182. Wehrwölfe.

Allgemein bekannt ist die Sage vom Wehrwolf, wornach viele Menschen die Macht besaßen, sich durch Anlegung eines Wolfgürtels in einen Wolf zu verwandeln, und dann in der Nacht als Wehrwolf umherschweiften, um ihre Feinde oder deren Vieh zu zerreißen. Im Jahre 1682 wurden mehrere Menschen in Fahrenholz, welche angeklagt waren, daß sie sich in Wölfe verwandeln könnten, in gerichtliche Untersuchung gezogen, und noch vor 30 Jahren wurden in allen Kinderstuben zahlreiche Beispiele dieser Zauberei erzählt, obgleich es in Meklenburg seit länger als 100 Jahren keine Wölfe mehr gibt; ein Beweis, wie allgemein diese Sage ehemals verbreitet gewesen sein muß. Beyer in den Meklenburg. Jahrb. 20, 161; der hinzufügt ›So viel ich mich aber erinnere, habe ich in meiner Jugend nur von männlichen Wehrwölfen gehört, nie von weiblichen, obwohl in anderen Gegenden das Geschlecht keinen Unterschied macht.‹ Vgl. zu den folgenden Erzählungen noch Müllenhoff Nr. 318-320.

1.

Ein Mann besaß einen Wolfsgürtel, d.h. er hatte die Fähigkeit, sich in einen Wolf (Wehrwolf) zu verwandeln. Einst veranstalteten die Jäger eine Fuchsjagd und hatten ein todtes Pferd als Köder für den Fuchs in den Wald gelegt. Der Wehrwolf begab sich dahin und fraß von dem Pferde. Dabei wurde er von den Jägern überrascht und angeschossen. Er entfloh, und als man in das Haus des Mannes trat, der im Verdacht stand, ein Wehrwolf zu sein, fand man ihn im Bette mit der Schußwunde.


Baumeister Langfeld in Rostock.

[147] 2.

Eine junge Frau, deren Mann aus für sie räthselhaften Ursachen häufig abwesend war, schöpfte Verdacht, daß er ein Wehrwolf sei. Eines Tages arbeiten Beide auf dem Felde. Der Mann verläßt die Frau wieder. Plötzlich kommt ein Wolf aus dem Gebüsche hervor, läuft auf sie zu, faßt mit den Zähnen ihren rothen Friesrock und zerrt sie hin und her. Durch Geschrei und Schlagen mit der Heugabel vertreibt sie ihn; bald darauf tritt ihr Mann aus demselben Gebüsche, in welchem der Wolf verschwunden ist. Sie klagt ihm die ausgestandene Angst. Er lacht, und dabei zeigen sich die rothen Wollenfäden, die aus ihrem Rock ihm zwischen den Zähnen stecken geblieben. Sie gibt ihn beim Richter an und er wird verbrannt.


Aus Hagenow, durch Fräulein A. Krüger in Rostock.

3.

Ein Holzhacker arbeitete mit seinem Bruder im Walde. Letzterer entfernte sich, und bald darauf kam ein Wolf aus dem nächsten Busche. Der Holzhacker verwundet ihn mit der Axt am rechten Vorderbein, worauf der Wolf heulend entweicht. Abends beim Nachhausekommen findet der Holzhacker seinen Bruder im Bette, den rechten Arm unter der Decke versteckt. Erst nach längerem Dringen zeigt er denselben, und nun findet sich daran dieselbe Wunde, die der Holzhacker dem Wolfe geschlagen. Er klagt den Bruder an und dieser stirbt den Feuertod.


Aus Hagenow, durch Fräulein A. Krüger.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 182. Wehrwölfe. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-EF99-8