225. Mühlheimer Sitten und Rechtsalterthümer.

I.

Item was man von brot, wein, mël, erbsen, gersten, schmaltz, Eiern vnd dergleichen hieoben vnd in der alten [209] Stat an aller hailigen Tag nachmittag in Vigiliis mortuorum, vnd in die commemorationis defunctorum, item in den Leibfahlen, siebenden dreissigsten, Jahrzeiten der abgestorbenen, item in den Vesperis am Sambß- vnd Feierabent per totum annum aufträgt, gehört in dem Messner in seiner Kirchen.

II.

Item an aller seelentag pflegen die Nobiles in Körblin oder Zainlin Mütschelin oder Brotlaiblin (welche man auß alter gewonhait Seelen nennet) auf den Fronaltar hieoben in der Statkirchen zu stellen, welche ainem Pfarrer allain zugehörend sampt dem wein so auf den Fronaltar gestellt wirt.

III.

Item wan die Weiber auß der Kindbet außgehend vnd durch den Priester in die kirchen consuetis ceremoniis introducirt werdend, habend sie im brauch gehabt, das wan der Priester ihnen die Stolam porrigirt, sie zween leichte pfenning auf die Stol glegt, welchen missbrauch ich mehrthails abgeschafft vnd inen befohlin, wöllen sie was geben, sollens sie es auf den altar legen 1.

Fußnoten

1 Mülh. Pfarrurbar v. 1610. S. 128. Mskpt. Mülheim O.A. Tuttlingen.

IV.

Wan die herren deß Gerichts zu Mülhaim herrengericht halten, so ladend sie allweg ainen Pfarrer zu der Mahlzeit vnd sagend, sie seien ihme dise mahlzeit schuldig, von deswegen dieweil ain Pfarrer alle Sontag nach der Predig für Schulthaissen, Burgermaister, gricht vnd ain gantze burgerschaft zu Mülhaim vnder andern auch Gotte bitte 1.

Fußnoten

1 A.a.O. S. 130.

[210] V.

In festo circumcisionis Christi nach mittag thut man ainen trunk auf dem Rathaus, da ists breuchlich, das man ainen Pfarrer gastfrei halte.

VI.

In die Cinerum kompt nachmittag ain gantze burgerschafft zusammen auf dem Rathaus, zechend allain mit wein vnd brot, wirt solcher trunck auß der Statseckel zahlt: wirt ain pfarrer auch berufen vnd gastfrei gehalten.

VII.

In festo Ascensionis nach dem man vmb den Esch in der procession vmbher geritten ist, finitis vesperis kommend ihren etliche gewisse personen auf dem Rathaus zusammen vnd thund ainen abend trunck, wirt von der stat sekel mehrtails bezalt vnd die kirch gibt ihren selbig zeit wolverdiente portion auch dazu; wirt der Pfarrer vnd Messmer alhie zu gast ghalten vnd der Caplan bei der gmaind zu Stetten 1.

Fußnoten

1 A.a.O. S. 131.

VIII.

Item es ist bisher breuchlich gewesen das man an den vieren Jahrzeiten Unser Lieben Frawen Bruderschafft den Pfarrer vnt alle Priester so auff diesselbigen celebriren sampt dem schulmaister baiden Messnern vnt baiden Pflegern von der Pflegschafft in ainem offentlichen wirtshaus hat zu Gast gehalten 1.

Fußnoten

1 A.a.O.

IX.

Item wan die Kirchenpfleger das präsentsmahl in des eltisten Pflegers haus geben in feriis Nativitatis vel post, werdend [211] alsdan der Pfarrer, Caplon, Schulmaister, Ober Messner vnd all drey Pfleger zu Gast ghalten. Von disem Mahl gibt man den Kirchendienern ihr praesents wegen der gestiften Jahrzeiten.

X.

Item an S. Viti Tag, welchen man zu Mülhaim feiret, helt man auß der Kirch Fabrik zu gast den Pfarrer vnd alle Priester, so celebriren, den schulmaister, baid Messner, all drei Kirchenpfleger 1.

Fußnoten

1 Pfarrurbar S. 132.

XI.

Von dem Schwein- gäns- hüner- vnd füllen- Zehenden. Die Pfarr Mülhaim hat von allen ihren Pfarrkindern, sie wohnend gleich zu Mülhaim oder außen, recht vnd völligen macht den zehenden von schweinen, gänsen, hünern vnd füllin zu empfahen.

1) Die Zehendschweinlin lifert man wan sie sechs oder siben wochen alt seind.

2) Die jungen gänslin wan schon nit gleich die Zehendzahl erfüllt ist lifert man nach Jacobi Apt. Majoris wan sie mit den flügeln geschrenkt habend.

3) Die hüner oder gülerlin, wan sie schon die Zehendzahl auch mitt erfüllt habend, sind schier erfüllend lifert man wan sie salva honestate köndend zum essen beraitet werden.

4) Für ain füllin gibt man vier heller; ist wol gleublich costanzer Wehrung etc.

XII.

An der Herren Faßnacht nach mittag um 3 oder 4 Uhren habend die von Entzberg ain gewonhait, das sie ainen Abendtrunk [212] mit ainem pfarrer thund, das ist sie mit ihren Dienern etlich kommend in den Pfarrhof vnd holend das Küchlin ut vulgo loquimur. Da wirt ihnen aufgestellt ain bratens, sulz Küchlin et si quid aliud ad secundam mensam spectans habetur. Allhie sollend meine successores gut acht haben, das sie nit ainen jeden admittirend oder ain jeden anhang ex civibus aut aliis wie dan ich es auch nit hab wöllen gestatten. Disen Abendtrunk gibt ain Pfarrer nit coacte sondern libere; die von Entzberg besuchend ainen Pfarrer also ex bona charitate et familiaritate vnd hingegen ain Pfarrer besucht die von Entzberg in nachgehenden zwaien Tagen auch vnd mit diser weiß wirt gute correspondentz gepflantzet: doch beruft vnd ladt man zu beiden thailen 1.

Fußnoten

1 Pfarrurbar S. 210.

XIII.

Item ist es ain Brauch gewesen vel potius abusus, das am Karfreitag nach Mittag ain Pfarrer hat dem Caplon, Schulmaister, Messner ain Fastenmahl geben; zu disem hat der Entzbergisch Fischer auß des junkeren Befehl die Fisch verehret vnd ist dises Mahlzeits auch fähig worden. Dieweil aber dises directe legi jejuniorum widerstrebt, hat herr Mathias App vor wenigen Jahren diß Mahl auf den Ostermitwoch transferirt. Vnd obwol danach ain Flaischmal kan zugericht werden; habend doch die von Entzberg etwan drey Diener zur Verehrung der Fischen darzue geschikt welche dan ainer ohne Schand mithat könden ohne Kröpff hingehen lassen, sodann um dise Mahlzeitt ainem Pfarrer ain groß gravamen gewesen vnd etwan an x ß vnd mehr gestanden, welches dan ainem solchen schlechten beneficio gar zu schwer ist, hab ich dem Caplon etc. da gelt darfür geben 1.

Fußnoten

1 Pfarrurbar S. 210 u. 211.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 225. Mühlheimer Sitten und Rechtsalterthümer. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-007B-8