78. Der Mönkenberg bei Kritzemow.

1.

Südöstlich von dem Dorfe Kritzemow, ungefähr 3/4 Meilen von Rostock entfernt, liegt ein Berg, welcher der Mönken-, goldene oder Hexenberg genannt wird. In diesem Berge wohnten vor Zeiten Unterirdische, welche mit den umwohnenden Menschen in Frieden lebten und sich ihnen oft dienstfertig bewiesen; wurden sie aber zum Zorne gereizt, so suchten sie ihre Rache zu befriedigen. Ihr Getränk, ein gutes Bier, braueten sie selber, holten sich aber das dazu erforderliche Geräthe in der Nacht aus einem benachbarten Bauernhause, wofür sie sich dankbar erzeigten und die Einwohner dieses Gehöfts nicht allein mit diesem Getränke versorgten, sondern ihnen auch zum Wohlstand verhalfen. An diesem von den Zwergen bewohnten Berge liegt ein bedeutendes Torfmoor, damals dicht mit Holz und Busch bestanden. Hier hütete die Jugend des Dorfes nach damaliger Sitte des Nachts [60] die Pferde; diese Hirten aber waren gewöhnlich selber zu Pferde. Das Knallen mit Peitschen in der Nacht war nun den Unterirdischen sehr zuwider und sie hatten es sich schon oft merken lassen, daß sie dadurch in ihrer Ruhe gestört würden. Unter den Knaben des Dorfes zeichnete sich einer durch seinen Muthwillen aus und suchte fortwährend die Unterirdischen zu ärgern. Als er einst in einer hellen Nacht das Knallen betrieb, kam ein kleines Männchen auf ihn zu mit einem silbernen, inwendig vergoldeten Becher in der Hand und bot ihm einen Trunk daraus an. Der Hirtenknabe ergriff den Becher, aber statt zu trinken wandte er, da er sich nichts Gutes vermuthete, rasch das Pferd und jagte davon auf dem Wege nach Biestow und Rostock. Der Unterirdische eilte rasch hinter ihm her, mußte aber, als er an einen Kreuzweg kam, unverrichteter Sache wieder umkehren. Der Knabe, der sich noch immer verfolgt wähnte, hielt nicht eher an, als bis er sich in dem Kirchdorfe Biestow befand, mit seinem Becher in der Hand. Von der im Becher vorhandenen Flüssigkeit war ein großer Theil verschüttet, besonders beim Umsehen auf den Schwanz des Pferdes. Wie dieser Trunk beschaffen war, zeigte sich nun, denn die Haare des Schwanzes und wohin sonst noch ein Tropfen gefallen war, erschienen ganz verbrannt. Der Knabe war froh, dieser Gefahr entronnen zu sein, dankte Gott und schenkte den Becher der Kirche zu Biestow.


J.G.C. Ritter in Friedrichshöhe bei Niederh. 2, 120 f.

2.

Ein im Dorfe Kritzemow wohnender Tagelöhner, welcher fast das ganze Jahr Arbeit in Rostock fand, pflegte den Weg dahin immer sehr früh des Morgens zu machen, um zu rechter Zeit an die Arbeit gehen zu können. Als er nun eines Tages in der Morgendämmerung sich noch nicht weit von seinem Dorfe entfernt hatte, gesellte sich zu ihm ein kleines Männchen und erkundigte sich, weshalb er schon so früh ausgegangen sei. Der Tagelöhner erwiderte, er sei sehr arm und müsse deshalb sehr zeitig in Rostock eintreffen, um seine Arbeit und seinen Tagelohn nicht zu verlieren; er kehre darum auch Abends immer erst spät nach Hause zurück. Das Männchen lobte seinen Fleiß und Eifer, gab ihm auch beim Abschiede den Rath, er solle heute Abends auf dem Heimwege das Erste, was er finden würde, mit nach Hause nehmen. Der Tagelöhner behielt diese Worte in seinem Herzen, und aufmerksam sah er vor sich und um sich auf [61] dem Wege, der ihn nach seinem Dorfe führte. Aber er hatte schon über die Hälfte des Weges zurückgelegt und noch immer nichts gefunden. Schon hielt er sich für gefoppt, als er seitwärts in einem Graben ein todtes Pferd liegen sah. Nun glaubte er erst sicher, daß er geneckt sei und ging unmuthig weiter. Doch bald besann er sich. ›Kann ich auch das ganze Pferd nicht mitnehmen, so kann ich doch einige Stücke davon in meinen Brodbeutel packen und nach Hause tragen!‹ Damit kehrte er um, schnitt aus den Keulen ein paar tüchtige Stücke heraus und schleppte sie im Beutel nach Hause. Als er ankam, fragte ihn seine Frau, was er im Beutel mitbringe; er aber warf den Beutel in eine Ecke und sagte ›Oh nichts!‹ Als auf ihre wiederholte Frage immer dieselbe Antwort erfolgte, öffnete endlich die Frau aus Neugierde den Beutel und siehe da, das Fleisch war in lauter schönes Silbergeld verwandelt. Nun erzählte der Mann, wie er dazu gelangt sei; die Frau aber rieth ihm, schnell zurückzukehren und noch mehr, soviel er tragen könne, von dem todten Pferde zu holen, was er auch that. Allein, obgleich er den Graben ganz genau kannte und soviel er in der Dunkelheit auch suchte, das Pferd war verschwunden und er mußte sich mit dem begnügen, was er zuerst mitgenommen hatte.


J.G.C. Ritter bei Niederh. 4, 39 f.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 78. Der Mönkenberg bei Kritzemow. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-F567-5