Das acht und zwantzigste Lied
Des betrübten Mahrholds Klage/ über seinen glüks-wechsel in der Liebe

[380] 1.
Marhold saß in liebs-gedanken
mat von seufzen bei der A/
als ihn gleich in liebes-schranken
Adelmund/ sein nein und ja/
Adelmund/ sein preis/ geschlossen/
und mit liebes-tau begossen.
[381] 2.
Ach! sprach er/ wie manche Schöne
hat mier ihre gunst geschenkt:
Tausend Töchter gab mier Vene/
derer Liebe mich gekränkt.
Tausend haben mich bewogen/
und durch gunst zur gunst gezogen.
3.
Ich war gleich im ersten blühen/
als mich Himmels-hulde schohn
pflag in ihre haft zu ziehen/
ach zu früh! durch ihren tohn/
der so überlieblich schallte/
und durch alle sinnen hallte.
4.
Reinahrt war die zweite flamme;
Lielje ward mier bald entrükt:
dan hat mich die Liebetamme
kaum drei wochen lang entzükt.
Hildegond und Adelheit
brachten auch für freude leid.
5.
Erdmuht hätt' ich schier vergessen/
die so manchen lieben tag
mier in armen hat gesessen/
die mier lang im hertzen lag.
Doch die allertiefste wunde/
machte meine Rosemunde.
[382] 6.
Rosemund/ die ohne tadel/
fol von tugend/ schöhn und glat/
reich und von uhraltem Adel/
aus der großen Venen-stadt:
Diese machte solche wunde:
itzund ist es Adelmunde.
7.
Doch ich weis nicht was ich tuhe/
Rosemund liegt mier im sin/
und vergönnt mier selten ruhe;
ob sie schohn ist längsten hin.
Mein verhängnis hält mich feste/
Himmel/ zeuge mier das beste.

Leber-reim.

Die leber ist vom hecht/ von keiner taube nicht/
drüm/ Liebste/ weg mit ihr; sie ändert sinn und licht.

[383] Gedächtnüs-säule der überirdischen/ seligen Rosemund

Steh Wandersmann/ und grüße diese säule

mit tieffer ehr-erbietigkeit:

steh still: nim dier ein wenig weile

und schaue/ was mann Dier gebeut.

hier sollstdu das gedächtnüs hägen

der höchst-belobten Rosemund:

und Ihr auf diesen marmel-grund

so manches lobgedichte legen.

wan sich das jahr verneuet

so geht und streuet
der Rosen blüht/
seid stets bemüht
auf ihren preis/
der niemahls weis
sein end' und ziel:
rühmt oft und viel
ihr tugend-licht/
das nie gebricht/
das nie verbleicht/
das nicht entweicht/
das nicht vergeht/
so lang als steht
ein rosen-garten

von unterschiednen arten; so lang ein wohlberedter mund der Menschen hertzen machet wund. dan Ihr hat Marhold dis gedächtnüs hergesetzt Ihr Mahrhold/ den ihr lob noch allezeit ergetzt: streut blumen/ streuet laub/ ihr sterblichen/ streut zweige von palmen hier herüm/ daß sich Ihr Nahme zeuge.


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TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Das acht und zwantzigste Lied. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AF0F-D