[56] [59]Das zweite Buch.

Die (1) Einteilung.


Die Nacht schikte sich algemach zum Aufbruche. Sie begunte dem Tage die Oberfläche des Erdbodems / so weit sich ihr Gesichtskreus erstrekkete / wieder einzureumen. Ihre Fünsternis verzog sich und wich nach der Unterfläche zu / die Gegenfüßer zum Stilstande der Arbeit anzumahnen. Ihren dunkelen Schatten zertrieb das aufgehende Licht der Sonne: die nunmehr /mit ihren Morgenstrahlen / die Spitzen des Gebürges üm Timnat herüm gleichsam vergüldete.

(2) Simson hatte schier die gantze Nacht schlafloß verschlossen. Seine Liebesgedanken ließen ihn nicht ruhen. Ihr Uhrwerk stund nimmer stille. Das Verlangen den Tag seiner Hochzeit zu sehen / hielt Hertz und Augen wakker. Nur in der Morgenstunde fing er an ein wenig zu schlummern. Aber er hatte die Augen kaum geschlossen / als ihn / mitten in einem süßen Traume / ein plötzliches Getümmel im Brauthause schon wieder erwekte.

(3) Alhier ward iederman wach. Alles ward munter und rege. Die Tühren gingen auf und zu. Das Gesinde lief hin und wieder. Die Knechte spalteten Holtz zur Küche: da der Feuerherd schon rauchete. Die Zofen oder Mägde der Braut waren mit den Brautkleidern geschäftig. Die Brautmutter reichte sie ihnen zu. Der Vater machte die Anstalt zum Brautmahle. Ja die Braut selbst war schon bei der hand / den Brautschmuk anzulegen.

(4) Da hatte das Waschen / das Salben / das Schmieren / das Zieren / das Putzen / das Schmükken / das Pflükken / das Zükken / das Rükken / das Spiegeln / das Schniegeln schier kein Ende. Das Haar ward auf eine sonderliche Weise / wie dazumahl unter den Breuten gewöhnlich / geflochten und gezieret. Ja man war / der Schönheit / die ihr angebohren / [59] einen höheren Glantz zu geben / so überaus geschäftig / daß es schien / als wolte man / gar einen Engel / aus ihr machen.

(5) Unterdessen kleidete sich Simson auch an: wiewohl er lange so viel Zeit und Mühe sich zu schmükken nicht bedurfte. Auch hatte er hierzu keines Kammerdieners nöhtig. Er selbst verrichtete alles allein. In einem oder zween Zügen schob er seinen Breutgamsrok üm den Leib. Da stund er schon in seinem Hochzeitschmukke. An stat der vielen manchfärbigen seidenen und güldenen Bänder / damit die heutige Welt sich behänget / war ihm eine schlechte Binde genug: die er üm den Leib schlug den Rok fest zu binden.

(6) Sein Haar / darinnen doch seine Macht gleichsam bestund / krüllete / noch zierete er keines Weges. Er bestreuete es auch nicht mit einigem Haarstaube: den die itzige junge Manschaft aus wohlrüchenden Wurtzeln und andern Dingen / das Haar vor der Zeit grau zu machen / gewohnet ist zuzurichten. Er kämmete es nur / und lies es unverschnitten / mit langen Lokken / über die Schultern hinhängen. Viel weniger waren ihm die Französischen Haarstulpen bekant: welche man itzund vielmahls auch selbst über das schönste selbgewachsene Haar hin zu stülpen pfleget / und also lieber ein Falsches / oft gar von einem Feldglokkenklöppel geborgetes / als sein Eigenes / zu tragen begehret.

(7) Mehr Zierde ward man an diesem Breutigam nicht gewahr. Es war auch unnöhtig einen solchen Leib / der von innen so herlich gezieret / mit vielem auswendigen Zierrahte zu behängen. Die Tugend / die in Simsons Herzen wohnete / war ihm Schmukkes und Zierrahtes genug. Die Tapferkeit / damit man sein Gemüht begabet sahe / gab ihm einen weit grösseren Glantz / als aller Kleiderschmuk.

(8) Es geziemet keinen Man / auch keinen Jüngling sich zu putzen / sich zu schmükken / sich zu schmünken / wie die Weibsbilder. Viel weniger stehet es Helden zu; auf derer Rolle Simson eine von den vornähmsten Stellen besaß. Ein Ehrenkleid ist ihnen genug. Ein neuer / doch schlechter / wiewohl zierlich und gebührlich gemachter Rok vergnügte den tapffern Simson vielmehr / als eine mit Perlen und Golde gestikte [60] Kappe. Damit stutzte er / auf seiner Hochzeit / den dreissig Jungferstutzern zu trutze.

(9) Gegen den Mittag ging das Hochzeitmahl an. Die Hochzeitgäste versamleten sich. Die Schüsseln mit den Speisen warden herbei getragen. Simson und seine Braut / samt ihren dreissig Aufwärtern / ließen sich nieder. Die andern alle folgeten. Die Speisen warden vorgedienet: doch nur schlechthin / nach der damahligen Einfalt. Die Kunst vorzuschneiden / die Ahrtigkeit zu zerlegen war noch unbekant. Gleichwohl erzeigte sich iederman lustig. Einieder war guhter Dinge. Es ging alles mehr fröhlich / als prächtig / mehr lustig / als köstlich zu.

(10) Die Köstligkeit des vielerlei Getränkes / die Pracht der mancherlei Speisen / die Eitelkeit der betrüglichen Schauessen hatte die Verschwändung noch nicht eingeführet. Ein guhter Landwein war ihnen an stat alles fremden Getränkes. Ein Lams- und Kalbs-brahten / ein Gerichte von gekochtem Rind- oder Schafs-Fleische / vom einheimischen Gevögel und Fischwerke war ihr Wildbrät / ihre Lekkerspeise. Und diese Speisen zuzurichten hatte man keinen Koch aus der Fremde gehohlet. Mit der gemeinen Landweise war man zu frieden.

(11) Unter währendem Brautmahle gingen auch mancherley lustige Reden vor. Der eine schwatzete dieses / der andere das; wie bei dergleichen Gastereien gebreuchlich: da vielleicht auch den Fischen / wan sie also zusammen kähmen / ihre sonst ewigstumme Zunge würde gelöset werden. Simson wolte der Schweiger alleine nicht sein. Er wolte das Freudengelaak alleine nicht brächen. Er gab das seinige mit darzu.

(12) Aber alle diese Lustgespräche konten ihn gleichwohl lange so lustig nicht machen / als ihn seine Gedanken vom unlängst erlegten Leuen erlustigten. Ja alle diese vorgesetzte Speisen schmäkten ihm lange so lieblich nicht / als die süße Honigspeise / die er aus eben desselben Leuens Rachen genommen. Diese lag ihm noch immer im Sinne. Ja er lies sich bedünken / als zerflösse der Honig ihm noch immer auf der Zunge.

(13) Wessen das Hertz vol ist / davon gehet der Mund über. Simsons Geheimnis vom Honige muste nunmehr heraus. [61] Es muste nun über die Zunge springen. Was er bisnochzu verborgen gehalten / das muste nunmehr / doch nur rähtselsweise / geoffenbahret sein. »Wohlan!« sprach er / »ihr dreissig Jungferstutzer! Ich wil euch ein Rähtsel aufgeben. Es gilt dreissig Sontagskleider / und dreissig Sontagshemden. Treft ihr es / so wil ich euch verfallen sein: wo nicht / so solt ihr mir den aufgesetzten Preis geben. Und hierzu sollen euch unsere sieben Hochzeit Tage zur Bedenkzeit vergönnet sein.«

(14) Die dreissig Timnattischen Junkern wolten sich in Wahrheit nicht hohnekken laßen. Sie wolten so tum und tutzig nicht angesehen sein / als könten sie dieses Rähtsels Knohten nicht auflösen. So feig und albern lies sich keiner blikken. Und darüm nahmen sie den Vortrag an: indem sie ihnen einbildeten /es würde ja einer unter so vielen das Rähtsel errahten. Und eben daher durften sie sich auch gewis versichern / als hetten sie den aufgesezten Gewin schon gewonnen.

(15) Aber es schlug gleichwohl gantz anders hinaus. Sobald sie nur das Rähtsel höreten / da verfluchten sie bei sich selbst ihre so eilfärtige Vermässenheit: indem sie zur stunde vermerkten / daß ihr Vorwitz sie betrogen. Ja sie hetten ihr Wort gern wieder in den Mund gezogen: weil sie wohl sahen / daß sie / neben dem Verluste / nur Spot und Schande darvon tragen würden. Und also entfiel ihnen der gantze Muht / den sie kurtz zuvor so trotzig erhoben.

(16) Das aufgegebene Rähtsel lautete ohngefähr also: Speise ging vom Fresser / und Süßigkeit vom Starken. Hierdurch war zwar die Verborgenheit vom Uhrsprunge des Honiges nahebei entdekket. Aber diese Entdekkung kahm gleichwohl wieder unter einer andern Dekke der Verborgenheit zu liegen. Sie lag in einem künstlich zusammengeknöhteltem Zweifelsknohten verborgen. Sie war in einen klüglich geknüpften Knopf eingeknüpfet / oder vielmehr versperret. Sie befand sich mitten in einem spitzfindig gekünsteltem Irgarten eingeschlossen.

(17) Wiewohl sie nun zweifelten diesen Zweifelsknohten zu entknöhtelen / diesen verknüpften Knopf aufzuknüpfen / dieses verwürreten Irgartens Ausgang zu finden: so trieb sie [62] [64]doch die Befahrung der Schande / die Furcht des Spottes und Hohnes so weit / daß sie die sämtliche Macht und Kraft ihrer Sinnen anspanneten / die Auflösung / die Ausfindigkeit zu suchen. Aber ie mehr sie sucheten und grübelten / ie weniger fanden sie. Ie länger sie forscheten / ie tieffer verwikkelten sich ihre Gedanken. Ja sie verirreten / verwürreten und verstrükten sich selbsten dermaßen / daß sie kein Mittel erblikten sich von solchem verworrenen Irwesen loß zu würken.

(18) Weil / ihrem Bedünken nach / mit dem WorteFresser nichts anders / als etwan ein Tier / oder Vogel / oder Fisch / konte verstanden werden; so betrachteten sie diese Geschöpfe / so viel derselben ihnen bekant waren / alle miteinander gantz eigendlich. Gleichwohl fanden sie so straks keines / von dem etwas ginge / das den andern zur Speise dienete / viel weniger das einige Süßigkeit hette.

(19) Als sie sich nun noch eine guhte Weile dar über besonnen / stund einer unter ihnen / welcher der Klügeste sein wolte / plötzlich auf. Seine Gebährden zeigeten an / daß er was sonderliches vorzubringen hette. »Freuet euch! Freuet euch!« rief er überlaut. »Ich habe des Rähtsels Auflösung gefunden. Nun istSimson unser Schuldner worden. Nun ist er selbst / durch mein Zutuhn / in die Grube / die er uns gegraben / gefallen. Nun wird er uns zahlen müssen / was wir ihm zu zahlen von ihm bestimt waren. Seind wir nicht Narren / daß wir uns so lange bedacht / und dasselbe / das so leichtlich auszudenken ist / nicht ausdenken können? wir sehen es alle Tage. Wir gehen alle Tage damit üm. Wir essen und trinken es täglich. Ja es flüßet uns selbst / sobald wir gebohren / in den Mund.«

(20) Für großen Freuden fragten die andern nicht einmahl / was es sei. So viel Zeit wolten sie nicht verlieren. Straks lieffen sie sämtlich in das Brauthaus. Sonder anklopffen rissen sie zum Simson hinein: dessen Braut über dieses so unvermuhtetes Ungetühme nicht wenig erschrak. So froh waren diese Brautjunkern über ihren eingebildeten Gewin / den ihnen Simson nunmehr zu erlegen schuldig / daß sie aller Höfligkeit / und aller Ehrerbietigkeit vergaßen.

[64] (21) Simson saß eben und schertzete mit seiner Liebsten. Und in diesem schertzen hatten sich seine Gedanken so vertieffet / daß er ihrer nicht eher gewahr ward / als bis sie vor ihm stunden. Im ersten Anblikke schien er zwar / ihrer / ich weis nicht ob ich sagen sol / Kühnheit / oder Grobheit wegen / was ungehalten zu sein. Gleichwohl stund er auf / und fragte: ›Was sie bewogen ihn und seine Braut bei so früher Zeit zu besuchen?‹ Daß sie ihm die Auflösung seines vorgegebenen Rähtsels zu bringen anlangeten / waren seine wenigste Gedanken.

(22) Gleichwohl befand er es war zu sein / als der eine / der das Wort führete / ihn dessen versicherte. Er lächelte straks. Doch fing er zugleich an ihre Färtigkeit im errahten zu preisen. Nach einem zimlich langen Umschweiffe der Prunkworte / lief es endlich bloß auf eine Kuh hinaus. Eben also schlüpfete vorzeiten / aus den immer gebährenden Bergen / eine lächerliche Maus hervor.

(23) »Was ist Speisehaftiger / und zugleich süßer /als die Milch / die von der Kuh gehet?« sagte und fragte der Wortführer. »Ist dan die Kuh« / fragteSimson straks dargegen / »so freshaftig / und so stark / daß meines Rähtsels Fresser / und Starker dadurch könte verstanden werden? Ist dan nichts speisehaftiger / ist dan nichts süßer / als die Milch? Besinnet euch recht« / fuhr er fort / »ob nicht viel andere Dinge / die uns auch zur Speise dienen / weit süßer seind. Schier eben so wenig habet ihr die Speise meines Rähtsels errahten / als ein ander / der vielleicht sagen möchte / es werde dardurch das Ei / welches von einer Henne gehet / verstanden.«

(24) Hiermit musten die eingebildeten Rähtselauflöser recht kahl und beschähmt abziehen. Der Preis / den sie meinten gewonnen zu haben / war im Milcheimer ertrunken. Gleichwohl liessen sie nicht nach der Sache weiter nachzusinnen. Und weil Simson ihnen andeuten wollen / die Milch sei nicht süße genug / sie müsten auf was süßeres rahten: so gerieten sie endlich auf den Honig. Dieser dünkte sie zwar die allerüßeste Speise zu sein. Aber die Bienen / von denen er kahm / [65] waren weder stark /noch freshaftig. Sie waren nur schwache Tierlein / die mit einer gar wenigen Speise vergnügt. Und darüm konten sie sich zum Fresser und Starken gantz nicht schikken.

(25) Mitten in diesem Rahtshandel Sprung abermahl einer auf. Dieser bildete ihm gar gewis ein / des Rähtsels Ausfund gefunden zu haben. Ja er durfte wohl gar darzu schwöhren. »Ei!« sagte er / »seind wir nicht tumme Menschen / daß wir nicht an uns selbst gedenken? Von uns selbst gehet die Speise / die vielen Tieren so süße schmäkket / daß sie mit großer Begierde darnach happen. Zudeme seind viele von uns so freshaftig / daß sie kaum zu sättigen. Auch seind etliche so stark / daß sie keinem Tiere weichen. So ist dan der Fresser und Starke nichts anders / als ein Riese: und die Speise des Rähtsels eben dieselbe / die sein Leib / zur Speise der Tiere / von sich giebet /oder vielmehr von sich würfet.«

(26) Weil es nun schien / als wan die ungeschliffene Bauerteben / mit den plumpen und unflähtigen Schweinen / alhier zu rahte gesessen / und nur nach ihrem groben Gehirne / des Rähtsels Deutung zu errahten getrachtet: so kan man leichtlich gedenken /wie lächerlich sie dem Rähtselaufgeber sei vorgekommen. Auch gab er / mit schmuhtzerlachen / zur Antwort: ›daß sein Rähtsel mit der Menschen / und nicht der Schweine Speise zu tuhn hette. Es handelte nur allein von solcher / die den Menschen / und nicht den garstigen Seuen / oder geitzigen Hunden am süßesten schmäkte. Ja er meinet / keine unnähtige / stünkende /sondern eine recht reine und liebliche Speise / die auch von keinem Menschen ginge.‹

(27) Also lief es mit diesen Rähtselrahtern zum andern mahle kahl ab. Ja noch viel kahler musten sie abziehen / als vorhin. Vielmehr musten sie sich itzund schähmen / da sie eine so seuische Deutung / in Gegenwart der Braut / die sich ihrer Landsleute selbst schähmete vorzubringen sich nicht gescheuet. Nun war es mit den elenden Tropfen gantz auf die Neuge gekommen. Ihr Witz wuste nichts mehr. Ihr Verstand verstund nichts mehr. Ihre Vernunft vernahm nichts mehr / was zu ihrem Rahtshandel dienen möchte.

[66] (28) Drei Tage lang hatten sie solcher gestalt geschwitzet / als sie einmühtiglich zusammenstimmeten: es sei ihrer Unwissenheit unmüglich des Rähtsels Auflösung zu treffen. Und also lief es endlich auf diesen Schlus hinaus: man solte lieber die Sache gar angeben / als sich damit noch länger so vergebens ängstigen und peinigen. Es sei besser die Kräfte des Verstandes in solchen Dingen / die über ihren Verstand gingen / zu spahten / als / durch weiteres Kopfbrächen / gar zu veröden. Es sei ihren Sinnen ersprüßlicher / weil es doch anders nicht sein könte /dem Simson bei Zeiten gewonnen zu geben / als / durch längere Sinnenfolterung / anders nichts zu gewinnen / dan Zeitverlust / mit einem verlohrnen Witze.

(29) In solcher algemeinen Verzweifelung / da gantz kein Raht mehr vor handen zu sein schien / fand gleichwohl der verschmitzteste dieser Brautjunkern zum allerletzten noch ein Rahtsmittel. Sein Anschlag war: weil auf geradem Wege für sie nichts zu finden /solte man die Krümme wehlen. Weil die Aufrichtigkeit ihnen nur verhinderlich / solte man den Betrug ergreiffen. Man solte bei der Arglistigkeit Zuflucht suchen. Ein listiger Rank sei das beste Mittel Simsons Trotz zu fällen. Und hierinnen könte die Junge Frau ihnen zum Werkzeuge dienen. Dieser müste man liebkosen. Man müste sie trachten zu gewinnen / und auf ihre Seite zu bringen: weil man durch sie allein des Rähtsels Bedeutung erfahren könte.

(30) So gesagt / so getahn. Diese dreissig Jünkerlein wehleten von Stunden an / aus ihrem Mittel /einen solchen / welcher der allerberedsamste / verschlagneste / schmeuchelhafrigste / und freundlichste war. Ja er muste darbei auch schön und hübsch von Leibesgestalt / und recht anmuhtiger beweglicher Gebährden sein: weil diese zwei Stükke zur Beredung des Frauenzimmers das meiste vermöchten.

(31) Diesen rüsteten sie aus mit mancherlei zu ihrem Zwekke dienlichen Einschlägen. Sie gaben ihm in den Mund / was er reden solte. Sie unterrichteten ihn / wie er sich gebährden und anstellen solte. Sie unterwiesen ihn in allem / was er tuhn und laßen solte / ja was sie vermeinten / das zu Erlangung ihres [67] Verlangens dienen möchte. Und also schikten sie ihn ie eher / ie lieber fort.

(32) Der ausgeschikte junge Stutzer nahm eben der Zeit war / da Simson mit seinem Vater vor der Stadt einen Lustwandel täht. Unter währender dieser Zeit verfügte er sich behändiglich in die Kammer; da das junge Weiblein allein saß / und ihren Gedanken nachhing. Bei dem ersten Eintritte täht er nichts / als beugen und neugen. Hierauf traht er algemach näher hinzu. Und weil er sie in so tieffen Gedanken erblikte / fing er an seinen so kühnen Eintrit zu so ungelegener Zeit selbst zu bestrafen. Auch stellete er sich / als wan er wieder abträhten wolte / sie in ihren Gedanken nicht zu stöhren.

(33) Diese des jungen Stutzers Ehrerbietigkeit stund der Jungen Fraue wohl an. Diese Höfligkeit /mit der tiefsten Demuht begleitet / gefiel ihr über die maße. Ja seine so ausbündige Schönheit / mit so ahrtigen Gebährden verschönert bewegte sie solcher gestalt / daß sie / ihm hold zu sein / sich nicht entbrächen konte. Auch euserte sich diese Hulde zur Stunde so gar / daß sie ihn / mit den allerliebsäligsten Blikken / nöhtigte zu verziehen / und sich neben ihr niederzulaßen. Und hiermit war sein Augenmärk schon mehr / als halb / erreichet.

(34) Kein Vierteilstündlein hatten sie also beieinander gesessen / da täht er schon den ersten Versuch /mit den aller lieblichsten Worten sie zu seinem Vorhaben zu gewinnen. Erst fragte er sie: ›ob dan ihr Ehgatte die Erklährung seines aufgegebenen Rähtsels ihr nicht entdekket?‹ Darnach / als sie diese Frage mit Nein beantwortete / fragte er ferner: ›wie es müglich sein könte / daß ein Ehgatte dem andern / eine so kleine Sache zu offenbahren / durch die Liebe nicht solte bewogen werden? Wan Simson sie rechtschaffen liebete / warüm er dan nicht getahn / was eine solche Liebe mit sich führete; indem er vor ihr verhehlet /was er ihr / der Liebe wegen / zu entdekken schuldig?‹

(35) Endlich / nachdem er ihr solcher Fragen mehr vorgehalten / geriet er auch auf diese: ›ob sie dan solches / wan sie ihrem Ehherrn mit allerhand Liebkosungen / und schmeichlenden [68] Worten begegnete / zu erfahren sich nicht getrauete? Ob dan sein Hertz alsdan noch so gar erhärtet gegen sie bleiben würde? Er könte nimmermehr gleuben‹ / fügte er hinzu / ›daßSimson nicht würde bewogen werden / ihr / als einer solchen / die er / wie man wohl wüste / gantz inbrünstig liebete / eine so geringe Sache zu entdekken‹.

(36) Nach vielen dergleichen andern Reden / und Wiederreden / lies sich das Junge Weiblein endlich bewegen zur Ausforschung des Simsons ihren besten Fleis anzuwenden. Auch sagte sie dem jungen Abgeschikten mit Hand und Munde zu / sobald sie etwas ausgefischet / ihm dasselbe zur Stunde zu eröfnen. Und also schied dieser junge Läkker / mit großer Vergnügung / von ihr: indem er ihm einbildete die verlangte Erklährung des Rähtsels albereit in Händen zu haben.

(37) Doch dieser Anschlag wolte sobald nicht gelingen. Simsons Ehliebste beklagte sich zwar gegen ihren Ehgatten: er sei ihr gram; er habe sie nicht lieb: er habe den Söhnen ihres Volks ein Rähtsel aufgegeben / und ihr desselben Erklährung nicht entdekket. Aber Simson hatte Schultzenohren. Er hörete / und hörete auch nicht. Ja er stellete sich an /als wan er taub were: als wan ihm das Gehöhr / zusamt der Sprache / vergangen.

(38) Gleichwohl / als sie noch weiter auf ihn drang / solches zu wissen / gab er ihr / aus halben Unwillen / zur Antwort: »siehe da! du begehrest dasselbe zu wissen / das ich noch niemand in der Welt geoffenbahret. Ich hab' es meinem Vater und meiner Mutter nicht entdekket / und solte dir es entdekken. Laß nur ab dasselbe zu erforschen / das nicht zu erforschen ist. Daß du es wissest / ist mir schädlich / und dir nichts nütze.«

(39) Weil nun Simsons Fraue / bei diesem ersten Versuche / nichts erfahren / auch ihren Landsleuten / zu ihrer Vergnügung / nichts anmelden konte; so kahm man von den Schmeichelworten zu den Bedreuungen: dadurch ein blödes Weibesbild leicht zu überteuben war. Hatte man bisher mit gelinden Seiten gespielet / so begunte man itzund mit gantz scharfen /und schnarrenden / ja selbst brummenden sich hören zu laßen. Hatte die Gelindigkeit nichts verfangen wollen / so geriet man [69] itzund auf die Schärfe. Ja man drang auf sie mit schnarchen und pochen.

(40) Man zeigete ihr an / sofern sie / zur Gnugtuhung ihres Verlangens / nicht alsobald Raht schaffete / einen rohten Wetterhahn auf ihr Haus zu setzen. Mord und Brand solten die geringste Rache sein. Sie /und ihr gantzes Väterliche Haus solten es entgelten /daß man sie nur zu dem Ende zur Hochzeit geladen /sie arm zu machen. So machte die Halsstarrigkeit des eigenen Willens alhier aus bescheidenen Brautdienern gantz unvernünftige Bökke. So warden diese Brautstutzer unhöfliche Brauttrutzer.

(41) Aber es war nur ein Uberflus so zu schnauben und zu schnarchen / so zu pochen und zu trotzen. Es ist ohne dis / wan man einige Verrähterei wider einen Man vorhat / mehr als genug mit seinem leichtsinnigen Weibe zu handeln. Dieses wird darzu unschweer zu bewegen sein; so oft es entweder in der Liebe nicht gantz eifrig / oder in der Treue gantz unbeständig ist: wie Simsons seines sich erwiesen. Ein Weib / das leichtfärtig ist / pfleget darbei gemeiniglich auch verrähterisch zu sein. Ja es scheinet ihm die Verrähterei als angebohren / und so eigen zu sein /daß man nicht nöhtig hat es bei den Haaren zu diesem Laster zu ziehen.

(42) Doch diese Stutzer wolten alles überflüßig versuchen: weil sie wohl wusten / daß die Furcht / die den Weibsbildern mit der Muttermilch eingeflößet zu sein scheinet / sie zu einer solchen Treuloßheit üm so viel eher zu reitzen vermag / wan sie / durch ein grimmiges Gesicht / oder zorniges Schrökwort / rege gemacht wird. Ein Gemüht / das die Furcht beherschet /ist seiner selbst nicht mächtig. Dieser Gemühtstrieb /sobald er sich des Treibens allein angemaßet / ist so stark / daß er Urteil und Verstand zu Bodem wirfet.

(43) Hierauf begunte das schöne Hertzklämmerlein den zweiten Versuch: der in Wahrheit den Nahmen eines algemeinen Sturmes wohl führen mochte. Eine Schaar unzehliger Liebesblikke war der Vortrab. Denen folgete die Mänge vieler tausend Küsse. Diese warden begleitet durch den Schwarm erbärmlicher Klagen: die man durch eine große [70] Macht der Trähnen entsetzt sahe. Nach allen diesen Hertzklammern und Liebeshaken kahm das gantze Heer ihrer erdichteten Ränke / und künstlichen Listgriffe mit voller Gewalt auf ihn zugedrungen.

(44) In diesem Augenblikke war es / da sie die Einbildung bekahm / sie hette nunmehr / durch so viel Anfälle / seine Gemühtsneugungen in voller Macht sie zu drehen / wohin sie wolte: ja sie hette seines Hertzens Härtigkeit dermaßen enthärtet / daß es / sich vor ihr zu eröfhen / nicht länger zu widerstehen vermöchte. Und darüm wischte sie mit der Frage dessen /was sie zu wissen begehrte / plötzlich hervor. Plötzlich vermeinte sie ihn zu überraschen / und den Abgrund seines Hertzens auszuforschen / eh es die vorige Härte wieder bekähme.

(45) Aber es war abermahl vergebens. Sie klopfete wieder vor eines Tauben Tühre. Es fand sich niemand / der ihr auftähte. Simson schien taub und stum zugleich. Er hörete nichts. Er redete nichts. Er schwieg stokstille. Nicht ein einiges Wort ging aus seinem Munde: ja nicht ein einiger Kusch / auch nicht ein einiger Seufzer. Seine Sinne schienen als entzükt / seine Gedanken als entfernet. Kaum rührete / kaum bewegete sich ein Glied an seinem Leibe. Nährlich flos /nährlich schos ein Bliklein aus seinen Augen.

(46) Weil sie nun wähnete / daß er / aus ihren alzuüberflüßigen Liebkosungen / in eine so gar tieffe Verzükkung gerahten; so entschlos sie sich des Spieles Aufzug zu ändern. Sie wolte die Ergetzligkeiten /dadurch er das Gehöhr / samt der Sprache / verlohren zu haben schien / ihm auf einem Ruk entrükken. Si wolte / mit einem Zuge / ihm alle diese so übermäßige Wohllust entziehen. Und darum sprang sie / aus seinem Schöße / plötzlich auf. Plötzlich ris sie sich aus seinen Armen loß. Plötzlich schmis sie seine Hand /gleich als ergrimmet hinweg.

(47) Hierauf fuhr sie ihn mit zornigen Worten an. An stat der kläglichen Seufzer / erhub sich ein greuliches Unwetter auf ihrer Zunge. An stat der Hertzentzükkenden Küsse / brachen Hertzerschrökkende Donnerschläge aus ihrem Munde. An stat der erfreulichen Liebesblikke / schossen abscheuliche [71] Donnerstrahlen aus ihren Augen. An stat der Hertzverwundenden Liebespfeile / flogen Hertzzerschmetrende Donnerkeule aus ihrem Gesichte. An stat der heitern Klahrheit / war der Himmel ihrer Stirn mit düsteren Wolken verfünstert; und an stat der hellgläntzenden Spiegelglätte / mit dunkelen Schruntzeln überruntzelt.

(48) Simson bekahm einen harten Verweis. Sie gab ihm einen greulichen Ausputzer. Sie zog ihn erbärmlicher Weise durch die Hächel. Sie bezüchtigte ihn einer groben Unhöfligkeit. Sie beschuldigte ihn mit der höchsten Treuloßheit. Ja sie trachtete ihn zu überweisen / daß er Eid- wo nicht gar Ehbrüchig sich erwiesen: indem er ihr dasjenige / was die Ehpflicht erheischete / verweigert: indem er ihre Frage nicht einer Antwort gewürdiget: indem er sie nicht wissen laßen / was sie zu wissen verlanget.

(49) Bei dieser des Spieles gäntzlichen Verkehrung / stellete sich Simson zwar anfänglich / als widerstünde er ihrem Verlangen bloß aus Schertze. Es gab guhte Worte. Er suchete sie mit allerhand Entschuldigungen zu besänftigen: indem er zugleich vorwendete / die Beschaffenheit der Sache wolte / sie zu vergnügen / noch nicht leiden. Sie solte nur Geduld haben /bis die Zeit kähme: die auch schon im Ankommen begriffen. Dan würde sie alles erfahren / was sie zu er fahren so hertzlich / ja so schmertzlich verlangte.

(50) Aber mit diesen so leeren Vertröstungen war sie keines weges zu frieden. Dieses Aufschüben von einer Zeit zur andern war nur Oehl ins Feuer. Das Feuer des Verlangens brante hierdurch nur heftiger. Es ward nur kräftiger. Es flammete nur heller und heller. Es flakkerte nur ungestühmer. Ja es schlug endlich gar in eine gleich als tolsinnige Wuht aus.

(51) Als nun Simson / nach verschwundener Nahrung seiner Lüste / vermärkte / daß sie in ihrem gefassetem Unwillen und Zorne verharrete; da fing er wieder an den Verliebten zu spielen. Er bekleidete seine Reden mit gantz seidenen Worten. Und diese begleiteten die allerverliebtesten Gebährden / die aliersüßesten Schmeichelungen / die allerersinlichsten Liebkosungen. Ja er unterlies nichts / ja gar nichts /was zu ihrer Befriedigung / [72] und zu seiner Ergetzligkeit Wiederbringung dienen mochte. Hiermit erreichte er zwar sein Ziel so weit / daß endlich seine Umhälsungen zugelaßen / und seine Küsse mit Gegenküssen etlicher maßen erwiedert warden.

(52) Gleichwohl blieb sie noch immer karg in Liebesblikken / ernstlich im Wesen / kalt in Liebesbezeugungen. Ja die Liebe schien in ihr beinah in den letzten Zügen zu liegen; wo sie nicht schon gantz erkaltet / oder wohl gar erstorben. Und darüm küssete sie nur / wan sie küssete / mit kalten Küssen; denen die warme Hertzensluft mangelte.

(53) Simson fand auch in Wahrheit hierinen keinen Schmak: indem die vorige Belüstigung ihnen gantz entgangen. Ja es fehlte nicht viel / daß seine Liebe / die eine so kalte / so erfrohrne / wo nicht gar verlohrne Gegenliebe verspührete / nicht laulicht zu werden begonnen. Sie ward es auch in der Taht: aber aus dem Hertzen / da sie so tieffe Wurtzeln geschlagen / gantz vertilget zu werden war unmüglich.

(54) Indem nun dieses arglistige Weib verspührete / daß sie ihren Man nur fruchtloß erzürnet; da veränderte sie das Spiel aufs neue. Sie kahm wieder mit den vorigen Aufzügen angezogen. Sie spannete gar gelinde kleinlautende Seiten auf. Diese stimmete sie gantz nach seinem gefallen. Ja sie spielete / vor seinen Ohren so leise / so süße / so lieblich / so anmuhtig /daß sie seine schier eingeschlummerte Liebesneugung volkömlich wieder erwekte.

(55) Klippern gehöret zum Handwerke. Wer zu erhalten verlangt / darf nichts verweigern. Wer etwas zu erhaschen gedenkt / mus gantz leise Tritte tuhn. Wer einen Flüchtling zu ertapfen vorhat / mus hinter ihm her kein Gepulter machen. / Diese Tausendkünstlerin hatte ihr Handwerk sowohl gelernet / daß sie die Liebe / da sie kaum zu klippern und zu klimpern angefangen / schon wieder in Simsons Hertz eingeklimpert.

(56) Nach versaltzenen Speisen schmäkket das Süße viel lieblicher. Auf einen herben Trunk befindet man den Most am allersüßesten. Honig ist nie angenehmer / als auf Wärmuht genossen. Ein Mund mit Essige gespühlet findet den Zukker am alleranmuhtigsten. Einen Seeman ergetzet die [73] Windstille niemahls mehr / als kurtz nach ausgebrausetem Höllensturme. Ein Sonnenschein ist niemahls erfreulicher / als eben in der Zeit / da das Regen- und Hagel-wetter sich verziehet.

(57) Eben also war unsrem Simson dieses Weib niemahls lieblicher / niemahls süßer / niemahls angenehmer / niemahls anmuhtiger / niemahls ergetzlicher / niemahls erfreulicher vorgekommen / als in diesen Liebkosungen / nach eben überstandenem Sturme. Er hatte diesen Mund niemahls soholdsälig / diese Zunge nie so liebreich / diese Augen nie so liebreitzend befunden / als in diesen Schmeichelungen / da die Donnerschläge / die Donnerkeule / die Donnerpfeile ihn zu bestürmen erst aufgehöret.

(58) Aber dieser Liebesturm / wie heftig er war /vermochte gleichwohl eben so wenig / als der vorige Zorn- oder Höllensturm / die Standhaftigkeit Simsons über einen hauffen zu werfen. Seine Liebste erhielt nichts mehr / als die bloße Zusage / daß ihr straks nach den sieben Tagen ihrer Hochzeit / da zugleich die bestimte Bedenkzeit das Rähtsel aufzulösen vorüber sein würde / in allem / was sie verlangete /volle Vergnügung geschehen solte. ›Hierauf‹ / fügte er hinzu / ›beruhete seine gantze Ehre / daß er die Auflösung des Rähtsels so lange verschwiege / bis er seiner Feinde Laßdünkel zu schänden gemacht: indem er wohl wüste / daß ihr Verstand / diesen Zweifelsknohten / ohne seinen Vorbericht / zu entknöhtelen / lange nicht fähig genug wäre.‹

(59) Bei diesem so runten und letztem Abschlage /schlug ihr der Schlag dermaßen ins Hertz / daß sie in Ohnmacht zu bodem sank. Dan hierbei euserte sichSimsons gantzes Hertz. Er bekante gerade zu /warüm er bisnochzu / ihr des Rähtsels Erklährung zu eröfnen / so gar unerbitlich gewesen. Ja er gab ihr deutlich genug zu verstehen / daß er festiglich beschlossen ihr nicht eher damit zu wilfahren / als nach verflossener Bedenkfrist. Und darüm verzweifelte sie nunmehr gantz und gar; indem sie alle Tühren ihrer Hofnung verschlossen fand. Auch lag sie / in solcher Verzweifelung / gantz kraft- und muht- ja selbst schier bluht-loß / indem der Purpur ihrer Lippen verblichen / [74] die Zukkerrosen ihrer Wangen erblasset / und ihr gantzes Angesicht eine düstere Tohtenfarbe bekommen.

(60) Sobald sie sich ein wenig wieder erhohlet / begunte sich zuerst der Trähnenbach ihrer Augen zu öfnen. Mit kleinen Tröpflein fing er an: die als runte Perlen über die Bakken algemach hin kullerten. Denen folgete das Riselen. Endlich brach eine gantze Trähnenfluht durch die Tämme der Augen hin / und überschwemmete das Angesicht so gar / daß auch ein Strohm darvon selbst in den schneeweissen Busem geschossen kahm; da er sein herbes Salzwasser mit der süßen Milchsee, vermischete. Ja es schien / als wolte dieses gewaltige Gewisser ihren gantzen Leib überströhmen / wo nicht gar erseuffen.

(61) Weinen / und Wehklagen seind die zwo fürnehmsten Rüstungen der Weibsbilder. Hierinnen bestehet ihre meiste Macht / ihr euserster Nachdruk /ihre höchste Zuflucht. Weiberträhnen seind Waffen /die alles entwafnen / auch zuweilen die Grimmigkeit selbst. Es scheinet / daß darüm die Trähnen zugleich Zehren genennet werden; weil sie dasselbe / das dem Willen der Weinenden widerstehet / gleichsam verzehren / und aus dem Wege reumen. Ja es scheinet /daß sie darüm ihren Springbrun zuoberst in unsrem Leibe bekommen; damit sie als Giesbäche sein möchten; die von der obersten Höhe der Berggüpfel sich herab stürtzen / und alles / was ihnen im Wege / mit sich fortreissen. Sie reissen auch gewislich / so oft sie flüßen / den Willen dessen / der dem Willen des Weinenden widerstehet / gemeiniglich darnieder / und führen seine Bewilligung / als eine Beute / mit sich darvon. Und dieses tuhn sie nicht nur dem Menschlichen Willen / sondern auch dem Willen Gottes selbst / so oft dessen Algewalt / durch ihre Gewalt sich überwältigen zu laßen / ihnen verhänget.

(62) Die Gewalt aber dieses Trähnengewissers ist niemals gewaltiger / als wan es aus den Augen einer Geliebten schüßet: indem es die Sinne des Verliebten gleich als in einem Würbel herümtreibet / und seine Gemühtsneugungen bald hier- bald dort-hin durcheinander wirfet. Niemahls wird Menschlicher Anblik mehr zum Mitleiden bewogen / als wan er zwei Augen / [75] die er als zwo lebendige Sonnen verehret /verfünstert / und in Trähnen gleichsam zerronnen erblikket.

(63) Es siehet alzuerbärmlich aus / wan ein Wolkenbruch der Trähnen die Lilien und Rosen eines wunderschönen Antlitzes verwüstet. Es jammert Menschliche Seelen alzusehr / wan ein Platzregen der Augen die Schönheit eines so lieblichen Angesichtes /das man gleichsam anbähtet / vertilget. Es tauret einen Liebhaber / und tuht ihm im Hertzen weh / wan er den leibhaften Himmel seiner Wohllust in eine so gewaltige Wasserfluht gleichsam zerschmoltzen schauet: wan er schauet / daß seiner irdischen Göttin ein solches Glüksfällige Wassergrab / durch ihre selbst eigene Trähnen / zubereitet wird. Es pfleget auch gewislich auf einen solchen so anhaltenden Trähnenflus gemeiniglich eine See zu folgen; darinnen menschliche Schönheit nohtwendig ihr Grab /oder aber den Hafen des Erbarmens erreichen mus.

(64) In diesen Hafen der Erbarmnis trachtete auch in Wahrheit Simson Ehliebste / durch einen so heuffigen Trähnengus / anzuländen. Sie gedachte /durch einen solchen Trähnenseesturm / indem auch endlich die Winde tiefgehohlter Hertzensseufzer mit unterstürmeten / Simsons Hertz zu erstürmen. Sie verhoffete sich bei dem / der sie liebenswürdig geachtet / auch mitleidenswürdig zu machen. Ja sie vertrauete hierdurch die Wilfahrung ihres so sehnlichen Verlangens endlich einmahl zu erlangen.

(65) Wie behertzt sich Simson sonsten erwiesen; wie großmühtig und unbeweglich er vor diesem gewesen: so unbehertzt / so kleinmühtig / so bewegbahr schien er itzund zu sein. Ja es schien / als wan er mit aller seiner mächtigen Stärke so stark nicht sein könte / der Macht dieses Sturmes länger zu widerstehen. Kurtz / das Mitleiden brach ihm sein Hertz. Das Erbarmen schlich sich in seine Seele. Der Schmertz senkte sich in seine Sinnen. Sein Mund erstummete. Sein Gehöhr verlohr sich. Sein Gesicht erstarrete. Seine Gedanken wanketen von einer seite zur andern. Ja es fehlete nicht viel / sie hetten ihn gezwungen seine Zunge / der Trübsäligen zu wilfahren / in diesem Augenblikke zu lösen.

[76] (66) Unter solcher so stillen Verwürrung / oder vielmehr Entzükkung / welche sie / weil er kein Wort redete / für eine Würkung der Halsstarrigkeit aufnahm / rief sie endlich / aus Ungeduld / alle ihre Seufzer zusammen. Diese stürmeten zu erst inwendig so gewaltig / daß ihre Brusthügel zitterten / ja der gantze Busem / in überaus heftiger Bewegung / bald auf-bald niedersprang; nicht anders / als wan ein heftiges Erdböben vorhanden.

(67) Auf diesen inwendigen Seufzersturm / folgete der Ausbruch / mit so vielem Knallen und Krachen /als Seufzer heraus flogen. Er geschahe durch die zwo Rubinenmauren des Mundes: welche man anfänglich erschüttern / darnach gar voneinander gespaltet sahe. Der meiste Seufzersturm war / durch diese Spalte /kaum verflogen / als ein gantzer Schwarm Jammerworte / mit noch etlichen Seufzern vermänget / hinter ihm herdrung.

(68) »Ach! ich Elende!« fing sie an zu klagen. »Ach! ich Unglüksälige! Ach! ich Trostlose vor allen Frauen! Ach! wie bin ich dem Himmel so gar verhasset / daß mir / auf sein Verhängnis / die ersten Ehtage zu Wehtagen / die ersten Freudentage zu Leidtagen /ja meine Traue zur Trauer werden müssen! Mus dan selbst im Mittage meiner Hochzeit die Nacht der Traurigkeit mich überfallen? Mus dan mein Brautbette / darein ich nährlich gestiegen / mir so bald zum Trauerbette / ja aller meiner eingebildeten Wohllust zum Grabe werden? Ach! weh mir! Ach! weh mir! Ach! weh und immer weh!

(69) Ach! ich armsälige / ich drangsälige Braut! Mus ich dan itzund / da meine Brauttage noch nicht gar vergangen / meine Trauertage schon angehen sehen? Mus dan itzund / da ich Braut zu heissen noch nicht aufgehöret / die Liebe meines Breutigams schon aufhören? Ach! wie bald ist mir die hertzerfreuliche Rose der Lust zum abscheulichen schmertzerregenden Kreutzdorne geworden? Ach! wie bald hat sich die süße Blühte der Liebe in eine bittere Leidensbluhme verwandelt?

(70) O weh mir / daß mich mein Ehstand in diesen Wehstand so gar früh versetzet! daß mir nur alzufrüh mein Traubette [77] zum Trauerbette geworden? daß ich das Band der Ehe kaum gebunden / den Knopf der Traue kaum geknüpfet / und meines Ehgattens Zuneugung und Treue schon entbunden / und aufgelöset sehe! daß ich mit allen meinen ihm angetahnen Ergetzungen nichts / als nur lauter Widersetzungen / verdienet! ja daß er meiner für alle meine Liebesbezeugungen / indem er sie erst zu schmäkken begonnen /nur spottet / und sie nicht einmahl der Rede währt achtet!

(71) O weh mir / die ich so leichtgleubig gewesen! indem ich einem Manne gegleubet / der mich / in meiner Blühte / selbst anzubähten / ja zu vergötlichen schien / und nunmehr / nach kaum abgepflükter Bluhme / schon so gar verschmähet / und beschimpfet /daß er mich schier weniger achtet / als einen verlegenen Küchenhader / als einen Scheuerwisch / ja weniger / als einen Auskehricht.

(72) An mir / ach weh! finden dieselben / die sich rühmen / durch ihre Schönheit / Leibeigene gemacht zu haben / gleichwie ich leider! ehmals so unvorsichtig getahn / einen lebendigen Spiegel. Hierinnen können sie schauen / wie die Liebe desselben / der mich so inbrünstig zu lieben schien / ihre Brunst so plötzlich ausgebrunstet / daß nichts / ja gar nichts mehr darvon zu spühren ist. Ja hier erblikken sie die Treue der Männer / die ein schönes Weibesbild nur darüm lieben / oder vielmehr zu lieben sich stellen / damit sie es üm so viel eher betrügen möchten / nach dem Leben abgemahlet.

(73) Man bezüchtiget gemeiniglich die Weiber /daß sie die Unbeständigkeit und Treuloßheit / mit ihrem Leben und Leibe zugleich / auf die Welt gebracht / oder doch mit der Muttermilch eingesogen. Und diese Bezüchtigung schwebet / in allen Weingelaaken / auf aller Männer Zunge. Da doch niemand Treuloser / niemand Unbeständiger erfunden wird /als eben dieselben.

(74) Wan es wahr ist / daß die Weiber insgemein so gar Unbeständig / so gar Treuloß gebohren / wie man sie mit unrechte beschuldiget; so verwundert sich mein Gemüht billich / daß eben ich darvon ausgeschlossen sein mus: indem ich auch dem Allertreulosesten meine Treue / dem Allerunbeständisten [78] meine Beständigkeit keines Weges entziehen kan; wie ich wohl itzund gerne wolte.

(75) Es tuht mir im Hertzen weh / daß ich von demselben / in dessen höchster Gunst und Liebe zu stehen ich mir so gewis / als hertzinbrünstig er mich zu lieben schien / einbildete / nunmehr die allergeringste Gunst nicht auszubetteln vermag. Wan ihm etwan einiger Nachteil hieraus zuwachsen könte / so wolte ich nicht klagen. Vielmehr wolte ich seinen Abschlag selbst guht heissen.

(76) Aber ich sehe wohl / was es ist. Er ist meiner überdrüßig. Ich bin ihm ein Scheusal worden. Er hat an mir / aus meinen alzuübermäßigen Liebesbezeugungen einen Ekel bekommen. Er träget scheu und abkehr vor allem / was ich tuhe. Und eben darüm wil er mich nicht hören / viel weniger erhören. Ja darüm ist derselbe / der kaum angefangen mein Breutigam zu sein / der erst neulich für großer Liebe schier bärsten wolte / mir in einen Grausamen verwandelt. Ich erzittere / ja erschrökke / wan ich daran gedenke.

(77) Ich habe zwar / durch langes Anhalten / oder vielmehr Bätteln / ihm endlich noch so viel abgebättelt / daß ich eine leere / wo nicht schimpfliche Zusage zur Erhaltung meines Anhaltens erhalten: indem ich so lange warten sol / bis ein ieder / auch seine Feinde selbst / ja die Vogel auf den Tächern wissen werden / was ich zu wissen so hertzlich verlange. Aber diese Zusage / die so leer / und von der Gewährung so weit entfernet ist / kan ich für keine Gunstbezeigung im geringsten nicht aufnehmen: weil sie mir bloß allein zur Verkleinerung dienet; als eine solche / dadurch ein Breutigam seiner Braut auch das geringeste selbst abgescheumete Gassenvölklein vorziehet.

(78) O mehr als unglüksälige Braut! die aus einem so gar widerwärtigem Anfange nichts anders / als einen unglüklichen Fortgang ihrer Ehe zu weissagen vermag. O unbarmhertziger / ja selbst treuloser Breutigam! der dieselbe / die ihn so höchlich liebet / mit dem allerhäslichsten Undanke belohnet. O weh mir! daß ich hinfort mein Leben bei einem solchen Betrüger / bei einem solchen Wühtriche / bei einem solchen Gott- und heil-losem Manne zu schlüßen bestirnt bin!«

[79] (79) Mit diesen letzten Worten / da sie in Ohnmacht zu fallen sich stellete / ris sie / in einem Risse /den Busem auf / und entblöste ihre schneeweisse Brüste. Hierdurch gedachte sie Simsons Hertz vollend zu überrumpeln. Durch dieses Mittel vermeinte sie seine Hartnäkkigkeit zu erweichen. Durch diesen Listrank verhofte sie endlich einmahl seinen Willen zu erobern.

(80) Wer eine starke Festung einzunehmen gedenkt / der beängstiget sie zuerst mit unterschiedlichen harten Stürmen: Sobald er / mit unaufhöhrlichem loßbrennen der Geschütze / die Heuser zerschmettert /die Wälle durchpohret / und die Belägerten macht-und muht-loß gemacht; alsdan führet er seine Völker /unter dem noch anhaltenden Donner der Geschütze /mit dem bloßen Degen in der Faust / gegen den durchpohrten Wal an. Auch schikt er unterdessen einen gewaltigen Schwarm der Feuerkugeln / durch die Luft / auf die Bestürmeten zu. Also lesset er einen Sturm dem andern folgen. Endlich / imfal alle diese Stürme / ja selbst der Hauptsturm fruchtloß abgelauffen / doch die Bestürmeten darbei auch mat und müde geworden / kömt man zur gühtlichen Handlung.

(81) Auf eben dieselbe Weise trachtete dieses Weib ihres Simsons Hertzfestung zur Ubergabe zu bringen. Sie versuchte zuerst ihr Heil auch mit unterschiedlichen Stürmen. Auf den nassen Sturm ihrer Trähnengüsse / folgete der gewaltige Feuersturm ihrer Seufzer. Sobald dieser vorüber war / begunte sie auch den allerhärtesten Hauptsturm ihrer Worte selbst: die in Simsons Hertzen / als eitel spitzige mit Widerhaken gewafnete Pfeile / sitzen blieben. Endlich / als sie mit dem entblößeten Degen in der Faust nichts sonderliches ausrichtete / als die Schärfe der Worte nicht allerdinge verfangen wolte / grif sie gleichesfals zur gühtigen Handlung. Sie suchete die Liebe / welche sie / durch ihre letzte so gar stachelichte / ja gantz ehrenrührige Worte / aus Simsons Hertzen verjaget zu haben wähnete / darinnen wieder in ihren vorigen Stand zu bringen. Und hierdurch bildete sie ihr ein / seinen bereits waklenden Willen vollend zu übermeistern.

(82) Aber sie erreichte gleichwohl / durch dieses Listmittel / [80] [82]ihr rechtes Augenmärk noch nicht. Simson ward hierdurch nicht weiter beweget / als daß er / durch eine große Mänge seiner Liebesbezeugungen /sie zu beruhigen suchte. Ja er trachtete zugleich sie damit zu überzeugen / wie fälschlich sie seine Liebe /ja seine Treue beschuldiget. Und also waren alle ihre Listgriffe vereitelt. Alle ihre Anschläge schlugen fehl. Alle ihre Hofnung fiel in den Brunnen.

(83) Inzwischen brach der siebende Tag an. Der letzte Tag ihrer Hochzeit rükte herbei: mit welchem die bestimte Frist das Rähtsel aufzulösen solte zu Ende lauffen. Die dreissig Timnatische Jünkerchen kahmen am bestirnten Orte des Brauthauses zusammen den letzten Bescheid von der Braut einzuhohlen. Diese / die das Getümmel zur stunde vernahm / lies den schlafenden Simson liegen. Sie schlich gantz heimlich und leise zur Kammer hinaus / und begab sich vol Schrökkens zu ihnen. Es war gewislich hohe Zeit / daß sie erschien. Sonst hette die rasende Rotte das Brauthaus mit Morden und Brennen erfüllet.

(84) Kaum war sie zu ihnen hineingeträhten / da ging das Mord- und Brand-Dreuen schon wieder an. Sie lieffen als unsinnig um sie herüm. Der eine rupfte und zupfte sie hier / der andere da; nicht anders / als ein Stoßvogel eine gefangene Taube. Straks solte sie raht schaffen. Von stunden an solte sie ihr Verlangen erfüllen. Wo nicht: so solte ihr letztes Broht gebakken sein: so wolten sie die Armsälige zerreissen.

(85) Guhter Raht war alhier teuer. Die Gefahr stund vor der Tühre. Keine Rettung / noch Hülfe war zu finden. Die Drangsalen ümgaben sie auf allen Seiten. Sie zitterte für Angst. Alle Glieder böbeten. Die Sprache wolte nicht fort. Sie konte kein einiges Wort zu ihrer Entschuldigung vorbringen. Gleichwohl erhohlete sie sich endlich. Endlich fassete sie wieder Muht. Sie baht / mit flehender Zunge / mit seufzendem Munde / mit weinenden Augen / üm schönes Wetter. Sie vertröstete die erboßten Mordgurgeln / in den noch übrigen wenigen Stunden / ihr bestes zu tuhn. Sie wolte / zu ihrer Vergnügung / ihr euserstes versuchen. Könte sie ihnen alsdan / nach Wunsche /[82] nicht wilfahren; so wolte sie / die nun ihre Barmhertzigkeit anflehete / ihres Grimmes erwarten.

(86) Mit diesen kläglichen Worten schied sie von ihnen. Mit dieser letzten Vertröstung machte sie sich aus ihren Händen loß; doch nur auf eine kleine Galgenfrist. Und also ging sie wieder in ihre Schlafkammer. Alda begab sie sich straks vor das Bette / ihrenSimson / der noch immer fortschlief / zu wekken. Sie nahm ihn bei der Hand. Sie strich und strählete seine Wangen. Sie küssete seinen Mund / mit einem solchen Kusse / daß sich seine Lebensgeister darüber ermunterten.

(87) Simson ward zwar über diesem Kusse gantz wakker. Gleichwohl konte sein so höchlich erfreueter Geist nicht gleuben / daß er wachete. Er bildete ihm gäntzlich ein / daß er treumete: daß ihm / im Traume / der Himmel / mit aller seiner Wohllust erschienen. »Ach!« sprach er / »mein Engel! mein Freudenbild! meine Wonne! ja meine Sonne / die mich / nach so vielen erlittenen Stürmen / wieder ümleuchtet! Wo bin ich? Was seh' ich? was fühl' ich? was geniesset meine Seele für Lust? Ist dieser Kus /den ich fühle / wahrhaftig ein Kus? Oder dünkt es mich nur / daß ich ihn fühle?«

(88) In solchen schlafirrenden Gedanken wolte er weiter reden. Aber seine Liebste fing ihm das Wort auf / und sagte: »Mein Simson! mein Liebster! mein Trauter! Es ist wahrhaftig ein Kus / den du fühlest. Deine Liebste / deine eigene Liebste küsset dich wahrhaftig. Es ist warhaftig ihr Mund / der deinen Mund drükket. Es sind ihre selbst eigene Lippen / die deine Lippen befeuchten. Ich selbst bin es / die so hertzlich dich küsset / die so treulich dich liebet / daß sie auch ihre Liebe dir allein gewiedmet.«

(89) Hierauf erhub sich Simson / und ümarmete sie. Da erkante er erst recht aus was für einem Brunnen diese Laabnis seiner Seele gekwollen. Die Gegenküsse / die er gab / waren unzehlbar. Unzehlbar waren die Seufzer / mit denen er sein Hertz seiner Liebsten zuschikkete. Unzehlbar waren auch seine Liebesblikke / mit denen er den ihrigen so liebreich begegnete. Ja die Lust selbsten / die er empfand / war unbeschreiblich.

[83] (90) Aber diese seine Lust tauerte nicht lange. Mitten in diesen Ergetzlichkeiten kehrete sich das Blat üm. Die erfreulichen Blikke seiner Liebsten warden mit trüben Wolken plötzlich überzogen / und diese mit unzehlbaren Trähnen geschwängert. Auch schien es / als wan die Macht zu küssen ihrem Munde entwichen / und an ihre stat ein ewiges Seufzerleben darinnen entstünde. Auf die Gewalt der Seufzer / mit denen die Seele schier gar auszufahren schien / folgete wiederüm ein gewaltiger Trähnengus. Diesen beschlos sie mit der allerkläglichsten und allererbärmlichsten Rede.

(91) »Mich wundert« / sagte sie / »daß ich etliche Tage nacheinander in Seufzer gleichsam zerflogen / ja in Trähnen schier zerflossen bin / und gleichwohl Dich zu dem geringsten Mitleiden nicht bewegen können. Ist dan deine Hartnäkkigkeit so gar verhärtet /daß sie durch so vieles Bitten und Flehen keines weges zu erweichen gewesen? Ist dan dein Hertz härter / als ein Stein / den die trüpfende Regentropfen ermürben / ja endlich gar durchlöchern; indem es die Trauffe selbst meiner Trähnen nicht zu enthärten / und zum Brächen zu bringen vermag? Ist dan vor meinen erbärmlichen Klagen die Tühre deiner Barmherzigkeit so fest verrügelt / daß ihnen aller Eingang verweigert wird?

(92) Wan ich dieses wahr zu sein / aus der Erfahrung / nicht wüste; so würden meine Gedanken mich leichtlich überreden / daß ich treumete. Ich würde nimmermehr gläuben können / daß ein Breutigam seiner Braut / ein Ehgatte seiner Ehliebsten in einer solchen geringen Sache zu wilfahren so gar verstokt und so gar halsstarrig sein könte? Ja ich darf wohl sagen /daß ich solches zu gleuben / oder nur zu denken vor Sünde halten würde.

(93) Meine so oft wiederhohlete / und eben so oft ach leider! abgeschlagene Bitte wiederhohlet itzund diese meine gantz ohnmächtige Zunge zum letzten mahle. Zum letzten mahle flehet deine Liebste / deine Braut / dein selbst eigenes Hertz Dich wehmütiglich an. Ja sie flehet demühtiglich / mit gebogenen Kniehen / nur ihr allein dasselbe / das du in wenig stunden allen entdekken must / eine so kleine Zeit vorher zu[84] entdekken. Wan du ihr bloß so viel voraus zu geben geruhen wirst; alsdan wird sie erst recht gleuben können / daß Du / wie du sagest / sie liebest.

(94) Das Ehliche Band / damit wir so unlängst in treuer Liebe verbunden worden / wirst du ja so bald nimmermehr entbinden / daß du mir eine solche geringe Gunst zu erweisen verweigern wollest. Imfal du etwan vor mir / wie es scheinet / einen so frühen Ekel bekommen; weil du meine Schönheit / die Dich ehmahls zur Liebe bewogen / nun nicht wenig gemindert siehest: ach! so gedenke doch / daß dieses verfallene /vermagerte / betrübte / ja gantz erbärmliche Wesen /das du an mir erblikkest / nirgend anders herrühret /als von den übermäßigen Schmertzen / damit Du selbst eine Zeit lang mein Hertz so gar unbarmhertzig und ungnädig biß zum Tode zu gleichsam gefoltert.

(95) Du selbsten trägst die Schuld / daß deine Liebste so unlieblich / so häslich aussiehet. Du selbsten bist die Uhrsache / meiner verschwundenen Schönheit / meiner verschlundenen Liebligkeit. Die Unbarmhertzigkeit / die Grausamkeit / die aus der Asche deiner ausgebranten Liebe / mich zu peinigen /gebohren worden / hat sie vertilget.

(96) Ach! mein Liebster! denke doch nur ein wenig zurük auf deine vorige so inbrünstige Liebe. Denke doch an dein und mein Ehband / das noch so neu / so frisch ist / und das niemand / als der Tod / zu entbinden vermag. Denke doch an unsere unterlichgeschwohrene Treue. Wan Du dieses tuhst; so bin ich vergewissert / Du werdest so häslich / so ungebunden /so treuloß an mir nimmermehr handeln / eine so kleine Wilfahrung mir / im letzten Augenblikke meines Lebens / zu versagen.

(97) Ich erwarte dan dieser allergeringsten Wilfahrung endlich einmahl gewürdigt zu werden: indem ich keines weges müglich zu sein gleuben kan / daß Du /nach so langem flehen und bitten / unerbitlich zu sein verharren werdest. Entschleus dan denselben Mund /der mich deiner Liebe so vielmahls versichert. Entbinde dieselbe Zunge / die / durch stähtige Liebkosungen / in meiner Seelen eine so reine Liebesbrunst [85] angeflammet / mir dasselbe zu offenbahren / das mein Vorwitz zu wissen so ängstiglich verlanget.

(98) Eher wil ich nicht aufhören Dich anzuflehen /Du erhörest mich dan. Eher wil ich von diesem Fußfalle / den ich mit gebogenen Kniehen tuhe / nicht aufstehen / Du vergnügest mich dan. Eher wil ich von deinem Angesichte nicht weggehen / ich trage dan das Zeichen deiner völligen Liebe darvon. Ach! ich bilde mir schon ein / daß sich meine Arme üm deinen Hals schwingen / daß ich meinen Mund auf deinen Mund drükke / Dir für die so lange verlangte / und nunmehr erlangte Gnade zu danken.«

(99) Mit diesen letzten Worten / denen sie / mit den allererbärmlichsten und gantz hertzentzükkenden Gebährden / den kräftigsten Nachdruk gab / drung sie dermaßen durch / daß Simsons Stärke / wie stark und unüberwindlich sie sonsten immermehr sein mochte / gleichwohl alhier / solchen so harten Stürmen zu widerstehen / lange nicht stark genug sein konte. Auch fiel sein Gemüht / das ehmahls keiner Macht / wie mächtig sie war / gewichen / nunmehr gantz machtloß darnieder. Ja sein Hertz / das vor diesem / als ein harter Fels / gantz unbeweglich und unüberwindlich gestanden / ward itzund / durch solche so hertzentzükkende Machtworte / nicht anders / als ein wankendes Rohr / bald hier- bald dort-hin so lange beweget / bis es endlich gar brächen / ja wohl gar / als Wachs / zerschmältzen muste.

(100) Und also ward Simsons Hertz / nach vielen ausgestandenen Stürmen / endlich erobert. Endlich ward derselbe Großmächtige Muht / der so manches Helden Muhte die Spitze zu bieten vermochte / durch ein schwaches kleinmühtiges Weibichen / mit nichts anders / als mit bloßen Worten / entmuhtiget / und plötzlich darnieder geschlagen. Eine solche durchdringende Macht haben die Worte des Frauenzimmers / zuvoraus eines Geliebten / wan sie aus einem seuftzenden Munde / mit wehmühtigen Gebährden begleitet / hervorbrächen.

(101) Simson erzählete zuerst seiner Liebsten die gantze Begäbnis mit dem Leuen. Darnach zeigete er an / woher er [86] sein aufgegebenes Rähtsel genommen / und wie dasselbe zu errahten sei. Nähmlich durchden Fresser / darvon die Speise / und durch den Starken / von dem die Süßigkeit gegangen / würde das Fressende /und zugleich Starke Tier / der Leue / verstanden; in dessen Aases Rachen er die süße Honigspeise / welche die Bienen alda zubereitet / gefunden.

(102) Die Zuhörerin spitzte / bei dieser Erzehl- und Erklährung / die Ohren nicht anders / als ein Windspiel / das irgend hinter einem rauschenden Strauche /einen Hasen wittert. Sie märkte fleissig auf. Sie gab acht auf alle Worte: damit ihr ja keines entschlüpfen möchte. War sie vorhin traurig und betrübt gewesen; so war sie itzund / da sie / mit ihren listigen Ränken /des Rähtsels Erklährung so glüklich ausgefischet / üm so viel freudiger. Ja es sprang ihr das Hertz in ihrem Leibe für übermäßiger Freude; weil ihr Anschlag endlich einmahl den gewünschten Ausschlag gewonnen.

(103) Erstlich dankte sie bei sich selbst ihrem Abgotte Dagon / daß er sie nunmehr ihrer Bekümmernis abgeholfen / und aus ihrer vor Augen schwebenden Gefahr errettet. Darnach fiel sie ihrem Simson / mit beiden Armen / üm den Hals. Das Küssen / das Liebkosen / das Schmeucheln hatte kein Ende. Ja sie lies ihm / durch tausenderlei Liebespiele / die Ubermäßigkeit ihrer Vergnügung gantz überflüßig blikken: indem sie sich solcher gestalt anstellete / gleich als tähte sie der Pflicht einer aufrichtigen Dankbarkeit genug.

(104) Bei so plötzlicher Veränderung des Spieles /wuste Simson selbst nicht / wie ihm geschahe. Er stund gleich als entzükt. Er lies sich bedünken / als lebete er leibhaftig im Himmel der Liebe; als stünde er mitten im Paradiese: da seine Glücksäligkeit sich nimmermehr endigen würde. Und in solcher so lieblichen Entzükkung / schienen ihm seine Sinnen vorzuwerfen / daß er sie der Geniessung dieser so süßen Ergetzligkeiten so lange beraubet; indem er dem Willen seiner Liebsten nicht eher gewilfahret.

(105) Aber diese des Simsons Einbildung / die ihm solche seine Glüksäligkeit so gar langwierig vormahlete / spielete [87] das Spiel einer Betrügerin nicht weniger / als seine Liebste. Es ist zwar nicht zu leugnen / daß die weiblichen Ergetzligkeiten zum öftern dermaßen belustigen / daß sie derselbe / der ihrer geniesset / gar für Wohllüste des Ewigen säligen Lebens zu halten sich nicht entziehet. Aber durch ihre so flüchtige Kürtze lügenstrafen sie gleichwohl des Geniessers Wahn solcher gestalt / daß er gar bald gestehen mus /sie weren nicht anders / als ein bloßes Eigentuhm dieses vergänglichen Lebens.

(106) Die Süßigkeit des Kusses empfindet man länger nicht / als Mund auf Mund gedrükt den Kus giebet: wiewohl die Einbildung den Nachschmak darvon zuweilen was länger behält. Die Anmuhtigkeit der Hertzentzükkenden Liebkosungen ergetzet unsere Sinligkeit länger nicht / als so lange der Stimme Schal in unsern Ohren klinget: wiewohl ein Nachklang darvon unsrem Gedächtnisse zu zeiten so fest eingebildet bleibet / daß er noch lange genug in den Gedanken hallet.

(107) Eben also belustigen auch die Liebesblikke das Auge nur so lange / als sie es anblikken. Schüßen sie aber hierauf seitwärtshin / auf etwas anders / oder drehen sich / mit den Augen / welche sie auslaßen /gar üm; so bleibet uns von ihnen nichts mehr / als nur das bloße Gedächtnis ihrer Ergetzung noch eine Zeit lang / übrig. Und solches geschiehet üm so viel weniger / wan der Leib / dessen Augenlichter sie von sich geben / aus unsrem Gesichte sich entfernet / oder gar dem Tode zu teile wird. Nicht mehr Tauerhaftigkeiten befinden sich bei allen andern zeitlichen Ergetzungen: welche / daß sie kein ewiges Lust- und Liebe-leben hägen / das Wahrzeichen der Flüchtigkeit bezeichnet.

(108) Kaum hatte Simson diese so eitele Scheinliebelungen seiner Liebsten recht zu kosten an gefangen / da warden sie ihm schon wieder entrükt. Plötzlich hörete sie auf zu liebeln. Plötzlich hatte das umhälsen / das küssen / das hertzen / das schnäbeln ein Ende. Plötzlich verlies sie ihn; und lief dahin / da sich ihre Begierde zu entladen gedachte. Das ausgefischete Geheimnis des Rähtsels konte sie nicht länger verschweigen. Das Verlangen solches zu entdekken /beflügelte ihre Füße. [88] Sie lief / sie Sprung / sie flog nach dem Orte zu / dahin sie diejenigen / die auf dessen Entdekkung so ängstiglich / so schmertzlich warteten / beschieden.

(109) Ein Frauenbild / das wenig / oder wohl gar nicht liebet / ist eben so wenig verschwiegen. Es ist als ein Sieb / welches das eingefüllete Wasser straks wieder durchsiepern lesset. Es ist anders nicht / als ein Sandleuffer / dessen eingefülleter Sand im obersten Glase nicht eher zu lauffen aufhöret / als bis es ledig gelauffen. Kaum hat es das anvertraute Geheimnis mit den Ohren empfangen / als es schon wieder zum Munde hinaus eilet. Kurtz / ein solches Weib krieget mit Betruge / und sieget mit Verrähterei.

(110) Dessen giebet uns alhier Simsons Frau ein lebendiges Lehrbild. Ihre Liebe / welche sie euserlich vorgab / ging nicht von Hertzen. Sie war eine bloße Scheinliebe / ein bloßes Spiegelfechten / und in der Taht nichts / als Betrügerei. Und also war sie eine Betrügerin / damit sie eine Verrähterin würde. Sie betrog auch das getreue Hertz Simsons rechtschaffen / und verriet desselben so meisterlich abbetrogenes Geheimnis / mit der allerschänd- und schädlichsten Treuloßheit. Hier hies es wohl recht: Männerlist behände / Weiberlist ohne Ende.

(111) Nachdem die dreissig Stadtjünkerchen / am bestirnten Orte / lange genug auf ihre Zukunft gewartet / und nunmehr / aus Verzweifelung / schier rasendtol zu werden begunten; da brachte sie ihnen endlich die fröhliche Zeitung / daß Simson ihr sein gantzes Hertz geoffenbahret / und mit demselben auch die Deutung des Rähtsels. Diese nun empfingen sie von ihr / mit unaussprächlichen Freuden. Ja sie konten mit Jauchzen / mit Frohlokken / mit Händeklatschen kaum so lange warten / bis die Verrähterin ihre Verrähterei volzogen.

(112) Diese war nunmehr das beste Huhn im Korbe. Sie allein trug das Lob der Retterin ihrer Ehre / ja der Ehre des gantzen Vaterlandes darvon. Ihr allein dankte man. Sie allein rühmete man / als eine solche / die / durch ihre Weisheit / der Feinde Frohlokken vereitelt. Ja man kröhnete sie nicht allein / als eine Uberwinderin / mit unendlichen Lobsprüchen; sondern verehrete sie auch gar / als eine Göttin oder vielmehr Abgöttin [89] des Sieges: weil / durch ihre so kluge Listränke / der Sieg auf derer Seite gefallen /die sich schon überwunden zu sein geachtet. Und also ward diese betrügerische / verrähterische / Treu- und Gott-lose Frau / die nicht einmahl so viel währt war /daß sie den Erdboden beträhten solte / gar bis in den Himmel erhoben.

(113) Nach volendeten diesen Dank- und Lob-sprüchen / die nur mit der Flucht geschahen / lief die gantze Rotte vol Hochmuhts hin / den Simson zu suchen. Kein Kriegesschif / das mit vollem Vorwinde die See durchsegelt / kan so aufgeblasen einher lauffen / als diese sonst alberne Tropfen angelauffen kahmen. Ihr Ehrgeitz stieg so hoch / daß sie auch nicht einmahl so lange warten konten / bis die angesetzte Bedenkzeit vorüber. Die Ungeduld des Rähtsels Auflösung länger bei sich zu behalten / trieb sie über Hals über Kopf in Simsons Zimmer.

(114) Sobald sie ihn erblikten / fingen sie straks an / ihm / ohne einigen Grus / ohne einige Ehrenbezeigung / auf eine recht herrische oder vielmehr närrische Weise / zu gebieten: er solte den aufgesetzten Preis /den sie abzuhohlen kähmen / unverzüglich herschaffen. Simson / der über diese frefelhafte Tol- und Tum-kühnheit ihres Anmuhtens nur lachte / gab zur Antwort: sie solten zuvor / durch Auflösung des Rähtsels / den Preis gewinnen. Alsdan sei er bereit / sie /nach Gemäßheit seiner Worte / zu vergnügen.

(115) Hierauf sagten oder fragten sie / ohne weiteren Verzug: »welche Speise schmäkket süßer / als Honig / und was ist Fressichter und Stärker / als der Leue?« »Aber was ist Listiger« / fing ihnen Simson alsobald das Wort auf / »ja was ist betrüglicher und verrähterischer / als eine Fraue? Hettet ihr nicht mit meinem Kalbe / mit meinem kälberhaftigen Weibe gepflüget; so würde der Akker eures Verstandes diese Früchte so hoher Wissenschaft nicht getragen haben: des Rähtsels Geheimnis würde vor euch wohl unerrahten geblieben sein.«

(116) Wohl recht vergleichet Simson alhier sein Weib einem albernen Kalbe / das ohne Verstand und gantz unbedachtsam zu bläken pfleget. Ehweiber sollen nicht aus der Schuhle schwatzen. Ihres Mannes Heimligkeit sollen sie nicht auf den [90] Fischmarkt austragen. Es ist besser / daß sie bei ihnen vermodere / ja gar verwese / als so unverständig zu ihrer eigenen Schande / geoffenbahret werde. Von verfaulter Heimligkeit wird ihr Athem nicht stinken / und eben so wenig ihr Hertz bärsten. Hingegen machet die geoffenbahrte so tieffe Wunden / die übel zu heilen. Ja sie zerschneidet die Ehliche Liebe / die Ehliche Treue dermaßen / daß sie schwerlich wieder zu häften.

(117) Simson trauete seiner Braut. Er sahe sie für so getreu und verschwiegen an / daß er ihr das Innerste seines Hertzens entdekte. Aber sie verschwieg es nicht länger / als so lang sie bei ihm war. Der erste junge Tantzgeselle / den sie erblikte / muste das Geheimnis wissen. Und hiermit bekahm ihr Ehband einen so großen Ris / daß es nachmahls nicht wieder zusammen wolte. Auch schied Simson in Wahrheit gantz Unmuhts und vol Unwillens plötzlich von ihr.

(118) Er were zwar nicht schuldig gewesen den angesetzten Preis zu erlegen: weil er nicht aufrichtig / ja anders nicht / als durch Betrug und Verrähterei / gewonnen war. Aber mit Eseln sich zu überwerfen / und lange zu zanken kahm ihm ungelegen. Es stritte wider seine Großmühtigkeit. Zudem wolte er keines weges angesehen sein / als wan er so viel nicht vermöchte /ihnen den Gewin / ob er schon unrechtmäßig gewonnen / zu entrichten. Und darüm ging er straks hin /vom Geiste Gottes getrieben / nach Asklon / alda zur Zahlung seiner Schuld ie eher / ie lieber raht zu schaffen.

(119) Weil die Filister mit unsrem Simson so unredlich und betrüglich gehandelt / daß sie ihm seine Braut zur Untreue verleitet; indem sie seine Heimligkeit ausforschen / und ihnen / wider geleisteten Eid / und wider die Ehpflicht / verrahten müssen: so ergrimmete er billich / und schlug dreissig wohlgekleideten Filistern / bei der Stadt Asklon / den Hals in zwei: damit er von der Ausbeute ihrer Kleider zahlen möchte / was er schuldig worden.

(120) Es war eben ein schönes heiteres Wetter: welches die Bürger von Asklon hauffenweise vor das Tohr lokte / sich im Felde mit lustwandeln zu ergetzen. Dieser Gelegenheit nahm [91] Simson wahr. Er schlich anfänglich / als ein Fuchs / auf sie zu / darnach fiel er sie plötzlich an / als ein Leue: dessen Grimme niemand zu widerstehen vermag. Der erste /der ihme begegnete / muste das Gelaak / das er zuTimnat verschmauset / bezahlen helfen. Er ergrif ihn unverhuhts bei dem Halse / und knüp ihm so feste die Gurgel zu / daß er in einem nuh / ohne einiges Zappeln / oder Hülferufen / den Geist / in seiner Faust / aufgeben muste.

(121) Den andern / die in der nähe solches sahen /und zulieffen / ihren Mitbürger zu retten / war eben ein solcher Glüksfal bescheeret. Ihrer Neune lagen / in so viel Schlägen / straks zu bodem geschlagen. Noch andere Neune wurf er / in so viel Würfen / dermaßen wider die Steinfelsen / daß aus ihren Zerschmetterten Köpfen Gehirn und Bluht das Erdreich besprützten. Nun fehleten ihm / die Zahl vol zu machen / nicht mehr / als noch Eilfe: die er endlich auch bekahm.

(122) Unterdessen erschol das Geheule der Weiber / das Gewinsele der Kinder weit und breit. Jene bejammerten den Todt ihrer Männer. Diese beweineten ihre so plötzlich erschlagene Väter. Ja das Wimmerleichen / das Wehklagen / das Jammergeschrei dieser Witwen und Waisen währete so lange / bis das Land-und Stadt-volk in der nächsten Gegend herüm / nicht so wohl das vergossene Bluht zu rächen / als zu seiner eigenen Gegenwehre / zusammenzulauffen begunte.

(123) Einieder wafhete sich. Einieder rüstete sich so guht / als er konte. Einieder machte sich auf dem Verderber bei Zeiten zu steuren. Niemand wolte der Letzte sein. Auch die allerverzagtesten / die allerkleinmühtigsten lieffen herzu: welche gleichwohl die Muhtigsten und Kekkesten zu sein sich stelleten / sobald sie nur einen einigen / und darzu gantz ungewafheten Man ihres Anfalles erwarten sahen.

(124) Simson hielt stand. Sein Heldenmuht war ungewohnet zu erschrökken. Viel weniger waren seine Füße gewohnet zu flühen. Er wich der ankommenden Mänge nicht einen Fuß breit. Er achtete sie eben so wenig / ja wohl weniger / als einen Mükkenschwarm. Der Blitz seiner Tapferkeit / und die Donnerkeule seines Grimmes schossen ihm aus den Augen. Wo die [92] Strahlen seines Gesichtes sich hindreheten / da schienen sie ein unvermeidliches weit üm sich fressendes Zornfeuer auszustreuen.

(125) Im ersten Anblikke hielt ihn diese schwermende Rotte gar für unsinnig: weil er so verwegen sein dürfte vor einer so großen Mänge stand zu halten. Einieder war verwundert / daß er so gar unbeweglich der gewissen Todesgefahr sich darstellete. Alle waren bestürtzt / daß er auf seinen so nahen Tod so gantz unerschrokken wartete. Ja etliche sahen ihn endlich gar für ein Gespänst an: indem sie wähneten / der Geist ihres algemeinen Feindes des Josua / sei irgend aus dem Abgrunde herauf gekommen / sie vollend zu vertilgen. Andere / die ihn weder für einen Menschen / noch ein Spühknis hielten / urteileten: er sei etwan ein Engel / oder eine Gotheit der Israeler / die aus dem Himmel selbst angelanget / diese Fremdlinge / durch Göttliche Kraft / in das übrige Land einzusetzen.

(126) Bei diesem letzten Wahne begunte der Muht ihnen straks zu wakkeln. Auch zitterten etliche / durch Schrökken überfallen / dermaßen / daß ihnen das Gewehr schier aus den Händen fiel. Ja sie warden zuletzt so feig / daß sie nicht wusten / ob es rahtsam / oder unrahtsam sei den Angrif zu wagen. Gleichwohl wagten sie es / und rükten plötzlich auf Simson zu: indem es die meisten für Schande hielten / daß eine so große Mänge bewehrter Männer einem einigen Unbewehrten nicht unter Augen ziehen dürfte. Und hiermit erhub sich das algemeine Feldgeschrei: schlage toht! schlage toht! fälle nieder! fälle nieder!

(127) Aber es ging ihnen besser nicht / als den vorigen Neunzehen. Der erste / der noch so kek und kühne war den Simson anzutasten / muste von stunden an Leben und Spies in seiner Faust lassen. Mit diesem Spiesse sprang er / als ein erboßeter Leue / da der Schwarm am dikkesten war / auf die andern zu. Einieder Schlag / einieder Stich / ein ieder Streich gab einen Tohten. Ja er jagte den Spies zuweilen gar durch zweene hin: und schleiderte sie / als ein Riese die Zwärge / mit solcher Gewalt auf die noch stehenden zu / daß diese solcher gestalt [93] [95]niedergeschleidert /eben so wohl / als jene / des Aufstehens vergaßen.

(128) Als die Askloner seine so übermenschliche Stärke sahen / warden sie in ihrem letzten Wahne / daß es irgend eine Gotheit Israels sein müste / mehr und mehr gestärket. Und eben darüm wichen sie plötzlich zurük. Plötzlich machten sie sich aus dem Staube: indem sie meineten / es sei besser mit der Flucht das Leben zu retten / als solches / auf Hofnung eines Ungewissen Sieges / einzubüßen.

(129) Aber Simson wolte seine Zahl vol haben. Noch etliche mangelten seiner Rechnung. Dieser Mangel muste vollend ersetzt sein. Und darüm lief er den Lauffenden nach. Er verfolgete die Flüchtigen. Er jagte / wie ein gezörgeter Leue / hinter ihnen her. Etliche schlug er auf der Straße nieder. Andere / die schon in ihre Heuser geflohen / seiner so grimmigen Wuht zu entrinnen / erfuhren gleichwohl eben dasselbe.

(130) Es war seinem Arme keine Tühre zu stark /kein Schlos zu feste. Ein einiger Stoß sprängete sie auf. Etliche waren mit ungeheuren Höbebeumen verstöbelt. Aber diese zerknikte Simson / als einen broschen Stabelstok. Nichts / ja gar nichts vermochte seiner Stärke zu widerstehen. Er drung durch alles hin. Auch selbst die Mauren musten seiner Macht weichen.

(131) Nachdem er nun vermeinte / daß er zu seiner Rechnung genug hette; da lies er den übrigen das Leben. Er hörete zu schlachten auf. Spies und Faust lies er ruhen. Gleichwohl zog er den Erschlagenen die Rökke / samt den Hemden / aus. Mit diesen begab er sich zur Stunde wieder nach Timnat / diejenigen zu vergnügen / welche den bestimten Preis / der vielmehr verrahtenen / als errahtenen Deutung des Rähtsels wegen / gefordert.

(132) Also entrichtete Simson denselben Gewin / der ihm / samt seinem Geheimnisse / so listiglich /so betrüglich abgeraubet war / mit geraubetem Guhte. Ja er bezahlete die Filister mit der Ausbeute / die er von ihren eigenen Landsleuten genommen. Da hies es wohl recht: Untreue schlägt ihren eigenen Herrn.Der Filister eigene Köpfe musten es [95] entgelten /daß sie zu Timnat mit Simson / in Errahtung seines Rähtsels / so untreulich / so betrüglich / ja so verrähterisch gehandelt.

(133) Hier ging es dem großen Helden Simson /wie der großen Glokke. Diese / wan sie einmahl an das Brummen komt / kan so bald nicht wieder aufhören; ob sie schon niemand mehr ziehet. Er grollete und schmollete noch immerzu. Er konte des Zornes /den er auf sein so schönes Liebichen geworfen / nicht so bald vergessen. Er sahe die Verrähterin schähl an. Er sprach ihr kein Wort zu. Er konte bei ihr nicht tauren. Ihr Haus selbst schien ihm eine Wohnung der Nattern und Basilisken zu sein. Ja die gantze StadtTimnat war ihm / als ein Schlangen- und Drachen-nest / verhasset. Er vermochte daselbst kaum so lange zu bleiben / daß er seine Schuld abstatten konte.

(134) Zuweilen riet ihm der Zorn sich an derselben / die ihn so schändlich geteuschet / auf das euserste zu rächen. Aber die Heftigkeit seiner Liebe stritte darwider. Sie redete der Verrähterin das Wort / und entschuldigte sie. Gleichwohl muste diese Liebe zuletzt dem Zorne so weit weichen / daß Simson sich entschlos sein so ungetreues Liebichen zu verlaßen.

(135) Dieses urteilte er genug zu sein: weil ein Weibesbild nie höher beleidiget wird / als durch Verschmähungen. Es lesset auch in Wahrheit den Pfauenschwantz der Hofahrt / mit dem es / so bald es sich übermäßig geliebet zu sein verspühret / gantz aufgeblasen einher trit / von stunden an sinken / wan es / an stat geliebet zu werden / sich verachtet siehet.

(136) Wie schweer es ihm zuerst einen solchen Schlus zu nehmen fiel / ist nicht auszusprächen. Seine Liebesneugung wolte / noch konte es nicht zulaßen. Sie blies ihm stähts die Ohren vol. Sie führte ihm stähts zu gemühte / daß eine solche Beleidigung ihm selbst zum höchsten nachteilig: indem er sich dadurch vilmehr beleidigte / als seine Liebste. Diese könte er keines Weges verlaßen / er wolle dan zugleich mit alle die Ergetzligkeiten verlaßen / die er / aus ihrem so angenehmen ümgange / zu gewarten.

(137) Er solte behertzigen / was für Süßigkeiten /aus ihrer [96] so süßen Geselschaft: er genossen. Er solte bedencken / was hingegen für Bitterkeiten / durch Vermeidung so süßer Geselschaft / er ihm selbst veruhrsachen würde. Ja / was mehr ist / er solte wohl erwägen / was er tähte; indem er dieselbe verliesse / die sein Wohl und Weh / sein Leben und Sterben in ihrer Hand hette.

(138) Auf einen solchen so kützlenden Einspruch seiner Liebe geriet Simson in tausenterlei Angst. Lange blieb er zweifelschlüssig. Eine geraume Zeit lagen ihm diese Bedenkreden im Sinne. Er wuste nicht / wessen er sich entschlüßen solte: indem dasselbe / was die Liebe riet / das Urteil sowohl / als der Zorn / zur stunde widerriet. Endlich aber drung das Urteil durch; indem desselben schier verloschenes Licht der rechtfärtige Zorn / durch seine Flamme /volkömlich wieder anzündete.

(139) Dieses hielt ihm vor: die Untreue seiner Fraue müste gestraft werden. Ihre Falschheit und Betrügerei müste man unvergolten nicht laßen. Ihre Verrähterei müste er rächen. Wan er solches nicht tähte / würde sie in ihrer Boßheit nur erhärten. Er selbst würde sie darinnen stärken; indem er / durch seine Gelindigkeit und Achtloßheit / veruhrsachte /daß sie ihr einbildete / sie hette kein Ubels getahn. Ja wan er diese Verrähterei seines Geheimnisses gleich als unvermärkt hingehen liesse / so möchte sie dadurch leichtlich zu einer höheren veranlaßet werden. Sie möchte zuletzt wohl gar sein Leben verrahten.

(140) Hunde lernen / durch knauffeln an kleinen Riemichen / Leder fressen. Hette Simson / auf dieses Knauffeln seiner Hündin / ihr seinen Unwillen nicht blikken laßen; so würde sie in Wahrheit ihn endlich wohl gar gefressen haben. Sie hette ihn ohnezweifel seinen Feinden überantwortet. Zum wenigsten würde der Ubermuht bei ihr so hoch gestiegen sein /daß sie ihres Gehorsams / den sie ihm / als ihrem Manne / ja Heupte / zu leisten schuldig / vergessen /und über ihn / als ihren Knecht / geherschet.

(141) Der Kramtsvogel mistet / durch seinen eigenen Mist / den Ort / da sein Verderben wächset. Hette Simson der Eingebung [97] seiner Liebe gefolget / so würde seine Guhtwilligkeit den Ort / da sein Verderben schon zu wachsen begonnen / gleicher gestalt selbsten gemistet haben. Er selbst würde der Beförderer seines eigenen Unglüks gewesen sein. Er selbst würde seiner Liebsten Anlaß und Mittel / ihm den schädlichen Leim seines Verderbens zu kochen / gegeben haben. Ja er würde mit der Zeit so tief dahinein gesunken sein / daß er nachmahls unfähig gewesen were sich von so gefährlichen Lagen und Strükken loß zu machen.

(142) Alzuguhtwillig macht muhtwillig. Alzustränge komt zu keiner länge. Das Mittelmaß ist alzeit das beste. Simson wolte / durch alzugroße Guhtwilligkeit / den Muhtwillen seiner Liebsten nicht billigen. Auch trug er Bedenken ihr Verbrächen /durch alzuscharfes Verfahren zu rächen. Darüm begab er sich / zwischen diesen zwo Eusersten hin / auf die Mittelstraße. Er wehlete den Heerweg des Urteils; da er den Verstand und die Vernunft zu Geleitsleuten hatte. Und auf diesem wanderte er von ihr. Er gedachte sie auf eine Zeit zu verlaßen: damit sie / durch eine so gelinde Rache / gelinder und schmeidiger würde /und den Zaum des Ehstandes kennen lernete.

(143) Ein muhtiges Ros / sobald es märket / daß man sich für ihm fürchtet / lesset sich schweerlich zeumen. Ie mehr man ihm nachgiebet / ie unbändiger wird es. Und in solcher Unbändigkeit wil es weder Bereiter / noch Reitzaum leiden. Wan es aber siehet /daß sein Bereiter ein Man ist; dan lesset es seinen Hochmuht sinken: dan gehorchet es seiner Bohtmäßigkeit / und lesset sich zeumen und zähmen /als ein Lam.

(144) Eben so wenig wil eine muhtige Frau / den Zaum des Mannes / der ihr zuviel nachgiebet / vertragen. Ja wan sie märket / daß er sich für ihr scheuet /reisset sie ihm den Zaum zuletzt wohl gar aus der Faust / und zeumet ihn damit selbsten / als einen Maulesel. Da führet dan dieselbe / die untertähnig sein solte / das volle Gebiet. Da herschet dan dieselbe / die gehohrsam sein solte / mit voller Gewalt. Da höret der Man auf ein Man zu sein. Da ist es mit seiner Herschaft getahn. Da hat seine Knechtschaft / ja gar Leibeigenschaft kein Ende.

[98] (145) Aber unser Simson verfuhr mit seiner Fraue behuhtsamer. Derselben Knecht oder wohl gar Leibeigner zu werden stund ihm nicht an. Unter derselben Gehohrsam sich zu begeben / die ihm gehohrsam sein solte / war nicht seines tuhns. Er gedachte / weit darvon / ist guht für den Schus. Er wolte das Obergebiet / das ihm zukahm / ihr / durch alzuvieles Verhängen /nicht einreumen. Er wolte sie wissen laßen / daß sie ihn erzürnet. Er stellere sich / als hette sie seine Liebe / weil sie derselben / ihm zum Nachteile / so schändlich gemisbrauchet / gar vertilget. Und darüm beschlos er ihr auf ein weilichen seine Gegenwart zu entziehen. Ja darüm schied er auch aus ihrer Behausung / und kehrete wieder zu seinen Eltern.

(146) Diesen meldete er gleichwohl die Uhrsache seiner Wiederkunft nicht an. Er stellete sich / als ob er sie nur besuchen wollen: als täht er / was er tähte /bloß aus kindlicher Liebe; die ihm nicht gestatten wolte so lange von seinen Eltern zu bleiben. Die Unlust / die ihm zu Timnat begegnet / berührete er nicht mit einem Worte. Von seinem empfangenen Schimpfe schwieg er stokstille.

(147) Er fürchtete sich / wan er seine Begäbnis erzehlete / man möchte dadurch Anlaß nehmen ihm seine Eigenwilligkeit aufzurükken. Er befahrete sich /man möchte ihm vorhalten / daß er nunmehr in der Taht erfahren / was ihm sein Ungehohrsam / indem er dem Willen und Rahte seiner Eltern widerstrebet / für Früchte getragen. Ja er vermuhtete nichts anders / als eines harten Verweises / daß er sie / in seine so unglükliche Heurraht zu willigen gleichsam gezwungen.

(148) Der Mensch wil schweerlich gestehen / daß er geirret. Viel weniger lesset er sich überreden / daß seine Widerwärtigkeiten aus eigener Schuld / oder sein Unglük aus eigener Verwahrlosung seines Glükkes entsprossen. Widerfähret ihm irgend etwas Böses; begegnet ihm irgend ein Unheil: so schreibet er solches dem Glüksfalle zu; indem er ihm einbildet / es sei ihm etwan von ohngefähr zugefallen. Alles schübet er auf das Verhängnis. Alles / was Strafe genennet wird / mus zufälliger Weise geschehen zu sein heissen. So hofärtig ist er / daß er durchaus nicht bekennen / noch erkennen wil / er habe [99] gesündiget. So hartnäkkig ist er / daß er nicht sehen wil / ob er es schon siehet / daß er dafür büssen mus.

(149) Die Bekäntnis eigener Mishandlung ist menschlichen Gemühtern so gar zuwider / daß sie urteilen / es gereiche ihrer aus den allerhöchsten Selbständigkeiten entstandenen Hoheit zur Erniedrigung oder Verkleinerung / wan sie sich nur märken liessen /daß sie / durch Eigenwilligkeit / etwan einen Fehltrit getahn. Und darüm suchen sie / den Vorwurf / samt den Schältworten / zu vermeiden / ihr Ubelthun / wo sie es nicht verbärgen können / dannoch so listig zu beschönen / daß es wohlgetahn zu sein scheine. Ja sie fahren selbst darinnen so eigensinnig fort; damit sie das Ansehen einen Misschlag begangen zu haben üm so viel weniger bekähmen. Und dieses tuhn sie nirgend mehr / als im Beisein derer / welche sie für Schaden gewarnet / ihrer Warnung dadurch einen Fehler aufzubürden.

(150) Mit eben denselben falschen Stahtsgriffen gedachte Simson / wie es schien / den Staht seines Gemühtstriebes zu befestigen. Hiermit suchte er seiner Eigenwilligkeit ein ahrtiges Scheinfärblein anzustreichen. Ja hiermit vermeinte er dem Laster seiner Halsstarrigkeit den Mantel der Tugend ümgehüllet zu haben. Aber er betrog hierdurch niemand mehr / als sich selbsten; indem er ihm den steilen Abhang zum Verderben selbst schlüpferig machte / von der Höhe seiner Wohlfahrt üm so viel plötzlicher herunter gestürtzet zu werden. So urteilet menschliche Vernunft von diesem großen Helden: wiewohl es gantz scheinbarlich / wo es nicht vielmehr wahr ist / daß das Uhrwerk der Göttlichen Schikkung / in diesem Spiele /mit untergespielet.

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TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Romane. Simson. Das 2. Buch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AF34-8