193. Blaumäntelchen.

1.

Zwischen Warnemünde und dem Dorfe Diedrichshagen auf den Wiesen an der Warnemünder Scheide soll sich eine Frau in blauem Mantel ertränkt haben und noch jetzt Abends und Nachts Vorübergehende schrecken. Fuhrwerke und Fußgänger haben dort nicht von der Stelle kommen können.

2.

An der Feldscheide von W. und D. stand bis vor kurzer Zeit ein hoher Pfahl, dessen oberer Theil durch einen Querbalken zu einem Kreuze geformt war. Eine Frau ging Abends nach Hause zurück, konnte aber trotz aller Anstrengung nicht bei dem Kreuze vorbeikommen. Sie versuchte mit Aufbieten aller Kraft zu laufen, aber das Kreuz wich nicht von ihrer Seite. Sie wandte dem Kreuze den Rücken und eilte dem Strande der Ostsee zu; allein auch hier folgte ihr das Kreuz. Verzweifelnd lief sie in die Ostsee hinein, wo Blaumäntelchen keine Gewalt mehr über sie hatte. Da verschwand das Kreuz, erst spät und ganz entkräftet kam sie zu Hause an.

3.

Ein Mann, der nach W. wollte, kam an dem Grenzkreuze vorbei; da sah er unter demselben zwei Gestalten sitzen, er konnte [154] aber nicht unterscheiden, ob es Menschen, oder ob es Erwachsene oder Kinder waren. Sie wogten an dem Grenzpfahle auf und nieder. Wie er einige Schritte weiter gegangen war und sich nochmals umsah, waren sie verschwunden. Das war an einem Sommer-Nachmittage bei hellem Sonnenschein.


Candidat A. Reimers in Rostock.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 193. Blaumäntelchen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-E601-F