Justus Friedrich Wilhelm Zachariä
Der Renommiste

[5] Erstes Buch

Mein Lied besingt den Held, den Degen, Muth und Schlacht
In Jena fürchterlich, in Leipzig frech gemacht.
Der, wenn man ihn erzürnt, ein ganzes Heer bekriegte,
Und wenn er focht, auch schlug, und wenn er schlug, auch siegte.
Ich singe, wie er hat so manchen Feind bekämpft;
Wie sein berühmter Stal des Stutzers Stolz gedämpft,
Den er, als er ihn sah, erst höhnte, dann bestritte,
Und da er ihn bezwang, voll Furcht aus Leipzig ritte.
Wirf einen Blick auf mich, du Geist der Schlägerey,
Damit mein Heldenlied des Helden würdig sey:
So wird die Nachwelt noch aus diesen Blättern lesen:
Wie schön sein letzter Sieg, wer Raufbold einst gewesen.
Da, wo die Pleiße sich mit krummen Fluthen schlingt,
Und durch das ebne Feld und grüne Flächen dringt,
Liegt eine stolze Stadt, die sich wie Tyrus 1 zeiget,
Die durch die Musen prangt, und durch den Handel steiget;
Von der nahm man bereits der Thürme Spitzen wahr;
Die Dächer stellten sich erst Raufbolds Augen dar,
Darauf kam ihm die Pracht von einzeln Häusern nahe,
Bis er zuletzt die Stadt in vollem Glanze sahe.
Ein Spornstich und ein Fluch beflügelten sein Roß;
Der großen Peitsche Knall macht, daß es fliegend schoß;
Er jagt es schäumend fort, und fast im Augenblicke
Legt er den halben Theil des letzten Wegs zurücke.
Es war ein jenisch Pferd. Es flog mehr, als es lief;
Ihm war kein Weg zu schmal, kein Graben war zu tief;
Es sprengt ihn muthig durch; im Laufen und im Setzen
Erfüllt es Wink und Ruf, dem Reuter zum Ergetzen.
Sechs Meilen war es schon in vollem Lauf gerennt;
Es rauchte vor Begier, sein Fuß lief noch behend,
Die Mähnen flatterten, als es in seinem Traben
[5]
Auf einmal stutzig wird. Es setzt durch Busch und Graben,
Schlägt wiehernd hinten aus; ein weißer dicker Schaum,
Der sein Gebiß bedeckt, fließt auf den rothen Zaum.
Und schnaubend steht es still. Halt, Raufbold, laß es stehen,
Sein klärers Auge sieht, was deines nicht gesehen.
Ein Kobold steht vor ihm. Ein jeder Renommist
Hat diesen Geist um sich, der ihm zum Schutzgeist ist.
Er war auch Raufbolds Schutz. Auf allen seinen Wegen
Sah man ihn um ihn her die leichten Schwingen regen.
Da er aus Jena wich, hat er die dünne Luft
Um ihn herum verdickt in einen dunkeln Duft.
Ein Nebel war um ihn, der ihn dem Blick versteckte,
Damit kein Feind von ihm den fernen Weg entdeckte.
Nun sah er, doch zu spät, das seltne Leipzig nah;
Er merkt, daß Raufbolds Blick mit Lust die Thore sah.
»Ha! dacht er bey sich selbst, du denkst daselbst zu bleiben?
Nein, Feiger, meine List soll dieß schon hintertreiben.
Wie leicht vergässest du den Renommistenstand!
Wie leicht wärst du verführt, wie leicht wärst du galant!
Nein! dieß erlaub ich nicht«! Er sagts, und lähmt dem Pferde
Den sonst zu schnellen Fuß. Es stürzt und fällt zur Erde.
So gleich springt Raufbold ab. »Vermaledeytes Thier!
Und du auch fällst mir um?« schrie er voll Rachbegier.
Er schwört, er schreyt, er peitscht und schlägts mit eignen Händen,
Doch es lag, wie es fiel, entkräftet, lahm an Lenden.
Dieß sah er Unmuthsvoll. Er flucht auf diesen Fall:
»Wärst du, o Bestje! nur in des Philisters Stall,
Und hätt ich seiner Hand dich erstlich übergeben;
So möchtest du hernach verrecken oder leben.«
Indem so sah es ihn mit matten Blicken an,
Als spräch es: schone mich, da ich nicht laufen kann!
Sein Finger streichelt es, bis es zu stehn begonnte,
Doch war es so geschwächt, daß es kaum schreiten konnte.
Gespornt geht Raufbolds Fuß mit Unmuth neben her;
[6]
Er führt den müden Gaul. Wie wird das Gehn ihm schwer!
Die Stiefeln drücken ihn; doch er muß sich bequehmen,
Bis dicht an Leipzigs Thor den Weg zu Fuß zu nehmen.
Hier flieht zuletzt die Schmach, die ihn begleitet hat;
Hier wendet sich die Noth, kurz vor der großen Stadt.
Das Schicksal wollte nicht, daß den das Gehn verletzte,
Der wie ein Menzel 2 ritt und Gehn für Schande schätzte.
Er sah kaum, daß sein Roß in etwas wieder sprung,
Als er sich ganz erfreut auf dessen Rücken schwung;
Und da er wieder frey sich in den Sattel wagte,
Frey in den Biegeln stund und durch die Thore jagte.
Mit klatschendem Geräusch ritt er in Leipzig ein.
Die Schatten herrschten schon, doch heller Lampen Schein
War an den Wänden hier, was an den Himmelssphären
Bestralte Sterne sind, die Nacht und Dunst verklären.
Ein Gasthof, dem ein Hecht ein blauer Zierrath war, 3
Stellt ihm Wirth, Lagerstatt, ein eignes Zimmer dar.
Er setzte sich und warf mit grimmiger Geberde,
Den Degen auf den Tisch, die Handschuh auf die Erde.
»Armselger! rief er aus: in Leipzig bist du nun.
Ja hier, wo alles ruht, wird auch dein Degen ruhn.
Wer wird dich, Renommist, allhier zu nennen wagen;
Hier, wo man fast nicht weis, daß Pursche 4 Degen tragen.
Ach! Jena, denkt mein Herz an deine Lust zurück:
O! wie beseufz ich nicht mein widriges Geschick!
O! Schicksal, war denn dieß dein mir geneigter Wille?
O! Schnurren 5, o Pedell«! Hier schwieg er plötzlich stille,
Und warf sein schweres Haupt in die gehöhlte Hand;
Die starren Augen sahn verwirret nach der Wand.
Der Huth, den er bald hoch, bald tief, bald anders rückte,
[7]
Und jeder Blick verrieth, daß ihn die Schwermuth drückte.
Drauf greift er mit der Faust an den geschärften Stahl,
Der auf dem Tische lag, zieht ihn und wetzt dreymal,
Haut dreymal in die Luft und schleudert ihn im Grimme
Entblößet von sich weg, doch ohne Wort und Stimme.
Indem tritt voller Furcht die Jungemagd herein;
Ihr Angesicht erblaßt bey seines Degens Schein;
Ihr Herz klopft voller Angst vor seinen trotzgen Minen,
Die ihr zum Unglück schnell, zum Tödten willig schienen.
»Geht hin, spricht er zu ihr, hohlt mir von Jena drey;
Sprecht, daß ein guter Freund hier angekommen sey,
Der sie zu sehn verlangt; ihr findt sie in der Krone,
Doch seyd gleich wieder da, sonst geb ich euch zum Lohne –«
Sie eilt mit Schrecken fort; die Stimme, die es sprach,
Ließ in der feigen Brust nichts, als Entsetzen, nach;
Die Drohung machte sie, statt ihrer Neigung, flüchtig;
Sie richtet alles aus, zwar voller Furcht, doch richtig.
Dieß Kleeblatt, das er schon in Jena wohl gekannt,
Mit welchem er vorlängst sich Brüderchen genannt,
Das ihm die Jungemagd so schleunig rufen sollte,
Und er in seiner Noth am ersten sprechen wollte,
War itzt in Leipzigs Zucht; doch blieb es roh und wild;
Ihr mürrisch Angesicht war der Verzweiflung Bild.
Wer sich nur unterstund, sie kühnlich anzublicken,
Dem drohte schon ihr Zorn von Sterben und Zerstücken.
Ihr Stichblatt 6, das die Hand an ihrem Degen deckt,
War, wie Medusens Schild 7, der jede Feinde schreckt.
In Leipzig blieben sie von Jena treue Glieder;
Bey ihnen fand man nichts, als Bier, Tabak und Brüder.
Drey Lasen 8 waren stets vom Wurznernasse 9 voll;
Bey ihnen hieß vergnügt so viel, als wild und toll.
[8]
Sie tranken nicht aus Durst. Ihr Trinken war ein Saufen,
Ihr Spiel war ein Gezänk und ihre Freude Raufen.
Die Dirne traf sie gleich, nach edler jenscher Art,
Auf einem Zimmer an. Die Thüre war verwahrt.
Sie klopft. Man ruft: herein! man macht ihr auf und fraget,
Und jeder zieht sich an, und thut, was sie gesaget.
Doch daucht es ihnen fremd, und jeder fragt und rieth:
Wer nach dem blauen Hecht sie wohl so spät beschied.
Doch keiner traf den Zweck; sie forschten, doch verdrossen;
Des Schicksals ewigs Buch blieb unerklärt verschlossen.
Sie gehn, und finden bald was erst verborgen war;
Man öffnete die Thür und Raufbold stellt sich dar.
So gleich sprang jeder zu: Herr Bruder! schrie ein ieder;
Und jeder schlug den Arm um seines Freundes Glieder.
»Welch Schicksal führt dich her? rief endlich einer aus;
Wie bleich, wie blaß bist du? kömmst du von einem Schmauß?
Du kömmst von Jena? Ja! was machen die Scharmanten 10?
Bringst du auch einen Gruß von ieglichem Bekannten?
Was Teufel, wie verwirrt liegt alles um dich her!
Warum das Schwerdt entblößt? Was soll dieß Mordgewehr?«
Doch Raufbold nöthigt sie: laßt euch zusammen nieder.
Sie thatens und er sprach: »Ihr wißt es, werthen Brüder,
Ihr wißt, wie oft mein Stal für Jena sich gewagt;
Wie oft ich ganz allein der Schnurren Heer gejagt;
Ihr wißt, wie sorgsam ich für eure Freyheit wachte,
Wenn sie ein neu Edict uns zu entreißen dachte.
Dafür hab ich den Lohn. Wißt, ich bin relegirt.
Warum? weil ich mein Amt mit Ehr und Ruhm geführt.
Dreymal hatt ich mich nun auf offnem Markt geschlagen,
Und dreymal hatt ich auch den Ruhm davon getragen;
Ich war bereits berühmt, in Stoß und Hiebe schnell;
So störte meine Lust Prorector und Pedell.
[9]
Man forderte mich vor; wie, Brüder, mußt ich schwitzen!
Ich both zwölf Thaler an; nichts konnte mich beschützen.
Ich sollt, ich mußte fort; ein Zettel an der Thür
Und der am schwarzen Brett, die beyde riethens mir.
Nun bin ich, wie ihr seht, in dieses Nest gekommen;
Jedoch recht mit Verdruß hab ich den Weg genommen.
Was ist nunmehr zu thun? Ihr Brüder, rathet mir,
Verlaß ich diesen Ort, wie? oder bleib ich hier?«
Wie, wenn ein großes Volk von Rednern wird beweget,
Sich der zu der Partey, der zu der andern schläget;
Ein murmelndes Getöß die stille Luft durcheilt,
Die Zwietracht drauf das Volk in zwo Parteyen theilt,
Davon die eine will, was jener Mund verneinet,
Bis sich zuletzt das Heer der Streitenden vereinet:
So war auch hier der Streit in Raufbolds Gegenwart.
Der eine sprach, zieh fort, dem andern schien dieß hart,
Und Raufbold war auch selbst, doch insgeheim, entschlossen,
Von Leipzig nicht zu gehn, bis er es recht genossen.
Zuletzt fing einer an: »Hört, was mein Anschlag ist;
Herr Bruder, höre zu. Du bist ein Renommist.
Dieß ist genug, bleib hier; es wird dich nicht gereuen,
Man wird dich eher hier, als dort in Jena, scheuen.
Bleib da, dieß ist mein Rath, besieh erst diesen Ort.
Gefällt er dir, so bleib; wo nicht, so reise fort.
Seht, sprach der Dritte drauf, seht doch die großen Thaten
Könnt ihr der Dinge Reih und ihren Zweck errathen?
Verhindert euer Rath des künftgen Schicksals Wuth,
Daß das, was es beschließt, unwiedertreiblich thut?
Nein, dieses könnt ihr nicht; und doch seyd ihr beflissen,
Durch einen magern Schluß das Künftige zu wissen.
Ein jeder thue das, was ihm erlaubt bedünkt,
Der allerbeste Rath ist dieser: Brüder, trinkt!«
So sprach er und ihm wird der andern Wort gegeben:
»Ja, Bruder, du hast recht, du und dein Rath soll leben!«
Sogleich rief Raufbold laut: schafft Bier! der Hausknecht kam,
[10]
Der in den krummen Arm zwo grüne Lasen nahm;
Er brachte Bier, Tabak, zwo Karten und vier Pfeifen,
Und dann das schönste Stück, ein Paßglas 11 mit zween Greifen.
Zween Vögel, die so oft die Chronicken geziert,
Zween Vögel, welche stets mit Rittern Krieg geführt,
Die zierten dieses Glas, wie sie ein Pfeil verfehlet,
Und dann der Ritter sie mit seiner Lanz entseelet.
»Nun, Brüder, rief der Wirth, zieht eure Kleider aus,
Denn heute geb ich euch den jenschen Abschiedsschmaus.«
Er sagts, und man gehorcht; so gleich lag auf dem Tische
Stock, Kleider, Handschuh, Huth, in seltsamem Gemische.
»Gebt Achtung, rief er aus, gebt Achtung, folget mir!«
Und alsobald füllt er das große Glas mit Bier;
Er säuft dem ersten zu, aufs Wohlseyn der Scharmanten,
Und leert es eher aus, als sie sich dankbar nannten.
Es war den Augenblick von neuem angefüllt,
Daß der gethürmte Schaum bis in die Höhe quillt.
Man folgt ihm treulich nach; man leert es auf zween Züge,
Und wer am besten zog; gewann in diesem Kriege.
Das Bier bewies die Kraft; es ward nun frey erzählt,
Was man vor kurzer Zeit noch insgeheim verhehlt.
Toback und Saufen macht, daß die sich Freunde nennen,
Die vor und nach dem Schmaus sich nur als Feinde kennen.
»Fürwahr, hub einer an, den Ruhm hat diese Stadt,
Daß sie bey Pracht und Schmuck auch schöne Mägdchen hat.
Kennt ihr die Rothmündinn? die ist so schön zu nennen,
Daß wer sie nur erblickt, gleich muß in sie entbrennen.«
Drauf malt er ihr Gesicht mit solchen Farben ab,
Daß eines jeden Kopf ihm nickend Beyfall gab.
Raufbolden hatte selbst ihr Bild vor andern allen,
Die er noch je gesehn, auch unbekannt gefallen.
[11]
Doch er verstellte sich, und sprach nur: Ist sie schön?
Wohlan! so lebe sie! und trank ihr Wohlergehn.
Die andern riefen: hoch! daß das Gemach erschüttert,
Und auf dem nassen Tisch das grüne Paßglas zittert.
Wie, nach Homers Bericht, wenn in dem Trojerstreit,
Mars, gleich zehntausend Mann, aus Schmerz der Wunde schreyt, 12
Das ganze Heer erbebt, nebst Bergen, Thal und Felsen:
So bebt auch hier der Saal von vier Studentenhälsen.
Es steigt zu gleicher Zeit ein blauer Tabacksduft
Aus dem gefüllten Rohr und balsamirt die Luft;
Die Wirbel drehen sich auf wunderbare Weise,
Wie in Cartesens Luft die länglicht runden Kreise. 13
Der Wächter rief Ein Uhr, o unbarmherzger Ton!
O neidscher Seigerschlag 14, warum störst du sie schon?
Recht, man gehorcht dir nicht; ein Hoch, ein Lomberspielen 15
Macht, daß die Augen nicht den Trieb zu schlafen fühlen.
Man trank nach alter Art und jenscher Eigenschaft,
Auf die Bestätigung der alten Brüderschaft.
Dieß daurte, bis das Aug, am rothen Horizonte,
Des grauen Morgens Licht geschwächt erblicken konnte.
»Nun, Brüder, ist es Zeit, brecht auf, es ist vier Uhr:«
So sprach man, als man auf und von den Stühlen fuhr;
»Laßt uns nach Hause gehn, der Schlaf scheint sich zu regen.«
Man taumelt auf, und sucht Stock, Kleider, Huth und Degen.
Doch eh man gänzlich schied, so füllte man das Glas
Noch einmal und recht voll mit braunem Gerstennaß.
Es lebe Bier und Wirth! er trank, im Augenblicke
Zerdrümmert er das Glas, es zitterten die Stücke.
[12]
Ein andrer nimmt den Rest der Pfeifen in die Hand,
Und wirft auf einen Tackt sie krachend an die Wand,
Daß der zerbrochne Thon fast alle Winkel füllte,
Und das bethörte Herz durch sein Zerdrümmern stillte.
Die wüste Lebensart erweckt selbst einen Scheu
In der Verwüster Herz. Sie gehen alle drey
Halb taumelnd, halb verwirrt; bey jedem krummen Schritte
Erbebt der volle Leib und wankt bey jedem Tritte.
Man geht, man eilt zur Ruh, da andrer Aug erwacht,
Und ruft noch einmal aus: Herr Bruder, gute Nacht!

Fußnoten

1 blühende phönizische Handelsstadt.

2 Johann Daniel Mentzel (1698–1744), berüchtigter Husarengeneral und Haudegen.

3 Alle Ortsangaben Zachariäs sind historisch verbürgt. Der Gasthof ›Zum blauen Hecht‹ stand in der Leipziger Nicolaistraße.

4 Burschen.

5 Scharwächter, Häscher. Vgl. S. 69, Anm. 5.

6 Handschutz zwischen Degenklinge und -griff.

7 Zachariä meint den spiegelnden Schild des Perseus.

8 irdene Bierkrüge.

9 Bier aus dem sächsischen Wurzen war in Leipzig beliebt.

10 in der Studentensprache: Mädchen.

11 hohes zylindrisches Stangenglas des 16. und 17. Jh.s, zu Zeiten Zachariäs ein altfränkisches Requisit.

12 Vgl. Ilias V, 859 f.

13 bezieht sich auf René Descartes' (1596–1650) berühmte Wirbeltheorie.

14 Seiger: Zeiger. Zachariä bevorzugt die als elegant geltenden weichen sächsischen Konsonanten.

15 L'hombre, Kartenspiel zu dritt, ein Modespiel der Rokokozeit.

Andres Buch

Der Morgenröthe Blick, der Glanz von einzeln Sternen,
Erhellte dort die Luft, wie hier den Markt Laternen,
Zu dem die Schwärmer gehn, die Bier und Nacht betriegt.
Ein schwirrendes Geschrey, das von den Lippen fliegt,
Und von dem stolzen Bau der Häuser rückwerts prallet,
Macht, daß der weite Platz ertönend wiederschallet.
Des einen rasche Faust nimmt einen glatten Stein,
Und zielt mit diesem Fels nach einer Lampe Schein,
Die, wie ein Sirius, an Schubarths Hause 1 prahlte,
Und aller andern Glanz verdunkelnd überstralte.
Sein Riesenwurf durchfährt der Lampe gläsern Haus;
Er trifft das lichte Docht; es zittert und löscht aus.
Wie, wenn der große Stern Orions schnell verschwindet,
Ihn kein geschärfter Blick, kein Sehrohr wieder findet,
Den Ort, den er beglänzt, ein leeres Blau erfüllt,
Drauf sich der kleine Raum in dunkeln Schatten hüllt:
So sinkt der Luftkreis auch, den diese Lamp erhellet
Ins finstre Schattenreich, da sie ein Wurf zerschellet.
So gleich, da durch den Stein das kleine Haus zerspringt,
[13]
Singt man ein Siegeslied, das man in Jena singt. 2
Ein wildes Lustgeschrey läßt gleich den Sieger leben,
Und dem gewagten Wurf wird nichts als Lob gegeben.
Er, der es freudig hört, wird mehr dadurch entzückt,
Als sich ein Kämpfer freut, wenn ihn der Lorber schmückt.
Den Stein, den er gebraucht, sieht man zum Angedenken,
Mit frölichem Gesicht in seine Tasche senken.
Es hebt nicht weit hievon Schellhafers stolzes Dach 3
Sich prangend in die Höh, um das manch zärtlich Ach
Und mancher Seufzer fliegt, der, wenn sich Liebe härmet,
Hier in der Irre bleibt, und um die Ziegel schwärmet.
Dieß decket einen Saal, den längsten in der Stadt,
An dessen Mauren Fuß man Leipzigs Graben hat,
Wo, wenn der freye Blick die Linden übersteiget,
Sich Bosens Garten Pracht in seiner Anmuth zeiget.
Sein kluger Bauherr hat ihn seit geraumer Zeit
Zur allgemeinen Lust, zum Ball und Schmaus geweiht.
Hilf, Göttinn, daß mein Lied ihn so erhöht besinge,
Daß, wenn er einst zerfällt, sein Ruhm den Staub durchdringe.
Der Fenster lange Reih giebt ihm ein heitres Licht,
Das in verschiedner Form durch reines Glas sich bricht.
Man sieht fast keine Wand; und wo man sie erblicket,
Ist sie durch Kunst und Pracht mit Säulen ausgeschmücket,
Mit Säulen, die zwar erst Corinthens Witz erdacht,
Doch die des Deutschen Hand beglückter nachgemacht,
Da sie nach Marmor Art den groben Stein bezogen,

Und angenehm den Blick, der es erforscht, betrogen. 4 Ein Chor, fast wie der Mond, wenn er zur Hälfte steigt,

An dem manch Schnitzwerk sich mit Liebesgöttern zeigt,
Hängt an der Seitenwand: ihm gegen über lieget
Ein Ofen und Camin, der Kält und Frost besieget.
Auf jenem hört man oft den kriegerischen Klang,
[14]
Der Pauken hohlen Schall, und oft den süßen Zwang,
Der uns gefesselt hält, wenn die gespannten Saiten,
Den Wohlklang zu erhöhn, in tausend Tönen streiten.
Die Neugier sieht bestürzt oft aller Tanzkunst Pracht,
Auf diesem weiten Saal, in einen Ball gebracht;
Der Tänze Vaterland ist er mit Recht zu nennen,
Und manches Ehpaar wird ihn noch im Alter kennen.
Auch itzt war hier ein Ball den Schönen angestellt,
Die man in Leipzig ehrt und für die Schönsten hält.
Trompet und Paukenschall eröffnen Tanz und Reihen,
Und wer die Töne hört, kömmt, sieht und muß sich freuen.
Der leichtgehobne Fuß, durch strengen Takt geführt,
Bewegt sich, daß er kaum den schwanken Boden rührt;
Sein Sprung zertheilt die Luft, und mitten im Erheben
Scheint er, wie Dädals 5 Fuß, in freyer Luft zu schweben.
Selbst die Galanterie, die Göttinn, deren Macht
Der größten Städte Flor durch sich empor gebracht,
Besuchte diesen Ball, und kam von Glanz und Schimmer
Unsichtbar überdeckt in dieß erfüllte Zimmer.
Zum flüchtigen Gewand dient ihr ein Silberstück.
Der blauen Augen Glanz, der buhlerische Blick,
Ihr lockigt weißes Haar, das ihre Stirn umgiebet,
Macht, daß sie jeder kennt, und wer sie sieht, auch liebet.
Sie führt als Königinn zum Zepter einen Stab,
Zu dem ein Elephant die größten Zähne gab.
Er scheint aus einem Stück, und ist doch oft gespalten;
Zween starke Stäbe sinds, die zwanzig schwächre halten.
Die faßt ein güldner Stift; und zierlich eingekerbt
Sind sie halb glänzend weiß, halb blau mit Gold gefärbt.
Bald breiten sie sich aus gleich einem Pfauenschweife;
Bald ziehn sie sich in eins und bilden eine Streife,
Die unten schmäler ist und oben breiter läuft.
Wenn eine Sterbliche solch einen Stab ergreift,
Wird ihm der Menschen Mund den Namen Fächer geben:
[15]
Doch bey der Göttinn ists ein Stab zum Tod und Leben.
Es thut dieß Elfenbein, schweigt gleich ihr schöner Mund,
Des Herzens innern Trieb durch holde Zeichen kund.
Ein Wink, ein sanfter Stoß, ein leichter Schlag erkläret,
Was der zu hoffen hat, der ihr sein Herz gewähret.
Sie zaubert stets damit, wenn sie es flatternd führt;
Facht sie, so wird um sie ein holder West verspührt,
Der die erhitzte Brust, und ihr Gesichte kühlet,
Und säuselnd um ihr Haar und ihre Locken spielet.
Bey dieser Oeffnung rührt den Blick ein künstlich Bild;
Und dieß beschämet selbst Achills berufnen Schild,
In den der schwarze Gott Vulcan weit mehr geetzet,
Was das Gemüth erschreckt, als was den Blick ergetzet.
Hier aber hat die Kunst des Malers angebracht,
Was alle Welt entzückt, was alle dienstbar macht,
Den kleinen Liebesgott mit schalkheitsvollen Blicken,
Den Bogen in der Hand, den Köcher auf dem Rücken,
Wie er mit starkem Arm nach einem Schäfer zielt,
Der, da sein Pfeil ihn trifft, die zärtsten Flammen fühlt.
Die Schöne, die er wünscht, sitzt unter einer Linde,
Im Schatten, der sie deckt; der Hauch vom Westenwinde 6,
Der durch den kleinen Mund aus vollen Backen dringt,
Weht ihr die Seufzer zu, die ihm der Schäfer bringt.
Vor jugendlicher Schaam geht ihr auf jungen Wangen
Das innre Feuer auf; mit Sehnsucht und Verlangen
Wirft sie auf sein Gesicht den ihr getreuen Blick,
Doch da er ihn erreicht, flieht er beschämt zurück.
So kam die Göttinn an, und des Gefolges Menge,
Das sie gehäuft umringt, macht fast den Saal zu enge.
Ihr Liebling ist der Putz, sein silbernes Gewand
Ist reich mit Gold gestickt; sein Haar ist farbigt Band.
Wie um Medusens Haupt gekrümmte dürre Schlangen,
Mit scheußlichem Gezisch, statt krauser Haare, hangen: 7
So sieht man um sein Haupt, durch sanfter Winde Wehn,
[16]
Mit flatterndem Geräusch gefärbtes Band sich drehn.
Die Göttinn kann ihn nur von Männern sehn und leiden;
Denn niemand weis so schön, als er, sie anzukleiden.
Ihm weihn, als einem Gott, die Schönen unsrer Stadt
Den Nachttisch zum Altar, der sie gefesselt hat.
Der Morgen ist bestimmt, ihm Stundenlang zu fröhnen,
Und was der Putz befiehlt, das wollen auch die Schönen,
Und dafür ziert er sie; oft schießt er durch die Luft,
Verwandelt seine Form in einen weißen Duft,
Und senkt sich ihnen dann, in einem zarten Staube,
Indem er sie bereift, auf Locken, Stirn und Haube.
Des Nachts flieht er davon; drum sind zur Morgenzeit
Der Schönen Locken weiß, des Abends nie bestreut.
Nebst diesem zogen auch das Lachen und Vergnügen,
Zween Geister, welche stets mit freyen Schwingen fliegen;
Ein grad- und schlanker Geist, der Tanz, an Füßen leicht,
Der stets im Tacte geht, und Capriolen streicht;
Noch andre traten hier auf den bestäubten Boden,
Mit Schuhen von Brocat; sie heißen neue Moden!
Ein schön gekleidet Heer, doch stets veränderlich,
An welchem die Gestalt bey jedem Anblick wich.
Wie Londens Kleiderpracht sich von Paris geschieden,
Was Leipzigs Zärtlichkeit in beyder Tracht vermieden,
Stellt ihre Kleidung vor, die wie ein Mägdchen ist,
Das jeder eifrig wünscht und wenn ers hat, vergißt.
Die aufgeschmückte Reih der Moden deutscher Lande,
Zog sich vor andern hier in reizendem Gewande,
Mit lächelndem Gesicht um die Galanterie,
Doch in verschiedner Tracht. Die Göttinn liebet sie.
Doch wenn im Kleiderschmuck ihr Wahl und Urtheil fehlet,
Ist Leipzigs Mode die, die sie zur Räthinn wählet.
In Deutschland ist sie fremd; sie stammt von Frankreich ab,
Wo ihr ihr erstes Seyn des Schneiders Werkstatt gab.
Sie hat der Deutschen Art, doch auch der Franzen Sitten;
Drum ist sie beyden werth, bey beyden wohl gelitten.
Komm, Ewigkeit, und sieh, verewge diese Tracht,
[17]
Die diese Mode trägt, die auch ihr Witz erdacht!
Laß ihr gelocktes Haar bey später Nachwelt bleiben,
Laß es der blauen Luft der Sternen einverleiben,
Wo Berenicens Haar in lichtem Schimmer steht, 8
Und wo die Locke glänzt, die Popens Lied 9 erhöht.
Laß die Verwesung nicht in ihren Reifrock dringen;
Du aber, Muse, komm und hilf mir sie besingen!
Ein glänzend schwarzes Haar mit Puder vorn bestäubt,
Das ein erhitzter Stahl in runde Locken treibt,
Macht ihren Nacken voll; die Scheitel bis zur Stirne
Bedeckt ein weißer Schmuck von zart gewebtem Zwirne,
Der vorne sich erhöht in eine Tutel 10 schlägt,
Zur Linken einen Strauß von Federblumen trägt,
Die einzeln und zerstreut rund um das Haupt sich winden,
Und hinten güldnes Band in einer Schleife finden.
Vorn schließt der Schmuck nicht an, steht frey aus dem Gesicht:
So wie ein Stralenschein ein heilig Haupt umflicht.
Um ihre Schultern liegt dicht auf dem stoffnen Kleide,
Die schmale Palatin 11, aus Nesselgarn und Seide,
Auf der so, wie im Lenz, die Gartenbeete blühn,
In buntgefärbter Pracht sich die Galanten ziehn.
Ein seidner Blumenbusch von ungewohnter Größe
Beschattet vor der Brust des halben Busens Blöße;
Und von dem freyen Hals hängt bis zu dessen Flur
Von Perlen größter Art die umgeschlunge Schnur.
Sie trägt den weißen Arm in noch viel weißern Häuten;
Wo doppelt Spitzen sich am Ellenbogen breiten,
Die ihn stets mehr und mehr bey längerm Abstand fliehn,
Sich spitzig tief hinab in vielen Kräuseln ziehn.
So wie ein Perser sich in langen Ermeln zeiget,
[18]
Wenn er im Trauerspiel auf unsre Bühne steiget:
So hängt um ihren Arm, an einem zarten Flor,
Ein zärteres Geweb aus ihrem Kleid hervor.
Ihr Schuh ist niedrig, stumpf, mit aufgesteifter Lasche,
Und eine Schnalle deckt ihn statt des Bandes Masche.
So sieht ihr Bildniß aus; die Leipzger lieben sie,
Und jeder trägt ihr Bild; selbst die Galanterie
Bemüht sich, dieser Tracht in allem nachzuahmen;
Wie diese Mode geht, geht sie und ihre Damen.
Der Pauken letzter Schall verkündigte den Schluß
Des angestellten Balls; der Tänzer müder Fuß
Entzog sich, weil bereits der graue Himmel tagte;
Als die Galanterie dieß zu der Mode sagte:
»Wie glücklich, Freundinn, wächst doch unser beyder Reich!
War Leipzigs Kleiderputz nicht unsern Kleidern gleich?
Mein Ansehn hat den Trutz der Barbarey vertrieben,
Auch schon der Mittelstand fängt an, mich hier zu lieben.
Besieh die ganze Stadt, die meine Macht erhält,
Dieß thut uns jeder nach, was mir und dir gefällt.
Ich und du, Mode, wir, wir sind in größtem Werthe,
Warum? weil ich zuerst, drauf du, zu leben lehrte.
Die Schönen folgen mir; die Stutzer ehren mich;
Und da mein Ansehn wächst, so sieht man auch auf dich.«
Die Mode sprach bereits, nach einem tiefen Neigen:
Doch ein entstandner Lerm zwingt sie bestürzt zu schweigen.
Ein plötzliches Geschrey von Raufbolds voller Schaar
Schlägt schwirrend an ihr Ohr, da sie im Reden war.
Wie, wenn in obrer Luft die letzten Himmelssphären
Ein schnelles Licht bestralt, die Welten zu verklären,
Die lichten Kügelchen im Augenblick sich drehn,
Und auch im Augenblick die fernsten Welten sehn:
So drang dieß Lustgeschrey von Raufbolds vollen Brüdern
Zu der Galanterie auf eines Nords 12 Gefiedern.
Der blanke Degen klirrt; das Pflaster speyet Gluth,
[19]
Und von der Wächter Schaar entflieht sogleich der Muth.
Dreymal bellt ihr Petit 13, der auf dem Schooße zittert,
Dreymal erbebt der Saal, dreymal wird sie erschüttert.
»Geliebte, hört dieß Schreyn, rief sie, von Furcht verstört,
Ist wohl in Leipzig je ein solcher Lerm gehört?
Betäubt auch ein Barbar so sehr die zarten Ohren?
Hat Leipzig auf einmal die Artigkeit verlohren?
Hört auch mein Ohr gewiß? o welch ein wild Geschrey!
Wie, Leipzig, wirst du mir auf einmal ungetreu?
Will der bebänderte nie bloß gesehne Degen,
Ihr Bursche, nun auf mich den Zorn zu Tage legen?«
Die Mode sieht indeß mit aufgebrachtem Sinn,
Voll Unmuth, Furcht und Angst starr auf den Boden hin,
Sie weis nicht, was sie soll zu diesem Lermen sagen,
Jetzt schweigt sie, jetzt will sie beherzt zu reden wagen.
Doch endlich hebt sie an: »o Göttinn, zürne nicht!
Ich weis nicht, was mein Mund zu diesem Rufen spricht.
Mein Herz – – Jedoch die Furcht verbietet ihr zu sprechen,«
Ihr Angesicht erblaßt, die schwarzen Augen brechen.
Ihr Stürmer, haltet ein, sonst ists um euch gethan;
Schon kömmt mit schnellem Flug der Schutzgott Leipzigs an.
Die Stirne zeigt bereits, was er von euch erfahren,
Die Moden machen Platz; er drängt sich durch die Schaaren,
Und schießt, als wie ein Pfeil, auf die Galanterie;
Sein Purpurfittig rauscht; er regt das schnelle Knie,
Als seine flatternden zuschnell bewegten Schwingen,
Durch den geschwinden Schuß, vereint die Luft durchdringen,
Und machen, da ihr Hauch in sein Gefieder bläst,
Daß er am Budelkopf 14 der holden Göttinn stößt.
Wie wenn ein Reuterschwarm durch streitbar muthge Pferde,
Die alle stampfend gehn, den Staub der dürren Erde,
[20]
Gleich einer Wolke, hebt, und in die Lüfte treibt,
Daß der erregte Staub das nahe Feld bestäubt:
So sahn die Moden hier, in runden zarten Theilen,
Den Puder aus dem Haar der Göttinn flüchtig eilen.
Der Locken Wunderbau, das rund gekrümmte Haar,
An dem ein halber Tag mit Müh verschwendet war,
Dieß alles war dahin, und bloß durch sein Versehen.
So gleich hört er betrübt die Göttinn zornig schmähen.
Und da sie auf ihn zürnt, fleht er sie kniend an,
Den Schaden zu verzeihn, den ihr sein Schwung gethan.
»Dein Leipzig, rief er aus, wird sich zum Unglück neigen;
Vier Stürmer sind schon da, die Furcht und Schrecken zeigen.
Ein wüster Renommist, den Jena fortgejagt,
Hat sich durch mein Versehn in unsre Stadt gewagt;
Drey Brüder, die wie er, und er, wie sie, beschaffen,
Die greifen voller Wuth nach ihren wilden Waffen.
Mein Herz erzittert noch; jetzt hört ich ihr Geschrey,
Und wahrlich wir vergehn, steht mir dein Reich nicht bey.
Vor ihnen bebt der Markt, sie schreyen, wie Barbaren,
Als scheuten sie sich nicht vor meinen Wächterschaaren.
Schon Jahre sind sie hier; allein der Schwarm verlacht,
Mit spöttischem Gesicht, noch meiner Kinder Tracht.
Dieß ist der größte Schimpf, den sie auf Leipzig bringen;
Doch, Göttinn, hilf mir nur den Renommisten zwingen.«
Er schwieg; die Göttinn winkt, damit sie niemand stört;
Die Stille schließt den Mund, ein jeder schweigt und hört.
»Es ist schon, war ihr Wort, zu meinem Ohr gedrungen,
Wie frech vorhin der Mund der Rasenden gesungen.
Ich zürne fast auf mich, daß dieser Renommist
Nach Leipzig sich gewagt, und mir zuwider ist.
Jedoch er soll sich noch zu unserm Dienst bekehren,
Die Mode mag ihn gleich der Sitten Ändrung lehren.
So sprach sie, und sie rief der nahen Mode zu:«
»Geh, werthe Freundinn, geh, und störe Raufbolds Ruh!
Erschein ihm, red ihm zu, sein Jena zu verschwören,
[21]
Uns als ein Leipziger vernünftig zu verehren.«
Die Mode sprach darauf: »sogleich soll es geschehn,
Sogleich soll Raufbold sich von mir verändert sehn.«
Sie sagts, und setzet sich auf ihren güldnen Wagen,
Und läßt sich durch die Luft nach seinem Zimmer tragen.
Ein großer Geisterschwarm, ein Complimentenheer,
Setzt sich um sie herum, und macht den Wagen schwer.
Sie werden, wenn der Mund der Menschen sie verhandelt,
Zuerst in obrer Luft in Geisterchen verwandelt.
Sie sind verschiedner Art, die meisten trauren nie,
Sind stets voll Höflichkeit, und beugen Leib und Knie;
Und nießt die Mode nur, so wünscht ihr krummer Rücken,
Das Schicksal wolle sie mit stetem Wohl beglücken.
Beynahe sehen sie wie Liebesgötter aus;
An ihren Häuptern steckt ein ewig grüner Strauß.
Ihr wolligt krauses Haar rollt auf die Schultern nieder,
Und ihren Rücken deckt ein Himmelblau Gefieder.
Verschiedner Herz ist treu; man darf noch ihnen traun;
Die Höflichkeit half sie mit zarter Hand erbaun;
Vom Umgang lernten sie sich zu den Städten wenden,
Und da ihr Wortgepräng geschicklich zu verschwenden.
Die andern, sieht man sie mit scharfen Blicken an,
Entdeckt man halb erstaunt zweyköpficht wie den Jan 15:
Die vordre Stirn beherrscht die Schmeicheley im Glücke,
Und auf der andern wohnt die Falschheit und die Tücke.
Ihr vordres Antlitz weint, wenn oft das hintre lacht,
Mit diesem loben sie, mit jenem wird veracht.
Die erstern siehet man zu ihrer Rechten sinken;
Die letztern setzen sich der Mode zu der Linken.
Der Wagen kam nunmehr vor Raufbolds Zimmer an,
Den itzt der süße Schlaf, der Träume leichter Wahn,
Und auch der Schläger Geist auf seiner Streu bewachte,
Wo jeder ihm die Ruh mehr zu versüßen dachte.
Die Mode stieg herab, die Geister warten hier;
[22]
Ihr luftger Körper gieng durch die verschlossne Thür.
Doch wie erstaunte sie; ein Schwindel kam ihr nahe,
Als sie in Asch und Staub sich und das Zimmer sahe.
Auf dem versenkten Tisch lag das verglimmte Kraut,
Das in Virginien der nackte Mohr erbaut.
Zerbrochner weißer Ton in länglichten Cylindern,
Und Bier und Asche sucht der Göttinn Fuß zu hindern.
Der Taback dampfte noch. Wie, wenn der Teukrer 16 Pracht
In heißen Schutt zerfällt, der rothen Flammen Macht
Mit loderndem Geräusch die laue Luft zertheilet,
Drauf noch ein schwacher Dampf aus den Ruinen eilet:
So dampfte der Taback, den das geschwärzte Rohr
Durchglimmt zurücke ließ, aus seinem Schutt hervor.
Sie floh vom Dampf erblaßt, der ihr Gewand befleckte,
Zu der verwirrten Streu, auf der sich Raufbold streckte.
Sie schüttelte den Kopf vor allem Ungemach,
Und trat noch ganz verwirrt, in jenes Schlafgemach.
Es war zur Morgenzeit; des Mondens falber Schimmer
Schien, als wär er erblaßt, mit Trauren in das Zimmer.
Drauf sprach sie: »der du hier in süßem Schlummer liegst,
Und da kein Gram dich drückt, dich selbsten ruhig wiegst,
Die stille Nacht sagt dir, was dir der Tag verhehlet,
Und Träume melden dir, was deinem Glücke fehlet.
Das Schreyen deiner Schaar hat unsre Lust gestört;
Selbst die Galanterie hat es erstaunt gehört.
Der Schutzgeist Leipzigs kam und hat mit vielen Klagen
Dein allzujenisch Thun der Göttinn vorgetragen.
Sie hört es, und ihr Zorn fiel alsobald auf dich;
Verlangst du sie versöhnt, wohlan so liebe mich.
Ich kann allein ihr Herz, wenn du es willst, versöhnen;
Ich wills, wenn du versprichst, mich nicht mehr zu verhönen.
Sey nur ein Leipziger, verwirf die schlechte Tracht,
Die dich mir fürchterlich, den Stutzern schrecklich macht.
[23]
Dein Zopf verwandle sich in einen schwarzen Beutel;
Dein Huth bedecke nie die aufgeputzte Scheitel.
In Jena ließ dir nur ein kurzer Ermel schön; 17
Weit besser wird dir hier ein langer Aufschlag stehn.
Dich darf kein Oberrock vor Sturm und Wind bewahren;
Auch wenn es regnet, geh mit aufgeschmückten Haaren.
Die Weste, die jetzt kurz um deine Hüften schlägt,
Bau länger, aus Crisett 18 und stark mit Gold belegt.
Beym Reiten laß allein den Fuß die Stiefeln drücken;
Solch eine wilde Tracht muß nur die Krieger schmücken.
Verändre deinen Stal und knüpf um ihn ein Band,
Zum Zeichen, daß du dich zu meinem Reich bekannt.
Für Pfeifen wirst du dir Pomad und Puder handeln;
Dein Paßglas müsse sich in Spiegelglas verwandeln.
Statt gelben Rauchtabacks, der hier noch schmauchend glimmt,
Sey dir der braune Staub von dem Rappe 19 bestimmt.
Dann kannst du dich beliebt zu jungen Stutzern schlagen;
Dann kannst du dich vergnügt vor Leipzigs Schönen wagen.
Eh dieser Tag noch flieht, schick ich dir den Sylvan,
An diesem merke dir, was meine Macht gethan.«
So sprach sie, und entfloh. Er wirft mit trägem Wenden
Sich dreymal grimmig um, greift mit den schweren Händen
Nach dem getreuen Stal, der zu dem Haupte lag,
Und springt halb düstern auf, durch einen Fechterschlag
Ihr, die sich unterstund, die jensche Tracht zu schelten,
Mit Hieben, wie er sprach, die Mühe zu vergelten.
Doch, da er nichts verspührt, so sinkt er träg und matt
Von neuem in die Ruh auf seine Lagerstatt.
Der Renommistengeist hört, doch mit innerm Grimme,
Der Mode lockend Wort, und die Sirenenstimme.
Er lehnet halb bestürzt sich auf ein Fidibus,
[24]
Und stampft dreymal erzürnt mit seinem Fechterfuß.
»Nein, rief er trotzig aus: dich laß ich nicht verführen;
Mod und Galanterie soll meine Stärke spüren.«
Er flüstert ihm ins Ohr: »O Raufbold! alle die,
Die dich zu stürzen drohn, Mod und Galanterie,
Die alle sind zu schwach; so lang ich um dich schweben,
Und dich beschützen kann, muß alles vor dir beben.
Ich bin der Heldengeist, durch den ein Renommist
Stets Lust zum Fechten hat, und nie erschrocken ist.
Ich bin noch jetzt der Geist, ich wars, der dich entrisse,
Da ein behakter Stock dich fast zu Boden schmisse.
Ich bin dir nachgefolgt, ich bins, der vor der Stadt
Dem dir getreuen Roß den Fuß gelähmet hat.
Ich dachte, dich dadurch von Leipzig abzuhalten;
Nun bist du dennoch da, drum laß mich weiter walten.
Nimm nicht die Moden an, die hier im Ansehn sind.
So bald der Morgen graut, so setze dich geschwind
Auf dein geübtes Roß; ich will es wieder heilen,
Es soll von dieser Stadt mit schnellen Schritten eilen.
Wie weit ists, daß von hier das schöne Halle liegt,
Wo noch die Freyheit herscht, wo noch der Pursche siegt.
Da wirst du wieder Ruh und Ruhm und Ehre finden,
Da wird kein Zwang dich mehr als Renommisten binden,
O eile ja geschwind! ein Unglück droht dir hier,
Den Ausgang weis ich nicht, jedoch es ahndet mir.
Es sey groß oder klein, vermeid es, geh auf Halle!
Bleibst du zwey Tage hier, so seh ich dich im Falle.
Indessen ruhe wohl, schlaf süß und sorgenfrey,
Damit dein künftger Weg um desto schneller sey.
Schlaf ruhig, ich will selbst vor deinem Lager wachen.
Wer dich verstören wird, der soll mich zornig machen.«
Er sagts, und Raufbold wird verwegen, wieder froh,
Und schläft von Träumen voll auf dem gestreuten Stroh.

Fußnoten

1 R. A. Schubarth, wohnhaft im Barfüßergäßchen, war Ratsherr.

2 betrifft die rüden Jenaer Studentenlieder.

3 Weinhändler in der Klostergasse.

4 Korinthische Stuckmarmorsäulen sind gemeint.

5 Anspielung auf Dädalus als Erfinder der Flugkunst.

6 hier personifiziert gebraucht, wie ›Zephyr‹ in der Schäferdichtung.

7 wiederum Anspielung auf die Perseus-Sage, vgl. S. 8, Anm. 7.

8 nach dem Gedicht des Kallimachos, das Catull übersetzte (vgl. Nachwort).

9 Der Lockenraub von Alexander Pope.

10 Schneckenrolle.

11 Palatine: Spitzenhalstuch.

12 Nordwind.

13 Name des Schoßhündchens.

14 Für: Pudelkopf. Vgl. S. 12, Anm. 14.

15 Für: Janus.

16 Trojaner.

17 schön lassen: gut stehen.

18 Chrysette: Seidenbrokat.

19 Râpé: Schnupftabak.

[25] Drittes Buch

Die Luft beglänzte schon der Sonne reger Schimmer;
Er warf den güldnen Stral in Raufbolds Ruhezimmer.
Der Vorhang, der ihn brach, und rauschend vor ihn trat,
Zog an der weißen Wand ein länglichtes Qvadrat.
Des Degens Stichblatt schien, in falben Schattenbildern,
Der Schreckkometen Lauf elliptisch abzuschildern.
Ganz Leipzig hub sich schon halb taumelnd in die Höh,
Und trank das schwere Naß, den bräunlichen Caffee;
An jedem Nachttisch ward der Schönen Witz geschäfftig,
Und macht erst ihren Reiz durch fremden Anputz kräftig.
Der Spiegel, der allein sonst unparteyisch war,
Stellt, die kaum häßlich schien, itzt jung und reizend dar,
Und sieht, wie man sich quält, durch einen schwarzen Flecken
Ein feindlich Blätterchen 1 den Stutzern zu verdecken.
Nur Raufbold ruhte noch, und lag, von Sorgen frey,
Bis in den hellen Tag, auf einer harten Streu.
Zwar kostbar schlief er nicht, doch schlief er ohne Kummer,
Und mancher wache Geist versüßt ihm Ruh und Schlummer.
Der Schlaf, den man nur meist in braunen Nächten sieht,
Der, wenn der Morgen glänzt, die muntern Menschen flieht,
Und wenn des Bauers Hand ihn aus den Augen reibet,
In bunte Zimmer flieht, und in den Städten bleibet;
Der fand bey Raufbolds Ruh, da er durch Spiel und Schmaus
Die Nacht zum Tag gemacht, auch noch im Tag ein Haus.
Er schläft und ruht mit ihm, und nimmt die Augenlieder
Zu seinem sanften Sitz, und drückt sie sinkend nieder.
Dieß sieht sein wilder Schutz, der Renommistengeist,
Sein Auge flammt vor Zorn, da er den Schlaf so dreust
Auf Raufbolds Augen sieht; er schwört, ihn zu bestrafen;
Doch läßt er auf sein Flehn ihn und den Helden schlafen.
»Wie, Raufbold? seufzet er, du schläfst? ach wüßtest du,
Wie sehr bey deiner Streu, bey deiner süßen Ruh,
[26]
Dein Schutzgeist sich betrübt; wie würdest du erschrecken;
Die Wangen würden sich mit edler Röthe decken.
Wer weis, ob dich nicht schon der Mode Wort verführt?
Wer weis es, ob nicht schon dein Herz die Neigung spürt,
Die kurze leichte Tracht abtrünnig zu verändern,
Und Hals, und Uhr, und Stock, und Degen zu bebändern?
Wie oft nimmt uns der Glanz von der Verändrung ein – –
Jedoch du bist zu stolz, ein Leipziger zu seyn.
Ein Stiefel reizt dich nur; wich er vor weißen Strümpfen,
Du würdest Jena, dich, und deinen Stal beschimpfen.«
Er schwieg, und setzte sich auf Raufbolds Degenknopf;
Sein sonst so kühner Arm stützt den gebeugten Kopf;
Sein Finger, den er stolz an seine Nase legte,
Wies, daß ein herber Gram sein kühnes Herz bewegte.
Jedoch die Freude kömmt, und heitert sein Gesicht
Und seine Wangen auf; ein aufgeklärtes Licht,
Das von der Stirne schießt, prallt von der Wand zurücke,
Froh wird sein Angesicht, froh werden seine Blicke.
Wie, wenn vom Horizont der schwarze Dunst entflieht,
Ein lächelnd heitres Blau die leere Luft bezieht,
Der Himmel sich entwölkt, und auf den holen Flächen
Die freyen Stralen sich mit regem Lichte brechen:
So floh von seiner Stirn, die erst der Gram umhüllt,
Der Runzeln krumme Reih, der Sorge bleiches Bild.
»Wie, sprach er, soll der Ruf von meinen tapfern Söhnen,
Vom weiten Markt allein bis zu der Mod ertönen?
Nein! mein bewiesner Muth verstöhr ihr neues Reich,
Mach ihre Hülfe schwach, und Leipzig Jena gleich!
Den gelben Caffeegott will ich zuerst verführen;
Dann sollen meine List die andern Geister spüren.«
Sogleich macht er aus Luft, die er geschwind verdickt,
Sich einen Oberrock, den keine Steife drückt.
Er macht sich dieß Gewand, Jenensern gleich zu gehen,
Und daß er jenisch sey, auch schweigend zu gestehen.
Sein Fittig, der beynah dem großen Handschuh glich,
Macht, daß er, wie Mercur, die leichte Luft durchstrich.
[27]
Da, wo Schellhafers Haus die festen Mauern endet,
Ragt, wenn man seinen Blick schief gegenüber wendet,
Ein glänzend Haus empor, das durch die neue Pracht
Fast einem Schlosse gleicht, Paläste finster macht.
So, wie im dicken Wald, ein Kranz bejahrter Eichen,
Durch seine Wipfel droht, den Himmel zu erreichen,
Ein schlanker Tannenbaum sie sämmtlich übereilt,
Und durch sein grünes Haupt die Wolken fast zertheilt:
So streckt dieß stolze Haus den Giebel in die Lüfte,
Und hüllet oft das Dach in falben Rauch und Düfte.
Der Eingang zeigt sogleich in einer Schilderey,
Daß dieß des Caffeegotts geweihter Tempel sey.
Es liegt ein Araber an dieses Gottes Baume;
Ihm bringt, in flachem Gold, von dem durchsüßten Schaume,
Den man aus Bohnen kocht, die die Levante schickt,
Ein nackter Liebesgott, der lächelnd auf ihn blickt,
Ein volles Köpfchen dar; er nimmt es, sich zu laben;
Dieß ist aus Stein gehaun, und durch die Kunst erhaben.
Im Innern wird man gleich den rauchenden Altar,
Woselbst auf flachem Thron der Caffee sitzt, gewahr.
Er muß ein Löffelchen, anstatt des Zepters, führen,
Und ihn ein Zuckerhut statt einer Krone zieren.
An seiner Seite brennt die Lamp in blauer Glut,
Auf der sein trinkbar Gold in einem Kessel ruht;
Das Wasser sprudelt auf, sein Pulver schlägt es nieder,
Doch hebt sichs, wie erzürnt, mit schwarzen Wellen wieder.
Er trinkt, indem er nichts, als nur die Lippen regt.
Sein lüftiges Gewand, das um die Hüften schlägt,
Ist braun, wie sein Gesicht. Es steht auf Nebentischen
Gebacknes Zuckerwerk, den Trank damit zu mischen.
Der Renommistengeist trat kühn in das Gemach;
Er beugte sich verstellt vor seinem Thron, und sprach:
»Du, dessen brauner Trank die Leipziger belebet,
Mein jenisches Gewand, das um die Schultern schwebet,
Zeigt, daß ein fremder Geist zu deinem Thron sich naht,
[28]
Der, deine Pracht zu sehn, vergnügt aus Jena trat.
Doch, wie bin ich erstaunt! wie ist dein Glanz verheeret!
Die Tempel, wo man dich durch Knasterdampf verehret,
Wo man in Porcellan dir Opfer dargebracht,
Hat einer Göttinn Wort vom Volk entblößt gemacht.
Nur einzeln und zerstreut sieht man auf deinen Häusern,
In niederm Pöbelvolk, dein mächtig Reich sich äußern.
Die Stutzer dieser Stadt sind meist von dir getrennt,
Da ihre ganze Schaar den Thee als Gott erkennt.
Du weißt nicht, wie man dich und deinen Trank verschmähet,
Da Mittags auch sogar Thee auf den Tischen stehet.
Früh, wenn man ungeputzt vom Schlafe kaum erwacht,
Wird, dir zum größten Schimpf, dein brauner Trank gebracht.
Und hat die Mode nicht die Neuerung ersonnen?
Hat die Galanterie nicht solches angesponnen?
Und dennoch bleibest du der falschen Göttinn treu?
Und dennoch stehst du ihr und ihrem Reiche bey?
Nein, Jena, das zu sehn, nur Leipziger verschwören,
Weis, itzo zwar noch wild, doch treu, dich zu verehren.
Es trinket nicht dein Naß mit vieler Zärtlichkeit.
Hier ehrt man dich durch Furcht, in Jena, daß man schreyt,
Folgst du denn, als ein Gott, der Mode neuen Willen?
Willst du, was sie befiehlt, auch als ein Sklav erfüllen?«
Er schwieg. Der faule Gott setzt erst mit träger Hand
Durch brennendes Papier die Lamp in neuen Brand;
Dreymal erhellt dieß Licht den Dampf durch lichte Stralen,
Und dreymal macht er erst die angefüllten Schalen
Mit seinen Lippen leer, eh er das Schweigen brach.
Jedoch des Kobolds Fluch macht, daß er dieses sprach:
»Geist, warum suchst du dich vergeblich zu bemühen,
Mich durch ein kriegrisch Wort in deinen Streit zu ziehen?
Zuerst zeigt mir dein Fluch, daß du von Jena kömmst;
Dann, daß du auch den Lauf der besten Moden hemmst.
Was schwächt es meine Macht, daß man am frühen Morgen
[29]
Mein nährend Wasser trinkt, wo man noch leer von Sorgen,
Frey von Besuchen ist? Geh, dieß ist, was ich will;
Zum Krieg bin ich zu sanft, zum Zank bin ich zu still.
O, rief der Kobold drauf, welch ein verzagt Gemüthe!
So wallt denn auch in dir dieß weibische Geblüte,
Das die Galanterie und alles zitternd macht,
Wenn man von ungefähr an Krieg und Stal gedacht?
Ja, ja, mehr als zu still – – doch wirst du meinen Streichen
Darum entgehn – –? er schwieg; der Zorn hieß ihm entweichen.«
Er eilt, sein wilder Schwung trägt ihn behend zurück;
Halb rasend, halb betrübt flammt sein verdrehter Blick.
Die Mode, die indeß mit halb verworrnen Haaren
Zurückgekommen war, rief von den treuen Schaaren
Den aufgeschmückten Putz; er kam, und sie fing an:
»Geh, eile durch die Luft zu meinem Sohn, Sylvan!
Erweck ihn, hilf sein Haar durch heißes Eisen beugen,
Laß ihn im Festgewand mit voller Pracht sich zeigen,
Daß man ihn, als das Haupt der Stutzer, prangen sieht;
Und wenn er denn geschmückt die Augen auf sich zieht:
So laß ihn in den Hecht zum Renommisten tragen,
Der wird, wenn er ihn sieht, der kurzen Tracht entsagen.«
So sprach sie; und ihn trägt der Flügel flatternd Paar
Durch die zertheilte Luft; sein buntgefärbtes Haar
Scheint von dem sanften West itzt flatternd, itzt zerflogen,
Und macht den Sterblichen den schönsten Regenbogen.
Sein halb mit Gold gestickt, halb silbernes Gewand,
Das er mit weiser Faust nachläßig um sich band,
Wies in der obern Luft den allerreinsten Schimmer.
Indem erreicht sein Fuß Sylvans geschmücktes Zimmer.
Sogleich verweilt den Blick die aufgeputzte Wand,
An der er manch Gemäld auf bunten Tüchern fand.
Zween Spiegel, deren Last zwo große Schleifen hielten,
Die neidisch auf sich selbst mit gleichen Bildern spielten,
Entdeckten diesem Geist, der ihre Ränder maß,
[30]
Sein oft gesehnes Bild durch ihr getreues Glas.
Dicht unter jedem mußt ein Armstuhl sich erhöhen,
Und an der Thüre sah man zweene Sessel stehen:
Doch konnt ihn dießmal nur die Ordnung halb erfreun;
Er ging geschwind hindurch ins Schlafgemach hinein,
Woselbst ein Nachttisch stund, mit Puder überzogen,
Von dem die Stäubchen noch um seine Fläche flogen.
Sylvan lag noch im Schlaf; dieß sah der Putz, und sprach:
»Auf! junger Herr, gieb itzt dem Schlummer nicht mehr nach!
Auf! eine Gottheit selbst befiehlt dir, zu erwachen;
Die Mode schickt mich her, dich heute schön zu machen.
Hör, Raufbold ist ietzt hier, in Jena sonst dein Freund,
Besuch ihn doch, daß ihm dein Anzug reizend scheint.
Er wohnt im blauen Hecht; geh hin, ihn zu bekehren,
Ein Leipziger zu seyn, die Mode zu verehren.«
Sogleich erwacht Sylvan; man hat ihn sonst gesehn,
Da er von Jena kam, Jenensern ähnlich gehn:
Doch da er Stutzer sah, lernt er sein Kleid verachten;
Er ward ihr Oberhaupt, der erste neuer Trachten.
So, wie ein Renegat weit mehr die Christen scheut,
Als der, dem die Geburt den Alcoran 2 gebeut:
So schien er auch hernach Jenenser mehr zu hassen,
Als Leipziger nicht thun, die Leipzig nie verlassen.
Er warf den Schlafrock um, noch halb vom Schlaf entstellt
Und da der rasche Stoff von seinen Achseln fällt,
Macht er ein sanft Getön, indem die seidnen Falten
Mit schwirrendem Geräusch von ihm zurücke prallten.
Wie, wenn von Chloens Hut das Band vom Damon hängt,
Der schalkheitsvolle West sich in denselben fängt,
Es wirbelnd um sich dreht, itzt rollend schnell vereinet,
Und wenn ers flatternd hebt, es zu entführen scheinet,
Die Schäferinn sogleich ein reges Säuseln spürt;
So rauscht der Schlafrock auch, da ihn Sylvan berührt.
[31]
»Was, sprach er, hab ich nicht in diesem Traum gesehen?
Ists wahr, ist Raufbold da; so muß ich zu ihm gehen.
In Jena kannt ich ihn als Bruder und als Freund:
Wer weis, er wird wohl hier den kurzen Kleidern feind,
Und kleidet sich, wie ich?« So sprach er voller Freuden;
Sein Diener trat herein, und half ihm zierlich kleiden.
Ein weißer seidner Strumpf umwickelte das Knie;
Die hohe Lasch am Schuh war durch des Schusters Müh
Mit schmalem Band besetzt, und auf den schwarzen Flächen
Sah man den breiten Riem tombackne Schnallen brechen.
Des Puders zarter Staub fiel wolkicht auf sein Haar,
Dem ein erhitzter Stahl der Locken Ursprung war.
Der Putz half sein Tupe 3 mit klugen Fingern thürmen,
Und setzte sich darauf, es tapfer zu beschirmen.
Den weißen Hals umschloß ein schwarzes seidnes Band,
Das sich bey seinem Kinn in eine Schleife wand.
Ein neuer Modezeug aus rosenfarbner Seide,
Voll Laubwerk schön gewebt, dient ihm zum Oberkleide,
Das an der breiten Schooß sich tief in Falten zog,
Und an der Brust gesteift halb rund sich auswärts bog.
Der Leib war kurz im Schnitt, der Ermel lang gestrecket,
Der den sonst freyen Arm bis an den Knöchel decket,
Um den in gradem Strich ein langer Aufschlag liegt,
Der unten aufgeschlitzt, gleich einem Viereck, fliegt,
Und nur bis ans Gelenk des Ellenbogens steiget,
Wo er in gleicher Reih fünf güldne Knöpfe zeiget.
Es deckt die kleine Hand der zärteste Battist,
Der kraus in Falten liegt, und vorne bogicht ist,
Durch glühend Eisen krumm, macht er durch seine Länge
In einer Zirkelform ein flatterndes Gepränge.
Dieß ist das obre Blatt, das an die Finger reicht.
Wenn es, vom Wind bewegt, etwas zurücke weicht:
So sieht man seine Hand noch kleinre Krausen decken,
Die ihre Falten kurz nach alter Mode strecken.
[32]
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weste Rand;
Grisett hieß man den Stoff, aus welchem sie entstand;
Seit gestern hatt er sie; die Farbe glich den Lüften,
Wenn sie der Frühling leert, von den geschwärzten Düften.
Der Hüften enges Kleid war schwarzer Groditur 4,
Und die beglänzte noch das göldne Band der Uhr,
Die seine Tasche zwar halb zeigte, halb verhehlte,
Doch die er gänzlich wies, wenn er etwas erzählte.
Zuletzt ergriff er noch den leichten Stutzerstal;
Er hatt um sein Gewind, nach einer langen Wahl,
Ein bläulicht Band geknüpft, und um sich nie zu schlagen,
Wollt er ihn ungeschärft, und ohne Stichblatt tragen.
Sein Rohr aus Indien ziert ein besondrer Knopf;
Er war aus Porcellan ein Frauenzimmerkopf;
Der unbelebte Ton schien lächelnd zu entzücken;
Der Reiz war auf der Stirn, der Muthwill in den Blicken.
Nunmehro stellt er sich mit aufgebautem Haar,
In Kleidern, als das Haupt von Leipzigs Stutzern dar.
Eh die bemühte Hand den langen Anzug endet,
War zweyer Stunden Zeit, jedoch mit Ruhm, verschwendet.
Wie, wenn die kühle Nacht die nassen Felder flieht,
Und an dem Horizont die Morgenröthe glüht,
Die Rose, deren Haupt der Thau zur Erde zwinget,
Es itzund freudig hebt, da sie der Tag verjünget,
Die rothe Höhle sich erst nach und nach entschließt,
Bis, wenn ein Sonnenstral auf ihre Fläche schießt,
Der weichen Blätter Reih in runder Form sich spreitet,
Und endlich auf einmal sich auseinander breitet:
So wuchs bey jedem Stück der neuerfundnen Tracht,
Doch erstlich nach und nach Sylvans gehäufte Pracht,
Bis, da sich um den Leib die seidne Kleidung beugte,
Er sich auf einmal schön, auf einmal reizend zeigte.
Der Tanz hub seinen Fuß; er gieng zum Spiegelglas,
Wo er Tupe und Haar noch einmal klügelnd maß.
[33]
Doch hätt ihn, da der Putz ihm allzuschön geglücket,
Beynah sein eignes Bild, wie den Narciß, entzücket.
»Ja, Raufbold, rief er aus, bist du auch noch so wild:
So reizt dich doch, wie mich, mein allzureizend Bild.
Wärst du auch ein Barbar, so muß ich dich vergnügen;
Der Leipziger zeigt sich in allen meinen Zügen.«
Indeß trat sein Lakay vergnügt in das Gemach:
»Herr, sprach er, auf ihr Wort fragt ich im Hechte nach,
Herr Raufbold ist schon da; gleich wird die Sänfte kommen,
Die ich zu ihrem Dienst mit mir hieher genommen.«
Sogleich war er bereit; jedoch, indem er geht,
So schickt er noch zuvor zur Mode dieß Gebeth:
»O Göttinn! der ich hier vor meinem Nachttisch diene,
O Mode! sieh auf mich, doch mit geneigter Mine.
Die Sänfte bringt mich itzt zu Raufbolds Zimmer hin:
Hilf mir, daß ich ihm doch als Freund auch reizend bin!
Laß diesen Renommist durch meine Kunst bekehren:
Als Bruder liebt er mich, als Freund mag er mich hören.
Wirf meiner Kleidung Reiz, den Haaren Schönheit zu,
Und kurz, Gesicht und Tracht sey, Göttinn, so wie du.
Hilf, daß dieß lange Rohr sein wildes Herz bewege!
Mir mach Beständigkeit, und ihm Verlangen rege!«
So sprach er, und sein Wort drang zu der Göttinn Höhn.
Die Mode sah auf ihn, und hörte dieses Flehn.
Sie winkt; sogleich sieht sie der Geister rege Schaaren,
Die mit geschloßner Reih und gaukelnd um sie waren.
»Ihr Complimente, fliegt, strengt eure Flügel an,
Und schwebt mit starker Kraft um meinen Sohn, Sylvan.
Beschützt ihn; denn er will zum Renommisten gehen.
Vielleicht kann ich durch ihn sein Herz verändert sehen,
Da er vor kurzem mir sehr schlechte Hoffnung gab.«
So sprach sie, und der Schwarm stürzt sich sogleich herab.
Ihr Wort war von der Kraft, sie sämmtlich aufzuwiegeln.
Sie winkt, dieß war genug, die Geister zu beflügeln.
Sylvan stund in der Thür, die Sänfte war schon da,
[34]
Als ihn bereits von fern der Blick der Geister sah;
Sogleich sah man das Heer um seine Sänfte schweben;
Sogleich ward Lipp und Mund von ihrer Schaar umgeben.
Da der getreue Putz, der sein Tupe geschmückt,
Und auf der Spitze saß, sie um sich her erblickt,
Rief er gebiethrisch aus: »Ihr Geister, kommt und höret,
Was euch der Putz befiehlt, was euch die Mode lehret.
Ich weis, sie schickt euch her, um den Sylvan zu seyn;
Drum nehmt auch euren Platz nach ihrem Willen ein.
Du, zierlicher Brador, setz dich auf seine Schleife,
So, daß um seinen Hals dein schwarz Gefieder streife:
Und wenn der Geist Podan die Füß ihm zierlich beugt;
So mach du, daß sein Haupt sich gleichfalls höflich neigt.
Du aber, Seladon, liebäugle mit den Blicken,
Die Schönen, die ihn sehn, betrügrisch zu bestricken.
Beredter Florimand, den Mund eröffne du, 5
Wenn sein Verstand nicht denkt; und denkt er, schließ ihn zu.
Ihr andern Geister könnt auf seinem Hute sitzen,
Die Dresse 6 soll ein Theil, ein Theil die Masche schützen.
Da, wo sein schroff Tupe die höchste Spitze macht,
Seh ich auf euch herab; nehmt ihr mein Wort in Acht;
Und wird Sylvan beschützt: so werd ich euch beglücken;
Wo nicht, so sollen euch die schwersten Strafen drücken.
Der eine soll zwölf Jahr mit steifem Rücken stehn,
Der andre soll niemals nach jungen Schönen sehn,
Der dritte, wenn er scherzt, soll stets vernünftig scherzen,
Und Tobacksdampf soll euch die blauen Flügel schwärzen.«
So sprach er, und die Schaar wird durch die Ehr entflammt;
Mit stolzem Angesicht eilt jeder an sein Amt.
Indessen läßt Sylvan die Thür der Sänfte schließen,
Die Träger schreiten fort, mit weitgedehnten Füßen.
[35]
Und wie? der Renommist schließt noch die Augen zu?
Nein, der bemühte Tag verjagt die faule Ruh:
Und Raufbold hebt sein Haupt dem hohen Tag entgegen,
Vom harten Stroh empor, auf dem er sanft gelegen.
Da er an seinen Fuß den engen Stiefel zwang,
Erscholl von seinem Mund ein jenischer Gesang:
»Dem Biere günstig seyn, die Schnurren zu bekriegen,
Im Zweykampf fest zu stehn, den Bürger zu betrügen,
Wenn man die Schuld ihm läßt, und ohne Schuld entflieht:«
Dieß sang er männlich ab; dieß war sein Morgenlied.
Drauf sprach er, da den Fuß die harten Stiefel drücken,
Von Donner, Blitz und Tod, und Schlagen und Zerstücken.
Er gieng nun in den Stall, sein treues Roß zu sehn.
Jedoch der Stutzer kam, und zwang ihn, still zu stehn.
Sein Glanz war allzugroß; zwar hielt er nicht die Blicke,
Doch den gehobnen Fuß, und ihn zugleich zurücke.
Wie, wenn ein leichter Hirsch dem schnellen Hund entweicht,
In flüchtigem Entfliehn durch rasche Büsche streicht;
Mit zackigtem Geweyh das leere Feld durcheilet,
Doch wenn das Horn ertönt, die Flucht etwas verweilet,
In seinem Laufe stutzt, die schlaffen Ohren spitzt:
So stutzt auch Raufbold erst; doch gleich wird er erhitzt,
Da er ihn selber sieht. Je mehr Sylvan sich nahte,
Jemehr verdroß ihn auch der Glanz von seinem Staate.
Sein Renommistenblick, der seitwärts auf ihn flog,
Und prallend eine Form von spitzen Winkeln zog,
Vermochte seinen Zorn, auch da er schwieg, zu zeigen.
Der Stutzer sah dieß an, und brach das lange Schweigen:
»Wie? Raufbold! rief er aus; wie? kennst du mich nicht mehr?
Ists möglich, fällt es dir, mich zu umarmen, schwer?
O Freund! soll ich dein Herz, wie dein Gesicht betrachten;
So kennst du mich nicht mehr; so willst du mich verachten.«
Nein, dachte Raufbolds Herz, ich weis wohl, wer du bist;
Jedoch in solcher Tracht kennt dich kein Renommist.
[36]
Wo du, o Feiger, willst an Jena untreu werden:
So kenn ich dich auch nicht in leipziger Geberden.
Er stellte sich bestürzt, und fragt ihn, wer er sey:
O! rief der Stutzer drauf: »Freund, du bist ungetreu.
Hätt ich doch nur mein Haar vergeblich nicht gebogen;
Müh, Fleiß und Putz sind hin; ich sehe mich betrogen.
Ja, ja, umsonst bin ich um neun Uhr aufgewacht;
Und itzo wird nicht mehr, Sylvan, an dich gedacht?«
Sylvan? sprach Raufbold drauf, mit angenommner Freude,
»Mein Seel! ich kannt dich nicht, in deinem stolzen Kleide.
Obgleich dein Mund verstellt, und nicht mehr jenisch spricht:
So kenn ich doch nunmehr dein weißes Angesicht.
Da, geh in dieß Gemach, gleich werd ich dich umarmen;
Jetzt, Bruder, muß ich mich des kranken Pferds erbarmen.
Ich weis, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich geh,
Und nach der Reis einmal den armen Gaul beseh.«
Er sagts, und geht hinab, zu seinem kranken Pferde,
Der Stutzer ins Gemach, mit zorniger Gebehrde.
Was Raufbold itzt gethan, schien ihm ein solch Vergehn,
Daß er im Zorne schwur, sein rieselnd Blut zu sehn.
Die Geister, die indeß theils auf des Hutes Dressen,
Theils auf dem weißen Haar um ihn herum gesessen,
Ersahen, daß er sich zu setzen Willens war;
Und gleich den Augenblick flog von der wachen Schaar
Das Compliment herab, das, wenn es Stühle bringet,
Uns höflich, oft auch falsch, zum Niederlassen zwinget.
Gleich nimmt es einen Stuhl mit der geschloßnen Hand,
Und bringt ihn unsichtbar dem Stutzer, der noch stand:
So, wie in dem Homer ein Dreyfuß Leben heget,
Der zu den Göttern sich mit stolzem Gang beweget.
Sylvan, der es nicht sah, setzt sich ergrimmt darauf,
Und noch vom Zorn erfüllt, läßt er den Klagen Lauf.
»Ach, seufzt er, bin ich denn noch nicht genug verschmähet,
Daß er mich einsam läßt, und erst zum Pferde gehet?
Erst machte, wie er sprach, dieß leipziger Gewand
[37]
Dem falschen Raufbold mich verhaßt und unbekannt;
Nun will er auch sogar – – jedoch ich will mich rächen,
Ich will – – Er schwieg; der Zorn verwehrt ihn, mehr zu sprechen.«
Der Augen funkelnd Paar verdrehte bald der Harm,
Und bald die bleiche Wuth; er bog den rechten Arm,
Schloß seine weiße Hand, droht mit galanten Fluchen,
Aus Rach an ihm dereinst den Degen zu versuchen.
Der Renommistengeist kam aus dem Stall zurück;
Die Neugier lenkt sogleich auf den Sylvan den Blick;
Doch wie verdroß es ihn, da er den Puder wittert!
Sein Fluch macht, daß das Heer der Complimente zittert.
Der Putz, ihr Führer, bebt, und jeder wird erschreckt,
Da dieser wilde Geist mit Lachen sie entdeckt.
Wie, wenn die Frösch im Lenz aus lauen Sümpfen fliehen,
Und aus dem dichten Schilf an grüne Ränder ziehen,
Die Schaar, wenn etwas rauscht, vom Rand ins Wasser hüpft,
Mit schlüpfrigem Geräusch in schlanke Binsen schlüpft,
Bis auf den Boden sinkt, und sich erst sicher schätzet,
Wenn in dem Wassergras das Heer vertraulich schwätzet;
Jedoch so bald die Fluth nicht mehr von Wellen bebt,
Der kühnste Frosch zuerst sein dickes Haupt erhebt;
Und wenn sein grüner Leib kein zitternd Wasser fühlet,
Mit seinen Füßen steigt, und auf der Fläche spielet:
So bebt vor seinem Blick der Geister feige Schaar.
Der von der Furcht gejagt, verbirgt sich in sein Haar;
Der in den großen Hut, und jener in die Schatten,
Wo unter seinem Kinn sich Hals und Schleife gatten.
Dieß sah der wilde Geist; er rief, indem er lacht:
»Hört, Geister, nehmt ihr auch den Stutzer so in Acht?
Warum flieht ihr vor mir? ich werd euch nicht verderben;
Ihr seyd zu schön geputzt, und allzuklein zum Sterben.
Allein euch ists ein Schimpf, daß ihr hier knechtisch sitzt,
Und mit so vieler Müh ein weibisch Haar beschützt.
Wißt ihr, daß dieser Staat sehr schlecht den Stutzer zieret,
[38]
Daß, wenn er ihn verliehrt, er auch sein Gut verliehret,
Daß er durch dieß Gewand mehr borgt, als er bezahlt,
Und daß er oft mit Gold bey leerem Magen prahlt?
Glaubt mir, sein größter Fleiß könnt erst nach zweyen Jahren
Mit Hungern sich das Geld zu diesem Kleid ersparen.
Und ihr beschützt ihn noch, und gaukelt noch um ihn?
Es ist der beste Rath, sogleich von ihm zu fliehn.
Euch Geistern stehts nicht an, um ihn herum zu schweben;
Er wird euch nicht, ihr ihm, ein würdig Ansehn geben.«
Dieß war sein letztes Wort; er sagt es, und geschwind
Verwandelt sich sein Leib in einen Wirbelwind,
Der durch das Fenster stieß, des Stutzers Haar verheerte,
Und seinen Lockenbau mit wildem Hauch zerstörte.
Dieß sah der treue Putz; von edlem Zorn gereizt,
Rief er dem Kobold zu, der durch die Haare kreuzt:
»Wieweit wirst du doch noch den frechen Hochmuth treiben?
Kann denn auch dieses Haar nicht unzerstreuet bleiben?
Geist, bändige die Wuth! wem willst du widerstehn?
Der Göttinn, die hier herrscht, der Mode? welch Vergehn!
Halt ein; sonst mußt du auch in meiner Stutzer Trachten,
Weil Raufbold sich bekehrt, den Renommist verachten.
So? Raufbold sich bekehrt? ein herrlicher Bericht!
Jedoch, du guter Putz, du kennst Jenenser nicht.
Da kömmt er selbst, gieb Acht, ob du ihn wirst ergetzen.«
Und alsbald sah man ihn den Fuß ins Zimmer setzen.
»Freund, rief er, ach mein Pferd! wie sehr ist dieß nicht krank!
Doch ward dir auch die Zeit seit meinem Wegseyn lang?«
Nein, sprach Sylvan verstellt; und ohne mehr zu sagen,
Ward alsobald Caffee und Knaster aufgetragen.
»Da, Bruder, lange zu! sprach Raufbold, stopf dir ein!«
Allein es bath Sylvan, ihm gütigst zu verzeihn,
Er rauche jetzt nicht mehr. So? ließ sich jener hören,
»Vermuthlich wirst du mir es doch wohl nicht verwehren.«
[39]
Nachdem er nun sogleich sein langes Rohr gefüllt,
Ward sein gestreubtes Haupt in dicken Dampf gehüllt,
Der auf den Stutzer zog; jedoch ein Geist verwehrte,
Daß dieser scharfe Dampf die Augen nicht versehrte.
Man trank, doch nicht vergnügt; im Raufbold macht der Haß
Und im Sylvan Verdruß, daß jeder sich vergaß.
Ein jeder war bemüht, den andern zu bekehren;
Der will den Renommist, und der den Stutzer lehren.
Zuletzt hub dieser an: »Freund, es ist Zeit zu gehn;
Man will den Mittag mich in einem Garten sehn,
In dem ich schmausen soll; will mich dein Fuß begleiten:
So zeig ich dir zugleich der Gärten Seltenheiten.
Ja, bis in die Allee, sprach der, begleit ich dich,
Der Gärten Schmuck reizt nur die Leipziger, nicht mich.«
Sogleich gieng er mit ihm nach den geschmückten Thoren,
Ein jedes bebt vor ihm; der Schall der eisern Sporen
Klirrt, wenn sein Fuß sich hebt, der einen Absatz wies,
Der, wenn er niedertrat, die Steine zittern hieß.
Nicht fern vom Petersthor, auf dessen vordern Theilen
Der Helden Rüstung ruht, wo die verzierten Säulen
Die Last der Kugeln drückt, die wie Colossen stehn,
Wird man gevierte Reihn erhabner Linden sehn.
Auf einer Seite glänzt des Wassergrabens Breite,
Der weiße Mauren netzt; und auf der andern Seite
Hebt aus der trägen Fluth die Pleiße sich empor.
Ihr nasses Haupt bekränzt ein hellgrün junges Rohr.
Sie sieht an ihrem Strand ein Volk aus fernen Ländern,
Die Franzen, welche flohn, die Lehre nicht zu ändern;
Sie hört ihr fremd Gespräch, und ihr gekünstelt Wort;
Sie hörts, und rauscht entzückt auf stolzen Fluten fort.
Des Abends sieht man hier geschmückte Schönen wallen;
Den Stutzern suchen sie, die ihnen zu gefallen;
Nur schimmernde Barons, die ihre Schönheit rührt,
Sind würdig, daß die Hand sie in die Gärten führt.
Am Ufer gehn allein in sich gekehrte Dichter;
[40]
Tiefsinnig ist der Gang, tiefsinnig die Gesichter.
Die Reime, die als schlecht ihr Eigensinn erstickt,
Sind Geister, welche man um ihren Hut erblickt.
Hier ists, wo oft ein Graf bestäubt vorüber schießet,
Wenn er sich an sein Roß mit großen Stiefeln schließet,
Das itzt bald schüttelnd braust, bald vor Begierde schäumt,
Bald von der Erd entflieht, und bald sich muthig bäumt.
Ihm folgt, zwar nicht so schnell, doch mit geschmücktern Rossen,
Die aufgezierte Reih vergüldeter Carossen
Auf rothen Rädern nach, die destomehr entzückt,
Wenn sie ein reizend Paar von Leipzigs Schönen schmückt.
Hier, wo Natur und Kunst, und beyde glücklich streiten,
Sah man den Renommist, mit ihm den Stutzer schreiten.
Der erste sprach: »Ists wahr, was hier mein Auge schaut,
Hier hat die Weichlichkeit der Bänke Reih erbaut?
O träge Leipziger! gewiß, ich wills noch sehen,
Daß der verwöhnte Fuß nicht mehr vermag zu gehen.
Nein! Stiefeln trag ich doch fast ganze Tage lang,
Und niemals drückt den Fuß der angemeßne Zwang.«
Er sagts; sein Fuß tritt auf, daß die Allee erzittert,
Daß jede Bank erbebt, und eine Linde splittert.
Die Pleiße hemmt dadurch bestürzt den trägen Lauf,
Und selbst der Paukenschall im Garten höret auf.
Ja dieser starke Tritt heißt neue Geister wüten.
Die Bänke hasset er, und ihn die Sybariten;
Dieß ist ein Geisterheer, dem Lindengang zum Schutz,
Der Leib ist zart gebaut, ihr Daseyn stammt vom Putz,
Ein rauschendes Gewand, das die umschürzten Lenden
Mit grünen Falten deckt, ist ihren weichen Händen
Ein steter Zeitvertreib. Ihr lächelndes Gesicht
Bleibt ewig schön und jung, und kennt die Runzeln nicht.
Die holde Zärtlichkeit blickt aus den sanften Zügen;
Man sieht sie stets vereint mit gelben Schwingen fliegen.
Die meisten sind zum Schutz des Frauenzimmers da.
Kömmt ihrem Lockenbau der rauhe Wind zu nah:
[41]
So heißen sie ihn fliehn; und will ein Band entfahren:
So machen sie es fest, an den geschmückten Haaren.
Zwey schützen ihren Straus, der ihre Schläfe ziert,
Damit kein junger Herr leichtfertig ihn entführt.
Oft zeigt der Palatin, was er verstecken sollte,
Und dieses macht ein Geist, der ihn zurücke rollte.
Ein Stutzer, setzt er nur in die Allee den Fuß,
Hat alsbald einen Geist, der ihn begleiten muß.
Ein kleiner Sybarit muß auf dem Aufschlag sitzen,
Und ihm sein lockigt Haar und die Manschetten schützen.
Seufzt er, so fliegt ein Geist von seinem langen Rohr,
Und bringt sein zärtlich Ach der Göttinn lispelnd vor.
Ihr Fächer sucht zwar oft die Seufzer wegzuwehen,
Doch wenn ein Geist entflieht, hört sie den andern flehen.
Bey jeder Bank steht auch ein loser Sybarit.
Aus Schalkheit hemmt er oft den Gehenden den Schritt.
Er lockt sie unsichtbar, und zwingt sie, sich zu setzen,
Und durch Gespräch und Scherz sich und ihn zu ergetzen.
»Euch, Geistern, rief bestürzt ihr Führer, Lindamor,
Euch, Geistern, steht gewiß ein nahes Unglück vor.
Wie? sollen wir nicht mehr in den belaubten Linden
Der Stutzer stolze Reih, nein Renommisten finden?
In Stiefeln geht man hier! es klirrt der scharfe Sporn,
Wo sonst der Fächer facht. So treffe denn mein Zorn
Den wilden Renommist, und den, der ihn begleitet.
Jedoch ists nicht Sylvan? Ach Geister, ach bestreitet!
Bestreitet meinen Sohn, bekehrt ihn, folgt mir nach!«
Gleich dünkt es dem Sylvan, daß etwas in ihm sprach:
»Wie, schöner Herr, du kannst mit einem Fechter gehen?
Ein Renommist soll dich an seiner Seite sehen?
Flieh, meid ihn! denn du weißt, daß diese kurze Tracht,
Die ein Jenenser schätzt, ein Leipziger verlacht.
Sieh dort die Rothmündinn, wie sehr bist du zu schelten!
Soll ein Jenenser mehr, als deine Göttinn, gelten?«
Die Schöne nahte sich. Den Stutzern war ihr Blick,
Der freundlich auf sie fiel, das allergrößte Glück.
[42]
Sie wars, sie war die Macht, die alles dienstbar machte,
Und alle, die sie sahn, in ihre Netze brachte.
Des Morgens, wenn sie noch an ihrem Nachttisch war,
Sah sie schon vor der Thür der Diener lange Schaar.
Nie ist ein Tag für sie so sehr betrübt gewesen,
Da sie in Briefen nicht der Stutzer Schmerz gelesen.
Sylvan erblickte sie; itzt, dacht er, ist es Zeit,
Daß dieser Schläger sieht, wie ihn ein Stutzer scheut.
Sogleich verläßt er ihn. »Bleib! willst du mich verschmähen?
Schrie Raufbold auf ihn zu, willst du mit mir nicht gehen?«
Ein naher Garten wars, den diese Schöne sucht;
Sylvan begleitet sie, er geht, und Raufbold flucht.

Fußnoten

1 Blatternarbe.

2 Koran.

3 Toupet.

4 Satin.

5 Mit allegorischen Namen (Brador, Podan) und Schäfernamen (Seladon, Florimand) belegt Zachariä seine epischen Götter und ›Maschinen‹.

6 Für: Tresse. Vgl. S. 12, Anm. 14.

Viertes Buch

Wie, wenn ein rauher Bär aus Lapplands kalten Wäldern,
Die stets der Nord entlaubt, zu den beschneiten Feldern
Mit trägen Klauen kömmt, sie halb erstarrt bewegt,
Sich mit bereifter Haut durch öde Furchen trägt,
Die Menschen zwar nicht flieht, jedoch sie nicht verletzet,
Bis wenn die Lappen ihn durch ein Geschrey gehetzet,
Er sein befrohrnes Haupt unwillig aufwerts hebt,
Den lichten Schnee zerscharrt, mit breiten Tatzen gräbt,
Doch wenn sein feiger Feind auf ihn zu gehn verweilet,
Er wiederum zurück in finstre Wälder eilet,
Mit brummendem Getöß zu seinen Höhlen irrt;
So murrt der Renommist, da er verachtet wird.
Er geht mit schwerem Tritt nachsinnend auf und nieder;
Doch da der Gram ihn quält, so wirft er seine Glieder
Auf eine nahe Bank, die er zuvor verschmäht,
Und spricht: »Sieh, Raufbold, sieh, wie schlecht es dir hier geht!
Ein Stutzer, der aus Furcht vor Fechten, Streit und Schlachten
[43]
Aus Jena sich entfernt, der soll dich hier verachten?
Der untersteht sich, dich und deinen Stal zu scheun,
Dem soll ein Mägdchen mehr, als du sein Bruder, seyn?
Ists möglich, konntest du bey diesem Schimpf dich halten,
Und konnte denn dein Stal den Sclaven nicht zerspalten?
Was hinderte mich denn, da er allein mich ließ,
Daß ich ihn nicht sogleich in meinem Grimm durchstieß?
Ach Jena! mußtest du mich darum nur vertreiben,
Von Stutzern hier verhöhnt, von Rach entblößt zu bleiben?
Bin ich nicht mehr wie sonst den Feigen fürchterlich?
Verhöhnt man jetzt den Arm, dem man sonst zitternd wich?
Ja, ja, mein großer Stal dient nur, mich zu verlachen;
Er kann nicht mehr wie sonst die Stutzer zitternd machen.
Doch nein; er kann es noch; ich zeig als Renommist,
Daß Raufbold noch voll Muth, mein Stal noch furchtbar ist.«
Er schwieg, gleich sah man ihn an seinen großen Degen
Die ausgestreckte Faust mit trüben Blicken legen.
Sein blankes Stichblatt schwirrt, sein gelbes Ohrband bebt,
Da er den scharfen Stal aus brauner Scheide hebt.
Doch, Muse, sage mir, was macht ihn so erbittert?
Macht es Sylvan allein, daß alles vor ihm zittert?
Nein, eine Leidenschaft, und nicht der Schimpf allein,
Macht seinen Muth geschwächt und ihn im Unglück klein.
Er greift nach seinem Stal, da ihm der Muth entfliehet;
Er rast, da er sich doch im Herzen furchtsam siehet.
O Liebe, machst du stets die Tapferkeit verzagt?
Machst du, daß auch sogar ein Raufbold liebend klagt?
Soll man beym seltnen Muth von diesem jenschen Helden
Mit seiner Liebespein auch seine Schwachheit melden?
Rothmündin, dieß ist groß, was hier dein Blick verübt,
Du zwingst den Renommist; er sieht und wird verliebt;
Der Held, der wüthend schwur, Sylvanen zu zerstücken,
Sieht dir mit Zittern nach, und bebt vor deinen Blicken.
[44]
»Ach, Raufbold! rief er aus, bist du ein Renommist?
O fühlst du, daß dein Herz auch zu bezwingen ist?
Der Hagel! nie hab ich ein solch Gesicht gesehen;
Soll ich nicht ohne Scham die Leidenschaft gestehen,
Die – – geh, o leichter Rock, nun bist du mir zu klein;
Mich zwingt ein schöner Blick, ein Leipziger zu seyn.«
Dieß hört der Kobold an, der mit hieher gegangen;
Das Schrecken und die Wuth entfärben ihm die Wangen.
So wie der krumme Blitz, wenn er die finstre Nacht
Durch rothes Feuer theilt, mit Schrecken lichte macht,
Und etwan vor den Fuß erschrockner Wandrer fähret,
Durch den geschwinden Stral sie zwar nicht sehr versehret,
Doch durch den Schlag, der folgt, ihr zartes Ohr betäubt,
Daß die bestürzte Schaar vor Schrecken starre bleibt:
So und noch mehr erstaunt schlägt er den Blick zur Erde;
Er hört, was Raufbold spricht, mit ängstlicher Geberde.
»Ists möglich, rief er aus, ist der auch schon verführt?
Ein Mägdchen macht ihn sanft? dieß flieht er, was ihn ziert?
Statt dieses engen Kleids, das er bisher getragen,
Soll ein gesteift Gewand um seine Schultern schlagen?
O Geist der Schlägerey, sieh, sieh, ein Renommist
Beschimpfet deinen Thron indem er dich vergißt.
Vermaledeyter Blick, vermaledeyte Schöne,
Du machst es, daß mein Held, der Liebste meiner Söhne,
Daß der, des kühner Stal nie, als mit Ruhm, geirrt,
Zum Stutzer und zugleich zu einem Weibe wird.«
Er sagt es und springt auf. Von seinen schnellen Schritten,
Wird die bewegte Luft mit Sausen durchgeschnitten.
Was erst etherisch war, läßt sich jetzt menschlich sehn;
Er geht in solcher Tracht, wie Renommisten gehn.
»Jenenser, rief er aus, da er den Raufbold siehet,
Jenenser, da dein Fuß verjagt von Jena fliehet:
So mußt du nicht auch fliehn, was dich in Jena hob,
Ein Renommist zu seyn, bringt auch in Leipzig Lob.
Du siehst in mir den Stamm, den ersten Renommisten,
[45]
Du folgst mir; und du fliehst, da sich die Feinde rüsten?
Wohl! thu es, sey verzagt! verändre dein Gewand,
Doch dieses, wenn dus thust, bleibt feiger Unbestand.
Und wie wirst du dereinst, wie ich, kühn in Geberden,
Ein ewger Renommist, am Leib etherisch werden?
Denn siehst du, wer wie ich sein Jena nie verschmäht,
Stets renommistisch flucht, in Leipzig jenisch geht,
Und keinen Sammt sonst trägt, als den zu seinem Kragen,
Der kann sich als ein Geist auch nach dem Tode schlagen.
Dem stärksten Renommist, der schwarzen Schnurren Trutz,
Der jeden Feind besiegt, dem wirst du dann zum Schutz,
Den mußt du als ein Geist, so wie ich dich, begleiten,
Siegt er, so siegst du mit, schlägt er, so hilfst du streiten.
O Raufbold, willst du noch an Jena untreu seyn?
Nimmt dich nun noch ein Kleid, ein Blick, ein Mägdchen ein?
Nein, thu es nicht, mein Sohn, verlaß, verlaß die Linden,
Du kannst das, was dich reizt, auch noch in Halle finden.
Steig auf dein muthig Roß, begieb dich nach der Stadt,
Die den Jenenser schätzt, der sie geschätzet hat;
Flieh Leipzig, so hast dus, kannst du es standhaft hassen,
Als Renommist gesehn, als Renommist verlassen.«
Er sagt es, und verschwand. So wie, wenn durch den Wald
Das schwirrende Getön des muntern Hüfthorns schallt,
Mit wild gestreubtem Haar ein aufgebrachter Hauer
Den dick verwachsnen Hayn, wo er im kühlen Schauer
Bemoßter Eichen lag, mit festem Zahn zerstückt,
Und den beharzten Leib aus spröden Büschen rückt:
So eilte Raufbold auch aus schattigten Alleen;
Man sah ihn nach dem Thor mit wilden Schritten gehen.
»O Raufbold, rief er aus: so sey es denn gewagt,
Entweder flieh von hier, wo nicht, so sey verzagt!
Willst du in Leipzig seyn, willst du in Leipzig brennen:
So bist du mehr ein Sclav, als Renommist zu nennen.«
Er sagts, ein edler Zorn, der seinen Blick erfüllt,
[46]
Macht ihn von neuem stark, macht ihn von neuem wild;
Er eilt gestiefelt fort, und kömmt, voll von Gedanken,
Vom stolzen Petersthor bis an die vordern Schranken.
Hier stund auf seiner Post ein ehrlicher Soldat,
Der noch die Flinte trug und auf die Wache trat,
Ob gleich sein graues Haar, die abgelebten Hände
Und manche Runzel wies, daß ihm ein nahes Ende
Vier Jahr bereits gedräut; der sein geladnes Rohr
Nie auf den Feind gekehrt, und dessen altes Ohr
Kein Stückschuß 1 sonst betäubt, als der, der ihn erschrecket,
Wenn der bepflanzte Wall mit dickem Rauch sich decket.
An dem stieß, halb mit Fleiß 2, und halb aus Unvorsicht,
Der wilde Raufbold an, der mit sich selbsten spricht.
Wie wenn man mit der Hand an die bejahrten Rinden
Gehöhlter Weiden stößt, die in den sichern Gründen
Noch stehn, weil sie ein Bach, der sie benetzt, belebt,
Das zitternde Gebäu der alten Wurzeln bebt:
So wird von dem Soldat die dürre Brust erschüttert;
Er wankt vom starken Stoß, das schlaffe Haupt erzittert.
»Blitz, Donner, Hagel, Dampf, und Schrecken, Tod und Graus
Sey dir auf deinem Kopf! rief Raufbold wüthend aus.
Canalje, kannst du mir nicht aus dem Wege gehen?
Stehst du nur darum da, mir zum Verdruß zu stehen?«
Er sagts, und der Soldat, der sich nicht schlagen will,
Großmüthig ihn verschmäht, geht furchtsam, zitternd, still
Ins falbe Schilderhaus, wo er mit Freuden siehet,
Wie Raufbold durch das Thor mit großen Stiefeln ziehet.
Er geht indeß gespornt kühn mitten durch die Schaar,
Die zu der Mauren Schutz in diesem Thore war;
Sein hönisches Gesicht wies in den schiefen Blicken,
Nichts als die größte Lust, sie sämtlich zu zerstücken.
»Seht! dachten sie bey sich, seht dieß ist ein Student,
Der wohl noch diese Nacht das feste Thor berennt;
[47]
Der Himmel steh uns bey, fängt dieser an zu stürmen,
So wird uns dieses Thor vielleicht wohl kaum beschirmen.«
Sie fliehn. Der Renommist eilt mitten durch die Stadt.
Die Peitsche, die sich wild um ihn geschlängelt hat,
Sein aufgeschlagnes Kleid, das in ein Dreyeck schläget,
Macht, daß ihn jeder flieht, wenn sich sein Fuß beweget.
Die Schönen, die zuvor im Fenster sich gezeigt,
Erzittern, da er kühn durch glatte Straßen steigt;
Man schlägt das Fenster zu, die großen Scheiben klirren,
Und mitten in der Flucht muß sich ihr Haar verwirren.
Dieß sieht der Renommist, sein wild Gelächter tönt;
Die Luft entweicht zurück, da er die Schönen höhnt
»O könntet ihr dieß sehn, rief er, geliebte Brüder!«
Indem erblickt er sich im blauen Hechte wieder.
Ein kleiner Sybarit hört seines Schutzgeists Wort;
Und kaum war Raufbolds Fuß aus grünen Linden fort:
So sah man schon den Geist die gelben Flügel schwingen,
Und das, was er gehört, zu seinem Führer bringen.
»O sprach er: Lindamor, der Fechter, den wir sahn
Mit fürchterlichem Schritt sich unsern Linden nahn,
Der wird nun ganz gewiß die kurzen Kleider hassen;
Denn sonsten müßt er die, die er doch liebt, verlassen.
Sein Schutzgeist nur hat Schuld, daß er sich nicht bekehrt:
Von dem wird er bestraft, von dem wird er gestört,
Wenn er sich ändern will. Ist dessen Stolz gedämpfet,
So ist auch Raufbolds Herz bestritten und bekämpfet.«
So sprach er: Lindamor hört dieses Geistes Wort;
Er hebt den schlanken Fuß, sein Fittig trägt ihn fort.
Er war der schönste Geist halbnackter Sybariten,
Hold war er an Gestalt, und hold an Gang und Sitten.
Sein Haar glich diesem Haar, das unsre Stutzer ziert,
Sein hoh und stark Tupe, steil in die Höh geführt,
Glich einem schroffen Fels; wie steter Schnee den decket:
So war dieß ewig weiß, vom Puderreif verstecket.
An beyden Seiten wies des langen Haares Pracht,
Der Locken runde Reih, die dieser Geist erdacht;
[48]
Denn diesen hat zuerst ein langes Haar geschmücket.
Der Stutzer ahmt ihm nach, den man, wie ihn, erblicket.
Ein schwefelgelbes Paar von Flügeln decket ihn;
Sein rauschendes Gewand ist ohne viel Bemühn
Nachläßig aufgeknüpft; es flattert in den Lüften.
Ein himmelblauer Schurz ziert die gewölbten Hüften.
Er stürzt sich in die Luft; sein Flügel sinket schon,
Und die Galanterie sieht ihn vor ihrem Thron.
Da, wo Vincennens Schloß sein altes Haupt erhebet,
Um das gesunde Luft in leichten Wolken schwebet,
Wo Staatsgefangne sonst ein klein Vergehn gebüßt,
Eh die Galanterie zur Wohnung sichs erkießt,
Liegt ein verschonter Wald von Zeit, und Sturm, und Winden,
Den Zärtliche nur sehn, und nur Verliebte finden. 3
Hier hat kein Winter noch den Baum vom Laub entblößt,
Kein Nordwind, der den Hauch aus wilden Backen stößt,
Hat je die Luft durchirrt; nichts darf den Hayn durchdringen
Als Schäfer, die von sich die eigne Schwachheit singen.
In dem halbnackten Busch, den nur die Blüthe deckt,
Steht manche Schäferinn durch junges Laub versteckt.
In diesem sichern Wald hebt aus den festen Gründen,
Sich ein Palast empor, ein Kranz erhabner Linden,
Der sich um diesen Bau mit tausend Zweigen krümmt,
Macht ihn dem unsichtbar, der seinen Weg hier nimmt.
Die Thür beglänzt die Reih verzierter Marmorseulen,
Um die mit krummem Zug geschlanke Reben eilen.
Man sieht an dieser Thür ein Frauenzimmer stehn;
Bald ist ihr Auge wild, bald furchtsam und doch schön.
Im Anfang scheint sie frech; drauf zitternd, still und blöde,
Und wenn man sie besiegt, ist sie am meisten spröde.
Die Zärtlichen sieht sie auch zärtlich schmachtend an,
[49]
Und wilde macht sie sich durch Frechheit unterthan.
Verführung nennt man sie; stets sinnt sie, sich zu zieren,
Denn dieses ist ihr Amt, gefallen und verführen.
Sie ändert, wie das Herz, auch täglich das Gewand;
Die sich dem Tempel nahn, führt sie mit weisser Hand
Zu der Galanterie, die hier mit Blicken krieget,
Und was sie sieht, auch reizt, und was sie reizt, besieget.
Etwas entfernt von ihr sieht man die Zärtlichkeit.
Was uns erträglich ist, wird schon von ihr gescheut;
Sie wird beym Pfänderspiel oft ganze Nächte wachen,
Und alle, die sie sieht, will sie zu Schäfern machen.
Gleich bey der Zärtlichkeit seufzt die Verzweiflung laut,
Stets droht sie sich den Tod, stets wird ihr Sarg gebaut,
Stets sucht sie ihren Schimpf durch Gift und Dolch zu rächen:
Jedoch ihr Gift ist schwach, ihr Dolch will niemals stechen.
Die Schwüre, die der Mund der Liebenden gethan,
Und die die That doch bricht, trifft man hier flatternd an.
Sie fliegen um den Hayn zu tausend großen Heerden,
Und endlich müssen sie zu Nachtigallen werden.
So gleich wenn man den Fuß in Tempel selbst gesetzt,
Wird der bestürzte Blick auf tausend Art ergetzt.
Auf einem stolzen Thron, den theures Erzt beschweret,
Sitzt die Galanterie, die man hier bückend ehret.
Zu ihren Füssen schwingt der kleine Gott, Roman,
Den sieggewohnten Pfeil. Ihn hat der Alten Wahn
Den Liebesgott genannt; mit seinen schwachen Händen
Regieret dieses Kind das Glück von allen Ständen.
Auf beyden Seiten steht, mit aufgeziertem Haar,
In einer langen Reih, der Moden bunte Schaar.
Am Nachttisch, welchen man dem Thron zur Linken schauet,
Sitzt unsre Leipziger, die ihr Tupe erbauet.
Der Franzen Mode sitzt zur Rechten, welche lacht,
Daß unsre Leipziger ihr vieles nachgemacht.
Wie Türk und Perser gehn, wie sich Europa kleidet,
[50]
Was noch der schwarze Mohr um schwarze Lenden leidet,
Dieß alles sieht man hier; man hält sie nicht für neu,
Drum sind sie auch beynah die letzten in der Reih.
Ganz hinten, ganz verlacht, sieht man, in finstern Ecken,
Die abgelebte Reih der alten Moden stecken.
Die alte deutsche Tracht, die sonst ein Herrman trug,
Wenn er um seinen Leib ein rauches Stierfell schlug,
Die sieht man oft betrübt nach ihren Töchtern sehen,
Die zwar mehr tapfer nicht, doch mehr verzärtelt gehen.
Zu diesem Tempel kömmt der zarte Lindamor;
Der Flügel gelbes Paar, der Himmelblaue Flor,
Der um die Hüften schlägt, und bald davon entweichet,
Macht, daß sein leichter Fuß den dicken Hayn erreichet.
Hier hört er, was der Mund der Schäferinnen sang,
Die ein Damöt zum Kuß, vom Kuß zur Liebe zwang,
Die bey der Heerde nur bloß darum schlafen wollten,
Damit die Schäfer sie durch Küsse wecken sollten.
»O! rief er freudig aus, zwar zärtlich stellt ihr euch:
Doch meine Leipziger sind euch hierinnen gleich.
Geht hin und fragt die Schaar von meinen liebsten Söhnen,
Ihr Auge, wenn es sieht, sieht es nach zarten Schönen.«
Er sagts; sogleich war er dem Thron der Göttinn nah.
Als sie ihn noch von fern mit trübem Antlitz sah:
»So rief sie schon bestürzt: was quälen dich für Sorgen,
Getreuer Sybarit, hast du an diesem Morgen
Dein schönes Haar verbrannt? ist es nunmehr zu kurz?
Wächst dein Tupe nicht mehr? verschießt dein blauer Schurz?
Nein, Göttin, rief er aus; wirst du betrübt mich finden,
So macht es bloß allein der schwere Schutz der Linden.
Du weißt, o Göttinn, schon, daß dort ein Renommist,
Den Leipzigern zum Trutz, uns zur Beschimpfung ist;
Du weist es, daß ihn noch ein Schlägergeist beschützet,
Der, statt uns hold zu seyn, ihn gegen uns erhitzet.
Sieh, dieser Renommist wird zu bezwingen seyn;
Er sah die Rothmündin, und diese nahm ihn ein;
[51]
Er war auch schon bereit, die kurze Tracht zu hassen,
Sein Jena zu verschmähn, das Schlagen zu verlassen.
Allein er ward verführt; sein Schutzgeist hielt ihn ab;
Der machte, daß er auch den Linden Abschied gab.
Doch, Göttinn, meynst du wohl, daß, da er sich entfernet,
Er Leipzig, Lieb und sich auch zu verschmähn gelernet?
Nein, große Göttinn, nein, du wirst von ihm geehrt.
Da er Sylvanen sah, ward er bereits bekehrt;
Sein glänzend Stutzerkleid hat seinen Stolz gedämpfet,
Im Herzen liebt er es, ob er uns gleich bekämpfet.
Jedoch die Rothmündin, die ists, die ist die Macht,
Die, was dein Reich vermehrt, und ich gewünscht, vollbracht.
Der, welcher wütend oft in seinen Feind gedrungen,
Sieht sich durch ihren Blick getroffen und bezwungen.
O Göttinn, schickst du nur den Gott Roman an ihn:
So liebt er, und er muß sein wildes Jena fliehn;
So wird er sich zu dir, o Leipzger Mode, wenden;
Und wenn er sich bekehrt, auch deine Sorgen enden;
So wird der Renommist, der uns so lang getrutzt,
Ein Stutzer, welcher sich am Nachttisch zärtlich putzt.
Und wie hat dann der Geist, der unsern Raufbold führet,
Ein solch gehärtet Herz, das keine Schöne rühret?
Wie Göttinn? wenn man ihm die schönste Mode schickt,
Wer weis, ob er sich nicht vor deinem Throne bückt?«
Er schwieg; der Tempel tönt, die bunten Pfeiler beben,
Und alles sucht den Geist durch Loben zu erheben.
Ein murmelndes Getöß macht aller Beyfall kund.
Doch die Galanterie eröffnete den Mund.
»Sie spricht, die Stille herrscht: so will denn Raufbold siegen?
Und dieser Schläger soll euch ungestraft bekriegen?
Ists möglich, Lindamor, er trägt noch seine Tracht?
Noch ist er nicht bekehrt? noch schmäht er meine Macht?
Wohl! will er, Mode, mich und dich, o Geist, verschmähen;
So laß ihn du, Roman, die Macht der Liebe sehen.
[52]
Geh hin, geliebter Sohn, vielleicht daß dir es glückt,
Du weist schon, wie man auch ein wildes Herz berückt.
Du aber, deren Macht ein ganzes Land erkennet,
Du Mode, die der Mund der Franzen reizend nennet,
Geh hin, bezwinge du den Renommistengeist,
Daß er in dich verliebt und mir gehorsam heißt.«
Sie sagts, der Gott Roman regt die gefärbten Flügel,
Und schwingt, wie Lindamor, sich über Thal und Hügel.
Indem sein schneller Flug durch leere Lüfte stieß,
Entdeckt er in der Näh das prangende Paris.
Er lachte, da ers sah; so oft ein Stutzer küßte,
So oft empfand er auch was ihm den Weg versüßte.
»O rief er, werthe Stadt, du bist es würdig, blüh!
So steigt mit deinem Flor auch die Galanterie;
Sie konnt in dir zuerst die neuen Moden pflanzen,
Verehre sie noch oft! Lebt wohl, geliebte Franzen!«
Sogleich theilt er aufs neu die Luft, die sausend weicht;
Er fliegt, bis er zuletzt das Rosenthal erreicht.
»Hier, sprach er, Lindamor, hier will ich von dir gehen,
Sieg ich, so wirst du mich vor meiner Göttinn sehen.«
Er sagts und eilte fort. Ein unbekannter Duft,
Der seinen Leib umgab, floß in die heitre Luft.
Wer diesen Duft empfand, ward reizend an Geberden,
Und mußte mit Gewalt verliebt und zärtlich werden.
So wie sich ein Comet in dicken Dampfkreis hüllt,
Der, wenn er unsre Luft mit seinen Theilen füllt,
Uns Tod und Schrecken dräut so ist sein Leib umringet:
Mit einem Götterduft, der uns zur Liebe zwinget.
O Raufbold, nimm dein Herz und deinen Muth in Acht!
Der Gott Roman ist schon auf deinen Fall bedacht;
Mit Pfeilen wird er nicht dein hartes Herz beschiessen;
Ein Dunst, ein leichter Dunst wirft dich zu seinen Füssen.
Er gieng in das Gemach, wo Raufbold mit dem Arm
Sein schweres Haupt gestützt; sein innerlicher Harm
Verrieth sich, ob er ihn gleich zu verbergen suchte;
Man sah es, weil er oft sich und sein Glück verfluchte.
[53]
Indeß umnebelt ihn der Dunst und die Gefahr;
Er springt halb wüthend auf, da er getroffen war.
So wie ein sichrer Hirsch aus seinem Lager setzet,
Wenn ihn in seiner Ruh ein wilder Pfeil verletzet,
Jedoch, indem er denkt, daß sich die Wunde legt,
Er mit dem Pfeil den Tod auf rothem Rücken trägt:
So flieht der Renommist, jedoch indem er fliehet,
So macht er, daß der Dampf sich stärker um ihn ziehet.
»Der Donner! rief er aus, verwandelt sich mein Blut?
Entflieht von mir die Kraft, entflieht von mir der Muth?
Warum bin ich verzagt?« Er schwieg, er setzt sich nieder,
Die große Schleife bebt, es zittern seine Glieder.
So wie die Pythia die wilden Haare streubt,
Wenn der geweihte Dampf sie auf dem Dreyfuß treibt,
Den starren Blick verdreht und erst zu gehn sich waget,
Bis der erblaßte Mund mit Schrecken wahrgesaget:
So sieht auch Raufbold aus; es schien um ihn gethan;
Die Liebe macht ihn stumm, doch endlich fieng er an:
»So bin ich denn besiegt? so soll ich in den Linden
Das, was mein kühnes Herz noch nie gefühlt, empfinden?
Nein, nein, ich will noch nicht der Liebe dienstbar seyn;
Noch soll kein Renommist sich ihr zum Sclaven weihn,
Noch soll ihr – – – aber ach! wie soll ich ihr entgehen?
Den Schnurren kann ich zwar, nur der nicht widerstehen.
Das Mägdchen war zu schön, die ich zuvor erblickt;
Da ich sie einmahl sah, so ward ich schon entzückt.
Ich liebe, doch euch nicht, ihr Brüder, zu betrüben,
So soll der Renommist auch renommistisch lieben.«
Er sagts, der Geist Roman hört es und wird vergnügt.
»Nun, sprach er, ist es Zeit, daß ihn mein Arm besiegt.«
So gleich nahm er Gestalt, und Gang und Tracht und Minen
Von seinem Schutzgeist an, der ihm zuvor erschienen.
»Mein Raufbold, war sein Wort, wohlan! ich geh es ein;
Da weder mein Geboth, noch mein erzürntes Dräun
Dich abgehalten hat, so magst du auch entbrennen,
Geh, liebe, doch nur so, daß dich Jenenser kennen.
[54]
Es ist die Rothmündin, womit dein Herz sich quält,
Die, die du gestern dir zu der Charmant erwählt.«
Kaum hat er dieß gesagt, als Raufbold auch entbrannte,
»So war, die ich gesehn, von mir gar die Charmante?
O, rief er grimmig aus, unglücklicher Sylvan,
Dein Tod ist schon gewiß und du bist Schuld daran.«
Bey den Jenensern ist ein alt Gesetz in Ehren,
Das alte Bursche stets die junge Nachwelt lehren,
Das man mit Ehrfurcht sagt und unverbrüchlich hält,
Bis in den ewgen Staub das alte Jena fällt.
Dieß ists: so oft man sich vor volle Gläser setzet,
Wählt sich der nasse Bursch die Schöne, die er schätzet.
Er wählt sie, und sein Glas wird ihr zu Ehren leer,
Zu ihrer Ehre fällt sein glänzendes Gewehr
Auf seines Feindes Kopf; und hat sie ihm gefallen,
So wird ihr Name stets durch lange Straßen schallen.
Er trinkt sich einen Rausch bloß auf ihr Wohlergehn;
Er kennt sie weiter nicht, als daß er sie gesehn;
Und dennoch wird er sie mit seinem Blut beschirmen,
Ja auf ihr Wohl allein die feste Wache stürmen.
Die Renommisten sinds, die dieß Gesetz erhöht;
Ihr sieggewohnter Stal macht, daß es stets besteht.
Sie werden eh Taback und Ehr und Jena meiden,
Als dieß Gesetz verschmäht und sich verachtet leiden.
Ein alter Renommist, als er im Zweykampf starb,
Und durch den letzten Stoß den letzten Ruhm erwarb,
Sprach noch mit blassem Mund zu seinem Secundanten:
»Beschützet dieß Gesetz, beschützet die Charmanten!
Die Seel entflieht mir jetzt, doch nicht mein Muth zugleich
Er und mein Degen kömmt nach meinem Tod auf euch.
Braucht ihn, daß dieß Gesetz kein Feiger je verhöhne;
Schimpft mans, so sterbt mit Ruhm, wie ich, für eure Schöne.«
Drum hielt es Raufbold auch, da ihn Sylvan verschmäht,
Da er in der Allee mit dieser Schöne geht,
Die er doch ungesehn Charmante schon genennet.
[55]
War es wohl ungerecht, da seine Rach entbrennet?
»Zum Henker! rief er aus, was denkt Sylvan von mir?
Denkt dieser Jungferknecht, ich sey nur darum hier,
Von ihm verhöhnt zu seyn? Mein Degen soll ihm zeigen,
Daß sich ein Renommist nicht wird vor Stutzern beugen.«
Er schwieg, der Gott Roman setzt durch die kleine Hand,
Die eine Fackel schwingt, sein Herz noch mehr in Brand,
Die Eifersucht sucht ihn mehr Argwohn zu erwecken,
Die Stirn beherrscht die Wuth, die Hand das falbe Schrecken.
»Mein Raufbold, lebe wohl! rief noch der Gott Roman,
Daß du auch liebend brennst, das, das hab ich gethan,
Geh hin, ich bin vergnügt; auch Schläger zu bezwingen,
Kann niemand sonst als ich mit solchem Glück vollbringen.«
So gleich begab er sich zu der Galanterie.
»O Göttinn, rief er aus, beglückt ist meine Müh!
Beglückt ist auch dein Reich, beglückt bist du, o Mode!
Der Stürmer ist gestürzt, der uns zu stürzen drohte.
Voll Feuer ist der Blick, sein Herz voll Eifersucht,
Dein liebster Sohn Sylvan wird zwar von ihm verflucht;
Er droht, ihn durch den Stal mit Schrecken zu verderben:
Allein, er wird nicht gleich von seinem Drohen sterben.
Jedoch, wenn wird einmal der Franzen Mode gehn?
Soll sie den Schlägergeist nicht auch bezwungen sehn?
Ja, rief die Göttinn, ja, laß, Freundinn, deinen Wagen,
Nunmehr dich durch die Luft zum Schlägergeiste tragen.«
Sie sagts, die Mode thuts; ihr Wagen wird verziert;
Er wird mit sanftem Schritt von Möpschen fortgeführt.
Ein Stutzer, der sein Glück gedankenlos besinget,
Ist an des Kutschers Statt, der sie zum Laufen zwinget.
Ein ganzes Geisterheer fliegt flatternd um ihr Haar.
Von weitem nimmt man es nicht um dasselbe wahr:
Doch wenn ein Dichter nur den Blick dahin erhebet,
So sieht er, daß die Luft von tausend Geistern lebet:
So wie, wenn man den Blick nach dem Orion lenkt,
Und einen einzeln Stern nur zu erblicken denkt,
[56]
Doch wenn wir alsobald des Sehrohrs uns bedienen,
Dieß achzig Sterne sind, was uns ein Stern geschienen.
Die Mode selber sitzt auf einem rothen Sammt,
Um den französisch Gold in krausen Trotteln flammt.
Gleich über ihrem Haupt schwebt in dem lüftgen Kleide
Mit freyem Blick der Reiz, mit heitrer Stirn die Freude.
Es eilt von ihrer Stirn ein bogigtes Tupe,
Das keine Deutsche schmückt, gekünstelt in die Höh.
Man hat es so gebaut, daß es in Locken schläget,
Daß ein Cylinder stets den andern zitternd träget.
Kein Puder hat noch je ihr schwarzes Haar durchirrt,
Damit die weisse Haut noch mehr erhaben wird;
Es fliesset lang gerollt auf ihre Schultern nieder,
Und spielend hebt sichs oft durch sanfte Weste wieder.
Dicht um den Hals schlingt sich, doch fremd, das Palatin;
Im Anfang scheint es oft die weiße Brust zu fliehn,
Doch eine Schleife muß mit dünnem Flor verstecken,
Was durch den muntern Blick die Stutzer gern entdecken.
Ein blaulichter Chrysett ist meist ihr liebst Gewand;
Den ausgezierten Stoff durchkreuzt ein weisses Band;
Es gleicht dem krummen Blitz, der in sich selbst verwirret,
Von dem geschwärzten Pol bis zu dem andern irret.
Ihr Wagen theilt die Luft; vor Henolds Caffeehaus
Trat sie, doch unsichtbar, aus ihrem Sitz heraus,
Sie wußte, daß dahin der Schlägergeist geflogen,
Weil ihn dahin ein Zank, den er gemacht, gezogen.
Sein Aug erblickte sie. So wie ein Landmann steht,
Und seinen starren Blick nach Apels Hause dreht,
Das durch den fremden Bau ihn stutzend an sich ziehet:
So stutzt der Schlägergeist, da er die Mode siehet.
Sie geht; sein Schritt wird ihr auch zitternd nachgerückt.
Kaum sieht er ihr Gesicht so wird er auch entzückt.
»Wer mag das Mägdchen seyn? fragt er, was für Geberden!
In die möcht ich verliebt auch noch in Jena werden,
Doch nimmt mir nicht ein Wahn die trüben Augen ein:
So scheint sie als ein Geist etherisch schön zu seyn.
[57]
Mein Seel! mich triegt kein Schein.« Er geht, sein steifer Rücken
Muß voller Ehrfurcht sich vor seiner Göttinn bücken.
Ein Lächeln, welches macht, daß er zu siegen glaubt,
Ein zierlich Sprödethun, das es ihm wieder raubt,
Ein schalkheitsvoller Blick erhitzet seine Triebe,
Er wird von ihr besiegt, und sagt ihr seine Liebe.
So wie ein alter Baum, der bey der Winde Wuth,
Die ihn umsonst bestürmt, stets unbewegt geruht,
Zuletzt dem wilden Hieb erzürnter Aexte weichet:
So wird der Schlägergeist, der einem Felsen gleichet,
Der alle Furcht verlacht, wenn er erzürnt gekriegt,
Von einer Leidenschaft, die er nicht flieht, besiegt.
»Geist, war der Mode Wort, Geist, soll ich dich nicht hassen,
So mußt du diese Tracht und deinen Stal verlassen,
So sey dein Held nicht mehr der jungen Stutzer Trutz;
Du aber kleide dich, wie der beliebte Putz.«
Sie sagt es; und sogleich sah man ihn seinen Degen
Halb ungern, und doch auch halb willig von sich legen.
Den Huth, und was ihn noch ein kriegrisch Ansehn gab,
Die großen Handschuh selbst, legt er bezwungen ab.
Indem ergriff der Scherz, der um die Mode spielte,
Den Degen, den so oft der Schnurr unsichtbar fühlte;
Er hielt den großen Stal in seiner schwachen Hand,
Vor dessen Wirkung auch kein Renommist bestand.
Mit spöttischem Gesicht verhöhnt er ihm die Klinge,
Das Stichblatt war zu groß, die Scheide zu geringe.
Der Tanz, ein loser Geist, nahm seine Handschuh wahr;
Er zog sie an, und both ihm sein paar weisse dar.
Von einem andern Geist ward ihm der Hut entführet,
Den die geschickte Hand französisch ausstaffieret.
Dieß sah der Schlägergeist: »wie? diese nackte Schar
Nimmt meinen Degen weg? ja sie verhöhnt ihn gar?
Canalljen! wollt ihr fort! geht mir aus dem Gesichte,
Wo nicht, so macht euch noch mein wilder Zorn zunichte.
Du aber, die du mich zu dieser That verführt,
[58]
Coquette, lebe wohl! ich bin nicht mehr gerührt.
Ich will zu meinem Held, zum Renommisten gehen;
Fliehn ist der beste Rath, sich nicht verliebt zu sehen.«
So sprach er: und entwich. Die Mode sieht ihn fliehn.
»Vergeblich ist also mein Reiz und mein Bemühn?
Schrie sie vor innrer Wuth: mich fast nicht anzublicken?
Dieß, dieses ist zuviel und doch muß es ihm glücken?
Sieh, o Galanterie! sieh des Verwegnen Muth!
O könnt ich nur. – – Sie schwieg, und ihr etherisch Blut,«
Das sonst in dem Gesicht mit Lächeln aufgegangen,
Entwich vor Zorn zurück, verlohr sich von den Wangen.
Sie eilt mit Schrecken fort zu der Galanterie;
Der Renommistengeist zum Raufbold, welcher schrie:
»Ja, ja, es ist gewiß, Sylvan, du mußt dich schlagen
Willst du nicht stets zum Spott des Feigen Namen tragen.
Wie? schlagen? Recht mein Sohn, so machts ein Renommist,
Der auch in Leipzig nicht sich und sein Amt vergißt.
Bemühe dich ja wohl, ihm ins Gesicht zu hauen,
So muß der Feige doch die Larve häßlich schauen.«
Drauf lief der Renommist und rief die Jungemagd:
»Hohlt die drey Freunde her, die ich euch schon gesagt.«
Sie geht, er wirft sogleich die großen Handschuh nieder,
Und voll vom nahen Kampf erwartet er die Brüder.

Fußnoten

1 Kanonenschuß.

2 Für: Absicht.

3 Im alten Königsschloß zu Vincennes bei Paris verbüßten die Prinzen ihren Strafarrest. Der umgebende Bois de Vincennes war wegen seines Tierparks und seiner Anlagen berühmt.

Fünftes Buch

Die träge Finsterniß warf schon mit brauner Hand
Auf Leipzig Schlaf und Traum, die Still auf Feld und Land.
Schon sah man den Booth 1 den festen Pol umgehen,
Und manche Welt mit ihm sich in den Norden drehen.
[59]
Die Schönen änderten die Farb in dem Gesicht,
Von ihrer glatten Stirn floh das erborgte Licht,
Das sie zuvor beglänzt, der Nachttisch, der sie schmückte,
Wars, der itzt ihrem Haupt den fremden Putz entrückte.
Wie wenn der wilde Nord die rauhen Flügel regt
Und sich vom kalten Pol zu unsern Hainen trägt,
Er noch das gelbe Laub dem nackten Wald entführet
Und falbe Blätter streut, wenn sich sein Fittig rühret;
So wird der Nachttisch auch mit Bändern übersät.
Der Putz entflieht nunmehr, die Schleifen sind verdreht.
Die Locken werden schlaff, gleich prangenden Narcissen,
Die, wenn der Abend kömmt, die Häupter neigen müssen.
Da kam der schwere Fuß von Raufbolds treuer Schaar
Auf den beglänzten Markt, der oft ihr Kampfplatz war.
Gestiefelt ist der Fuß, umgürtet ihre Lenden
Und Schlägerhandschuh sind an den bewehrten Händen.
Sie gehn, so oft ihr Fuß mit Schrecken niedertritt,
So oft erbebt der Markt und jeder Wächter mit.
Zuletzt erblicket sie der arme Raufbold wieder.
Vor Freuden ruft er aus: Willkommen, werthe Brüder!
»Itzt seh ich, daß ihr noch Jenensern ähnlich seyd,
Itzt seh ich, daß ihr auch in Leipzig mich nicht scheut.
Kommt, itzo sollt ihr hier als treue Räthe sitzen;
Euch folg ich, doch ihr müßt auch meinen Ruhm beschützen.«
In seiner Stube tönt ein allgemeines Ja;
Ihr Degen und ihr Arm ist ihm zum Beystand da.
Darauf erzählt sein Mund, wie ihn Sylvan verschmähet.
»Sagt selbst, rief er zuletzt, da er sich so vergehet,
Sagt, ist der Jungferknecht nicht meiner Strafe werth?
Ja, Bruder, riefen sie, was wäre sonst dein Schwerdt?
Was wäre sonst dein Arm, willst du ihn nicht gebrauchen?
Geh hin und laß den Schimpf mit seinem Blut verrauchen.«
Gleich schreibt der Renommist das kriegrische Cartell. 2
[60]
Da er von Rache hört, wird seine Feder schnell.
Sein Blatt und auch zugleich Sylvans geschwornes Sterben
Wird schleunig fortgeschickt, den Stutzer zu verderben.
Ein alter Hausknecht wars, der es zum Stutzer trug,
Jedoch sein Wesen war ein listiger Betrug;
Es war der Kobold selbst, der sich zum Hausknecht machte,
Und Raufbolds Fehdebrief dem Stutzer überbrachte.
Ein Schlüssel hing an ihm, der seinen Schatz bewahrt;
Um seine Lippen floß ein brauner Zwickelbarth.
Kurz: wie die Pallas sich in Mentor einst verstecket, 3
So ward er mit der Tracht vom Hausknecht überdecket.
Man wartet, ob der Kampf Sylvanen schmackbar dünkt,
Und man vertreibt die Zeit nach jenscher Art und trinkt.
Zweymal zerbricht dabey die volle Las in Stücken,
Zweymal muß man den Tisch aus braunen Fluthen rücken.
Wie wenn der nasse Sud im Herbst vom Meere stürmt,
Die schweren Dünste häuft und eine Wolke thürmt,
Die oft als wie ein Schlauch auf nahe Berge hänget,
Aus der, wenn sie zerbricht, sich ein Gewässer dränget,
Das alles überschwemmt und alles fliehen heißt:
So wird der Tisch benetzt, da dieß Gefäß zerreißt.
Sylvan empfing nunmehr das fürchterliche Schreiben.
Der Rothmündinn Befehl zwang ihn, bey ihr zu bleiben.
Es traf ihn das Cartell gleich bey dem Spieltisch an,
Und gleich sah er sich ihm die Schöne schalkhaft nahn.
Sie las, wie er, das Blatt. Vor Schrecken fällt sie nieder;
Sie sinkt in einen Stuhl; es zittern ihre Glieder.
So wie ein Feiger bebt, wenn ihn um Mitternacht
Ein polterndes Geräusch mit Schrecken munter macht,
Und wenn er ein Gespenst darbey zu sehn geglaubet,
Die lächerliche Furcht ihm die Empfindung raubet:
So bebt auch sie vor Angst, ihr schöner Mund wird blaß,
Der Wangen Röthe flieht, ihr Auge selbst wird naß.
[61]
Die Seufzer flieht Sylvan, die ihn zu ändern drohten,
Und spricht mit innrem Grimm zu Raufbolds schnellem Bothen:
»Verwegner, geh und sprich zum tollen Renommist,
Daß, ob Sylvan nicht prahlt, er doch nicht furchtsam ist.
Sprich, daß ihm morgen noch mein Degen zeigen solle,
Daß auch ein Leipziger sich tapfer schlagen wolle.«
Hierauf geht er zurück. »Du bist nicht meiner werth,«
Rief seine Rothmündinn, die alles angehört,
»Sylvan, Sylvan, ists wahr, du willst ein Schläger werden?
Ja, ja du bist es schon in Sitten und Geberden.
Geh, Wilder, geh nur hin; doch rühme dich nur nicht,
Daß ich den je geliebt, der sich mit Schlägern ficht.
Geh hin, ich werde dich von nun an ewig hassen.
Dich, Lieb und Zärtlichkeit, will ich ergrimmt verlassen.
Doch warum bleibt mein Herz dir dennoch zugethan?
Warum verehr ich dich, feindseliger Sylvan?
Entweder mußt du nicht zum nahen Kampfe gehen,
Wo nicht, so muß ich dich und deine Gunst verschmähen.«
Sie schwieg. So wie ein Baum den stolzen Wipfel neigt,
Wenn ihn itzt bald der West, und bald der Ostwind beugt:
So wird Sylvan bestürmt. Bald heißt die Ehr ihn kämpfen,
Bald sucht die Zärtlichkeit den regen Muth zu dämpfen.
Doch endlich fing er an: »was forderst du von mir?
Die Ehre soll ich fliehn? bin ich nur darum hier?
Ein Stutzer und zugleich ein feiges Weib zu heissen?
Nein, Schöne, nein, verzagt kann ich mich nie erweisen.
Viel lieber will ich hier wild und verwegen seyn,
Als einen blassen Stal von meinem Feinde scheun.
Wie würde Jena nicht die Leipziger verschmähen,
Nein, morgen soll man mich im Rosenthale sehen.
Da stürz ich meinen Feind, ich hab ihn da besucht,
Doch hab ich stets den Gang zu diesem Kerl verflucht.
Du hast ihn selbst gesehn, du hast ihn selbst betrachtet;
Er war in der Allee, in der ich ihn verachtet.
Drum fordert er mich aus; ich willige darein.
[62]
Auch er hat mich verschmäht; er soll bestrafet seyn!
Wie? hörte man darauf die Schöne trostlos klagen:
Mit diesem Renommist wilst du den Zweykampf wagen?
Armseliger Sylvan, worein begiebst du dich?
Dein fürchterlicher Feind raubt dir, durch einen Stich,
Dein Leben, ja mich selbst. Wird man mir Nachricht geben,
Daß du getödtet bist, so wünsch ich nicht zu leben.
Grausamer, sieh, wie hoch dein seltnes Wüten steigt,
Du bist, Rachgieriger, in Leipzig nicht erzeugt;
Sonst wüßtest du ihn wohl großmüthig zu verklagen.
Nie hast du gegen mich die kleinste Gunst getragen;
Vergebens bitt ich dich; denn hab ich wohl dein Herz
Durch Thränen weich gemacht? hat dich mein wahrer Schmerz
Ein einzigmal gerührt? Geh hin in dein Verderben,
Geh, dich bedaur ich nicht, denn du verlangst zu sterben.«
Ihr misvergnügter Blick, der den Sylvan erreicht,
Sprach noch, obgleich ihr Fuß ergrimmt von ihm entweicht.
So wie ein Schooßhund bebt, wenn von dem weichen Sitze,
Auf dem er ruhig lag, die aufgebrachte Hitze 4
Ihn wider Willen treibt, sich aus dem Zimmer drängt,
Die Augen niederschlägt, die schlaffen Ohren hängt:
So bebt der Stutzer auch; sein Fuß verläßt das Zimmer,
Aus dem die Schöne floh, und eilt beym Mondenschimmer
Nach seiner Wohnung zu; er flucht, er ist ergrimmt.
Sein frecher Feind wird schon dem nahen Tod bestimmt.
In jedem Putzgemach sitzt auf den großen Spiegeln
Ein aufgeputzter Geist mit himmelblauen Flügeln.
Da, wo das breite Band die große Schleife macht,
Ist dieser Geister Sitz, wo ihre Sorge wacht.
So oft ihr Amt befiehlt, die Schönen zu bebändern,
So oftmals können sie in Schleifen sich verändern.
Stets triegt ihr Angesicht; sie halten in der Hand,
Den Menschen unsichtbar, ein purpurfarbnes Band.
[63]
Mit diesem wissen sie die Schönen anzuziehen,
Daß sie die Arbeit zwar, doch nie den Spiegel fliehen.
Das Band wird leicht und zart um ihren Arm gethan;
Dann fesseln sie sie sanft am flachen Nachttisch an.
Der eine Geist, Rubor, erfuhr Sylvans Entschließen.
Er sah die Rothmündinn, er sah die Thränen fließen,
Die sie vor ihm vergoß. Er wird dadurch bewegt,
Und spricht: »Geist, den wie mich ein großer Spiegel trägt,
Den man hieher gebracht, den Nachttisch zu beschützen,
Ists möglich, kannst du itzt in stolzer Ruhe sitzen,
Da unsre Schöne seufzt, da unsre Göttinn klagt,
Ja da ein Stutzer sich in einen Zweykampf wagt?
Nein, Geist, laß uns bemühn, wo nicht den Kampf zu hindern,
Doch wenigstens die Noth der Schönen zu vermindern.
Wir müssen uns bemühn, daß, wenn Sylvan noch kriegt,
Er den Jenenser stürzt, und kämpft, jedoch auch siegt.
Wie würde sich um ihn die Rothmündinn betrüben?
Sie würde niemals froh, sie würde niemals lieben.
Und niemals träte sie vor unser Spiegelglas,
Vor welchem sie doch oft den ganzen Morgen saß.
Sprich, würde sich auch wer an diesen Nachttisch setzen,
Und unsern lüstern Blick durch Putz und Reiz ergetzen?
Nein, unser Reich muß auch in diesem Zimmer blühn,
An diesem Nachttisch muß sich manche Hand bemühn,
Vor unserm Spiegelglas die Locken aufzubauen,
Auf die mit munterm Blick geschmückte Stutzer schauen.«
Er schwieg. Der andre Geist, der gegen über war,
Zupft erst mit reger Hand das aufgeputzte Haar,
Wie oft ein Redner thut, der, eh er seine Blicke
Auf die Versammlung wirft, erst an der Staatsperücke
Die stolzen Zipfel faßt. Er hustet dreymal laut,
Eh er von seinem Blatt zu reden sich getraut.
Drauf sprach er: »kannst du auch von einem Freund dieß denken?
Geliebtester Rubor, mich, mich sollt es nicht kränken,
[64]
Wenn unsre Schöne seufzt? Nein, mir auch geht es nah.
Ich bin zu ihrem Schutz und dir zum Beystand da.
Wohlan denn! sprach Rubor, so gieb auf meinen Spiegel
Mit aller Sorgfalt Acht; mich tragen meine Flügel
Zu der Galanterie. Die schütze den Sylvan;
Sie schütz ihn, denn er ist ihr treuster Unterthan.«
Er wirft sich alsobald in die gewölbten Lüfte.
Sein dunkelrothes Band bestralt die nassen Düfte.
Er eilt, sein blauer Schwung, der durch die Lüfte streicht,
Macht, daß sein Fuß behend des Tempels Dach erreicht.
Wie eine Lerche sinkt, verstört man ihre Lieder:
So flattert dieser Geist auch auf die Erde nieder.
Sogleich begiebt er sich zu der Galanterie,
Und sprach vor ihren Thron: »sieh, große Göttinn, sieh,
Sieh einen Geist vor dir, den Zeit und Noth gezwungen,
Daß er von Leipzig sich zu deinem Thron geschwungen.
Er kömmt und meldet dir Sylvans beschloßnen Streit,
Des artigen Sylvans, den itzt ein Raufbold dräut,
Ein Raufbold, dessen Stal ihn grimmig wird zerspalten,
Suchst du nicht seinen Arm, o Göttinn, aufzuhalten.
Der Zweykampf ist gewiß, Sylvan ist voller Wuth,
Und Raufbold geht auf nichts, als auf sein rieselnd Blut.
Kaum glänzt das Morgenroth auf hoher Berge Spitzen,
So wird sie schon der Kampf im Rosenthal erhitzen.
O Göttinn, deine Macht steh diesem Stutzer bey,
Sonst stürzt ihn Raufbolds Faust«. Er schwieg, ein Lustgeschrey
Theilt die bewegte Luft; man wirft die lüstern Blicke
Auf diesen fremden Geist, und zieht sie schnell zurücke.
Ein murmelndes Geräusch schwirrt in der Göttinn Ohr,
Und jede Mode lobt den artigen Rubor.
Wie wenn im warmen Lenz das Volk der jungen Bienen,
Die sich das erstemal den Stock zu fliehn erkühnen,
Mit summendem Getöß um eine Tanne schwärmt:
So war auch das Geschrey, das in dem Tempel lärmt.
Die Göttinn winkt und sprach: »wenn doch der Renommiste
[65]
Nur meinen nahen Zorn und seine Schwachheit wüßte!
Er wäre nicht so kühn. Rubor, soll denn sein Stal,
Soll denn sein wilder Arm auch noch im Rosenthal,
Ja über meinen Sohn, den besten Stutzer, siegen?
Nein, wir sind stark genug, sein Auge zu betriegen;
Sind wir gleich nicht so stark, daß seine Raserey
Von uns gehindert wird. Wohlan, Rubor, es sey!
Es sey! Sylvanens Arm erlang auch Ehr im Schlagen;
Man soll durch meine Macht von ihm in Jena sagen.
So bald der Morgen graut, soll man im Rosenthal
Mich auf dem Kampfplatz sehn, nebst meiner Krieger Zahl.
Wir wollen den Sylvan im Kämpfen unterstützen,
Wir wollen unsichtbar sein zart Gesicht beschützen.«
Sie sagt es, und der Geist eilt auf den Westwind fort,
Und kam im Augenblick an seinen alten Ort.
Der Renommist erfuhr indeß Sylvans Bezeigen.
Der falsche Hausknecht sprach: sehr viel muß ich verschweigen
»Das er im Zorn geredt. Ihr wärt ein Renommist,
Der nur durch Raserey in Jena furchtbar ist.
Doch kurz, sein Mund versprach, mit seinem Stutzerdegen,
Euch in dem Rosenthal verächtlich zu erlegen.«
Er schwieg. Wie wenn der Nil sein nasses Haupt erhebt,
Die aufgebrachte Fluth erst um die Dämme schwebt,
Und denn, wenn keine Macht die stolzen Wellen hemmet,
Das Wasser auf einmal die Aecker überschwemmet.
»So war auch Raufbolds Zorn. Seht des Verwegnen Muth!
Es schlägt doch wohl in ihm ein jenisch tapfres Blut.
Beym Teufel! wenn Sylvan im Fechten glücklich wäre,
Und überwände mich; wo bliebe Ruhm und Ehre?
Doch nein, mein Name schon ist Stutzern fürchterlich.
Ich trau in diesem Kampf auf meinen Muth und mich.
Drum, Brüder, welcher will mein Secundante werden?«
Die Schaar veränderte die muthigen Geberden.
So wie ein Krieger bebt, wenn der Befehl ihn zwingt,
Daß er im ersten Glied mit in die Feinde dringt;
[66]
So sieht man auch die Schaar von Raufbolds Brüdern beben.
Sie liebten zwar sein Bier, jedoch noch mehr ihr Leben.
Dieß sieht der Renommist. »Ihr wollt Jenenser seyn?
Sprach er, und ihr erschreckt vor eines Degens Schein.
Nun will ich nicht einmal von euch, ihr feigen Seelen,
Da ihr so furchtsam seyd, den Secundanten wählen.«
Er schwieg. Der eine sprach: »verdamm uns nicht zu bald;
Du siehst an uns auch hier die jenische Gestalt,
Und auch ein jenisch Herz, das vor Begier schon brannte.
Es weis von keiner Furcht, ich bin dein Secundante.«
Im nahen Streit erschrickt ein munterer Husar,
Der von Begierde schon sich auf des Pferdes Haar
Mit krummem Sebel wirft, wenn ihn die tapfern Brüder
Im dicksten Kampfe fliehn; doch er erfreut sich wieder,
Wenn ein Freywilliger ihn tapfer unterstützt;
Er sieht es, und sein Schwerdt, das auf den Feind geblitzt,
Zeigt nun den blutgen Kopf erschlagner Saracenen;
Er schwebt mit krummem Leib an seines Pferdes Mähnen:
So rief auch Raufbold nun: »o Bruder, du hast Muth!
In dir erkenn ich noch das edle jensche Blut.
Komm, hilf mit mir den Feind, den stolzen Feind bezwingen,
Du kämpfst und siegst mit mir; uns muß der Streich gelingen.«
Ein Krug, der durch die Last selbst seine Hand beschwert,
Wird in dem Augenblick mit Freuden ausgeleert.
Wie wenn der laue Lenz die langen Nächte kürzet,
Der aufgelöste Schnee sich von den Felsen stürzet,
Mit rauschendem Getön in öde Thäler dringt,
Wo ihn im Augenblick der dürre Sand verschlingt:
So stürzt das braune Bier, bewegt von starkem Zuge,
In Raufbolds wilden Mund aus dem gefüllten Kruge.
Des glimmenden Tabacks verdoppelter Gebrauch
Umnebelt das Gemach mit aufgestiegnem Rauch.
Ein dicker dunkler Dampf steigt aus den rauhen Hälsen.
Den Tisch bedeckt die Zahl durchglühter Aschenfelsen.
[67]
So wie das gleiche Feld mit Hügeln sich erhebt,
Wenn mit bemühter Hand der blinde Maulwurf gräbt:
So ist die Tafel auch mit rauchenden Vesuven
Und Aetnen überdeckt. Drauf fing er an zu rufen:
»Ihr Brüder, da mein Kampf nunmehr beschlossen ist;
So folgt nur noch einmal dem tapfren Renommist.
Folgt mir, ich führ euch an; wir wollen etwas wagen,
Davon ganz Leipzig soll mit Furcht und Schrecken sagen.
Ich muß von Leipzig gehn; jedoch ich geh nicht ehr,
Als bis ich auch der Stadt mein glänzendes Gewehr
Und seine Kraft gezeigt. Der ausgestreute Schatten
Der dunklen Finsterniß kömmt uns hierbey zu statten.
Ihr wißts, durch Häscher wird der Gassen Ruh beschirmt.
Wie wärs, wenn unsre Faust die Häscher selbst bestürmt?
Kommt, laßt uns sie zerstreun, sie des Gewehrs berauben,
Und wenn sie Stang und Stock auf uns zu werfen glauben;
So nehmt die Stangen weg, und werfet sie getrost
Auf ihren eignen Kopf. Kommt, ich bin schon erboßt.
Mein Stal, mein Arm, mein Muth soll, Brüder, euch begleiten.
Ist Raufbolds Stal bey euch, könnt ihr die Welt bestreiten.
Kommt, fürchtet euch vor nichts; seyd tapfer, kämpft, und wagt,
So flieht die Räuberschaar bestritten und verzagt.«
Ein jeder fällt ihm bey: »ja, Bruder, laß uns kriegen!
Wir wollen unter dir die Feinde sehn, und siegen!«
Sogleich bewaffnet man die Hände mit dem Schwerdt,
Das vor Verlangen selbst aus weiter Scheide fährt.
Man eilet auf den Markt mit heimlichem Erfreuen,
Wie wenn ein Löwe sich aus öden Wüsteneyen
Des dürren Lybiens mit seinen Jungen trägt,
Und sich mit trägem Schritt nach einem Wald bewegt,
Er das verdorrte Laub mit scharfen Klauen drücket,
Der Buchen sprödes Holz mit breiter Brust zerstücket,
Und ein Geräusch erregt, das durch die Felder eilt,
Und in der finstern Nacht die stillen Lüfte theilt:
[68]
So hört man ihren Schritt und die gezognen Degen,
Auf dem itzt leeren Markt, ein sanft Geräusch erregen.
Da, wo der grüne Thurm am Rathhaus sich erhebt,
Ist der bekannte Platz, vor dem der Pursche bebt.
Da wohnt der Knechte Schaar. 5 Das fürchterliche Schrecken
Steht an der dunkeln Thür, und an den beyden Ecken
Lauscht schlaue Hinterlist und die Verwegenheit,
Die allen voller Wuth, jedoch unsichtbar, dräut.
Dahin gelangt ihr Fuß; der Renommist steht stille,
Und auch die ganze Schaar; er sagts, gleich ists ihr Wille.
»Ihr Brüder, fing er an, ihr Brüder, die ich schon
In Jena angeführt, sprecht den Canalljen Hohn!
Kommt, ruft und wetzt und schreyt, daß sie ihr Loch verlassen,
So können wir sie frey an ihren Hälsen fassen.«
Sogleich durchdringt die Luft ein lautes Pereat 6!
Man schimpft auf ihren Kopf und flucht die Hälse matt.
Drauf wetzt die ganze Schaar; die Gluth fährt aus den Steinen,
Daß diese Krieger fast in lauter Funken scheinen.
So wie der Heiden Zevs den rothen Blitz ergreift,
Der schnell aus seiner Hand auf die Giganten streift:
So scheinen diese Zevs mit Gluth und Blitz zu spielen,
Indem sie mit dem Stal in glatten Kieseln wühlen.
Zuletzt gehn sie zur Thür, und Raufbold geht voran.
So wie Aeneas dort, was wenig noch gethan,
Mit fürchterlichem Schritt zu dem Cocytus 7 eilet,
[69]
Den dicken Schwefeldampf mit seinem Schwerdte theilet,
Den Fürst der Höllen sieht und die Verstorbnen schreckt,
Wenn er den starken Arm auf falbe Schatten streckt:
So eilt auch Raufbolds Fuß zu der bewachten Pforte,
Mit seiner treuen Schaar, an diesem dunkeln Orte.
Das Schrecken bläst ihm zwar den Hauch in das Gesicht.
Er fühlt auch dessen Kraft; doch aber weicht er nicht.
Indeß erblickte man die fürchterlichen Schaaren,
Die Knechte, die schon nah am Renommisten waren.
Ein Harnisch, den noch nie ein treffend Schwerdt versehrt,
Bog sich um ihren Leib, den noch ein Stal beschwert.
Und destomehr bewehrt und fürchterlich zu heissen,
Füllt ihr verwildert Haupt ein alt verrostet Eisen.
Sie schwungen in der Hand die Stange, die so oft
Den kühnen Feind gestürzt, der auf den Sieg gehofft.
Die Spitze war behakt, schnell zum zurück zu weisen,
Und schnell, ein schön Gewand im Anziehn zu zerreißen.
Wie, wenn von dem Gebürg ein wilder Auer 8 flieht,
Der seinen starken Feind, den gelben Löwen, sieht,
Er aus dem niedern Busch mit rauher Stimme schreyet
Und mit gehörntem Fuß den rothen Sand zerstreuet,
Den dickbemoßten Kopf hochmüthig seitwerts trägt,
Ihn an die steife Brust mit wilden Schütteln legt,
Sich endlich auf den Feind mit stolzen Schritten lenket
Und mit dem festen Horn ihn zu durchbohren denket:
So eilt der Renommist auf den verspürten Schwarm.
Flieht, rief er, oder sterbt! und gleich senkt er den Arm
Auf den umstählten Kopf, den er zuerst erblicket.
Jedoch er steht erstaunt, da ihn der Hieb nicht glücket.
Wie wenn ein Crocodill dem dichten Schilf entweicht,
Und ein Aegyptier, der schon vor Angst erbleicht,
Sich noch zu retten denkt, und seinen Sebel ziehet,
Doch durch den öftern Hieb den Arm umsonst bemühet;
Der Panzer, der die Haut des Crocodills umstählt,
[70]
Macht, daß der starke Hieb des breiten Sebels fehlt:
So gehts dem Renommist. »Ich glaube, rief er, Brüder,
Die Schaar bepanzert sich die fürchterlichen Glieder.
Werft eure Degen weg, folgt meinem Beyspiel nach,
Bedienet euch der List! Sogleich, da er dieß sprach,«
Erreicht er einen Pfahl nicht brennender Laternen;
Er schmiegt sich hinter ihm, die Feinde zu entfernen.
Jedoch den Augenblick nimmt er mit Schrecken wahr,
Daß man, mit wilder Faust, von seiner Brüderschaar
Zween aus dem Kampfe schleppt, die an zu fluchen fangen.
Er bebt, als fühlt er selbst schon die erzürnten Stangen.
In dieser Noth sprach er zu seinem Secundant,
Der seine Sicherheit noch unterm Sturmfaß fand:
»Auf, Bruder, schlag dich durch, jetzt denk an meine Lehre,
Sieg oder lauf davon; denn dieß bringt doch noch Ehre!«
Er sagts und dringt sogleich, da sich sein Zorn vereint,
Mit flüchtendem Geräusch durch den zertheilten Feind,
Sein edler Secundant folgt seinen schnellen Schritten;
Umsonst wird ihnen nur die schnelle Flucht bestritten.
So wie Serini 9 sich einst durch die Türken schlug,
Den Sebel in der Hand, den Sieg im Herzen trug:
So schlug sich Raufbold durch; er kriegte noch mit Blicken.
Konnt er nicht in der That, so droht er zu zerstücken.
»Der Teufel hat den Kerls die Panzer angethan!
Sieh, Bruder, rief er aus, sieh meinen Degen an.
Wie hab ich ihn zerhaun! doch laß uns nur entspringen;
Man möcht uns sonsten noch um unsre Freyheit bringen.«
Er geht mit steifem Schritt, nach seinem Gasthof zu.
Es lag die halbe Welt jetzt mitten in der Ruh,
Und auch sein Gastwirth schlief schon auf dem müden Ohre;
Allein sein Schutzgeist kam und öffnete die Thore.
Doch warum stund er denn nicht seinem Helden bey?
Er hatte kurz zuvor, mit wüthendem Geschrey,
[71]
Den Caffeegott bestürmt, das Porcellan zerbrochen;
Drum hat er nicht gehört, was man vom Kampf gesprochen.
»O Bruder, geben wir wohl Alexandern nach?«
So sprach der Renommist im sicheren Gemach,
»Gieb Achtung, wie wir auch den Stutzer zwingen wollen,
Daß alle Leipziger an uns gedenken sollen.
Indessen mache dich und deinen Stal bereit,
Denn nun ist dieser Nacht doch keine Ruh geweiht.«
Dieß hört sein Schutzgeist an; sein gräßliches Gefieder
Trägt ihn behend davon; er läßt sich plötzlich nieder.
Da wo bey Jena man die stille Saale sieht,
Die oft ein ganzer Wald von Floßholz überzieht,
Sieht man das Paradies 10 die langen Wiesen strecken,
Die ihre Flächen stets mit bunter Anmuth decken.
In diesem Paradies ist eine dunkle Gruft;
Sie wird, wenn sie ein Pursch bey ihrem Namen ruft,
Das Teufelsloch benennt. In dieser öden Grotte
Sieht man den seltnen Thron, von einen wilden Gotte.
Der Gott der Schlägerey hat seine Wohnung hier,
Der Hohn bewacht bemüht die rundgewölbte Thür.
Denn dieses ist der Geist, der manches Herz vergiftet,
Des Spotten meistentheils die Schlägereyen stiftet.
Ihm gegenüber steht die träge Trunkenheit;
Sie wankt bey jedem Schritt, sie rast, sie schimpft, sie schreyt,
Sie hält mit trübem Blick ein Paßglas in den Händen.
Das Schlagen ist ihr Recht, und ihre Kunst, Verschwenden.
Da irrt und wankt der Fuß der blassen Eifersucht;
Da hier der Argwohn tobt und dort die Zanksucht flucht.
Der Neid, das Spiel und Geld stehn an des Thrones Seiten,
Die noch die Unvernunft mit Lust zum Kampf begleiten.
Auf einem blutgen Thron sitzt, in besondrer Pracht,
Der Gott der Schlägerey, der alles zitternd macht.
Ein weißlichter Caput 11 mit einem blauen Kragen,
[72]
Ist seine liebste Tracht, die er zeither getragen.
Ein Degen, dessen Stal das Eisen übertrifft,
Das man in Japan gräbt, und durch ein blaues Gift,
Das alles leblos macht, mit seltner Wuth bestreichet,
Ist an des Zepters Statt, vor dem der Schnurre weichet,
Sein Stichblatt ist so groß, als wie des Satans Schild,
Den Milton uns beschreibt. Manch fürchterliches Bild
Ist auf ihn eingeetzt. Die ersten Renommisten,
Wie sie den Himmel drohn durch Felsen zu verwüsten,
Giganten, sieht man hier; ihr scheusliches Gesicht
Verstellt noch mehr ein Mund, der Lästerungen spricht.
Auf die folgt Herkules, der um die starken Lenden
Die Haut des Löwen wirft. Er hält, mit festen Händen,
Den Riesen in die Höh, den er so knirschend drückt,
Daß er an seinem Kopf mit wildem Laut erstickt.
Der Macedonier 12, wie er die Welt bekrieget,
Wie dort Pompejus fällt, da Cäsar muthig sieget,
Und wie ein Roland ficht, wenn er die Riesenhand
Mit fürchterlichem Schlag auf seinen Feind gewandt.
Dieß alles sieht man hier. Von jäher Berge Höhen,
Die stets ihr bärtig Haupt in leichten Wolken sehen,
Sieht man den jenschen Markt. Da kämpft ein wüthend Paar,
Das bloß durch Lieb und Bier zum Kampf gekommen war.
Ein runder Burschenkreis, der sie bemüht umzirket,
Lacht freudig, wenn ein Stoß den andern Wunden wirket.
Nicht weit davon sieht man noch andre Stürmer stehn,
Die in der freyen Hand gesuchte Felsen drehn,
Mit einer Hand den Stal auf glatten Kieseln schärfen,
Und mit der andern Hand in stolze Scheiben werfen.
Zween andre, welche sich aus Unvorsicht berührt,
Sieht man, daß ihre Wuth darum den Degen führt.
Noch andre, die vergnügt in nassen Zimmern sitzen,
Im Saufen Helden sind, beym Taback rühmlich schwitzen,
[73]
Sieht man in vollem Zank. Ein großes Paßglas eilt
Nach eines Gastes Kopf, der sich im Ziehn verweilt
Kurz: die in Jena sich mit Ruhm geschlagen haben,
Die alle sah man hier im Stichblatt eingegraben.
Zum Gott der Schlägerey kam Raufbolds Schutzgeist an.
Er sprach vor seinem Thron: »sieh, was mein Arm gethan,
Sieh! Gott der Schlägerey, dein Raufbold kämpft und streitet,
Doch so, daß ihn der Ruhm bey jeder That begleitet.
Ganz Leipzig fürchtet sich vor seinem seltnen Muth.
Kein Stutzer nimmt nunmehr den aufgesteiften Hut
In den gebognen Arm; was soll ich größers sagen?
Noch Morgen wird er sich mit einem Stutzer schlagen.
Der Zweykampf ist gewiß, der Ort ist schon bestimmt.
Sylvan und Raufbold sind in gleichem Grad ergrimmt.
Vor kurzem hat er auch die Knechte selbst bestürmet,
Er hieb sich da auch durch, da ich ihn nicht beschirmet.
O du, des Zweykampfs Fürst, steh ihm auch Morgen bey,
Damit er noch zuletzt in Leipzig glücklich sey;
Denn er wird nach dem Kampf sogleich auf Halle reiten,
Und da von neuem blühn, und da von neuem streiten.«
Der grause Schlägergott, der von dem Throne sprang,
Sprach, daß vom starken Ton die runde Höl erklang:
»Wie sehr bin ich erfreut, daß Raufbold glücklich kämpfet,
Ja, daß er auch so gar den Stolz der Stutzer dämpfet.
Komm, ich beschütz ihn selbst. Ich kann es dir gestehn,
Daß ich mit keinem Blick das Leipzig ie gesehn,
Das zwar wohl prächtig ist, doch weibisch sich bezeiget.
Komm, daß wir, ehe noch die Sonne glänzend steiget,
Im Rosenthale sind.« Sein Flügel eilet fort.
Ihm folgt die ganze Schaar aus seinem Schreckensort;
Allein er heißet sie nach seiner Höhl entweichen;
Drey Schlägergeister sinds, die Leipzig mit erreichen.
Wie, wann sich von dem Feld ein schwerer Trappe 13 hebt,
[74]
Die hartgepreßte Luft vor seinem Fittich bebt,
Der ihn erst nach und nach von grüner Erde bringet,
Bis er sich auf einmal schnell in die Wolken schwinget:
So bringt ihr schwerer Flug sie flatternd in die Höh;
Zuletzt erreichen sie die schattigte Allee.
Es war fast um die Zeit, da sich der Himmelswagen
Vom kalten Norden fort nach Osten zu getragen,
Als diese Geisterschaar in der Allee sich sieht,
Und ferner durch die Luft nach Raufbolds Zimmer flieht.
Man sieht sie im Gemach unsichtbar sich bewegen.
Der Renommist besah gleich seinen großen Degen,
Und sprach: »o welcher Stal, o Stal! mein höchstes Gut,
Mit dem ich meine Macht, mit dem ich meinen Muth
Den Schnurren oft gezeigt; o Stal, von seltner Treue,
Hilf, daß ich meinen Ruhm durch deinen Stoß verneue.
Sey mich zu schützen schnell, schnell in den Feind zu gehn,
Und fest, im ganzen Kampf vor deinem Herrn zu stehn.«
Er schwieg. Sein starrer Blick besieht die glatte Fläche;
Er beugt ihn und erforscht die Stärk und auch die Schwäche.
So wie Minervens Hand dem Telemach den Schild
Unsichtbar weggethan und ihn Egidens Bild, 14
Statt dessen hingelegt; so nahm auch Raufbolds Degen
Der Gott der Schlägerey, um seinen hinzulegen.
Armseeliger Sylvan, bewahre dein Gesicht!
Da Raufbolds kühne Faust mit Götterwaffen ficht,
Da wilde Geister ihn zum Kampf noch mehr erhitzen;
Wer will dich, o Sylvan, vor seiner Wuth beschützen?
Drauf sprach der Renommist, wormit wird diese Nacht,
Die bald die Erde flieht, noch vollends hingebracht?
Doch, daß wir Morgen früh nicht ohne Kräfte streiten,
So wollen wir uns selbst ein Lager zubereiten.
Er leget sich so fort mit siegesvollem Muth
Gestiefelt und gespornt auf den zerfetzten Huth.

Fußnoten

1 Bootes: Sternbild am Nordhimmel.

2 Forderung zum Duell.

3 Vgl. Odyssee II, 267 f. Zachariä bezieht sich auf die Telemachsage, die der Erziehungsroman von François de Salignac de la Mothe-Fénelon (1651–1715) Télémaque (1699) behandelt.

4 Zorn.

5 Die Scharwache erfüllte die Aufgabe einer Ordnungspolizei. Einen Kampf zwischen Scharwächtern und Studenten beschrieb bereits ein Jahr nach dem Erscheinen des Renommisten der anonyme Verfasser des Komischen Epos Der unglückliche Sturm in den Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1745). Auch spätere Komische Epen verwenden das Motiv.

6 Etwa: Nieder mit ihm! Losungsruf der Burschen gegen alle Nichtstudierenden, die sog. Philister.

7 Fluß im Hades. Anspielung auf die Unterweltreise des Aeneas nach Vergils Aeneis VI.

8 Auerochse.

9 Nikolaus III., Graf von Serini (1620–64), Verteidiger von Neu-Serinwar gegen die Türken, die er mehrfach schlug.

10 Ortsname.

11 Capot: Kapuzenmantel der Studenten.

12 Alexander der Große.

13 Kranichvogel, damals begehrtes Jagdwild. Vgl. das Epyllion von Friedrich Justus Riedel: Der Trappenschütze (1765).

14 Anspielung auf die Aigis, den Schild der Athene mit dem Bild der Gorgo.

[75] Sechstes Buch

Noch lag die halbe Welt im frühen Schlaf verborgen,
Anstatt des Morgenroths sah man die blassen Sorgen,
Die in der stillen Nacht die matten Menschen fliehn,
Den grauen Orient mit wildem Schritt beziehn.
Kaum heißt der junge Tag die grausen Schatten weichen,
So sieht man diese schon um unsre Lager streichen.
So bald der Mensch sie sieht, empöret sich sein Haar,
Und selbst der träge Schlaf flieht vor der falben Schaar.
Sie regten insgesammt ihr fürchterlich Gefieder,
Arminde glitt hierauf mit einem Lichtstral nieder.
Sie fuhr mit diesem Stral ins leere Schlafgemach,
Wo sie mit leisem Ton dieß zur Rothmündinn sprach:
»O Schöne, kannst du noch in süßem Schlummer liegen,
Da ein Jenenser droht, Sylvanen zu besiegen?
Du schläfst noch, da sein Geist, vielleicht schon abgetrennt,
Um deinen Nachttisch schwärmt und unsichtbar dich nennt?
Erwache! fühlst du noch das Mitleid in der Seele,
So wein um den Sylvan, daß sich sein Geist nicht quäle.
Bewein ihn! war er nicht der Schönste dieser Stadt,
Und der bis in den Tod dich treu geliebet hat?«
Ein Seufzer flog sogleich von der bedrängten Schöne;
Das Meißner-Porcellan macht ein betrübt Getöne;
Den Caffee, den man sonst nur dunkelbraun gesehn,
Sah man jetzt dick und schwarz in weiten Schälchen stehn;
Ja selbst auf dem Clavier zersprangen zwanzig Saiten,
Und ein Glocke fing von selbsten an zu läuten.
Arminde floh von hier zu der Galanterie;
Sie schlummerte zwar noch, doch sie erweckte sie.
Drauf sprach sie: »treuer Putz, versammle meine Schaaren,
Die Nachttisch, Spiegel, Kleid, und die Allee bewahren.
Geh hin, bewaffne sie, thut eure Rüstung an,
Du sollst ihr Führer seyn, beschützet den Sylvan.
Ich selbst will, doch verstellt, im Rosenthal mich zeigen.
[76]
Geht, eilt und kämpft vereint, so ist der Sieg euch eigen.«
Der schnelle Putz gehorcht und eilt zu der Allee,
Er sank mit schnellem Flug zu einer Lindenhöh,
Von der er dieses rief: »getreue Sybariten,
Wo seyd ihr? Kommt und hört, was ich euch will gebiethen.«
Wie wenn ein Sänger oft von einer Mordgeschicht,
Von Särgen in der Luft mit grauser Stimme spricht,
Der träge Landmann auch aus seinen Hütten eilet,
Und voll Verwunderung den sachten Schritt verweilet;
So kam auch auf sein Wort die ganze Schaar herbey,
Zu der er also sprach: »Seyd ihr mir noch getreu?
Seyd ihr annoch wie sonst der feste Schutz der Linden 1,
So laßt euch auch jetzund, ihr Geister, willig finden.
Kommt, eilt und schützt und helft dem ehrlichen Sylvan,
Noch heute trefft ihr ihn erzürnet fechten an.
Folgt der Galanterie, sie will, ihr sollt mich rüsten,
Beschützet den Sylvan, verfolgt den Renommisten.
Wir sind zum Kampf bereit, war ihres Führers Wort,
Wir brennen, führ uns nur an den bestimmten Ort.
Sieh, hier ist Lindamor und seine treuen Brüder.
Ist unser Muth vereint; was stürzen wir nicht nieder?
Auf! folgt mir! Und sogleich eilt das gesammte Heer«
Nach Leipzig und wählt hier das trefflichste Gewehr.
Der Putz, ihr Führer, stund in einem seltnen Schimmer.
Die Schnürbrust nahm er sich von einem Frauenzimmer.
Sie stund, vom Fischbein steif, von seinen Gliedern ab,
Daß sie an Panzers Statt den zarten Leib umgab.
Der Geister erste Reih bewaffnet sich mit Scheeren,
Die andre war bemüht, mit Nadeln sich zu wehren,
Der dritten Faust bewehrt des Kräuseleisens Brand,
Und Puderpüstriche sind in der vierten Hand.
Die letzten wollen sich mit Sonnenfächeln schlagen,
Dem Feind damit den Wind in das Gesicht zu jagen.
[77]
»Hier, o Galanterie, hier steht Sylvanens Schutz,
Hier steht, hier steht dein Heer, des wilden Schlägers Trutz,
Das zwar verschieden ist an fürchterlichen Waffen,
Doch einig, deinem Sohn den Lorber zu verschaffen.«
So sprach der Putz und schwieg. Indem beglänzt ein Stral,
Der Schlag und Donner zeigt, der Geister laute Zahl,
Und eh sie nach dem Licht die starren Blicke drehen,
So sahn sie schon vor sich den Schutzgeist Leipzigs stehen.
Wie, wenn ein junger Held sonst zum Turniere zog,
Ein krauser Federbusch um seine Haube flog,
Den oft gewagten Leib ein schuppicht Eisen schützte,
Und ein geübtes Schwerdt in festen Fäusten blitzte;
So sah der Schutzgeist aus, der Muth war hier vereint.
Auf seine Waffen stolz, gieng er auf seinen Feind.
»Er sah sein Heer und sprach: Ihr tapfern Sybariten,
Ihr, die ihr stets voll Muth und stets beglückt gestritten,
Wie sehr bin ich erfreut, da euch mein Aug erblickt,
Da ihr auf meinen Markt zum Kampf gerüstet rückt.
Doch, Brüder, hier wird uns der Schläger nicht bekriegen,
Geht, eilt zum Rosenthal, dieß ist der Ort zum siegen.«
Sogleich begab er sich zum schlafenden Sylvan,
Der Sybariten Heer rückt auf den Kampfplatz an.
Der Stutzer ruhte noch, doch sah man schon die Waffen,
Die er zurecht gelegt, den Schläger zu bestrafen.
Vom steifen Handschuh war der Nachttisch fast bedeckt,
Ein Degen lag darbey, der ihn entblößt erschreckt.
Die Peitsche, hiebevor sein jenisches Vergnügen,
Sah er hier ebenfalls in stolzen Krümmen liegen.
Als dieß der Schutzgeist sah, fieng er unwillig an:
»O was erblick ich hier, o Nachttisch, o Sylvan!
Wie sehr, wie sehr hat sich dein Schlafgemach verändert?
Den Nachttisch, den zuvor dein bunter Staat bebändert,
Den Nachttisch, welchen sonst Romane nur geziert,
Den sonst kein Eisen noch, als Scheeren nur, berührt,
Den muß ich jetzt, o Zeit, von Waffen furchtbar sehen?
[78]
Ja um den soll sich noch die größte Peitsche drehen?
Sieh, o Galanterie, sieh Mode, sieh Roman!
Dieß hat ein Renommist, ein Feind, von uns gethan.
Er machts, daß sich Sylvan in große Handschuh zwinget,
Und heut im Rosenthal den langen Degen schwinget.
Jedoch so wahr man mich ein Feind von Schlägern nennt,
So wahr mein Leipzig mich als seinen Schutzgeist kennt.
So wahr soll Raufbold auch vor meinem Sohne fliehen,
Ich selbst will meinen Arm für seinen Sieg bemühen.«
Er schwieg. Der Federbusch, der seine Haube ziert,
Wird, da er sich bewegt, sanft durch die Luft berührt.
Er spielt auf seinen Helm in tausend lichten Farben,
Die doch bey jedem Schritt in Pracht und Glanz erstarben.
Er nahte sich darauf zum Himmelbett und sprach:
»Sylvan, du giebst allhier dem faulen Schlummer nach;
Du schläfst noch, da dein Feind schon auf den Kampfplatz eilet,
Und mit dem Stal die Luft an deine Statt zertheilet?
Auf, Stutzer, waffne dich! Der nahe Sieg ist dein.
Von mir sollst du beschützt, von mir gewaffnet seyn.
Ich bin der sichre Schutz der anmuthsvollen Linden,
Und jeder Stutzer wird bey jeder Noth mich finden.
Wenn er mir rühmlich ist, und seiner Mode treu:
So steh ich ihm gewiß bey jedem Kampfe bey.
Auch dich will ich, Sylvan, im Fechten unterstützen.
Zorn, Rach und Eifersucht mag Raufbolds Arm erhitzen,
So wird er doch besiegt. Erwache nur, Sylvan,
Erwach und kleide dich zum Kampf gerüstet an!«
Sogleich faßt er ihn sanft bey seiner Federmütze.
Der Schlaf floh alsobald von seinem alten Sitze.
Gleich zieht Sylvan sich an, den Stal macht er bereit,
Und alles zielt bey ihm auf den beschloßnen Streit.
Die Sonne stieg indeß blutroth zum Horizonte.
Kaum daß ihr trüber Stral auf Leipzig blicken konnte,
So sah sie schon die Noth, die ihr der Kampf gebracht,
Drum hüllte sie sich schnell in Wolken, Dunst und Nacht.
[79]
Jedoch den Renommist weckt auch ihr falber Schimmer;
Er stund gestiefelt auf, es zitterte sein Zimmer.
Zuerst besah sein Blick der Handschuh großes Paar,
Zu dem von einem Hirsch das dickste Leder war.
Er fand sie stark genug, Jenenser abzuhalten,
Wie willst du sie, Sylvan, mit deinem Stal zerspalten?
Indem sie seine Hand erfreut zusammen führt,
Ward ein betrübter Schall in dem Gemach verspürt.
Drauf sah man seine Hand die große Peitsche fassen,
Die Peitsche, die so oft durch die durchsprengten Gassen
Mit wildem Laut geknallt, wenn sein ermüdet Roß,
Mit wankendem Galop, nach dem Philister schoß.
Indem er durch die Luft dieß wilde Leder treibet,
Ertönt ein krauser Schall, der selbst sein Ohr betäubet.
Wie wenn im Morgenschlaf von dem bewehrten Wall
Aus holer Stücke Schlund der fürchterliche Knall
In stille Lüfte fährt, die Menschen schnell erwachen,
Und bey noch fernerm Schuß sich aus den Lagern machen:
So sprang der Secundant von seinem Hut auch auf.
»Das Wetter und der Blitz! sprach er erzürnt darauf.
Warum erweckst du mich durch dein verflucht Geknalle?
Darum, damit mein Feind durch meinen Stal bald falle,
War Raufbolds lächelnd Wort. Auf, mache dich bereit!
Ich geh zu meinem Roß, zum Kampf ists jetzo Zeit.«
Er gieng. Kaum hat sein Pferd ihn in dem Stall erblicket,
Als es sich muthig schon von glatten Steinen rücket.
Sein wieherndes Geschrey ergetzte Raufbolds Ohr;
Er streichelts mit der Hand und sagt ihm dieses vor:
»O Gaul von seltner Treu, du, den ich schon geritten,
Da ich bey Jena noch ein ganzes Dorf bestritten.
Du, dessen schneller Fuß mich noch davon gebracht,
Wenn schon der Feinde Stal auf meinen Kopf gekracht;
Ja, du getreuer Gaul, der mich in vollem Jagen,
Von Jena bis hieher in kurzer Zeit getragen,
Sey mir von neuem treu, du siehst heut einen Kampf,
Wo dir zwar kein Pistol in dickem Pulverdampf
[80]
Den Kopf durchbohren wird, noch wo ein Lanzenbrechen,
Im fehlgeschlagnen Stoß, dir wird den Hals durchstechen.
Nein, wo man deinem Herrn den Kopf zu spalten sucht:
So spalt ich ihn dem Feind, so nimm mit mir die Flucht.
Dieß ist dann deine Pflicht, durch dein geschwindes Rennen,
Von Leipzig, Häschern, Straf und Carcer mich zu trennen.
Flieh, was du fliehen kannst, damit ich Halle seh.
Zwar thut mir schon zuvor dein schnelles Laufen weh;
Jedoch für deine Treu und für dein leichtes Traben,
Soll dich in Hall ein Brodt mit kaltem Biere laben.
Du bist ein edles Roß, du bist ein jenisch Pferd,
Drum mache dich des Ruhms, der dich erwartet, werth.«
Der Gott der Schlägerey befahl dem Gaul zu sprechen.
Es wiehert und fing an: »dich Renommist zu rächen,
Dich, Raufbold, in dem Kampf beglückt und groß zu sehn,
Nur darum wünsch ich mir dir heute beyzustehn.
Auf! schwinge dich auf mich«. Er warf mit muntern Blicken,
Den rothen Zaum an Kopf, den Sattel auf den Rücken.
Er rief den Secundant, er kam und Raufbold sprach:
»So halte dich denn wohl, gieb nie dem Feinde nach.
Ein Fluch, ein Hieb, ein Stich begleite stets den andern.
In Leipzig schlugst du dich; dieß ist genug zum wandern.«
Ein fliegender Galop trug beyde Ritter fort,
Sie eilen durch die Stadt nach dem bestimmten Ort.
Da, wo vor Ranstädts Thor der krummen Pleiße Wellen
Nicht mehr an dürres Land, an grüne Küsten schwellen,
Ist ein geweihter Hayn, den schon die alte Zeit
Des Umgangs süßen Scherz, den Liebenden geweiht.
Man hat dieß Lustgehölz das Rosenthal benennet,
Und welcher Leipziger ist, der den Ort nicht kennet?
Hier sieht auf ihrer Fluth die Pleiße Gondeln gehn,
Die unter Spiel und Scherz und blasendem Getön,
[81]
Von dem beschilften Rand auf Golitz 2 freudig eilen.
Ihr aufgeklärter Blick sieht an den vordern Theilen
Die Völker seltner Art. Ein Türk in fremder Tracht,
Der durch sein breites Schwerdt sich groß und furchtbar macht;
Ein Mohr, der in der Hand die bunte Fahne schwinget;
Ein muthiger Husar, der in die Feinde dringet,
Des schreckerfüllter Bart die wilden Lefzen ziert;
Dieß ist der bunte Schmuck, den jede Gondel führt.
So bald man linker Hand ins Rosenthal gelanget,
So sieht der steife Blick, wie alles lächelnd pranget.
Da thürmet sich das Grün der Buchen in die Höh,
Da wird der Haseln Laub zur schattigsten Allee;
Da suchet hellgrün Gras, durch seine lichten Flächen,
Der Linden Dunkelgrün, der Eichen Nacht zu brechen.
Dort zeigt ein volkreich Dorf des Thurmes steile Pracht,
Dort ist die Pleißenburg, von der manch Erzt gekracht.
Und kurz, man irret hier in volkerfüllten Gängen,
Die sämtlich ihre Pracht zu einem Dorf erlängen.
Da war der Tummelplatz, wo Jena seinen Held,
Den artigen Sylvan, zu rächen, aufgestellt.
Hieher kam Raufbolds Roß nebst seinem Secundanten.
Ihr rauschender Galop, die Augen, die schon brannten,
Ein ausgestoßner Fluch, ein siegendes Geschrey
Zeigt der Galanterie, daß dieses Raufbold sey.
Drum sprach sie dieses noch zu ihrem nahen Heere:
»Ihr Geister, wo euch nicht der Trieb nach Ruhm und Ehre,
Wofern euch mein Befehl zum Kampf nicht nützen kann,
So seht auf eure Stadt und dann auf den Sylvan.
Wie? wollt ihr, daß dem Fürst der Stutzer meiner Reiche,
Ein steter Feind von uns mit einem wilden Streiche,
Die Schönheit rauben soll, die sein Gesicht geziert?
Ihr Geister, wo ihr noch der Geister Namen führt,
So hört und thut mein Wort, dieß will ich euch gebiethen,
[82]
Du tapfrer Lindamor, du Fürst der Sybariten,
Dir will ich des Sylvans geweiht Gesicht vertraun.
Will es der Renommist mit seinem Stal zerhaun,
So dient dir dieser Schild von meinen eignen Händen,
Den wiederholten Stoß geschicklich abzuwenden.
Empfang ihn, brauch ihn wohl, dem nahen Feind zum Trutz;
Doch meinem Sohn, Sylvan, zum unfehlbaren Schutz.
Ihr andern aber kämpft, bezwingt auf dieser Fläche,
So, wie den Renommist, auch seiner Geister Schwäche.«
Sie schwieg, und Lindamor empfing von ihrer Hand
Den wunderbaren Schild, vor dem kein Feind bestand.
Er war von glattem Stal, im innersten Gehäuse
Lag die verborgne Kraft, die uns zwar jeder Weise,
Doch ungewiß beschreibt. Es war die Fliehungskraft 3,
Die, was den Schild berührt, auch von dem Schilde schafft.
Indeß verwandelte die Göttinn selbst ihr Wesen.
Ein glänzender Fasan ward von ihr ausgelesen,
In den verstellt sie sich. Der Federn bunte Tracht
War jeder Mod ein Trieb, der sie verändert macht.
Ein Vogel, den zuerst Canarien gesendet,
Der durch den weißen Schmuck die Europäer blendet,
Und durch den reinen Schall uns oft entzücket hat,
In den verwandelt sich die Mod in unsrer Stadt.
Sie flog auf ein Gerüst im Rosenthale nieder,
Und putzt auch da bemüht ihr blendendes Gefieder.
Vom bunten Stieglitz wählt der Franzen Mod ihr Kleid.
Dieß macht auch jetzt, wie sonst, der andern Vögel Neid.
Es ist im Rosenthal ein alterbaut Gerüste,
Zu diesem kam nunmehr der kühne Renommiste,
Mit ihm die Geisterschaar, der Geist der Schlägerey,
Der Kobold und zuletzt von jenschen Geistern drey.
»O Muse, sage mir die fürchterlichen Namen
Von Geistern, die allhier zuerst zum Kampfe kamen.«
[83]
Der Geist der Schlägerey, der schreckliche Pandur,
Um dessen wilden Mund ein lüftger Schnurrbart fuhr;
Der Raufbolds breiten Stal in festen Fäusten führte,
War allen fürchterlich und schlug, was er berührte.
Der Kobold, Raufbolds Schutz, der starke Warasdin,
Führt einen seltnen Stal, der wie ein Feuer schien.
Schnell, wie der krumme Blitz, fuhr er auf seine Feinde,
Und schnell beschützet er die ihm ergebnen Freunde.
Der dritte, Danathos 4, ist der, den alles scheut.
Oft treibt er Dichter an, daß sie die Zärtlichkeit,
Mit einem blauen Qualm, ja mit dem Tode schrecken,
Und oft ein ganzes Blatt mit Staub und Graus bedecken.
Ferondal und Algest benannte man noch zween,
Die, an Trabanten statt, dem Geist zur Seite stehn,
»Pandur fing also an: dieß ist der Ort zum kämpfen.
Hier, Brüder, wollen wir den Stolz der Stutzer dämpfen,
Sylvanen und zugleich das nackte Geisterheer,
Das zwar mit großem Schwarm, doch kindischem Gewehr,
Vor uns erschienen ist. Folgt mir, wir müssen siegen!
Wie leicht ist nicht ein Heer mit Fächern zu bekriegen?«
Auf jener Seite sprach der Putz zu seiner Schaar:
»Ihr Geister, nehmt ihr auch der Feinde Schwäche wahr?
Wie? wollen fünfe denn uns allen widerstreben?
Nun können wir getrost um unsern Stutzer schweben.
Kommt! ist ein Schlägergeist so kühn und greift uns an,
So fallet auf ihn zu, es ist um ihn gethan.«
Der Stutzer kam indeß zu dem verlangten Streite,
Der Schutzgeist Leipzigs gieng an seiner rechten Seite,
Und auf der linken ritt ein junger Secundant,
Der, den Husaren gleich, auf seinem Pferde stand.
Ein zugerittnes Roß trug, durch die gleichen Wiesen,
Den Stutzer muthig fort; es schien mit seinen Füßen
Die Erde fast zu fliehn; den glatten Kopf umzirkt
Ein purpurfarbner Zaum von Seid und Gold gewirkt.
[84]
»Sieh, Bruder, sprach Sylvan, sieh dort die Renommisten,
Die sich zum nahen Kampf zu unserm Tode rüsten.
Sieh, das ist Raufbold dort, dort in dem kahlen Hut.
Sein Blick ist schon erhitzt und er schon voller Muth.
Doch, Bruder, denk an mich, wir wollen ihn verjagen,
Sein Wetter und sein Blitz wird uns wohl nicht erschlagen.
Verwegen scheint er zwar, wofern man vor ihm flieht;
Allein er fürchtet sich, sobald er Wunden sieht.
Vermagst du deinen Feind nur erst zu überwinden,
Soll mich der Renommist auch nicht erschrocken finden.
Vor solchen Helden hält auch wohl der Feigste Stand.
Setz dein Vertraun auf dich und deinen Secundant.
Viel lieber wollt ich nie ein Lied aus Frankreich singen,
Könnt ich nicht meinen Feind auf einen Stoß bezwingen;
O Bruder, schlägest du den stolzen Renommist,
So denk auch, daß mein Feind von mir bezwungen ist.«
Er schwieg. Indeß erblickt sie Raufbold alle beyde.
Er nahm mit krummer Hand von seinem kurzen Kleide
Die große Peitsche weg, die er zurechte macht,
Daß sie auf den Sylvan, an statt des Grußes, kracht.
»Dich, sprach er bey sich selbst: dich will ich wieder brauchen,
O Peitsche, die ich oft, by meines Pferdes Rauchen,
Durch leichte Lüfte trieb, daß Straß und Markt erschallt,
Wenn du vor meinem Roß geschlängelt hast geknallt.
Mein Seel! wie oft hab ich mit dir die Magd zerschlagen,
Wenn sie mir den Taback nicht bald gnug zugetragen?
Wie oft macht ich durch dich die schwarzen Schnurren scheu?
Wie oftmals machtest du mich von den Schulden frey?
Ja, hab ich mich durch dich nicht auf dem Markt gerochen,
Da ein noch neuer Fuchs mir hönisch zugesprochen?
Sieh! heute führ ich dich von neuem wieder an.
Zertheile du die Luft, zerschmeiße den Sylvan.
Die Kraft empfängest du von meinen starken Händen,
Ich will dich voller Grimm nach seiner Larve wenden!«
[85]
Er sagt es, und ein Knall beweiset seinen Zorn.
Sein ihm getreues Roß, gereizt vom scharfen Sporn,
Springt durch das rothe Land. Mit aufgesträubten Mähnen,
Scheint es sich gegen ihn gebiethrisch aufzulehnen.
Die Peitsche folget ihm in tausend Krümmen nach.
Er eilt zu dem Sylvan, zu dem er dieses sprach:
»Hiermit will ich, Sylvan, an jenem Hohn mich rächen,
Womit du mich beschimpft«. Und ohne viel zu sprechen,
Schlug er ergrimmt auf ihn: jedoch Sylvan entwich,
Durch sein geschicktes Roß, der Peitsche wildem Strich.
So wie Dragoner schnell von starken Pferden springen,
Und mit gezücktem Schwerdt in dicke Glieder dringen:
So sprang der Renommist, und auch Sylvan herab,
Der sein geschmücktes Roß dem Diener übergab.
Sie ziehn sich schleunig aus, und in dem Augenblicke
Trat Raufbold, wie Sylvan, in seinen Stand zurücke.
Zuerst wagt Raufbolds Faust den ausgedachten Streich
Auf des Sylvans Gesicht; doch er verdarb sogleich.
Der treue Lindamor hielt dem geschärften Degen,
Mit ausgestreckter Hand, den Götterschild entgegen.
Dieß sah der Geist, Pandur, sein trotziges Gesicht
Erschreckt die Geister schon, obgleich er noch nicht spricht.
Dann rief er ihnen zu: »Ihr seht, getreue Schaaren,
Die Geister, die Sylvans umzirkt Gesicht bewahren.
Ihr seht es, daß der Hieb, den unser Raufbold that,
Den Stutzer kraftlos floh, weil ihn ein Geist vertrat.
Doch, Geister, sind wir hier, noch länger dieß zu sehen,
Und zwar, von Muthe voll, doch ohne Kraft zu stehen?
Nein, nein, kommt, folgt mir nach mit blitzendem Gewehr,
Erschreckt die nackte Schaar, brecht in ihr offnes Heer!«
So sprach er, und stürzt sich mit fürchterlichen Schritten,
In das erstaunte Heer der kleinen Sybariten.
Der starke Warasdin folgt mit dem Feuerstal,
Und diesem wilden Geist folgt die gedritte Zahl.
Wie wenn ein schneller Schwarm verwüstender Husaren,
Die schon mit breitem Schwerdt aus eisern Scheiden fahren,
[86]
Auf ein erblicktes Heer verhaßter Franzen eilt,
Sich in den Feind die Schaar schnell wie der Blitz zertheilt:
So schnell zerstreuten sich die Geister in die Glieder
Und was sich widersetzt, wirft ihre Hand auch nieder.
Schon sah der Putz vor sich den Kobold Warasdin.
Er lacht' ihn hönisch an und sprach: »Putz, willst du fliehn,
So thu es, aber bald; sonst will ich dich zerhauen,
Und deine ganze Schaar soll dich zertheilet schauen.
Du denkst zwar, daß du, Geist, nicht zu verwunden bist;
Allein mein Degen thuts, weil er von Feuer ist.«
Er sagts, und fährt sogleich nach seinen bunten Haaren.
Sein Stal verbrennt sie auch, weil sie von Bande waren.
Doch der geschwinde Putz verwandelt alsobald
Durch seiner Göttinn Macht in Puder die Gestalt.
Er führt den leichten Staub dem Kobold in die Augen,
Daß sie auf einmal blind, nichts zu erblicken taugen.
Zwölf Geister fielen drauf auf einmal über ihn,
Sie stürzen ihn zuletzt durch wiederholt Bemühn.
Wie, wenn der Hauer Fuß zur hohen Buche steiget,
Die als der ältste Baum Kiefhausens sich gezeiget,
Der Äxte wilder Hieb, der in die Runde prallt,
Von dem berühmten Schloß durch hole Forste schallt,
Und endlich, wenn sie noch den Gipfel wankend weiset,
So vieler Bauren Macht sie brechend niederreißet:
So sinkt auch dieser Geist. Jetzt fiel ein ganzer Schwarm
Bald auf die feste Brust, bald auf den starken Arm,
Und kurz, da sich auf ihn fast zwanzig Geister legen,
So kann er nicht einmal den Mund zum Rufen regen.
Indessen wüthete der schreckliche Pandur.
Wohin er in den Feind mit Raufbolds Degen fuhr,
Floh alles, was ihn sah. Schon wollt er die verjagen,
Die auf den Warasdin statt schwerer Fesseln lagen,
Jedoch indem war auch der Schutzgeist Leipzigs da,
Er rief mit starkem Ton, da er ihn kämpfen sah:
»Wo ist Pandur, wo ist dein fürchterliches Drohen?
Denkst du, daß weil vor dir ein Sybarit geflohen,
[87]
Der jetzt zum erstenmal mit Schlägergeistern kämpft,
So sey auch meine Macht und auch mein Zorn gedämpft?
Nein, nein, wofern du willst ein Geist der Schläger heißen,
So komm, ich will mich nicht vor dir verzagt erweisen.«
Er schwieg, und sieht den Geist, der bey sich brummend schilt.
Pandurens erster Hieb zerspaltet ihm den Schild.
Indem er aber denkt als Sieger fort zu eilen,
So sieht er von dem Geist sich auseinander theilen.
Ein Bach ätherisch Blut, das aus der Wunde schoß,
Macht, daß sein reger Zorn vergebens sich ergoß.
Jedoch weil aus der Luft der Dichter Geister stammen,
So wuchs sein halber Leib auch wiederum zusammen.
Zwölfmal flucht er ergrimmt, da er durchschnitten war,
Und zwölfmal streubte sich des Barts ätherisch Haar.
»So siehst du denn, Pandur, bey allen deinem Drohen,
Daß Leipzigs Schutzgeist nicht vor deinem Arm geflohen.
Er hat mit dir gekämpft, er hat dich auch gestürzt,
Allein er ist es auch, der deine Schmach verkürzt!
Komm, hiermit wollen wir uns wiederum versöhnen,
Was wollen wir uns denn zum steten Kampf gewöhnen?
Dein Raufbold wird nunmehr von mir und Leipzig fliehn,
Und du wirst den Sylvan doch nicht nach Jena ziehn.«
So wie das trübe Meer die wilden Wellen leget,
Doch noch den Furchen gleich die grüne Fluth beweget:
So war des Geistes Zorn zwar mehrentheils gestillt.
Allein er murrte noch, von innrer Rach erfüllt.
Schon da von neuer Wuth die Geister wieder brannten,
Erblickte man den Kampf der beyden Secundanten;
Sie trieben sich ergrimmt durchs ganze Rosenthal.
Jedoch wenn dieser stieß, wich jener jedesmal:
Wie wenn zween Widder sich auf einer Wies entzweyen,
Sie erst mit krummem Horn einander schüttelnd dräuen,
Der starke drauf den Feind durch alle Wiesen jagt,
Der niemals stille steht und fest zu streiten wagt.
[88]
Dieß macht, daß jeder Geist auf diese Kämpfer blicket,
Bis sie der leere Streit dem starren Aug entrücket.
Indeß da Raufbold noch mit Drohn und Fluchen ficht,
Jedoch der starke Schutz der Geister ihm gebricht,
Wächst seines Feindes Muth. Er schickte dieses Flehen
Zur Mod im härtsten Streit: »O Göttinn, laß geschehen,
Daß der, der gestern dich um deinen Beystand bath,
Sich heute wiederum zu deinem Throne naht.
Du siehst hier, Göttinn, selbst, du siehst den jenschen Krieger;
Sein Hochmuth hält sich schon gewiß für meinen Sieger.
Doch, Göttinn, steh mir bey, vollführe du den Hieb,
Den ich zwar oft gethan, doch der entkräftet blieb.
Vollführ ihn, so kann ich dem wilden Schläger zeigen,
Daß sich auch Stutzer nicht vor Renommisten beugen.
Dafür soll, Mode, dir mein Nachttisch heilig seyn;
Ich will zu deinem Dienst den ganzen Tag dir weihn.
Den ganzen Tag soll mich mein Spiegel vor sich sehen,
Und stets soll sich mein Haar in runde Locken drehen.
Ja, Göttinn, thust du es, so trink ich den Caffee
Nunmehr des Morgens früh, des Mittags aber Thee.«
Er sagts, und folgt sogleich dem innerlichen Triebe.
Ein Stich durch Raufbolds Hand folgt einem starken Hiebe.
Durch seiner Stulpe Spalt spritzt das erzürnte Blut;
Er wirft den Degen hin, und auch zugleich den Muth.
»Das Wetter und der Blitz, Sylvan, ich bin verletzet!«
So wie ein Jagdhund schnell durch leere Felder setzet,
Wenn er von fern den Schall des lauten Hifthorns spürt:
So eilt auch auf den Fluch, den Raufbold grimmig führt,
Der Geist Pandur herbey; er sah den überwunden,
Den er noch nie verzagt und nie verletzt gefunden.
Sein Eifer, den er fühlt, sprach dieß zum Renommist;
»Wie, Raufbold, ists auch wahr, daß du verwundet bist?
Ists möglich, soll dich nun ein Stutzer überwinden?
Wie lässest du dich denn so feig und zaghaft finden?
O Raufbold, wenn dich noch der Ruhm von Jena rührt,
[89]
Wofern sich nicht der Muth aus deiner Brust verliert;
So laß dich doch dein Wohl, dein eignes Wohl bewegen,
Und eile noch einmal nach dem verlohrnen Degen.
Sieh! hiermit heil ich dir die kleine Wunde bald.
Verletze den Sylvan, stoß zu und mach ihn kalt!«
Darauf führt ihn der Geist auf den Sylvan zurücke,
Und Raufbold rief ihm zu: o preise nicht dein Glücke!
»O Stutzer, komm und sieh, wer jetzo siegen kann.
Mit dir fang ich den Streit, obgleich verwundet, an!«
Der Geist der Schlägerey führt selbst den starken Degen;
Er selbst will den Sylvan mit Raufbolds Arm erlegen.
Kaum daß, vom Siege voll, sein Schutzgeist seitwerts wich,
Fühlt er schon durch den Arm den angebrachten Stich.
»Nunmehr bin ich vergnügt, nunmehr bin ich gerochen,
Da ich den Arm verletzt, der mich zuvor durchstochen.«
So sprach der Renommist. Er sang, indem er lacht:
»Der Abschiedstag ist da. Mein Leipzig gute Nacht!«
Er sagts, und jaget fort; der Peitsche freudig Knallen
Macht, daß im grünen Forst die Eichen wiederschallen.

Fußnoten

1 Gemeint ist Leipzig, die ›Lindenstadt‹.

2 das ehemalige Dorf Gohlis, ein Ausflugsort nahe dem Rosental.

3 Vis fugitiua.

4 Thanatos (griech.: Tod), vgl. S. 12, Anm. 14.


Notes
Erstdruck in: Belustigungen des Verstandes und des Witzes, hg. J.J. Schwabe, Leipzig 1744.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm. Der Renommiste. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AB49-7