaterhaus führen; – kurz, er fand immer mehr, daß Luise die einzig mögliche Frau für ihn auf der Erde sei, und er beschloß, einmal die wichtige Frage bei ihr zu wagen.

Aber das war nicht so leicht getan; und was konnte er ihr bieten, um ein Jawort zu hoffen? Ein solches Kleinod von einem Mädchen, die brauchte nicht zehn Jahre lang auf einen armen Vikar zu warten; der reiche Pfarrer von Lengsfeld, ein Witwer mit nur zwei Kindern, hatte sich gegen ihn selbst schon sehr beifällig über »dieses höchst brauchbare, tätige Frauenzimmer« ausgesprochen; sogar der Oberamtsrichter, der zur Entrüstung der ganzen Umgegend noch ledig war, hatte nach einem längeren Besuch im Pfarrhause geäußert: er glaube, mit einer so anspruchslosen, aufmerksamen Person wäre man am Ende für alte und kranke Tage besser beraten als mit einer glänzenden Partie. Wie viele lockendere Aussichten für Luise!

Wenn er nur gewiß gewußt hätte, ob sie ihn ein wenig lieb habe! Gut und freundlich und aufmerksam war sie gegen jedermann; er mußte noch ein besonderes Zeichen abwarten.

Verlobung

Es war ein schwüler Tag im Mai, als der Vikar zu einer Krankenkommunion auf die ziemlich entlegene Filiale gehen mußte. Luise hatte ihm durch Bruno einen Regenschirm nachgeschickt, da gewiß ein Gewitter komme; aber mit männlichem Mute hatte er den Schirm verschmäht und zurückgeschickt. Dieser Trotz rächte sich; auf dem Heimweg überraschte ihn das Gewitter, und furchtbare Regengüsse durchnäßten ihn; schaudernd [108] vor Frost und Nässe in der abgekühlten Abendluft eilte er heimwärts, die Pfarrkutsche begegnete ihm; sollte Luise sie ihm entgegenschicken? Ach nein, Herr und Frau Pfarrerin waren ja in der Stadt bei dem Abschiedschmaus eines abziehenden Beamten: denen galt die Kutsche, nicht ihm. Endlich erreichte er das Haus, – keine freundliche Seele, die ihn empfangen hätte! Luise hatte wohl genug zu tun gehabt, bis sie Schal und Tücher in den Wagen gerichtet, und mußte jetzt für die heimkehrenden Eltern sorgen. Etwas verstimmt und verbittert stieg er in sein Stübchen. Da war ihm, als ob auf dem dunklen Gang eine Gestalt an ihm vorbei die Treppe hinabschlüpfte, er erkannte sie nicht. Er trat ins Stübchen, dessen Fenster er offen gelassen hatte; sie waren sorgfältig verschlossen, die Bücher weggeräumt, die vom einschlagenden Regen hätten naß werden können; auf dem Tischchen an seinem Bette dampfte einladend ein duftender Tee. Nun, das war ja prächtig. Er eilte, sich unter die Decke zu stecken, das Bett war angenehm durchwärmt: eine Wärmpfanne! Nein, das war gar zu rührend, daran zu denken! Kaum konnte er vor Rührung den Tee trinken, erwärmt an Seele und Leib schlief er unter den angenehmsten Empfindungen ein. Die Bettpfanne leuchtete noch in seinen Träumen als aufgehende Morgensonne seines Glücks.

Er mußte noch gewiß sein, ob er diese zarte Fürsorge auch wirklich Luise verdanke. Als sie am folgenden Tag endlich zu Tische kam, lenkte er die Rede auf das gestrige Gewitter: »Sie sind auch naß geworden, Herr Vikar?« fragte der Pfarrer. – »So ziemlich,« entgegnete er; »aber ich habe mich herrlich erholt; ich trank köstlichen Tee und wurde durch die sorglichste Aufmerksamkeit überrascht.« Er wagte verstohlen nach Luise hinzusehen – nein, die Röte, die konnte nicht vom Küchenfeuer kommen!

Er war so hingenommen von seinen eigenen Gedanken, daß er kaum des Pfarrers Erwiderung und eine etwas spitze Zwischenrede der Frau vernahm. Noch im Gehen hörte er aber auf der Treppe, wie die Pfarrerin in ziemlich scharfem [109] Tone zu Luise sagte: »Ich muß sagen, meine Liebe, daß ich es nicht gern habe, wenn andre Leute über meinen Tee verfügen; auch halte ich für Pflicht, dich aufmerksam zu machen ...« Auf was? verstand er nimmer, da eben die Kinder aus dem Zimmer kamen; aber nachmittags beim Kaffee traf er Luise, die er noch nie anders als heiter gesehen, mit rotgeweinten Augen; er fand nicht wie sonst seine Tasse am gewohnten Platz und die Fidibusse dabei, sie schenkte schweigend auf einem Nebentischchen ein und verschwand wieder. »Ist Fräulein Luise unwohl?« fragte er besorgt. – »O nein, sie hängt die Kindswasch auf,« sagte die Mutter kurz. Das arme Kind, sollte sie seinetwillen noch leiden!

In diesen Gedanken geriet er statt in seine Stube ganz zufällig in den Grasgarten, wo die besagte Kindswäsche aufgehängt wurde. Tuisko und Adelgunde saßen im Gras und spielten mit Waschklammern, riefen daneben Schwester Luise jede Minute wieder von der Arbeit ab; sie aber war so vertieft in ihr Geschäft und in ihre Gedanken, daß sie den Vikar nicht bemerkte, bis er dicht bei ihr stand. »So fleißig, Fräulein Luise?« – »Ein wenig,« sagte sie, ohne ihn anzublicken. »Ich habe Ihnen noch nicht einmal gedankt.« – »Oh, ich bitte,« sagte sie, unfähig ihre Tränen zurückzuhalten, »ich habe ja das nämliche schon für unsre alte Nachbarin getan, wenn sie naß nach Hause kam.« – »Also nicht mir zulieb?« sagte er traurig und faßte ihre Hand. Keine Antwort. »Und dürfte ich nie hoffen, eine so treue Fürsorge für mein ganzes Leben zu genießen?« Abermals keine Antwort, aber ein halber, schüchterner Blick. »Ach, ich weiß wohl, ich kann Ihnen so wenig bieten; ich bin arm, ohne Familie, allein.« Jetzt leuchtete Luisens Auge auf, und ihr gesenktes Haupt erhob sich: er war arm, er fühlte sich allein, er bedurfte ihrer!

»Ich bin nicht schön, so einfach erzogen, so wenig gebildet,« sagte sie leise. – »Sie sind das allerbeste Mädchen, das ich je gekannt habe, und ein Segen für einen Mann!« rief feurig der Vikar. Es wurden nicht viele Worte mehr gewechselt, aber Blicke, die mehr sagten. Und die Vögel sangen, und der Apfelbaum[110] streute seine Blüten auf die beiden, die da standen und sich glückselig in die Augen schauten, und Luise fragte sich wie im Traum, womit denn sie solche Seligkeit verdient habe.

»Und nun zum Vater!« rief Lehner, der sich in diesem Augenblick zu allem stark fühlte, »und um seinen Segen gebeten!« – »Ach nein,« flüsterte Luise, die plötzlich wieder zu der Wirklichkeit erwachte, »wer sollte die Wäsche aufhängen? Ich bitte, gehen Sie; wenn man uns so hier sähe!« Man hatte sie aber gesehen; das kleine Volk nämlich, das sie in ihrer Seligkeit [111] ganz vergessen hatten. Adelgunde war hinaufgeeilt und der kleine Tuisko nachgequaddelt, so schnell es seine krummen Beinchen erlaubten, und sie hatten verkündet, daß der Herr Vikar Schwester Luise geküßt habe. Das gab große Bewegung ins Haus, und es war ein Glück, daß bald nach dieser entsetzlichen Kunde der Vikar selbst kam, und da er an dem Kichern und Köpfezusammenstrecken der naseweisen kleinen Kreaturen bald merkte, daß sie seine Untat verraten, hielt er es fürs beste, seine Werbung schnell vorzubringen, so geschickt oder ungeschickt, wie er konnte.

Der Pfarrer war nicht so sehr überrascht, desto mehr die Pfarrerin, die in Wahrheit nie an eine mögliche Verheiratung Luisens gedacht hatte; sie schien ihr, wie sie sich ausdrückte, »so ganz zur liebevollen Gehilfin für ihre jüngeren Geschwister geschaffen«. Unter sotanen Umständen war aber nichts zu tun, als den elterlichen Segen zu erteilen, was der Vater mit tiefer Rührung, die Mama mit viel mütterlichem Anstand tat. Es wurde sogar in den nächsten Tagen eine Art Verlobungsmahl gehalten, wobei Luise nur schmerzlich Fritz und Theodor vermißte, die man natürlich nicht aus der Lehre und aus dem theologischen Seminar berufen konnte. Wer noch nicht gewußt hatte, wie groß die Verdienste der Frau Pfarrerin um ihre Stiefkinder seien, der konnte es an diesem Abend recht gründlich erfahren.


Luise lebte noch wie in einem seligen Traum und wußte nicht, wie sie genug ihr demütiges und dankbares Herz zeigen sollte für all diese unverdiente Liebe und Güte. Sie war nun für eine Weile der Mittelpunkt des Hauses; ihr brachte man Glückwünsche dar; sie mußte mit Besuche machen, um den Bräutigam den Verwandten zu zeigen! Es war ihr eigentlich recht wohl, als die gewandte Mama die Sachen ins alte Geleise gebracht hatte und ihr vergönnt war, wieder in den Hintergrund zu treten.

Es blieb alles wie zuvor; sie blieb daheim, sie kochte, nähte, flickte, besorgte Haus und Geschwister, – und doch wie so viel [112] anders! Was für ein goldener Hauch lag auf dieser Alltagswelt! Wie fühlte sie bis zum innersten Herzensgrund das Auge, das mit Liebe und Beifall ihren Schritten folgte! Sie meinte gar nicht genug tun zu können, um zu zeigen, daß sie nicht übermütig sei in ihrem Glück, und um der Heimat, der sie nun doch nicht mehr so ganz eigen gehörte, noch alle ihre Liebe und Treue zuzuwenden. Die Mutter hätte gar nicht nötig gehabt, so oft ihre Zuversicht auszudrücken, daß Luise ihre kindlichen Pflichten nicht versäumen und die Opfer ihrer Eltern nicht mit Undank vergelten werde. Ein halbes Stündchen im Garten verplaudert, ein kleiner Abendspaziergang, ein verstohlener Gruß und Blick beim Begegnen den Tag über, ein Händedruck unter dem Tisch, das waren alle bräutlichen Genüsse, die sie sich gestatten durften; aber für Luisens genügsames Herz war es eine Welt von Seligkeit.

Und die Zukunftspläne, die goldenen Träume, mit welchen sie die Nachtstunden kürzte, in denen sie noch feinen Flachs zu ihrer Aussteuer spann! Ein eigenes Pfarrhaus mit einem Blumengärtchen vor den Fenstern, wo sie allein, ganz allein für den geliebten Mann leben und sorgen, wo sie frei und ungehemmt als Mutter einer Gemeinde sein schönes Amt teilen durfte; – sie malte sich die Abende, wo sie ihn im traulichen, warmen Stübchen empfangen würde, Schlafrock und Pantoffeln am warmen Ofen bereit, und sein Pfeifchen angezündet; die Gänge an seiner Seite durchs Dorf, die stillen Stunden, wo er ihrer Unwissenheit freundlich nach helfen würde, – oh, ein Leben voll Frieden und Freude! Die Einrichtung des Pfarrhauses besprachen sie zusammen: es mußte freilich alles viel einfacher werden als im elterlichen Haus, dem die Stiefmutter einen städtischen Anstrich gegeben hatte und wo man beim Eintritt ungewiß war, ob man in ein Porzellan- und Glaswarenlager oder in eine Pfarrstube trete; aber doch recht traulich, recht hübsch. Gardinen hielt der Vikar für unnötig wegen des Rauchens, aber darauf bestand Luise: »Das ist so gemütlich, ich will sie schon oft genug waschen.« Dafür bildete sich aber der Vikar große Stücke ein auf einen Doktor Luther, [113] den er als künftige Wandverzierung bereits erworben hatte; er hatte noch Pläne auf eine Katharina von Bora und eine mater amabilis; er hielt es für sehr nötig, etwas in Kunstwerken aufzuwenden, da an Tapeten natürlich nicht zu denken war.

Wann diese rosigen Pläne ins Leben treten sollten, das war freilich noch nicht abzusehen, und »die weite Aussicht« war das einzige Bedenken aller Bekannten gegen diese Verbindung; aber die Jugend ist hoffnungsreich, und ein Patronatsdienst blieb stets der letzte Rettungsanker.


So bescheiden auch das Paar seines bräutlichen Glückes genoß, so fanden es die Eltern doch in die Länge nicht passend, daß der Bräutigam Hausgenosse blieb. Die Mutter meinte, Luise könne sich ungestörter auf ihre häuslichen Pflichten vorbereiten, wenn er entfernt sei, und Luise fügte sich willig in die Trennung; war doch das Dorf, wo der Vikar eine andre Stelle bekam, kaum drei Stunden entfernt.

Da kam er denn manch liebes Mal zum Besuch herüber, und es war ein neues Glück für Luise, wenn sie ihn von ihrem Fenster aus weit übers Feld herschreiten sah oder wenn er sie unvermutet bei einer häuslichen Arbeit überraschte. Und wenn sie ihn abends begleiten durfte bis zu dem Weidengebüsch und sie dann noch still beisammensaßen, alles so ruhig umher und so friedevoll, und von der Zeit sprachen, wo sie nicht mehr Abschied nehmen müßten, gar nicht mehr – oh, das alles war auch so schön und gut!

Die Mutter hielt es für unnötig und nicht passend, daß Luise mit Lehner die arme Hütte seines Vaters besuchte: »Man könnte ja die Leute herkommen lassen;« – aber Luise ließ sich nicht davon abhalten.

Eine traurige Heimat! Sie meinte dem Geliebten mit zehnfältiger Liebe einbringen zu müssen, was er hier so lange entbehrt. Die keifende Stiefmutter war tot, der Schuster leidend und elend, ein kümmerlicher Knabe und ein verwahrlostes Mädchen, – alles verdorben, vernachlässigt, trübselig.

Luise kam in die düstere Hütte wie der Sonnenschein, aber [114] nicht wie ein greller, der das Elend erst deutlich zeigt, nur wie ein mildes Frühlicht. So natürlich, so einfach gab sie den Geschwistern die Hand, setzte sich zu dem Vater und ließ sich seine Leiden erzählen; so bescheiden erteilte sie der Schwester guten Rat, wie sie des Vaters Leiden erleichtern könne, und ermutigte den Bruder, den Betrieb des vernachlässigten Handwerks doch zu versuchen. Lehner selbst erschien seine Heimat und Kindespflicht wieder in ganz andrem Lichte, und hätte er Luise nie geliebt, er hätte sie jetzt liebgewinnen müssen. Zu den Zukunftsplänen gehörte von nun an auch ein Oberstübchen für den alten Vater. »Du wirst sehen,« sagte Lehner heiter, »er erholt sich bei uns wieder so weit, daß er selbst unsern Hausbedarf verfertigt; damit er sparen wir sehr viel, Schuhe sind auf dem Lande eine große Ausgabe! Und Katharine nehmen wir natürlich auch zu uns, dann brauche ich keine Magd; wir arbeiten alles zusammen, es soll ihr gewiß nicht schwer werden. Der Christian, der muß freilich hinaus, um was Rechtes zu lernen, wenn er ein wenig erstarkt ist; ich denke, der arme Junge hält sich gewiß gut, wenn er weiß, daß er eine freundliche Heimat hat, wo man für ihn sorgt.«

Daheim wagte Luise zum erstenmal den Vater um ein kleines Taschengeld zu bitten, und sie fand von nun an immer Mittel und Wege, den kranken Vater oder die Katharine mit einer kleinen Gabe zu erfreuen.

Hoffen und Harren

Der Pfarrer in der Nähe starb, und Lehner kam in eine entlegenere Gegend. Die Besuche wurden gar selten, aber dafür kamen Briefe: wieder eine neue und ganz unerhörte Glückseligkeit für Luisen, die noch nie einen Briefwechsel angeknüpft hatte. Ursel, die alte Bötin mit ihrer ungeheuren Ledertasche, war ihr nun die holdseligste Erscheinung von der Welt; es wurde ihr manchmal möglich, in lauen Sommernächten aus dem Haus zu schlüpfen und über den alten Kirchhof hinaus der Ursel entgegenzugehen, wenn sie von der Stadt kam. [115] Wenn diese dann mit gutmütigem Brummen: »Wurd et so pressiera« den gewünschten Brief fand, – mit welchem inneren Jubel schob ihn dann Luise ins Täschchen und flog nach Haus und stahl sich in das Stübchen, das sie mit den Kleinen teilte, und küßte diese in ihrer Herzensfreude und las bei dem Sparlicht, das ihr gestattet war, die geliebten Zeilen!

Ihr selbst, die just keine geübte Briefstellerin war, machte es freilich einiges Drangsal, bis sie die Antwort zustande gebracht; sie versuchte wohl hie und da ein Wort auf der Schiefertafel, bis es orthographisch richtig aussah, oder fragte heimlich Gabriele um Rat, die unter Anleitung eines neu angestellten Hauslehrers gute Fortschritte machte; – aber allmählich lernte sie leichter und freier ihr liebendes Herz im Briefe ausdrücken, und sie war so glücklich, so dankbar für diese neue Freudenquelle.

Die Leinwand war gesponnen und gebleicht; die Mutter hatte auch Luisen auf ihr Bitten von den Leinwandvorräten der verstorbenen Mutter übergeben, obgleich sie es für höchst vorzeitig hielt, und Luise, die ja so leicht einige Nachtstunden opfern konnte, seit die kleinen Geschwister ruhig schliefen, sah mit stiller Freude ihren kleinen Vorrat sich mehren und überraschte den Bräutigam bei seinen seltenen Besuchen immer wieder mit neuem Zuwachs.

Lehner hatte ihr einmal den Magisterzettel mitgebracht; auf dem strich sie gar pünktlich die Angestellten aus und zählte und zählte, wieviel Namen noch vor dem einen lieben stünden, der einst der ihrige werden sollte; ach, es waren noch viele, gar viele. Luise, die sanfte liebevolle Luise ertappte sich einst mit Schrecken auf einer gottlosen Regung von Freude, als der Vater bei Lesung der Zeitung ausrief: »Was? drei Pfarrer gestorben!« Für minder gottlos hielt sie den freundschaftlichen Wunsch, daß alle alten müden Pfarrherrn sich alsbald zur Ruhe setzen möchten, um jungen Vikaren Platz zu machen.


Es verging ein Jahr ums andre, Lehner zog landauf und ab, wenn irgendwo ein Patronats- oder Gemeindedienst erledigt [116] wurde – – immer vergeblich. Alte Pfarrer, gleichfalls längst Verlobte, ehemalige Hofmeister des Gutsherrn, gewandte, elegante, junge Leute in Glacés, liefen ihm den Rang ab; immer kleinlauter kehrte er von solch vergeblichen Feldzügen zurück, immer aber fand er Luisen trostvoll und hoffnungsreich.

Gabriele und Kornelia, ein paar schnippische, gewandte Backfische, waren in eine Pension gebracht worden, »aus mütterlicher Fürsorge für Luise«, wie die Frau Pfarrerin ihren Freunden im Vertrauen sagte, »damit ihre aufblühende Schönheit nicht Luisens verblühendes Aussehen zu sehr hervorhebe«. Theodor war bereits Vikar beim Vater und Fritz als Kaufmannskommis auf Reisen, Bruno auf der Universität, Artur im Gymnasium, – Luise saß noch immer am runden Tischchen und nähte an der Aussteuer, wenn eben nichts für Mama und Schwestern und Brüder zu arbeiten war, und sah auf den Weg, den die alte Bötin heraufkommen mußte. Sie flog ihr nicht mehr nächtlicherweile entgegen, wäre auch gar manchmal vergeblich gegangen; denn wenn nicht eben eine Meldung im Gange war, so wußte August nicht viel zu schreiben. »Es bleibt ja beim alten bei uns,« meinte er; »du weißt schon lange alles, was ich dir schreiben könnte.« Ach, sie hätte es so gar gern noch einmal gelesen, – doch blieb sie guten Mutes und unverdrossen.

Gabriele und Kornelia kehrten aus der Pension zurück mit feiner Bildung und neuen Stickmustern und machten Aufsehen in der Nachbarstadt. Es dauerte nicht lange, so war Gabriele die Braut des jungen praktischen Arztes daselbst mit Anwartschaft auf die Oberamtsarztstelle; Luise half das Haus bekränzen zur Verlobungsfeier und kochte das Festmahl; was von ihren verfertigten Aussteuervorräten fein und tauglich genug erfunden wurde, das nahm man für Gabriele, die bald Hochzeit feiern sollte: »Du hast ja Zeit, Luischen, neues anzufertigen!« Sie lächelte gutmütig und fing von neuem an, doch meinte sie oft selbst, die Stiche flögen nimmer so rasch wie das erste Mal.


[117] Der Pfarrer starb, und Luise mußte das Vaterhaus verlassen: den Apfelbaum, unter dem sie sich verlobt, das Fenster, von dem aus sie so manchmal den Bräutigam kommen gesehen, die Stätte, ach, wo sie ein Recht hatte, daheim zu sein!

Luise und ihre Brüder bezogen ein höchst bescheidenes Erbteil, die Stiefmutter aber war durch Erbschaften von Mutter und Tanten sehr wohlhabend. »Ihren Kindern zulieb, um ihre Erziehung passend zu vollenden,« beschloß sie das Opfer zu bringen, in die Residenz zu ziehen, »obgleich sie selbst die Stille des Landlebens weit vorgezogen hätte.«

»Du bleibst natürlich vorderhand bei uns,« sagte sie gnädig zu Luise, »wir müssen eben sehen, wie wir's mit dem Raum machen; sind freilich jetzt Mädchen genug.« Diese fühlte erst bei solchen gutgemeinten Worten mit tiefem Weh, daß sie kein Heimatrecht mehr habe. Doch faßte sie sich wieder und meinte, wenn die Mutter erlaube, wollte sie sich nach einer Stelle umsehen, da nun ja Kornelia und Adelgunde erwachsen zu Hause seien. Großmütig gab dies die Mutter nicht zu, zumal da bei Gabrielen, die längst Hochzeit gefeiert, ein Wochenbett in Aussicht stand und ein junger Vetter, ein vielgereister, gewandter Kaufmann, Absichten auf die aufblühende Adelgunde zeigte, wo es dann wieder eine Aussteuer zu fertigen gab.

Lehner war in den Tagen der Trauer der Familie treulich und teilnehmend zur Seite gestanden. Es tat ihm sehr weh, daß er Luise jetzt keine Heimat bieten könne, und er meinte, er dürfe nun doch auch beginnen, sich um Staatsdienste zu melden.

Ach, aber der Magisterzettel zeigte noch lange Reihen von Vormännern, und obgleich Luise sich bereit erklärte, ihm auf die rauhe Alb oder sogar aufs öde Hardfeld zu folgen, so war doch selbst bei den bescheidensten Meldungen keine Spur von Hoffnung.

Theodor war nun auswärts Vikar; der Schwager stand ihm gutmütig mit seiner Erfahrung bei im neuen Amt, Luise freute sich dessen von Herzen; aber als sie einmal, wie Lehner ihre Anwesenheit nicht bemerkte, diesen zum Bruder arglos sagen hörte: »Hör, nimm dich doch in acht, da so viel Töchter im Hause sind;[118] zu frühe Brautschaften taugen nichts!« – da zog sich schmerzlich ihr Herz zusammen, und ein leiser Stachel blieb in ihrer Seele.

Lehner wurde als Amtsverweser in eine entferntere Gegend berufen; er meldete sich dringlich und unaufhörlich, fast um jeden aufgehenden Dienst, so daß er beim Konsistorium fast sprichwörtlich wurde und es bei Sitzungen ein allgemeines Gelächter gab, so oft der Präsident sein Meldungsgesuch mit den phlegmatisch ausgesprochenen Worten beiseite legte: »Wird warten können.«

Luise pflegte Gabrielen im Wochenbett, nähte Adelgundens Aussteuer und Brautkleid und begleitete sie zum Altar. Bei Gabrielens Hochzeit war sie noch als weißgekleidete Brautjungfer mitgegangen, bei Adelgunde meinte die Mutter, ein dunkles Kleid sei für sie tauglicher.

Der alte Schuster war gestorben, noch ehe er das Ruhestübchen im Hause des Sohnes erlebt; Katharine, deren sich Luise, soweit es ihr immer möglich war, treulich angenommen, war in Diensten, und der Christian auf der Wanderschaft. Lehner schrieb mit neuer Hoffnung: die Schwester eines Oberkonsistorialrats, eine Frau Geheime Oberfinanzrätin, war mit ihrer Tochter, einem kränklichen Fräulein, in das Dorf gekommen, wo er Amtsverweser war, um Landluft und Kuhstallausdünstung zu genießen; er wurde oft zu den Damen berufen, um dem Fräulein Trost zuzusprechen, vorzulesen usw. Die Frau Geheime Oberfinanzrätin war sehr dankbar, sehr gütig und verbindlich gegen ihn und hatte ihm Fürsprache bei ihrem Bruder zugesichert; die Pfarrei Kaltennest war frei mit fünfhundert Gulden festem Gehalt und beweglichem Holzeinkommen, da konnte es nicht fehlen. In Luisens Herzen ging's auf wie Sonnenschein: »Immerhin nach Kaltennest! Ich will es schon warm und heimisch machen.«

Scheiden und Meiden

Es war Luisens Geburtstag. Man hatte eben nicht große Notiz davon genommen, doch hatte die Mutter sie glücklich gemacht durch das Geschenk einer eisernen Herdschaufel und [119] eines Bügeleisens, die sie zufällig in einer Auktion erstanden; das war ihr lieber als Rosenstöcke, waren es doch Vorboten der nahen eigenen Heimat! Sie dankte Gott, daß sie indes nicht entbehrlich gewesen auf der Welt.

Gabriele und Adelgunde stritten sich um ihre treue umsichtige Hilfe bei neuen Aussichten auf Mutterfreude. Kornelia aber vertraute ihr, daß sie vielleicht bald Braut sein würde: der junge Regimentsquartiermeister gehe nicht umsonst so oft am Fenster vorbei: »Da gibt's genug für dich zu tun, Luischen, darfst nicht bälder Frau Pfarrerin werden!« Auch die auswärtigen Brüder richteten alle Wünsche, die sie wegen moderner Hemden, neuen Halsbinden usw. hatten, nur an Luise. Ein gichtkranker Onkel der Mutter, der, selbst von seiner Haushälterin geplagt, nun seinerseits alle Welt plagte, hatte Luisens unübertreffliches Talent der Verträglichkeit entdeckt und berief sie gar manchmal zu seinem Beistand. Nein, sie war nicht überflüssig, aber sie blickte doch mit geduldiger Sehnsucht, mit inniger Freude nach dem nahen Friedensport, der sich ihr in Kaltennest auftat.

Es war ihr Geburtstag. Mutter und Schwestern waren auf die Messe gegangen, sie war allein. Sie hatte sich Lehners Briefe geholt, neun Geburtstagsbriefe waren darunter, sie las sie durch vom ersten bis zum letzten. Ihre Augen hatten etwas gelitten von den langen Nachtarbeiten; zu sehr feinen Nähtereien oder Buchstaben bediente sie sich verstohlenerweise einer Brille, aber Lehner hatte dies nie gesehen. Der erste[120] Brief war vier Blätter lang, die spätern wurden allmählich kürzer, der letzte vom vorigen Jahr enthielt nur eine Seite, »aber umso herzlicher,« meinte Luise. Er lautete:

Liebe Luise!

Ich wünsche Dir von Herzen Glück zu Deinem Geburtstag. Du hast ihn nun schon manches Mal allein gefeiert, ich hoffe, den nächsten begehen wir zusammen. Mit der Meldung um Gabelheim oder Birkenbach kann es kaum fehlen. Ich hätte Dir so gern auch eine kleine Freude gemacht, aber man kann hier gar nichts haben, und ich weiß wirklich nicht, was Du brauchen kannst. Ich bin so sehr gedrängt von Amtsgeschäften und muß schließen. Wenn es möglich ist, besuche ich Dich in der Heuvakanz; da dies nicht mehr lange ansteht, so erspare ich alles aufs Mündliche. In treuer Liebe

Dein Lehner.


So gar herzlich kam er ihr beim Durchlesen nicht mehr vor; »aber er ist doch gut gemeint,« tröstete sie sich, »Worte tun's nicht.«

Heute war noch kein Brief gekommen, und sie lauschte mit klopfendem Herzen, ob die Hausklingel nicht töne. Sie erhob sinnend den Blick; sie sah auf keinen grünen Weg mehr, der ihr den Liebsten oder seine Grüße brachte; aber über die zahllosen Hausdächer und Kamine sah sie im Geiste hinaus auf ein kleines Gärtchen – ein solches mußte doch selbst in Kaltennest sein –, auf ein Pfarrhaus, wie klein und bescheiden es immer sein möchte; und sie fühlte sich nicht weniger glücklich, wenn auch ruhiger, als an dem ersten Geburtstag, der ihr die warmen mündlichen Wünsche des Geliebten gebracht.

Die Klingel tönte, sie sprang hinaus, dem Briefträger zu öffnen, und – fuhr mit einem Freudenschrei zurück; er war es ja selbst, der Liebste, groß und lang, ganz elegant in schwarzem Meldungsfrack, der unverändert jeder Tyrannei der Mode trotzte; sie führte ihn ins Zimmer, sie bewirtete ihn mit allem, was sie hatte, und fand im Vorbeigehen Gelegenheit, die [121] fatale Brille nebst den Briefen im Nähkörbchen zu verstecken. In ihrer Geschäftigkeit merkte sie nicht, wie auffallend still und kühl Lehner war.

»Und wie steht's mit Kaltennest?« fragte sie endlich schüchtern, als sie an seiner Seite saß.

»Nichts ist's,« brach August ärgerlich aus, »der Gugenberger hat's! Der uralte Kandidat, der schon wegen dummer Streiche suspendiert und abgesetzt und was alles war. ›Er habe sich gefaßt,‹ meinte der Herr Präsident, ›da dürfe man ihm den Weg zur Rückkehr nicht verschließen, und er habe eine arme Mutter.‹ Überhaupt waren trotz der Empfehlung die Herren gar nicht gnädig; sie zeigten mir auf dem Magisterzettel, wie viele noch vor mir stehen, machten mir bemerklich, wie unangenehm man sich durch solche unendliche Zudringlichkeit mache und wie ein unverständig eingegangener Brautstand noch kein Recht auf vorzeitige Bedienstung begründe.« Lehner ging heftig im Zimmer auf und ab, Luise zerdrückte eine Träne; sie wagte nicht zu sprechen, aus Furcht, sie werde dann in Weinen ausbrechen.

Die Mutter kam mit den Schwestern; sie begrüßte den Herrn Tochtermann und hörte mit Bedauern den Bericht seines Mißlingens, den er ihr in aller Kürze gab. Lehner ward auffallend still und zerstreut, Luisens Geburtstag hatte er noch gar nicht erwähnt; er brach nachmittags bald auf, er müsse noch den Abend einige Stunden gehen, um am nächsten Morgen nach Hause zu kommen. Luise schickte sich an, ihn zu begleiten, wie sie immer getan. Sie gingen schweigsam durch den schönen Schloßgarten. Luise, die sich von seinem Schweigen gedrückt fühlte, wollte ihm scherzend erzählen, wie sie einmal beim Eingang in den Garten geweint, weil sie auf dem Anschlag am Tor fälschlich gelesen: »Vikare und Hunde 1 dürfen nicht in die Anlagen,« das sei ihr doch gar zu hart vorgekommen; – aber sie wagte es nicht, als sie in sein finsteres Gesicht gesehen.

[122] Sie setzten sich auf eine abgelegene Bank; alles stand wunderschön in Grün und Blüte, geputzte Kinder suchten Veilchen auf dem Rasen, Vögel zwitscherten und sangen, aber Luise konnte sich nicht freuen wie sonst; es war ihr, als hinge eine schwere Wolke über ihr.

»Liebe Luise,« begann Lehner, »ich habe noch mit dir zu reden, und ich weiß gewiß, daß wir uns verstehen werden.« Er fühlte nicht, wie sie zitterte bei diesem Eingang. »Unsre Hoffnung ist aufs neue fehlgeschlagen und wieder in ungewisse Ferne gerückt: du trittst heute dein einunddreißigstes Jahr an ...« – »Das dreißigste,« warf sie leise ein. – »Nun ja, das dreißigste legst du zurück und trittst das einunddreißigste an,« sagte er etwas ärgerlich – es war diese Jahresrechnung eine schwache Seite von ihm – »das tut nichts zur Sache. Es tut mir leid, daß ich dich um so manches schöne Jugendjahr durch vergebliches Warten gebracht. Mit deinen häuslichen Vorzügen könntest du gewiß jetzt noch eine passende Partie machen, wenn du nicht an mich gebunden wärest. Auch ich könnte ruhiger meinem Beruf vorstehen und eine endliche Entscheidung abwarten, wenn ich nicht immer durch den Gedanken gedrückt wäre, daß du an mich gebunden und zu diesem endlosen Warten, diesen zahllosen Enttäuschungen verurteilt bist. Da halte ich es als redlicher Mann für Pflicht, dir dein Wort zurückzugeben. [123] Ich überlasse es aber gänzlich deiner Ansicht.« Er erschrak vor dem Blick voll unsäglichen Wehs, vor dem todbleichen Angesicht, das Luise langsam zu ihm erhob. »Wenn es dir wehe tut, Luise, wenn du glaubst, ich habe selbstsüchtige Beweggründe,« sprach er hastig, »so lassen wir's immerhin beim alten; ich meine es nicht böse, ich dachte nur, es sei besser für dich und für mich ...« Da erhob sich Luisens weibliches Gefühl, sie wollte nicht seine Treue und Liebe als eine Gabe des Mitleides annehmen. »Du hast wohl recht,« sagte sie sanft und ruhig, »wenn du glaubst, es sei so besser, so tue es in Gottes Namen; – ich wollte es dir selbst vorschlagen,« setzte sie leise und zögernd hinzu; es war vielleicht ihre erste Unwahrheit.

»Siehst du?« rief er wieder lebhafter, »so haben wir einen Gedanken gehabt; es ist freilich sehr schmerzlich, aber wenn wir ruhiger geworden sind, so werden wir beide einsehen, daß es das beste war. Wir waren eben gar jung und unbesonnen, als wir den Schritt eingingen.« – »Du wirst gehen müssen, es wird spät,« sagte Luise nach einer langen, stummen Pause, »leb wohl, Gott behüte dich und segne dich!« – »Ich habe wirklich alle Eile,« sagte er hastig. – »Lebe wohl, August,« sagte sie wieder, »Gott sei mit dir!«

Er ging, kehrte sich aber noch einmal um: »Nicht wahr, du glaubst mir gewiß, daß ich es aus Rücksicht für dein Bestes getan?« Luise nickte mit sanftem Lächeln. »Und«, sagte er nochmals zurückkehrend, »wenn ich dir oder den Brüdern einen Freundschaftsdienst tun kann, nicht wahr, dann zählst du auf mich?« – »Gewiß,« sagte sie wieder und gab ihm die Hand.

Er ging und sagte im Gehen oft und wiederholt vor sich hin: »Es war gewiß das beste, es ist nur, bis es überwunden ist; so ein langes Herumziehen hätte uns beide noch unter den Boden gebracht.«

Er ging, und mit ihm ging Luisens Freude und Lebensglück, die Liebe und die Hoffnung langer Jahre. So blieb sie sitzen, wo er sie verlassen, lange, lange unbeweglich; sie weinte nicht, sie schluchzte nicht, ihr mattes Auge sah auf den Weg, [124] auf dem er fortgegangen, und nur leise Tränen flossen nieder auf ihre zusammengelegten Hände. Die Sonne sank nieder zwischen den blühenden Bäumen, die Vögel sangen und zwitscherten; süßer Duft stieg aus Blumen und Gesträuchen, die Kinder hüpften heimwärts; geputzte Damen zogen den Hauptweg hinab, junge Mädchen, die sich etwa ein hochwichtiges Geheimnis zu vertrauen hatten, gingen an der einsamen Bank vorüber und sahen mit verstohlener Neugierde auf das schmerzverzogene Gesicht. Nicht eine Seele ahnte, welch kummerschweres Herz unter diesem goldenen Abendhimmel schlug, welch heißer Kampf hier lautlos gekämpft wurde.

Er war gewonnen. Langsam erhob sich Luise, leise, leise sagte sie vor sich hin die Worte:


[125]
»Dein' ewig Treu' und Gnade,
O Vater, siehet recht,
Was gut sei oder schade
Dem sterblichen Geschlecht.«

Und langsam ging sie ihren Weg zurück durch den stiller gewordenen Garten, und niemand, selbst Gott im Himmel nicht, hat eine Klage von ihr gehört.

Männertreue

Mehr als ein Jahr war vergangen seit jenem Abend im Schloßgarten. Der Pfarrverweser hatte lange Zeit sich und dem Konsistorium Ruhe gegönnt von Meldungen. Er ging gern und viel in Gesellschaft, er fühlte sich wirklich leichter und freier, seit er des ewigen Wechsels von Hoffnung und Enttäuschung enthoben war; er sagte sich oft und viel und bewies auch dem jungen Rektor der Nachbarstadt, seinem vertrauten Freunde, der ihm eigentlich zu der Auflösung des Verhältnisses geraten hatte, daß diese Lösung wirklich das allerbeste und vernünftigste gewesen sei; aber ein leiser Wurm saß doch in seinem Innern, dessen Nagen er zu Zeiten fühlte. »Nun, wenn ich endlich doch einen Dienst bekomme, so kann ich ja immer noch tun, was ich will,« war der letzte Trost, mit dem er dies Nagen beschwichtigte. Er hörte, es gehe Luise gut; sie hatte jetzt drei verheiratete Schwestern, bei denen sie sehr gesucht war, »und daheim hat sie's dann auch angenehmer,« tröstete er sich, »wenn nicht so viele Mädchen mehr da sind.«

Da wurde die Pfarrei Tannhausen erledigt. Einmal wollte er es doch wieder versuchen; er meldete sich, ohne die Sache näher zu betreiben. »Du Glücksvogel!« verkündete ihm der Rektor, nachdem er selbst die Meldung fast vergessen hatte, »nun hast du noch etwas Gutes abgewartet! Das ist ja eine allerliebste Anfangspfarrei, nicht weit von der Residenz, ein ganz neues Haus, prächtiger Garten, kleine Gemeinde, du könntest dir's nicht schöner malen!«

Also endlich! Lehner hatte selbst nicht geglaubt, daß er sich [126] noch freuen könne, am Ziele zu sein. Er ward allgemein beneidet, und der Oberkonsistorialrat, bei dem er sich dankend einstellte, meinte gnädig lächelnd: »Ja, sehen Sie, wir gewähren lieber auf ruhige Bitten, als auf solch unablässiges Drängen.«

Und nun wäre es ja Zeit gewesen, noch zu tun, was er wollte, und sein altes Wort zu lösen. Luise lebte nicht mehr in der Residenz; sie war mit der Mutter in die Garnisonsstadt gezogen, wohin Kornelias Regimentsquartiermeister versetzt worden war, und lieh von dort aus je nach Bedürfnis den Schwestern, die nun auch noch durch zwei Schwägerinnen vermehrt worden waren, ihren Beistand. Vor dem Rektor durfte er den Gedanken gar nicht laut werden lassen, seine alte Liebe wieder heimzuführen; der erklärte es ohne weitere Motivierung für »baren Unsinn«; nur eine lautlose Stimme in seinem Innern führte doch eine andre Sprache als der Rektor.

Aber neben die verblühte Gestalt seiner alternden Braut mit ihren treuen blauen Augen, ihrem guten hausbackenen Gesicht und ihrer einfachen Gestalt stellte sich ein andres, jugendliches Bild, das er je und je schon in wachen Träumen gesehen: ein feines Gesichtchen, von zarter Röte angehaucht, geistvolle dunkle Augen ausdrucksvoll auf ihn geheftet, von unnachahmlicher Grazie in all ihren Worten und Bewegungen – das leidende Fräulein, dem er vorgelesen, Adele, die Tochter der Frau Geheimen Oberfinanzrätin.

»Wie einfältig,« schalt er sich selbst wieder, »die würde wohl einen vierunddreißigjährigen Pfarrer nehmen! – und wie würde die aufs Dorf passen?« Aber dennoch gedachte er wieder und wieder ihres freundlichen, verbindlichen Wesens und der Vorliebe, die sie immer fürs Landleben gezeigt hatte.

»Nun, einen Besuch muß ich jedenfalls dort machen,« beschloß er; »ich glaube doch, daß ich der Mama zum Teil meine Anstellung zu danken habe; dann kann ich ja immer noch tun, was ich will.«

Der alte Meldungsfrack tat's freilich nimmer zu diesem Besuch, der Kleiderhändler lieferte einen Löwenfrack von glänzendem [127] Schwarz. Mit einigem Herzklopfen zog er die Klingel des stattlichen Hauses; er traf Mutter und Tochter zu Hause, Adele blühender, als sie damals vom Dorfe geschieden war, das Bad im vorigen Sommer hatte ihr so gut getan. Man gratulierte ihm und freute sich über sein Glück, und als er von seiner bescheidenen Zukunft sprach, da sprach sich Adele mit so vielem Feuer über den Reiz und die Poesie des Landlebens aus, daß ihm ganz warm ums Herz wurde und seine kühnsten Hoffnungen wuchsen.

Die Frau Rätin lud ihn auf den Abend zum Tee; ganz berauscht von dieser Güte, von der aristokratischen Atmosphäre, die Adele, das liebliche Wesen, umgab, brachte er die Zwischenzeit im Schloßgarten zu, vermied aber die Bank, auf der er damals mit Luise gesessen; er vermied am Ende seine eigenen Gedanken und trieb sich lieber an den Fenstern der Buch- und Kunstläden herum, bis die Teestunde seiner Meinung nach schlug.

Er kam etwas zu früh, die Mutter war noch ausgegangen; Adele saß allein an dem kleinen, zierlich gedeckten Teetisch. Das Gespräch kam wieder auf ihren Landaufenthalt, auf ihre Neigung zur Einfachheit und Stille überhaupt; es wurde immer lebendiger, immer wärmer, – und ehe die beiden wußten wie, hatte Lehner eine kühne Frage gewagt und eine süße Antwort erhalten, und die Mama traf zu ihrer höchsten Überraschung bei der Nachhausekunft eine erkaltete Teemaschine und ein seliges Paar.

Das kam ihr sehr unerwartet, sie hatte den gesetzten Pfarramtsverweser für eine ganz ungefährliche Person gehalten und andre Erwartungen für ihre junge, schöne Tochter gehegt. Nun aber war es geschehen, Adelens romantische Ideen hatten ihre Pläne überflügelt, und sie war nicht von Stein, hielt auch am Ende den Sperling in der Hand für sicherer als einen Fasan auf dem Dache. Sie erteilte den mütterlichen Segen in sehr herablassender Weise und mit der Voraussetzung, »daß Lehner das Opfer, das ihm ihre Tochter bringe, mit der aufmerksamsten Rücksicht für ihr feinbesaitetes Gemüt und ihre zarte Gesundheit vergelten werde«.

[128] Die Gemeinde des Amtsverwesers mußte sich bis zu seinem Abzug meist ohne Hirten behelfen, er hatte gar zu oft Geschäfte in der Residenz; auch mußte das neue Pfarrhaus nach Angabe der Schwiegermama durchaus tapeziert und der Garten neu angelegt werden. Sämtliche Ersparnisse seiner Amtsverweserzeit wurden dafür und für neue Garderobe aufgewandt: er mußte sich doch in der angesehenen Familie anständig präsentieren. Auch wußte die Schwiegermama immer gar viele Kleinigkeiten, womit er der Kleinen Freude machen würde: Odeurs, Figürchen auf ihren Nipptisch, auch einmal eine Uhr, was für eine pünktliche Pfarrerin unumgänglich nötig sei. Es war ihm immer wie ein Traum, wenn er die üppigen Anstalten für die künftige Einrichtung sah, wenn er neben seiner schönen Braut auf dem weichen Diwan saß, oder wenn er mit ihr ausging und ihren zarten Arm mit reichen Spangen geschmückt in dem seinen hielt und das Rascheln ihres seidenen Kleides hörte; – aber in den Schloßgarten ging er nicht gern spazieren.

Ein einsam Herz

Zehn Jahre waren vergangen seit jenem Abend, wo Luise allein geblieben war im Schloßgarten, allein auf der Welt. Sie lebte nicht mehr bei der Stiefmutter, die zu einer ihrer jüngern Töchter gezogen war: ein Legat des alten Onkels sicherte ihr eine bescheidene Unabhängigkeit, und sie wohnte nun bei Bruder Theodor, der seit einigen Jahren auch in den Hafen einer Pfarrei eingelaufen war.

Also doch in einem Pfarrhaus! Sie war dankbar dafür, und wenn sie auch die Verwaltung von Haus und Garten der rüstigen jungen Schwägerin überlassen mußte, so hatte sie doch im Dorfe ihren stillen Wirkungskreis, und der Bruder nannte sie im Scherz den Herrn Unterpfarrer.

Die Zeit und das Leid waren schonend über ihre Züge hingegangen, die Geduld hatte sich nach den schönen Worten des alten Liedes an ihr bewährt:


[129]
Als wie ein schönes Licht,
Davon, wer an ihm hanget,
Mit Gottes Hilf' erlanget
Ein fröhlich Angesicht.

Sie war nicht unterlegen unter der Wucht ihres Leides, und ehe sie angefangen, das Schicksal und den Geliebten ihrer Jugend anzuklagen um die zerstörte Saat ihrer Freuden und Hoffnungen, hatte sie ernste Rechnung gehalten mit ihrem eigenen Herzen. Was war es, das ihr jetzt die Stunden so lang und schwer machte, die Gegenwart freudlos und die Zukunft öde? was sie alle Abend wünschen ließ, einzuschlafen und nimmer aufzuwachen? War sie nicht nach wie vor das Kind des ewigen Vaters, dessen Tagewerk sie zu vollbringen hatte auf Erden, der ihr einen Trost gegeben hatte und eine selige Hoffnung? Was hatte ihr indessen die Mühe so leicht gemacht und die Arbeit so süß? War es der Aufblick zum Herrn der Ernte oder der Hinblick auf irdische Liebe und irdisches Glück? Sie erkannte die milde Vaterhand, die sie zu sich ziehen wollte, und haderte nicht mehr über den Weg, der sie zum rechten Ziel führen mußte; sie lernte sagen aus tiefstem Herzen:


Du bist's, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Daß wir den Himmel schauen –
Darum so klag' ich nicht.

Vor acht Jahren, als die Hochzeit Lehners in der Residenz gefeiert wurde, hatte sie eine Freundin dort besucht und in einer verborgenen Ecke der Kirche der Trauung zugesehen.

Sie sah zum erstenmal wieder ihre erste und einzige Liebe, Lehners kräftige männliche Gestalt, und an ihn gelehnt die schlanke zarte Braut in schneeweißen Gewändern, in silbergesticktem Schleier und Myrtenkranz.

Sie blickte ruhig hin zum Altare mit ihren stillen Augen, die Hände gefaltet. Kein innigeres Gebet um Segen für die Vermählten ist zum Himmel gestiegen als aus ihrer Seele, und [130] [132]keines aus der Versammlung ist mit ruhigerem, friedevollerem Herzen nach Hause gekehrt als die einsame Luise.

So war sie denn keine schmerzumflossene Niobe; sie war die alte heitere Luise, fröhlich, gutmütig und selbstvergessen, dankbar für all die schönen Tage, die Gott sie hatte erleben lassen, die Hilfe aller Hilfsbedürftigen, die liebe, wenn auch oft mißbrauchte Tante der zwei kleinen Neffen.

Luise saß auch einmal wieder an dem runden Nähtischchen der seligen Mutter, das ihr mehr zu erzählen hatte als alle magnetisierten und klopfenden Tische: von den alten Tagen, wo sie als junges Mädchen dies werte Erbstück glückselig aus der Rumpelkammer geholt; wo später August mit seinem Pfeifchen neben ihr gesessen; wo sie aufblickend ihn hatte von fern durch die Kornfelder schreiten sehen; wo sie, an diesem Tischchen, in den Stunden stiller Arbeit allmählich er kennen gelernt hatte, daß Gott Gedanken des Friedens und nicht des Leides über sie gehabt, – oh, es war ein kostbares Tischchen, samt seinem Fachwerk mit Faden und Bändern und alten Knöpfen von verschiedener Gestalt und der runden Nadelbüchse von Buchsbaum, die ihr August einmal von dem Jahrmarkt mitgebracht!

Der kleine Gustav Adolf, der älteste Sohn und künftige Stammhalter des Geschlechts, kam die Treppe heraufgeklettert und rief: »Tante Uis!« und brachte ihr, stolz über seine Wichtigkeit, einen Brief. Das war eben nichts Seltenes. Luise, obgleich auch jetzt noch nicht stark im Briefschreiben, erhielt zuzeiten Briefe von allen Seiten, je nachdem irgendwo in der Familie eine Krankheit eingekehrt war, eine Kindtaufe, ein Umzug oder eine Reise der Hausfrau bevorstand, und man wußte unten fast gewiß, daß Tante Luise unmittelbar nach Empfang eines Briefes auf den Boden stieg, um ihren alten Lederkoffer hervorzusuchen und auszustäuben, und der Bruder pflegte sie mit der Frage zu empfangen: »Nun, wo ist's diesmal los?« Warum aber bewegte sie dieser Brief in so ganz andrer Weise? Warum stieg ihr das Blut in die Wangen und klopfte ihr Herz und zitterte ihre Hand so heftig, daß sie ihn [132] kaum öffnen konnte? Gustav Adolf, nachdem er vergeblich auf einen Botenlohn oder wenigstens auf Anerkennung von der zerstreuten Tante gewartet, war wieder hinabgeklettert und hatte sie verklagt: »Tante so bös, nix geben, nix g'sagt.« Etwas beunruhigt stieg der Bruder hinauf, um nach dem Inhalt des Briefes zu fragen. Luise hatte sich wieder gefaßt und bereits den Lederkoffer auf den Platz geschafft; der Brief lag offen auf dem Tischchen, und sie gab ihn mit tiefem Erröten dem Bruder zu lesen, während sie sich zu tun machte. Theodor las:

Liebe Luise!
Meine teure Freundin!

Ich habe kein Recht zu diesem Brief und der Bitte, die er enthält, als den Glauben an Ihre selbstvergessene Güte, die ich einst so vielfach erfahren.

Sie wissen, daß ich seit acht Jahren verheiratet bin. Meine liebe Frau, immer von zarter Gesundheit, ist seit einem halben Jahre ganz bettlägerig; meine Kinder sind ohne Mutter, mein Haus ohne Aufsicht, meine Frau ohne rechte Pflege. Wir haben es vielfach mit bezahlter Hilfe versucht, es geht nicht; und, liebe Luise, ich muß ganz offen gegen Sie sein, es ist auch fast unmöglich für unsre Verhältnisse. Da wage ich denn die Frage an Sie: Könnten, wollten Sie uns in dieser äußersten Not beistehen? Ich frage nicht, ob Sie vergeben haben, aber ich frage, ob Sie so weit vergessen können. O Luise! Leidenszeiten, wie ich sie schon durchlebt, sind strenge Richter vergangener Tage! Doch, ich will hier nichts als meine Bitte aussprechen, meine Frage wiederholen: Können, wollen Sie uns beistehen?

Ich will vom künftigen Sonntag an jeden Abend auf der Post zu K. nachsehen, ob Sie nicht da sind: ich kann nicht erwarten, daß Sie kommen, ich wage kaum, es zu hoffen, aber – ich glaube es.

In inniger Hochachtung

August Lehner.


[133] »Und du willst gehen?« fragte heftig der Bruder. »Zu dem, der dich um deine Jugend und dein Lebensglück gebracht, und dem du jetzt gut genug bist zur Krankenwärterin und Haushälterin?« – »Ich will gehen zu denen, die meiner bedürfen,« sagte Luise sanft; »du weißt ja, wie ich über das Vergangene denke; und wenn er mir je Leides getan hat, soll ich Gott nicht danken, der mir vergönnt, ihm Liebes zu tun?« Luise blieb fest, trotz dem Widerspruch des Bruders und den Bedenken der Schwägerin, die sie kopfschüttelnd ziehen lassen mußten, mit dem Schlußurteil: »Man kann auch gar zu gut sein.«

Wiedersehen

Der Abend dämmerte bereits, als Luise vor dem Posthause zu K. abstieg, wo der Pfarrer von Hochbronn bereits ihrer harrte – das erste Wiedersehen seit jener Trennung. Lehner war es gar beklommen zumute, aber Luise bot ihm freundlich die Hand und sagte treuherzig: »Da bin ich denn, und es soll mich freuen, wenn ich euch von Nutzen sein kann.« Nachdem sie für Abladung des Koffers gesorgt und ihre große Tasche an den Arm gehängt hatte, machte sie sich mit dem Pfarrer auf den Weg und bemühte sich, seine Befangenheit zu zerstreuen: »Sie sind nicht mehr in Tannhausen?« – »Ach, nein, nach dem Tode meiner Frau Schwiegermutter hätte es Adele zu sehr angegriffen, noch in der Nähe der Residenz zu sein; auch hielt man die Luft nicht für gut, und – meine Ausgaben nötigten mich, auf einen einträglicheren Dienst zu sehen.« – »Was fehlt denn eigentlich Ihrer Frau?« Mit dieser Frage Luisens war ein Gesprächsthema angeschlagen, das reichlich vorhielt bis zum Pfarrhause. Er erzählte, wie Adele immer nervenschwach gewesen, wie es ihr von den Nerven aufs Herz und vom Herzen wieder in die Glieder und von da auf die Brust gezogen sei; wie die Badereisen in den letzten Jahren ihren Zustand nur immer verschlimmert hätten, und wie sie jetzt so über alle Begriffe angegriffen sei, daß die kleinste Aufregung die heftigsten Krämpfe bringen könne, und dazu die [134] Haushaltung, den Garten, die Kinder mit ihrer Unruhe und unbrauchbare oder eigenwillige Mägde! »Oh, es ist oft ein Elend, von dem Sie keinen Begriff haben.«

»Nun, das wird mit Gottes Hilfe auch wieder besser; wir müssen nur der armen Frau nicht mit häuslichen Sorgen das Herz schwer machen und selbst guten Mut behalten.« – »Ach, wenn ich mich zusammennehme und heiter scheine, so sagt sie, ich sei gleichgültig, und klage ich, so weint sie und wünscht sich den Tod! Aber sie ist bei alledem die beste Frau der Welt, nur der angegriffene Zustand ...«

Sie hatten das Haus erreicht. Es war ein schönes, stattliches Haus, das Pfarrhaus zu Hochbronn, im Mondschein, der die vernachlässigte Umgebung nicht so erkennen ließ wie das Sonnenlicht, und als der Pfarrer die Klingel zog, um die als Fremde einzuführen in sein Haus, die einst so vertrauensvoll ihre Hand in die seine gelegt hatte zum Gang durchs Leben, da durchzuckte wohl beide ein seltsames Gefühl. Zum erstenmal wagte er Luise anzusehen, das helle Mondlicht fiel auf ihre Züge; sie aber blickte ihn an mit einem so klaren, ruhigen Blick, so voll von Frieden und Vergebung, daß dieser Blick ihm die Tiefen eines Herzens zeigte, das über den Stürmen steht und die Welt überwunden hat.

Die Magd kam herab, öffnete das Haus und stellte dem Pfarrer, ehe er die Treppe betrat, Stiefelknecht und Pantoffeln hin. »Meine Frau greift es so an, das Knarren der Stiefel auf der Treppe zu hören,« sagte er entschuldigend zu Luise. – »Aber die Bauern?« fragte diese unwillkürlich. – »Wer vom Dorf ein Anliegen an mich hat, den empfange ich im Schulhaus,« sagte er etwas verlegen.

Die Frau durfte heute nimmer beunruhigt werden mit der Kunde von Luisens Ankunft; Luise genoß den Rest angebrannter Suppe, den die Magd noch warm gehalten hatte, und ließ sich ihr Schlafgemach zeigen. Das Gastzimmer schien längst als Rumpelkammer zu dienen; das Gastbett war ordentlich aufgemacht, nur befand sich unter der Matratze eine Ablage für schmutzige Wäsche; Luise hatte bis tief in die Nacht[135] zu tun, bis sie nur das Zimmer einigermaßen wohnlich geordnet, und poetische Gemüter mögen ihr verzeihen, daß in dieser ersten Nacht unter dem Dach des Hauses, das ihre Heimat hätte werden sollen, die Prosa der Gegenwart mächtiger wurde in ihr als die Poesie der Vergangenheit und daß ihre Gedanken beim Einschlafen sich mehr um künftige Veränderungen im Hauswesen drehten als um begrabene Träume.

Ein Wirkungskreis

Am nächsten Morgen ging sie zeitig in die Küche hinab und fand dort den Pfarrer geschäftig hin und her trippelnd, während er mit dem Schweif seines langen Schlafrocks Zwiebel- und Eierschalen und sonstigen Kehricht, mit dem der Küchenboden bedeckt war, nach sich schleppte; eine stämmige Köchin, wild, wie es schien, über den ungehörigen Eingriff in ihre Rechte, warf ganze Arme voll Scheiter in ein loderndes Feuer, auf dem der Kaffee überkochte, während der Pfarrer mühselig daneben ein kleines Feuerchen auf einer Kohlenschüssel anblies. »Aber was machen Sie da?« fragte Luise verwundert. – »Ach, nur Adelens Moosschokolade,« sagte er, etwas beschämt; »es war indes jeden Morgen der Jammer, daß sie nicht gut bereitet sei, da wollt' ich's selbst einmal versuchen.« – »Nun, das überlassen Sie jetzt mir,« sagte sie, das Feuerchen anblasend, »und gehen ruhig auf Ihre Studierstube. Nicht wahr, wir leiden nicht gern Herren in der Küche?« sagte sie lächelnd zur Köchin hinüber, die, durch diese Vertraulichkeit schon gewonnen, ihren Kaffee in etwas ruhigerer Weise besorgte.

Eben war die Schokolade fertig, als aus einer Hinterstube ein vielstimmiges Geschrei ertönte: »Mine, wo sind meine Schuhe?« – »Ich finde meine Strümpfe nicht!« – »Ich muß andre Hosen haben!« – »Der Otto will aufstehen!« – »Hab' ich die Kindsmagd ins Dorf schicken müssen um Milch,« brummte die Köchin, »jetzt schreien sie gleich alle zusammen! Könnt ihr nicht warten, ihr Racker?« Luise winkte lächelnd den[136] Pfarrer zurück, der soeben mit kläglicher Miene zu Hilfe kommen wollte, und ging hinüber in die Kinderstube, die weder fürs Auge noch für den Geruchsinn anziehend war. Da wälzten sich vier kleine Kreaturen von sieben bis zu zwei Jahren in verschiedenen Stellungen und sehr unreinlichem Nachtzeug auf dem Boden oder im Bett herum, stritten und schrien: »Mich muß man zuerst anziehen!« – »Nein, mich!« – »Meine Schuhe sind ja zerrissen!« Und so fort. Die Erscheinung einer Fremden machte einigen Eindruck, und sie ließen sich lautlos eins ums andre von Luise waschen, kämmen und ankleiden, soweit dies mit höchst mangelhaften Hilfsmitteln überhaupt möglich war. Es war ein unerhörter Vorgang, daß sie noch vor dem Frühstück angekleidet wurden, und sie starrten bald einander, bald die fremde Frau an, die so emsig und rasch an das schwierige Werk ihrer Reinigung ging.

Der Pfarrer war indes noch in Verlegenheit gewesen, wie er Adele von der Ankunft der neuen Hausgenossin benachrichtigen solle, ohne sie zu sehr anzugreifen. Die isländische Moosschokolade bahnte den Weg dazu. »Wer hat sie diesmal gemacht? Die schmeckt nun doch einmal, wie sie soll,« sagte die Kranke, als sie ihr gebracht worden. – »Luise Stein, die ich ja hierher gebeten zu deiner Unterstützung, kam gestern abend und hat sie zu machen versucht.« – »So, das ist gut, ich möchte sie bald sehen.« Es war der Kranken auf dies Sehen bang, wie auf alles, was einem Ereignis glich; aber Luisens anspruchs- und geräuschlose Weise, die herzliche Teilnahme, die ihr die Tränen ins Auge trieb, als sie die junge Frau so krank und abgezehrt auf dem Lager fand, die sie nur einmal gesehen in der Blüte der Jugend und des Glückes, beruhigten diese leicht, und Luise saß bald an ihrem Bette und ordnete ihr die Kissen und reichte ihr den Trank, als hätte sie immer da gesessen. Als nun der Vater draußen beim Frühstück, das in der Studierstube genossen werden mußte, damit die Mutter den Kinderlärm nicht hörte, die Kinder gewaschen und gekleidet vorfand und zum erstenmal keinen Streit zu schlichten hatte, weil alle noch von dem unerhörten Ereignis mit der fremden [137] Frau, die sie gewaschen hatte, verblüfft waren, da dämmerte es ihm seit lange wieder wie das Morgenrot einer besseren Zukunft.

Es war sehr schwierig, dieses Morgenrot heraufzuführen. Luise stieß allenthalben auf solche Berge von Hindernissen, Kammern voll angehäuften unnennbaren Gerümpels, Schränke voll ungeflickter Wäsche; im Besuchzimmer Motten in den eleganten Möbeln, gestickte Vorhänge von Mäusen zerfressen; in den andern Zimmern kein einziges wohlerhaltenes Stück. Der Garten war eine Art von Tiergarten, in dem Katzen und Hunde, Hühner und Gänse freien Spielraum hatten und den die Magd der Bequemlichkeit halber beinahe ganz mit Salat angebaut hatte, an dem sich Herr und Kinder fast krank essen mußten.

Des Pfarrers Studierstube diente bei schlechtem Wetter zur Kinderstube, um der kranken Frau den Lärm ferne zu halten; seine Pfeifen waren ins Gartenhaus verbannt, weil die Frau nicht einmal das Dasein einer Pfeife im Haus ertragen konnte; Schuhe und Speisereste wurden in ein und demselben Kasten verwahrt; – es überstieg Luisens Begriffe, und sie glaubte der Aufgabe erliegen zu müssen.

Sie erlag aber nicht. Sie griff mit frischem Mut an, nicht im Sturm, nur leise und allmählich, aber rastlos und unablässig. Sie drückte über keine ihrer Entdeckungen Verwunderung [138] aus; sie fragte nur die Köchin, ob es ihr nicht etwa so auch passend vorkomme, und ließ sie teilnehmen an jeder Neuerung. »Es ist eine rechte Jungfer,« gab selbst diese zu; »ja, es ist gut mit ihr arbeiten,« gestand auch die Stubenmagd.

Und die Kinder hingen an ihr mit einer Liebe, wie sie sie nimmer erfahren, seit man ihre kleinen Brüder fortgeführt, und folgten ihrem Wink, und der Pfarrer schaute sie so dankbar an, und die Kranke, die nichts ahnte von den Gebirgen, die Luise überstiegen, wenn sie so harmlos zufrieden sich zu ihr setzte, lächelte ihr entgegen, so oft sie ins Zimmer trat. – Luise betete oft, Gott möge ihr ein demütiges Herz erhalten, daß sie sich nicht überhebe, weil ihr so viel anvertraut sei, und sie hatte gar nicht Zeit, an vergangenes Leid zu denken.

Innere Mission

Adele fühlte ihren wohltätigen Einfluß nur allmählich, unsichtbar wie frische gesunde Luft. Sie war so einfach gebildet, diese Luise, ihre Gedanken bewegten sich so im Kreis des Gewöhnlichen; sie schien die reine einfache Gutmütigkeit mit etwas gesundem Hausverstand, und doch lag oft in ihren einfachen Worten eine Tiefe und ein Ernst, die Adele hier etwas ahnen ließen, was sie mit all ihrer Bildung, ihren zarten und schönen Gefühlen bis jetzt noch nicht gefunden hatte: ein Herz, das Frieden geschlossen hatte mit sich und seinem Gott.

Luise schlief bei den Kindern; der kleine Otto, der äußerst schwächlich war, schlief noch sehr unruhig; die erste Hälfte der Nacht aber, wo die Kinder meist ruhig lagen, brachte sie bei der Kranken zu. »Ach, Luise, nicht wahr, ich bin recht wunderlich?« fragte seufzend Adele in einer Nacht, wo Luise sie bald hoch, bald nieder gebettet; ihr bald frisches Wasser, bald warmen Tee gebracht; bald die Lampe gelöscht, bald sie wieder angezündet hatte. »Du weißt ja, daß es mir Freude macht, dir etwas nütze zu sein,« sprach beruhigend Luise. – »Ach [139] nein, du mußt mich nicht auch verwöhnen, wie alle Welt getan. Du hast mir's nie gesagt, und doch ist mir's erst eingefallen, seit du da bist, wie unnötig ich euch plage, wie viel ich an mich selbst denke; gewiß, ich will noch anders werden.« – »Du bist krank, liebe Adele.« – »Oh, ich weiß, wenn du auch krank wärest, du würdest doch anders sein an meiner Stelle. Siehst du, ich war nie recht gesund, und so lang' sie lebte, sorgte meine arme gute Mutter fortwährend, mir jedes Steinchen aus dem Wege zu räumen, und sie brachte es so weit, daß mir ein Sandkorn weh tat; ich war das beste Geschöpf von der Welt und gönnte jedermann alles Gute, nur solange mir selbst nichts abging.

An Bällen konnte ich nicht teilnehmen; so oft die Mutter meinte: man müsse mir armem Tropf doch zu einem bißchen Vergnügen verhelfen, mußte ich es nachher mit wochenlangem Kranksein büßen; da suchte man denn alles Erdenkliche auf, was mir sonst Freude machen könnte: Bücher waren mir das liebste. Oh, wie lebte ich mich ein in diese Welt der Poesie, und mit wie reizenden Farben malte ich mir besonders das Landleben aus! Da lernte ich Lehner kennen ...«

»Hast du ihn lieb gehabt?«

»Nun, weißt du,« sagte Adele errötend, »ich lernte ihn auf dem Lande kennen, da war es eine so große Wohltat, daß er mir vorlas; aber ich hätte doch nicht daran gedacht, je seine Frau zu werden, er war ja sechzehn Jahre älter als ich! Aber als er nach Tannhausen kam, da erst wurde er mir wichtiger, das Pfarrhaus war so einzig! Wir Mädchen alle hatten uns schon in der Nähschule darum gestritten, wer einmal Pfarrerin in Tannhausen werden dürfe, und August kam mir so recht würdig und edel vor ...«

»Hast du ihn denn nicht so gefunden?«

»Ach, gewiß, er ist ganz brav und gut, nur zu gut gegen mich; aber ich hatte mir einen Geistlichen gar nie im Alltagskleid gedacht, und es störte nachher meine Illusion, ihn im gestreiften Schlafrock mit der Pfeife im Munde zu sehen. Nun also, ich fühlte recht, daß mein weichliches, schwankes Wesen einen [140] Halt und eine Stütze brauchte, und ich sagte von Herzen Ja, obgleich es so schnell kam, daß ich nicht recht wußte, wie mir geschah. Und ich ward seine Frau. Nun wollte ich zwar einen Mann, wie ihn sich ein Mädchen denkt: männlich und fest, eine Ulme für den schwanken Efeu; daneben aber hatte mir die Mutter oft und viel gesagt, wie ein unerhörtes Glück es sei für August, daß er mich bekomme, und wie er mich ehren und schonen und auf den Händen tragen werde. Und mein Leben lang hatte man mich gelehrt, zumeist und zunächst an das zu denken, was mir angenehm, was etwa meiner Gesundheit schädlich oder zuträglich sein könnte.

Wo denn einmal August mit der Festigkeit auftreten wollte, die ich mir als Mädchen so reizend gedacht, da tat es mir entsetzlich weh; ich zerfloß in Tränen, wenn er eine verbrannte Suppe tadelte, und bekam ein so bitteres Mitleid mit mir selbst, daß ich mir die ärmste Frau schien und unendlich edelmütig, wenn ich wieder vergab. Dazu kam die Mutter, die in ihrer Güte mich so übermäßig hätschelte und pflegte und schonte, daß mein guter Mann wie ein wahres Monstrum von Gleichgültigkeit und Härte daneben stand.

Es kamen die Kinder. Ich war wirklich der Last nicht gewachsen, und je nötiger dem Haushalt eine tätige, rüstige Frau gewesen wäre, desto schwächer wurde ich. Die Versuche, die ich zu Anfang gemacht, tätig im Haushalt zu wirken, mußt' ich bald unterlassen, und der arme August verzehrte sich in Sorge, daß er mir nicht alle Hilfe und Erleichterung schaffen könne, die mein Zustand fordere. Die gute Mutter war unerschöpflich in Vorschlägen von Bädern, Reisen und Kurorten, die mir gut tun sollten; ich ließ mir alles gefallen, ich hatte nie klare Einsicht in Geldverhältnisse gehabt, und wenn ich auch wußte, daß unser Einkommen nicht reichte, so tröstete ich mich damit, daß ich ja der Mutter einziges Kind sei, die würde uns schon zu rechter Zeit helfen.

Nach der Mutter Tode gingen mir darüber freilich die Augen auf, und ich sah, daß wir lange Jahre ein Leben geführt, das unsre Mittel aufgezehrt; aber ich war körperlich zu [141] schwach und hatte meine geistige Kraft zu wenig geübt, als daß ich jetzt an eine durchgreifende Änderung hätte denken können; ich hoffte, auf dem neuen besseren Dienst würde alles gut werden.

Jetzt erst, Luise, seit du hier bist, sehe ich, daß ich trotz meiner Schwäche hätte mehr tun können, zumal für meine Kinder. Es ist zu spät. Liebe Luise, gewöhne du meine Kinder, das Leben frisch anzufassen und hinzunehmen! Lehre du sie sich selbst vergessen auch im Leiden, daß Gott sie bewahre vor dem Stachel, der unbewußt an meiner Seele genagt hat durch all diese Jahre, an der Seite eines guten Mannes und lieblicher Kinder: behüte sie vor dem Gefühl unerfüllter Pflicht!«

Es war zu spät für die arme Frau, ein neues Leben des Wirkens zu beginnen; aber nicht zu spät, in der Schule des Leidens zu lernen, was noch zu lernen war. Die Kinder, die sonst ängstlich ferngehalten wurden, durften sich nun um ihr Bett sammeln; sie lernte sich freuen an ihnen und teilnehmen an ihren kleinen Leiden und Freuden. Sie war so sanft und geduldig, so besorgt, andre nicht zu bemühen, daß sie ohne die aufmerksame Liebe Luisens und ihres Gatten manches Nötige entbehrt hätte. Und, was vielleicht das Größte, das Ergebnis des schwersten, stillen Kampfes war – sie sah neidlos mit sanftem Lächeln, mit welcher Liebe und Achtung die Kinder an Luise hingen, an sie sich wandten, wie sie von ihr Belehrung und Trost und Hilfe suchten; wie der Pfarrer mit rückhaltlosem Vertrauen alle Angelegenheiten des Hauses und der Kinder in ihre Hand legte und das Gesinde ihren leisesten Wünschen Folge leistete.

Adele fühlte in dieser Verleugnung einen Frieden, wie sie ihn nie empfunden, nicht in den schönsten Tagen ihres kurzen Frühlings; einen Frieden, der ihr Krankenbett den Ihrigen zu einer lieben Heimat, der nach langen, langen Leidenswochen ihr Sterbebett zu einer heiligen Stätte seliger Hoffnung machte.

[142]

Das letzte Opfer

Adele ruhte im Grabe, auf dem schon die weißen Rosen blühten, die Luise vor ihrem Abschied aus dem Pfarrhause noch darauf gepflanzt. Der Pfarrer hatte seinen ältesten Knaben in eine Kostschule gegeben und führte das Hauswesen, das Luise in gute Ordnung gebracht, mit einer braven Magd.‹

Und Luise saß wieder am Nähtischchen in dem Oberstübchen des Bruders; den kleinen Otto, der noch vieler Pflege bedurfte, hatte sie mit sich genommen, er belebte das stille Jungfernstübchen und spielte zu ihren Füßen.

Luise hatte nicht nur gegeben im Pfarrhause zu Hochbronn, sie hatte auch gelernt und an Adelens Kranken- und Sterbebette vieles gewonnen. Die höhere Bildung der jungen Frau, die, als sie von den Schlacken der Selbstsucht gereinigt war, sich wirklich als edler Schatz ihres Innern kundgegeben, hatte den Kreis ihrer eigenen Gefühle und Gedanken erweitert; der ungetrübte Friede, mit dem sie frisch und heiter durch die kleinen Wechselfälle, die unvermeidlichen Störungen des Alltagslebens ging, entsprang mehr noch als zuvor aus einer tieferen Quelle als natürlichem guten Mut: aus einem Herzen, das himmelwärts gestellt war.

Da kam Gustav Adolf, der nun bereits an mensa war und den kleinen Otto gnädig protegierte, auch einmal wieder mit einem Brief in der Tante Stube. Ein Brief vom Pfarrer Lehner an die Pflegerin seines Kindes war nichts Neues mehr, Luise war lange wieder mit der Aufschrift vertraut, – und doch stürzte siedieser Brief in eine Bewegung, wie sie ihr stilles Herz seit Jahren nicht mehr gekannt, so daß Gustav Adolf diesmal die Botschaft ins Wohnzimmer hinunterbrachte: »Die Tante ist ganz betrübt und weint und geht immer in der Stube herum.«

Der Inhalt des Briefes hätte sie nicht mehr überraschen dürfen. Er enthielt die innige herzliche Bitte Lehners, zu allem, was sie ihm und den Seinigen gegeben, noch die höchste Gabe, sich selbst, zu fügen, seinen Kindern eine treue Mutter, [143] seinen einsamen Tagen eine Gefährtin, seinem verwaisten Hause die segnende Hausfrau zu werden.

Luise hätte diese Bitte voraussehen können; ihre Geschwister, der ganze Kreis ihrer Bekannten hatten längst als ganz natürlich erwartet, daß sie des Pfarrers Gattin werde. Er bot ihr eine Heimat, wie sie sich einst gedacht, er war ihre erste und einzige Liebe: und doch – nur ein Frauenherz vielleicht wird glauben und begreifen, daß Luise bei dieser Bitte den schwersten Kampf ihres Lebens mit ihrem weiblichen Stolze zu durchkämpfen hatte. Willig, gerne, ohne Zögern war sie zu ihm geeilt in der bescheidenen Eigenschaft einer Gehilfin des Hauses, einer Pflegerin seiner Frau; sie hatte ihm beigestanden wie eine Schwester, gedient wie eine Magd. Aber sein Weib zu werden, die Hand, die er verschmäht, nun doch in die seine zu legen, nachdem ihre Gefühle für ihn lange schon zur ruhigen, fast mitleidigen Schwesterliebe geworden waren, so daß sie mit einem Herzen, lauter bis zum tiefinnersten Grunde, am Sterbebette seines Weibes hatte stehen können, – dagegen sträubte sich ihr innerstes weibliches Gefühl, und mehr als einmal ergriff sie die Feder, um ihm schwesterlichen Dank für seine Werbung zu sagen und sie abzulehnen.

Aber sie dachte an seine einsame Zukunft, an die verwaisten Kinder, die ihr die Mutter so oft auf die Seele gebunden; sie bedachte, ob es nicht Gottes Finger sei, der ihr hier ihren Wirkungskreis angewiesen, und ob ihr darauf eine andre Antwort zieme als: Siehe, ich bin des Herrn Magd.

So hat sie Ja gesagt und einen stillen Eingang gehalten in das Pfarrhaus, dessen Schwelle sie das erste Mal schon als hilfreicher Engel betreten, und sie ist dem Gatten ein gutes, treues Weib geworden, die ihm Liebes getan und kein Leides sein Leben lang. Ihre fleißige Hand brachte den Segen ins Haus, und Adelens Kinder, die ihre einzigen blieben, wuchsen und gediehen wie Ölzweige.

Ob sie das alte Gefühl ihrer Jugend, das Glück und das volle Vertrauen ihres jungen Herzens wiedergefunden, – ich weiß es nicht, und ich glaube es kaum. Aber ihr Mann wurde [144] gepriesen als ein glücklicher und gesegneter Mann, und er hat in ihr seinen guten Engel erkannt bis zu seinem letzten Hauch.

Ihre Kinder sind mit einer Liebe und Achtung an ihr gehangen, wie sie nur eine Mutter als köstlichste Gottesgabe erbitten kann. Luise ruht nun lange im Grabe neben Adele und ihrem Gatten, und Adelens Söhne sind Männer geworden; aber das Auge der Männer wird feucht, und ihre Hände falten sich wie zum Gebet, wenn sie der zweiten Mutter gedenken und ihrer Treue.

Fußnoten

1 Fiaker und Hunde.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Wildermuth, Ottilie. Die Verschmähte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A7F4-9